Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 994/22
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
3Die Beschwerde ist zulässig. Sie scheitert namentlich nicht am Wegfall des Rechtsschutzinteresses. Dieses ist nicht deshalb entfallen, weil der ursprünglich angestrebte Einstellungstermin - 1.9.2022 - bereits um zwei Wochen verstrichen ist. Es entspricht der üblichen Handhabung des Antragsgegners, die weitere Teilnahme am Auswahlverfahren und den Einstieg in die Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst noch in den ersten Wochen des Ausbildungsjahrs (zumindest bis Ende September) zuzulassen. Der Senat legt dies (auch) im vorliegenden Fall zugrunde.
4Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, den Anträgen zu entsprechen,
5den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, am Auswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 2022 (Einstellungstermin: 1.9.2022) weiter teilnehmen zu lassen,
6hilfsweise,
7den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichten, vorläufig, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, über die Bewerbung des Antragstellers um Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen zum nächstmöglichen Einstellungstermin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
8Das Verwaltungsgericht hat die Anträge im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen abgelehnt: Der Antragsteller werde im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht obsiegen. Alles spreche dafür, dass der seine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst ablehnende Bescheid des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP) vom 25.5.2022 rechtmäßig sei. Der Antragsgegner habe dem Antragsteller zu Recht die gesundheitliche Eignung für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst (Polizeidiensttauglichkeit) abgesprochen. Der Begriff der Polizeidiensttauglichkeit werde maßgeblich durch die Polizeidienstvorschrift 300 "Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit" (PDV 300) konkretisiert, die auch Fürsorgegesichtspunkten Rechnung trage. Nach Nr. 10.1.2 der PDV 300, Ausgabe 2020, schlössen Nahrungsmittelunverträglichkeiten die Polizeidiensttauglichkeit grundsätzlich aus. Die Diagnose einer Laktoseintoleranz werde durch den Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Entgegen seiner Ansicht fehle es auch nicht an einer Auseinandersetzung mit seiner individuellen Situation. Der Antragsgegner habe es nicht dabei belassen, auf Nr. 10.1.2 der PDV 300 zu verweisen, sondern auf der Grundlage der Stellungnahmen des Polizeiarztes LRMD Dr. Q. vom 28.12.2021 und vom 31.1.2022 eine Einzelfallentscheidung hinsichtlich der Polizeidiensttauglichkeit des Antragstellers getroffen. Dass diese fehlerhaft seien, sei weder durch den Antragsteller substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Antragsteller unter Vorlage eines Attestes seines Hausarztes vom 23.11.2021 einwende, er wisse um seine Toleranzschwelle und könne durch eine gezielte Auswahl das Auftreten von Beschwerden komplett vermeiden, habe der Polizeiarzt ausgeführt, dass der Laktosegehalt in Nahrungsmitteln sehr hoch sein könne und nicht nur Nahrungsmittel, die als Milchprodukte erkennbar seien, oft erhebliche Mengen an Milchzucker enthielten. Es liege auf der Hand, dass der Antragsteller bei Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung - ohne Nahrungsmittelkennzeichnung oder die Möglichkeit einer Nachfrage - nicht zuverlässig beurteilen könne, ob und in gegebenenfalls in welcher Menge die Speisen bzw. einzelne Zutaten Milchzucker enthielten. Aus demselben Grund könne der Antragsteller auch aus dem Umstand, dass er durch Einhaltung einer konsequent laktosearmen Ernährung seit Jahren anhaltend symptomfrei sei, für eine Polizeidiensttauglichkeit nichts herleiten. Letztlich greife auch der Einwand des Antragstellers zu kurz, er habe keine erheblichen bzw. nennenswerten Einschränkungen beim Verzehr von Laktose. Soweit sein Hausarzt im Attest vom 17.1.2022 festgestellt habe, die einzigen Symptome bei vermehrter Laktosezufuhr bestünden beim Antragsteller in Blähneigung ohne Auftreten von Übelkeit, Durchfall oder Bauchkrämpfen, erschließe sich aus dem Zusammenhang, dass die Blähneigung als Symptom einer gelegentlichen, eventuell versehentlichen - und damit erfahrungsgemäß geringfügigen - Aufnahme von Milchzucker beschrieben sei. Eine Aussage zu den Symptomen im Fall der Aufnahme von Milchzucker auch in größerer Häufigkeit und/oder größeren Mengen, zu der es bei einer gegebenenfalls mehrtägigen Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung kommen könne, lasse sich dem Attest zum einen bereits nicht entnehmen. Um geeignet zu sein, eine milde Symptomatik oder Symptomfreiheit bei Aufnahme von Milchzucker auch in größerer Häufigkeit und/oder in größeren Mengen glaubhaft zu machen, dürfte sich das Attest zum anderen nicht allein auf die - anderweitig nicht glaubhaft gemachten - anamnestischen Angaben des Antragstellers stützen.
9Diesen weiter begründeten Erwägungen setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen. Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die einen Anspruch auf Erlass der von ihm begehrten Regelungsanordnung begründen (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
10Dies gilt zunächst für die mit dem Hauptantrag begehrte vorläufige weitere Teilnahme am Auswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 2022. Die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst bzw. in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II geht mit der Ernennung zum Beamten auf Widerruf einher (vgl. § 15 Abs. 2 LVOPol). Nach Art. 33 Abs. 2 GG und nach § 9 BeamtStG, der nach § 1 dieses Gesetzes für das Statusrecht der Landesbeamten unmittelbar gilt, sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht. Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die zur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12.11 -, BVerwGE 147, 244 = juris Rn. 10, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 30.11.2017 - 6 A 2111/14 -, juris Rn. 65.
12Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12.11 -, a. a. O. Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 30.11.2017 - 6 A 2111/14 -, a. a. O. Rn. 89.
14Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der gesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des Beamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12.11 -, a. a. O. Rn. 27; OVG NRW, Urteil vom 30.11.2017 - 6 A 2111/14 -, a. a. O. Rn. 91.
16Diese Grundsätze gelten für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers um die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst bzw. in den Vorbereitungsdienst für den Laufbahnabschnitt II (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW i. V. m. §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 LVOPol) entsprechend.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.11.2017 - 6 A 2111/14 -, a. a. O. Rn. 93.
18Zwar macht der Antragsteller zu Recht geltend, seine Polizeidiensttauglichkeit könne nicht bereits unter Hinweis darauf verneint werden, dass eine Laktoseintoleranz in der PDV 300 als Merkmal genannt sei, das eine Einstellung ausschließe.
19So VG Minden, Urteil vom 27.9.2012 - 4 K 88/12 -, juris Rn. 26 m. w. N. zu einer nicht näher genannten Vorfassung der PDV 300.
20Aus dem Umstand, dass eine Erkrankung in der PDV 300 aufgeführt ist, kann nicht ohne weitere individuelle Prüfung auf die Polizeidienstuntauglichkeit geschlossen werden. Vielmehr ist auch dann, wenn eine Erkrankung in der PDV 300 als Merkmal genannt ist, das die Polizeidiensttauglichkeit "grundsätzlich" - hier wohl gebraucht in der Bedeutung von "ausnahmslos", also offenbar generell und ungeachtet ihrer Schwere und Ausprägung im Einzelfall - ausschließt, dies der gerichtlichen Überprüfung zugänglich und sind jedenfalls bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten die Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere die konkreten Auswirkungen der Unverträglichkeit auf die Einsatzfähigkeit im Polizeivollzugsdienst, in den Blick zu nehmen.
21Vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 8.11.2016 - 2 A 484/15 -, juris Rn. 21; OVG Berl.-Bdg., Urteil vom 28.3.2018 - OVG 4 B 19.14 -, juris Rn. 30; VG Köln, Beschluss vom 18.3.2021- 19 L 83/21 -, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Beschluss vom 4.8.2020 - 2 L 1303/20 -, juris Rn. 10; VG Koblenz, Beschluss vom 23.8.2019 - 2 L 802/19.KO -, juris Rn. 17, 22, und Urteil vom 15.6.2022 - 2 K 1313/19.KO -, n.v.
22Halten sich die Auswirkungen der Unverträglichkeit in einem Ausmaß, das die umfassende Einsetzbarkeit des Einstellungsbewerbers - unter besonderer Berücksichtigung der Gegebenheiten der Gemeinschaftsverpflegung auch bei mehrtägigen und nicht planbaren Einsätzen - nicht beeinträchtigt, ist (jedenfalls) die aktuelle Polizeidienstfähigkeit gegeben. Denn es obliegt zwar dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist; sie hat der Dienstherr im Rahmen des ihm zustehenden Entscheidungsspielraums für alle Bewerber um die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst in der PDV 300 näher konkretisiert. Hinsichtlich der anschließenden Frage, ob der einzelne Bewerber den laufbahnbezogenen festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt, ist dem Dienstherrn hingegen kein Beurteilungsspielraum eröffnet. Die Entscheidung hierüber unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit. Mithin haben darüber letztverantwortlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Bewertungen des Dienstherrn gebunden zu sein.
23Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12.11 -, a. a. O. Rn 24, 30.
24Im Streitfall kommt es allerdings nicht darauf an, ob - trotz der Nennung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten in Nr. 10.1.2. der Anlage 1 zur PDV 300, Ausgabe 2020, als die Polizeidiensttauglichkeit ausschließendes Merkmal - bei Vorliegen einer Laktoseintoleranz ohne nennenswerte Beschwerden, insbesondere ohne Durchfall, Bauchkrämpfe oder Unwohlsein bei Laktoseverzehr auch in größeren Mengen, Polizeidiensttauglichkeit gegeben ist. Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, dass ein solcher Fall gegeben ist. Die einzelfallbezogene Einschätzung des Polizeiarztes, die bestehende Laktoseintoleranz führe bei dem Antragsteller zu seine Polizeidiensttauglichkeit ausschließenden gesundheitlichen Einschränkungen, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.
25Zunächst trifft die Beanstandung der Beschwerde, der Polizeiarzt habe sich nicht mit der individuellen Situation des Antragstellers auseinandergesetzt, nicht zu. Vielmehr hat dieser sich insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31.1.2022 bezugnehmend auf den Befundbericht des Labors Dr. L. vom 22.10.2021 über einen aktuellen Laktosebelastungstest mit der Konstitution des Antragstellers befasst. Er hat unter anderem ausgeführt, die H2-Abatmung habe bei der Testung des Antragstellers bei bis zu 70,2 ppm gelegen, wobei es sich um einen deutlich erhöhten Wert handele. Gründe für die Annahme eines atypischen Falls, bei dem die Laktoseunverträglichkeit die Polizeidiensttauglichkeit nicht beeinträchtige, ergäben sich insgesamt nicht.
26Erfolglos verweist die Beschwerde darüber hinaus auf die Bescheinigung des Hausarztes des Antragstellers vom 17.1.2022, in der es heißt, wenn es in der Vergangenheit doch einmal zu einer vermehrten Laktosezufuhr gekommen sei (z.B. bei Restaurantbesuchen), bestünden die einzigen Symptome in Blähneigung ohne Auftreten von Übelkeit, Durchfall oder Bauchkrämpfen. Hiermit hat sich bereits das Verwaltungsgericht zutreffend auseinandergesetzt, ohne dass der Antragsteller dessen Feststellungen mit der Beschwerde durchgreifend in Zweifel zieht. Das Verwaltungsgericht hat zum einen angenommen, aus dem Zusammenhang mit der vorangestellten Empfehlung des Hausarztes, auf Milchzucker dauerhaft (weitgehend) zu verzichten, und der Wortwahl erschließe sich, dass die Blähneigung als Symptom einer nur gelegentlichen, eventuell versehentlichen - und damit erfahrungsgemäß geringfügigen - Aufnahme von Milchzucker beschrieben sei. Eine Aussage zu den Symptomen im Fall der Aufnahme von Milchzucker auch in größerer Häufigkeit und/oder in größeren Mengen, zu der es bei einer gegebenenfalls mehrtägigen Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung kommen könne, lasse sich dem Attest bereits nicht entnehmen. Das hiergegen gerichtete Vorbringen, dies könne dem Attest "so nicht entnommen werden" bzw. stelle "keine zulässige Schlussfolgerung" dar, bleibt ohne jede Erläuterung und Substanz. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, das Attest sei schon deshalb nicht geeignet, eine milde Symptomatik bzw. Symptomfreiheit des Antragstellers bei Aufnahme von Milchzucker auch in größerer Häufigkeit und/oder Menge glaubhaft zu machen, weil es sich allein auf die anamnestischen Angaben des Antragstellers stütze. Zu dieser Erwägung verhält sich die Beschwerde in keiner Weise. In der Tat ist davon auszugehen, dass die Feststellungen des Arztes nicht auf dessen eigenen Beobachtungen oder gar Testungen beruhen, sondern der Arzt lediglich anamnestische - und hier nicht glaubhaft gemachte - Behauptungen des Antragstellers zur geringen Ausprägung der bei ihm vorliegenden Beschwerden wiedergibt. Denn der Arzt hat - was in hohem Maß nahegelegen hätte - dergleichen nicht erwähnt; der Hinweis auf Restaurantbesuche, bei denen er naturgemäß nicht zugegen gewesen sein wird, deutet zusätzlich darauf hin, dass er sich allein auf Angaben des Antragstellers gestützt hat. Diese Annahme wird nachdrücklich bestätigt durch den Umstand, dass der Antragsteller eigene Beobachtungen oder Testungen des Arztes nicht vorgetragen hat, und zwar auch nicht mit der Beschwerde.
27Dass der Antragsteller selbst bei hohem Laktoseverzehr lediglich unter Blähneigung leidet, ist danach jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, aber auch im Übrigen nicht wahrscheinlich. Dies gilt einerseits wegen des hohen bei ihm festgestellten Werts der H2-Abatmung und darüber hinaus auch deshalb, weil es zu einer - hier ausweislich der hausärztlichen Bescheinigungen vom 23.11.2021 und vom 17.1.2022 schon im 12. Lebensjahr des Antragstellers gestellten - ärztlichen Diagnose einer Laktoseintoleranz im Allgemeinen überhaupt nur dann kommt, wenn sich zuvor eine belastende Symptomatik gezeigt hat und diese dem Arzt berichtet worden ist.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2021 - 1 B 1511/21 -, juris Rn. 14.
29Nicht zum Erfolg der Beschwerde führt ferner das Vorbringen, nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 15.6.2022 - 2 K 1313/19.KO - sei davon auszugehen, dass bei Gemeinschaftsverpflegung die Möglichkeit bestehe, dass ein Gericht keine oder nur wenig Laktose enthalte (gemeint ist wohl: dass bei Gemeinschaftsverpflegung immer auch Gerichte angeboten würden, die keine oder nur wenig Laktose enthielten), wozu auf die Beurteilung des Gutachters bezüglich der ihm vorgelegten repräsentativen Speisepläne bei Gemeinschaftsverpflegung in dem Urteil Bezug genommen werde. Diese Feststellungen sind auf den Streitfall nicht übertragbar. Denn es ging im vom Verwaltungsgericht Koblenz zu entscheidenden Fall um die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei im Jahr 2019; überdies ist das Verwaltungsgericht Koblenz davon ausgegangen, dass der dortige Kläger bei Verzehr von Laktose keine Bauchschmerzen oder sonstigen Symptome entwickele. Dass im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen ebenfalls stets auch Gerichte angeboten werden, die nicht oder nur geringfügig Laktose enthalten, ist nach den Ausführungen des Polizeiarztes nicht wahrscheinlich, jedenfalls aber mit der Beschwerde schon nicht behauptet und erst recht nicht glaubhaft gemacht.
30Unerheblich ist der Vortrag, der Antragsteller habe sich nicht bei der Bundespolizei, sondern bei der Landespolizei beworben, wo längere Einsatzzeiten und damit einhergehende Gemeinschaftsverpflegung nicht die Regel seien. Maßstab der Polizeidienstfähigkeit ist nicht das abstrakt-funktionelle Amt eines Polizeivollzugsbeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde, sondern sind sämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes. Der Polizeivollzugsbeamte muss zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar sein, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.11.2014 - 2 B 97.13 -, NVwZ 2015, 439 = juris Rn. 10; OVG NRW, Urteil vom 30.11.2017 - 6 A 2111/14 -, a. a. O. Rn. 95.
32Einzustellende Bewerber für den Polizeivollzugsdienst müssen daher die Dienstfähigkeit auch für nur selten vorkommende Einsatzsituationen aufweisen. Es ist unbestritten, dass auch bei der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen mehrtätige Einsatzsituationen mit Gemeinschaftsverpflegung vorkommen können (siehe auch Nr. 1.2 PDV 300). Dementsprechend sieht § 111 Satz 1 LBG NRW vor, dass Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf Anordnung verpflichtet sind, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen und an einer Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen.
33Schließlich verweist die Beschwerde vergeblich auf das Informationsmaterial der Kreispolizeibehörde N. zur Bewerbung für den Polizeidienst NRW 2023. Zwar trifft es zu, dass darin unter der Überschrift "Merkblatt zur Polizeidiensttauglichkeit (PDV 300)" die Unverträglichkeit gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln nur als "eventueller Ausschlussgrund" aufgeführt ist. Abgesehen davon, dass nach dem oben Ausgeführten die PDV 300 damit nicht zutreffend wiedergegeben ist, legt die Beschwerde schon nicht dar, welche rechtliche Bewandtnis diesem Informationsmaterial einer im Streitfall nicht beteiligten Behörde für die Entscheidungsfindung zukommen soll. Vor allem aber ist nach dem Vorstehenden anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Verneinung der Polizeidiensttauglichkeit - und damit der "eventuelle Ausschlussgrund" - im Fall des Antragstellers gegeben sind.
34Nach allem hat der Antragsteller mit der Beschwerde das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs für die mit dem Hilfsantrag begehrte Neubescheidung ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
36Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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