Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 1156/21
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 20.003,45 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3Das fristgemäße Zulassungsvorbringen führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 Euro vorgelegen hätten.
5Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht verwechsele die Grundverfügung mit der Zwangsgeldfestsetzung, mit der Versiegelung des Hauses X.-straße 46a seit dem 4.11.2020 hätte sich die Festsetzungsverfügung erledigt, die Beugefunktion der angefochtenen Verfügung sei entfallen, der mit ihr verfolgte Zweck erreicht, das Zwangsgeld werde zu einer reinen Sanktion, was nach dem Urteil der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 13.8.2015 - 5 K 4117/14 -, juris, unzulässig sei.
6Diese Rüge greift nicht durch. Bei einem Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot kann ein Zwangsgeld auch dann festgesetzt und beigetrieben werden, wenn eine weitere Zuwiderhandlung wegen Fristablaufs oder Erledigung der Verfügung nicht mehr möglich ist. Entscheidend ist allein, dass der Verstoß gegen die vollziehbare Ordnungsverfügung nach der Androhung und während der Zeit, in der das Verbot noch galt, erfolgt ist.
7Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.9.1992 - 4 A3840/91 -, NVwZ-RR 1993, 671 = juris, m. w. N; Beschluss vom 22.3.2019 - 4 B 71/19 -, juris, m. w. N.; Sadler/Tillmanns in Sadler Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Auflage, 2020, § 13 Rn. 121.
8Dies ist hier der Fall. Die Klägerin ist der ihr mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom 17.1.2014 aufgegebenen Verpflichtung, jegliche Nutzung des Gebäudes X.-straße 46a zu unterlassen, innerhalb der ihr eingeräumten Frist nicht nachgekommen.
9Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Festsetzungsverfügung hänge von der Auslegung des Begriffs "Gestattung der gebotenen Handlung" in § 60 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz VwVG NRW ab. § 60 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz VwVG NRW schränkt den ersten Halbsatz ein und bestimmt, dass ein Zwangsgeld (jedoch) beizutreiben ist, wenn der Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt worden ist, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes erreicht werden sollte. Mit der Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 60 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW sollte klarstellend die schon zuvor bestehende ständige Rechtsprechung bestätigt werden, nach der ein Zwangsgeld auch dann noch festgesetzt und beigetrieben werden konnte, wenn gegen ein Unterlassungsgebot mit Zwangsgeldandrohung verstoßen wurde, ein weiterer Verstoß gegen die Ordnungsverfügung aber nicht mehr möglich war.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2019 - 4 B 71/19 -, juris, m. w. N.
11Der weitere Einwand, das Zwangsgeld sei das falsche Zwangsmittel, dies ergebe sich aus dem Senatsbeschluss vom 2.11.2020 - 7 B 1648/20 -, in dem das Oberverwaltungsgericht ausgeführt habe, der wegen des unzureichenden Brandschutzes bestehenden akuten Gefahr für Leib und Leben der sich in dem Gebäude aufhaltenden Personen könne "nur durch die Räumung des Gebäudes begegnet werden", greift ebenso wenig durch. Ein Zwangsgeld ist nicht erst dann geeignet, wenn es mit Sicherheit den Willen des Pflichtigen beugt und ihn dazu bringt, das ihm Aufgegebene zu tun. Erst wenn bei objektiver Betrachtung unter keinen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass es den Betroffenen zu dem verlangten Tun, Dulden oder Unterlassen bewegen wird, ist es ungeeignet.
12Vgl. Sadler/Tillmanns in Sadler Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Auflage, 2020, § 9 Rn. 42, m. w. N.
13Dies ist hier nicht der Fall. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Zwangsgeldfestsetzung vom 17.9.2019 durfte die Beklagte (noch) davon ausgehen, dass die Klägerin sich durch diese beeindrucken lassen und zukünftig pflichtgemäß verhalten wird. Streitgegenstand des Senatsbeschlusses vom 2.11.2020 war die spätere Festsetzung unmittelbaren Zwangs in Form der Versiegelung der Räumlichkeiten und des Austauschs der Schlösser/Schließanlage des Gebäudes X.-straße 46a mit Bescheid der Beklagten vom 22.10.2020, nachdem die Klägerin - trotz der hier angefochtenen Festsetzungsverfügungen vom 17.9.2019 - ihrer Verpflichtung aus den Nutzungsuntersagungsverfügungen nicht nachgekommen war. Das Verwaltungsgericht hat sich mit seinem Urteil deshalb auch nicht von der Rechtsprechung des Senats "distanziert".
14Das Vorbringen, die Nutzungsuntersagungsverfügung sei nicht nur auf die formelle Illegalität gestützt, ihre Durchsetzung sei unverhältnismäßig, es werde auch die genehmigte Nutzung des Gebäudes als Schule untersagt, wegen der durch die Beklagte arglistig erschlichenen Bestandskraft sei die Nutzungsuntersagungsverfügung zwingend nichtig, das untragbare Verhalten der Beklagten sei stets von einer rechtswidrigen Aneignungsabsicht geleitet gewesen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auf die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung kommt es im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht an; Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Nutzungsuntersagungsverfügung (vgl. § 44 VwVfG NRW) hat die Klägerin nicht im Sinne des Gesetzes dargelegt.
15Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen rechtfertigt das Vorbringen der Klägerin auch nicht die Annahme, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweise.
16Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin hat keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.
17Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Aus den vorstehenden Gründen ist nicht i. S. d. Gesetzes dargelegt, dass das angegriffene Urteil auf einer Abweichung von den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2.11.2020 - 7 B 1648/20, 7 B 1649/20, 7 B 1650/20, 7 B 1651/20, 7 B 1652/20 sowie 7 B 1653/20 - beruht.
18Auch die Verfahrensrüge i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO greift nicht durch.
19Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht sei wegen einer fehlenden Inaugenscheinnahme nicht in der Lage gewesen, anhand der lückenhaften Akte festzustellen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um die mit dem Bauschein (vom 17.7.1958) genehmigte Nähschule handele, mit der Ablehnung des entsprechenden Beweisantrages habe das Verwaltungsgericht den Verfahrensfehler unvollständiger Aufklärung des Sachverhaltes begangen, das Urteil beruhe auch auf diesem Verfahrensfehler, hätte das Verwaltungsgericht die Beweisaufnahme durchgeführt, hätte es erkannt, dass die Durchsetzung der Nutzungsuntersagungen unverhältnismäßig sei. Es bedurfte hier indes keiner Beweiserhebung. Die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagungsverfügung ist - wie ausgeführt - nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens. Ungeachtet dessen ist eine etwa mit Bauschein vom 17.7.1958 genehmigte Nutzung als "Nähschule mit Wirtschaftsraum" durch die Wohnnutzung erloschen.
20Die Ablehnung des Beweisantrages, der darauf gerichtet war, zur Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Nutzung - insbesondere zur Brandsicherheit - ein Sachverständigengutachten einzuholen, begründet ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Die materielle Genehmigungsfähigkeit einer Wohnnutzung ist für die streitgegenständliche Zwangsgeldfestsetzung aus den vorstehenden Gründen irrelevant.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
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Referenzen
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