Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 142/22
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die von ihr ausgeschriebene Stelle „Rüstzugmaschinistin/Rüstzugmaschinist - ausgewiesen nach A 9 des Landesbesoldungsgesetzes (LBesG NRW) - (Kennziffer 2261)“ mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 13.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO) rechtfertigen es, seinem mit der Beschwerde weiter verfolgten erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen und den angefochtenen Beschluss wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern.
4I. Der Antragsteller hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die streitbefangene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin verletzt den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Antragstellers auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (Bewerbungsverfahrensanspruch) (1.). Seine Auswahl in einem erneuten Auswahlverfahren kann nach der derzeitigen Erkenntnislage nicht vollkommen ausgeschlossen werden (2.).
51. Die Antragsgegnerin ist in rechtsfehlerhafter Weise zu der Annahme gelangt, der Beigeladene sei für die streitbefangene Stelle eines Rüstzugmaschinisten besser geeignet als der Antragsteller. Sie hat dazu in der Konkurrentenmitteilung vom 26.10.2021 ausgeführt, dass auf die unter der Kennziffer 2261 ausgeschriebenen beiden Stellen insgesamt 22 Bewerbungen eingegangen seien. Davon seien fünf Bewerber noch in der Besoldungsgruppe A 7 gewesen und für eine Beförderung nach A 9 nicht in Betracht gekommen. In Bezug auf die übrigen Bewerber seien deren Profile mit den in der Ausschreibung geforderten Qualifikationen abgeglichen worden. Ein Bewerber habe die Gesamtnote "befriedigend" gehabt, alle übrigen "gut". Da ein Mitbewerber bereits Hauptbrandmeister sei und seine Beurteilung deshalb höher zu bewerten sei als Beurteilungen in dem niedrigeren, nach A 8 besoldeten Statusamt, sei ihm eine der beiden Stellen übertragen worden. Für die übrigen Bewerber sei eine weitere Auswahl durch "Ausschärfungen" notwendig gewesen. Insoweit seien im Vorfeld der Stellenbesetzung folgende Wertungskriterien nach den für diese Stelle wichtigen Faktoren festgelegt worden: "Arbeitsbereitschaft und Pflichtgefühl" im Einsatz sowie im Wachbetrieb und "Sozialkompetenz" mit der Bevölkerung, mit Mitarbeitern sowie mit Vorgesetzten. Nach Anwendung dieser "Ausschärfungskriterien" seien der Beigeladene und der Antragsteller exakt gleich beurteilt. Daher seien weitere Auswahlkriterien heranzuziehen gewesen. Da die Funktion des Rüstzugmaschinisten vorwiegend von berufserfahrenen Mitarbeitenden wahrgenommen werden solle, sei als Hauptkriterium die Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr gewertet worden. Dass der Beigeladene eine um drei Jahre längere Berufserfahrung als der Antragsteller habe, sei für die abschließende Entscheidung zugunsten des Erstgenannten ausschlaggebend gewesen.
6Der Stellungnahme der Antragsgegnerin zum Stellenbesetzungsverfahren Rüstzugmaschinist (2 Stellen) vom 22.11.2021 ist ferner zu entnehmen, dass von den 22 auf diese Stelle eingegangenen Bewerbern tatsächlich nur vier der Besoldungsgruppe A 7 angehörten. Von den Beamten der Besoldungsgruppen A 8 und A 9, die allein für die ausgeschriebenen Stellen in Betracht gekommen seien, hätten alle die sonstigen formalen Voraussetzungen der Ausschreibung (u. a. die Ausbildung zur Kranführung bzw. die Bereitschaft, diese zu absolvieren, eine langjährige Erfahrung im Bereich Brandschutz und Hilfeleistung und vertiefte Kenntnisse als Maschinist von HLF [Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug] und DLK [Drehleiter mit Korb]) erfüllt. Die "Ausschärfungskriterien" seien im Vorfeld nach intensiver Diskussion festgelegt worden und sachlich begründet. Vor einer abschließenden Betrachtung dieser "Ausschärfungskriterien" in Bezug auf die Bewerber mit der Note "gut" seien zunächst die Parallelverfahren betreffend die weiteren Beförderungsstellen eines "Truppführers med. Rettung" durchgeführt worden. Die insoweit erfolgreichen Bewerber seien nicht weiter im vorliegenden Verfahren berücksichtigt worden. Der Antragsteller und der Beigeladene seien nach Anwendung der "Ausschärfungskriterien" punktgleich gewesen. Auch die vorletzte Beurteilung habe bei beiden mit dem Gesamturteil "gut" abgeschlossen.
7Der Annahme eines Leistungsvorsprungs in Bezug auf den Beigeladenen liegt damit ein unzureichender Qualifikationsvergleich zugrunde. Die Antragsgegnerin hat diesen Vergleich nur anhand der in den aktuellen Beurteilungen ausgewiesenen Gesamturteile, der Bewertung der fünf "Ausschärfungskriterien" und der Gesamturteile der vorletzten dienstlichen Beurteilungen vorgenommen und weiteren leistungsbezogenen Kriterien keine Relevanz beigemessen. Obwohl sich aus solchen weiteren Kriterien gerade auch in Bezug auf das für die angestrebte Stelle maßgebliche Anforderungsprofil leistungsbezogene Erkenntnisse für eine Prognose über die zukünftige Bewährung im Beförderungsamt ergeben konnten, hat die Antragsgegnerin im Ergebnis maßgeblich auf die Dauer der Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr abgestellt.
8a. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Danach sind öffentliche Ämter, zu denen auch das in Rede stehende Beförderungsamt eines Rüstzugmaschinisten der Besoldungsgruppe A 9 gehört, nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Auszuwählen ist der Bewerber,
9- im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
10von dem der Dienstherr im Rahmen einer rechtsfehlerfreien Prognose erwarten darf, dass er in der Zukunft den Anforderungen des zu besetzenden Amtes am besten entspricht. Der dabei in Ausfüllung der Begriffe "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliegt von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle von Auswahlentscheidungen ist insoweit beschränkt und hat sich nur darauf zu erstrecken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
11Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.9.2016 - 2 BvR 2453/15 -, NJW 2016, 3425 = juris Rn. 19.
12Art. 33 Abs. 2 GG trägt dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet.
13Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.9.2016 - 2 BvR 2453/15 -, a.a.O., Rn. 18.
14Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen.
15Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 -, NVwZ 2016, 682 = juris Rn. 31, vom 21.4.2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 -, NVwZ 2015, 1279 = juris Rn. 76 und vom 4.10.2012 - 2 BvR 1120/12 -, NVwZ, 2013, 573 = juris Rn. 10.
16In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt regelmäßig anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen hat. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann der Dienstherr in einem weiteren Schritt auf einzelne Gesichtspunkte von besonderer Bedeutung abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. So kann er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, besondere Bedeutung beimessen.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - 2 C 16.09 -, NJW 2011, 695 = juris Rn. 46; BVerfG, Beschluss vom 4.10.2012 - 2 BvR 1120/12 -, a.a.O., Rn. 13.
18Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, wenn etwa den ausgewiesenen sozialen Kompetenzen sowie den Führungskompetenzen eines der Konkurrenten eine für die Auswahlentscheidung maßgebende Bedeutung beigemessen wird. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es Sache des Dienstherrn, festzulegen, welchen Eignungsmerkmalen er bei einer konkreten Stelle ein größeres, für die Besetzungsentscheidung ausschlaggebendes Gewicht beimisst.
19Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.9.2007 - 2 BvR 1855/07 -, NVwZ-RR, 2008, 433 = juris Rn. 8
20Solange ihm unmittelbar leistungsbezogene Erkenntnisse für den Vergleich vorliegen, ist deren zusätzliche Berücksichtigung bei der Auswahl indessen nicht fakultativ, sondern mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG vorrangig vor anderen Kriterien, insbesondere so genannten Hilfskriterien, wie etwa der Frauenförderung oder dem Dienstalter, geboten, wenn es gilt, einen Stichentscheid unter zwei oder mehr aktuell annähernd gleich beurteilten Beamten zu treffen.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2011 - 2 C 19.10 -, NVwZ, 2011, 1270 = juris Rn. 20; BVerfG, Beschluss vom 7.3.2013 - 2 BvR 2582/12 -, NVwZ 2013, 1603 = juris Rn. 21.
22Daher ist der Dienstherr bei gleichlautendem Gesamturteil zunächst verpflichtet, die Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung unter Anlegung gleicher Maßstäbe zur Kenntnis zu nehmen. Gerade dann kommt den Einzelaussagen nach dem Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilungen, über Leistung und Eignung der Beamten ein differenziertes Bild zu geben, besondere Bedeutung zu.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2011 - 2 C 19.10 -, a.a.O., Rn. 17 und Beschluss vom 19.12.2014 - 2 VR 1.14 -, IÖD 2015, 38 = juris Rn. 35; BVerfG, Beschlüsse vom 5.9.2007 - 2 BvR 1855/07 -, a.a.O., Rn. 8, und vom 4.10.2012 - 2 C 16.09 -, a.a.O., Rn. 13.
24Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung,
25vgl. Beschluss vom 21.2.2017 - 6 B 1109/16 -, NVwZ 2017, 807 = juris Rn. 26 ff. mit weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung des 1. Senats des beschließenden Gerichts,
26davon aus, dass der Dienstherr bei Beförderungsauswahlentscheidungen im Falle gleichlautender Gesamturteile der Frage nachgehen muss, ob die Einzelfeststellungen in aktuellen dienstlichen Beurteilungen eine Prognose über die zukünftige Bewährung im Beförderungsamt ermöglichen.
27Sind mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen allerdings auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.2021 - 1 WB 34/21 -, NVwZ-RR 2022, = juris Rn. 38.
29In diesem Zusammenhang kann dem Anforderungsprofil besondere Bedeutung zukommen. Dieses Profil kann konstitutive oder fakultative Merkmale enthalten. Erstere sind zwingend vorgegeben und ihr Vorliegen ist anhand objektiv überprüfbarer Kriterien als tatsächlich gegeben festzustellen. Demgegenüber sind fakultative Anforderungsmerkmale solche Qualifikationen, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen (weil sie beispielsweise nur "erwünscht" oder über die zwingenden Anforderungen hinaus "erwartet" sind) oder deren Vorliegen nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten ohne Wertungsspielraum - bejahend oder verneinend - festgestellt werden kann.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.6.2018 - 1 B 1381/17 -, juris Rn. 22 mit weiteren Nachweisen; OVG S.-H., Beschluss vom 17.6.2019 - 2 MB 32/18 ‑, juris Rn. 10.
31Ob ein Bewerber über eine (nur) fakultative Qualifikation verfügt oder nicht, ist zwar für den ersten Schritt des Auswahlverfahrens - der Eingrenzung des Felds grundsätzlich geeigneter Bewerber anhand der zwingenden Anforderungskriterien - irrelevant. Von Bedeutung sind fakultative Qualifikationen jedoch auf der Ebene des Vergleichs zwischen zwei oder mehreren grundsätzlich geeigneten und gleichermaßen leistungsstarken Bewerbern. Hier folgt aus der entsprechenden Festlegung im Anforderungsprofil, dass fakultativen Qualifikationen gegenüber anderen Gesichtspunkten ein deutlich gesteigertes Gewicht bei der Bestimmung des am besten geeigneten Bewerbers zukommt. Solche Kriterien sind zwar auch auf dieser Ebene des Eignungsvergleichs nicht in einem schematischen Sinne "zwingend“ oder "unmittelbar ausschlaggebend“. Es bedarf aber triftiger Gründe, wenn ein Bewerber, der ein oder ggf. mehrere der im Anforderungsprofil "darüber hinaus erwarteten" Kriterien erfüllt, übergangen und stattdessen ein Bewerber ausgewählt werden soll, der nicht über solche Qualifikationen verfügt.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.2021 - 1 WB 34.21 -, NVwZ-RR 2022, 464 = juris Rn. 39.
33Auf Hilfskriterien, zu denen nach der Rechtsprechung des Senats auch das Dienstalter gehört, kommt es erst in einem weiteren Schritt an. Vorauszugehen hat stets eine den dargestellten Anforderungen genügende Feststellung eines Qualifikationsgleichstands zwischen den konkurrierenden Bewerbern.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.2.2017 - 6 B 1109/16 -, a.a.O., juris Rn. 33 mit weiteren Nachweisen.
35Welche Schlüsse der Dienstherr aus den zu berücksichtigenden leistungsbezogenen Erkenntnissen zieht, ist Bestandteil des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums, der dem Dienstherrn allerdings erst auf der Ebene der Würdigung der Einzelfeststellungen und bei der Entscheidung zukommt, bestimmte Einzelfeststellungen zur Begründung eines Qualifikationsvorsprung heranzuziehen oder ihnen keine Bedeutung beizumessen. Will der Dienstherr allerdings sich aufdrängenden oder zumindest nahe liegenden Unterschieden in den dienstlichen Beurteilungen keine Bedeutung beimessen, so trifft ihn insoweit eine Begründungs- und Substantiierungspflicht.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.11.2015 - 6 B 967/15 -, juris Rn. 10 mit weiteren Nachweisen.
37b. Mit diesen Grundsätzen steht die von der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung nicht in Einklang. Das gilt unabhängig davon, dass sich den Unterlagen über das Auswahlverfahren bereits nicht entnehmen lässt, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin für die Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen vorrangig auf die konkret ausgewählten fünf "Ausschärfungskriterien" abgestellt hat; mit der Bemerkung, die "Ausschärfungskriterien" seien im Vorfeld nach intensiver Diskussion festgelegt und sachlich begründet worden, wird die Begründung nicht inhaltlich erläutert, sondern das Vorliegen von Sachgründen nur behauptet. Ob bereits dieser Mangel zur Rechtsfehlerhaftigkeit der Entscheidung führt, kann allerdings offenbleiben. Nicht mit dem Grundsatz der Bestenauslese im Einklang steht jedenfalls, dass nach einem Vergleich aufgrund dieser Kriterien und dem anschließenden Gleichstand der verbliebenen beiden Bewerber weitere leistungsbezogene Erkenntnisse, die sich aus den aktuellen Beurteilungen und unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils ergeben können, nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen worden sind, und zwar teils ohne, teils mit im Ergebnis nicht durchgreifender Begründung (aa). Stattdessen hat die Antragsgegnerin maßgeblich auf die jeweilige Dauer der Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr und damit faktisch auf das Hilfskriterium "Dienstalter" abgestellt (bb).
38aa. Die Antragsgegnerin hätte mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG vor Heranziehung des Dienstalters der Konkurrenten weitere leistungsbezogene Erkenntnisse für eine Prognose über die zukünftige Bewährung der einzelnen Bewerber bei ihrer Auswahlentscheidung berücksichtigen und der Frage nachgehen müssen, ob sich auf diese Weise ein Qualifikationsvorsprung eines Bewerbers ermitteln ließ.
39Solche Erkenntnisse konnten sich nicht nur aus den weiteren Einzelfeststellungen der aktuellen Beurteilungen der Bewerber, sondern auch unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils ergeben. Hat sich der Dienstherr vorab in der Stellenausschreibung durch die Vorgabe der beim künftigen Dienstposteninhaber erwünschten Kenntnisse und Fähigkeiten festgelegt, ist diese Entscheidung für das weitere Auswahlverfahren bindend. Der Dienstherr muss diesen Kriterien besondere Bedeutung zumessen, wenn die Bewerber im Wesentlichen gleich beurteilt sind. Aus der Stellenausschreibung muss sich ergeben, welche Anforderungen von allen Bewerbern zwingend erwartet werden, und welche Kriterien zwar nicht notwendig für eine Einbeziehung in das Auswahlverfahren sind, bei gleicher Eignung der Bewerber aber maßgeblich berücksichtigt werden.
40Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.6.2013 - 2 VR 1.13 -, NVwZ 2014, 75 = juris Rn. 49, vom 19.12.2014 - 2 VR 1.14 -, a.a.O., Rn. 37, und vom 10.12.2021 - 1 WB 34.21 -, a.a.O., Rn. 25 und 39, sowie OVG NRW, Beschluss vom 7.6.2018 - 1 B 1381/17 -, a.a.O., Rn. 25.
41Diesen Vorgaben im Ansatz entsprechend differenziert die Ausschreibung der umstrittenen Stelle zwischen Anforderungen, die unter dem Ordnungspunkt "Ihr Profil" aufgeführt sind und aus Sicht der Antragsgegnerin wohl konstitutiven Charakter haben sollen, und unter der Überschrift "darüber hinaus wird erwartet" aufgeführten fakultativen Kenntnissen, Qualitäten und Eigenschaften. Fehlerhaft - wenn auch ohne unmittelbare Relevanz für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung - ist allerdings die Zuordnung sowohl des Kriteriums der "langjährigen Erfahrung im Bereich Brandschutz und Hilfeleistung" als auch desjenigen der "vertieften Kenntnisse als Maschinist von HLF und DLK" zur Kategorie der konstitutiven Anforderungsmerkmale, denn ihr Vorliegen lässt sich nicht anhand hinreichend objektiv überprüfbarer Kriterien ohne Wertungsspielraum feststellen. Ab wann die Erfahrung als "langjährig" gelten soll und inwieweit Kenntnisse als Maschinist als "vertieft" anzusehen sind, kann nicht wertungsfrei bestimmt werden. Diese Gesichtspunkte sind daher als fakultative Kriterien zu bewerten. Auch solche Merkmale können allerdings die Auswahlentscheidung gegebenenfalls maßgeblich bestimmen. Das gilt namentlich dann, wenn die Bewerber im Übrigen gleich geeignet erscheinen,
42vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 19.12.2014 ‑ 2 VR 1.14 -, a.a.O., Rn. 37, vom 21.12.2016 - 2 VR 1.16 -, BVerwGE 157, 168 = juris Rn. 19 und vom 10.12.2021 - 1 WB 34.21 -, a.a.O., Rn. 39; OVG NRW, Beschlüsse vom 31.3.2017 - 1 B 6/17 -, juris Rn. 10 und vom 7.6.2018 - 1 B 1381/17 -, a.a.O., Rn. 10; OVG S.-H., Beschluss vom 29. September 2017 - 2 MB 13/17 -, RiA 2018, 32 = juris Rn. 14.
43wie es vorliegend nach Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen anhand der "Ausschärfungskriterien" der Fall war. Es geht damit, anders als in den auf Seite 6 des angefochtenen Beschlusses in Bezug genommenen Ausführungen u. a. des Bundesverwaltungsgerichts, nicht darum, Beurteilungen in der aktuellen dienstlichen Beurteilung im Hinblick auf eine besondere Funktion höher zu bewerten. Im Streitfall kam es vielmehr nach der Feststellung eines Gleichstands auf der Basis des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilungen und weniger ausgewählter Einzelmerkmale darauf an, vor einem Rückgriff auf Hilfskriterien weitere leistungsorientierte Gesichtspunkte, die für eine Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der Bestenauslese von Bedeutung sein können, zumindest in den Blick zu nehmen.
44Dies zugrunde gelegt können sowohl den vom Antragsteller nachgewiesenen besonderen Fahrprüfungen als auch seiner Verwendung in den letzten gut drei Jahren Anhaltspunkte für eine besondere Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle zu entnehmen sein, die von der Antragsgegnerin bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt worden sind, obwohl dies im Hinblick auf die fakultativen Elemente des Anforderungsprofils nahe gelegen hätte. Das gilt zum einen in Bezug auf die vertieften Kenntnisse als Maschinist und zum anderen hinsichtlich der Bereitschaft zur Aus- und Fortbildung über das normale Maß hinaus.
45Nach dem von ihm eidesstattlich versicherten Vorbringen des Antragstellers, dem die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten ist, ist er bereits seit März 2018 u. a. als Rüstzugmaschinist auf der Wache III als einziger Wache bei der Feuerwehr der Antragsgegnerin, die über einen Rüstzug verfügt, eingesetzt. Vor diesem Hintergrund könnte der Antragsteller im Sinne des Anforderungsprofils in besonderem Maße über vertiefte Kenntnisse als Maschinist verfügen. In den zurückliegenden dreieinhalb Jahren ist er außerdem regelmäßig auf Sonderfahrzeugen eingesetzt worden, was seinen eigenen Angaben nach zu den Aufgaben eines Rüstzugmaschinisten gehört. Darüber hinaus hat der Antragsteller bereits eine besondere Bereitschaft, sich fortzubilden, gezeigt, indem er im September 2019 die Ausbildung zur Kranführung durchlaufen und im April 2021 an der jährlichen Unterweisung teilgenommen hat. Des Weiteren verfügt er über Fahrausweise für Gabelstapler und Teleskopmaschinen und hat seit 2018 dreimal an Seminaren für Fachpersonal in Bezug auf Gaswarngeräte und zur Handhabung ortsbeweglicher Druckgasbehälter und Füllanlagen teilgenommen.
46Aus welchen Gründen die Antragsgegnerin den nach dem Vorbringen des Antragstellers im Hinblick auf das Anforderungsprofil zumindest nahe liegenden Unterschieden zwischen den Erfahrungen und Qualifikationen des Antragstellers und des Beigeladenen keine Bedeutung beimessen will, hat sie nicht erläutert. Das ist im vorliegenden Fall auch deshalb zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung maßgeblich auf die Dauer der Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr gestützt und dies mit dem Hinweis auf das im Anforderungsprofil aufgeführte Kriterium der "langjährigen Erfahrung im Bereich Brandschutz und Hilfeleistung" begründet hat, ohne die Qualifikation der beiden verbliebenen Bewerber im Hinblick auf die weiteren Kriterien des Anforderungsprofils überhaupt in den Blick zu nehmen. Diese unterschiedliche und damit inkonsequente Behandlung der Merkmale des Anforderungsprofils ist weder erläutert noch aus sich heraus verständlich oder aus anderen Gründen plausibel.
47bb. Dass sich der Dienstherr für die streitige Auswahlentscheidung - nach Annahme eines Gleichstands des Antragstellers und des Beigeladenen im Gesamturteil und bei Betrachtung der fünf "Ausschärfungskriterien" - letztlich auf die Dauer der Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr gestützt hat, ist nicht nur deshalb zu beanstanden, weil er damit - wie ausgeführt - nur ein einzelnes der möglichen weiteren Kriterien herangezogen hat, sondern überdies und insbesondere auch deshalb, weil es sich dabei unter den Gegebenheiten des Streitfalls lediglich um ein leistungsfernes Hilfskriterium handelte.
48Die Antragsgegnerin konnte sich insoweit, anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, gerade nicht auf das Anforderungsprofil der umstrittenen Stelle eines Rüstzugmaschinisten stützen. Dort ist zwar u. a. eine langjährige Erfahrung im Bereich Brandschutz und Hilfeleistung aufgeführt. Diese Anforderung rechtfertigt es aber nicht, bei der Auswahlentscheidung zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen das Dienstalter als ausschlaggebend anzusehen. Als Bewerbungsvoraussetzung im Sinne eines Anforderungsprofils muss eine langjährige Erfahrung ab einem bestimmten Zeitraum unabhängig davon erfüllt sein, ob andere Bewerber eine noch längere Erfahrung vorzuweisen haben. Daraus, dass einer von zwei Bewerbern, die beide über eine bereits langjährige Erfahrung verfügen, über eine noch geringfügig längere Dienstzeit verfügt, wird sich regelmäßig indessen ein relevanter Qualifikationsvorsprung nicht ableiten lassen. Andernfalls würde die Aufnahme der Voraussetzung einer langjährigen Berufserfahrung in das Anforderungsprofil dazu führen, das grundsätzlich nachrangige Hilfskriterium "Dienstalter" zu einem vorrangigen Auswahlkriterium zu erheben. Im vorliegenden Fall wird die geringe Aussagekraft der Dauer der Zugehörigkeit zur Berufsfeuerwehr für einen leistungsorientierten Vergleich von Beamten, die über eine sehr lange Erfahrung verfügen, besonders deutlich. Beide Bewerber hatten zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bereits ihr 25-jähriges Dienstjubiläum erreicht, der Beigeladene im November 2018 und der Antragsteller im Juli 2021. Sie verfügten damit zweifellos gleichermaßen über eine langjährige Erfahrung im Brandschutz und in der Hilfeleistung und erfüllten - wie auch die Antragsgegnerin angenommen hat - jeweils das Anforderungsprofil. Inwieweit sich im Hinblick auf die Prognose über die zukünftige Bewährung im Beförderungsamt ein Qualifikationsvorsprung des Beigeladenen allein daraus ergeben soll, dass er nicht "nur" 25, sondern 28 Jahre der Berufsfeuerwehr angehört, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt und ist auch im Übrigen nicht zu erkennen. Indem sie die Auswahlentscheidung dennoch maßgeblich darauf gestützt hat, dass der Beigeladene eine längere Dienstzeit vorzuweisen hat, beruht die Auswahl im Ergebnis auf dem leistungsentkoppelten Hilfskriterium "Dienstalter".
492. Die Auswahl des Antragstellers erscheint auch - was weitere Voraussetzung für den Erfolg im Konkurrentenstreit ist - im Hinblick auf die aufgezeigten leistungsbezogenen Erkenntnisse möglich. Es ist jedenfalls - was ausreicht - nicht ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin, etwa auf der Grundlage der Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen und/oder im Hinblick auf eine besondere Qualifikation des Antragstellers in Bezug auf das Anforderungsprofil der umstrittenen Stelle eines Rüstzugmaschinisten, zu einer abweichenden Auswahlentscheidung gelangt.
50II. Schließlich hat der Antragsteller auch Umstände glaubhaft gemacht, aufgrund derer sich ein Anordnungsgrund ergibt (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die mit der Besetzung der streitbefangenen Beförderungsplanstelle einhergehende Ernennung des Beigeladenen wäre im Falle eines Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht wieder rückgängig zu machen.
51Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
52Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
53Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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