Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 10597/11



Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Juni 2007 wird die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 17. November 2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23. Januar 2006, des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 02. November 2006 und der nachträglichen Auflage vom 29. Oktober 2008 insoweit aufgehoben, als auf dem Grundstück Flur ..., Parzelle ..., die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage (T2) genehmigt wird.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Beklagte und der Beigeladene zu je ½.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und der Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit der dem Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Beklagten zur Errichtung der Windkraftanlage T2, nachdem der Rechtsstreit bezüglich weiterer Windkraftanlagen – u.a. auch des Beigeladenen des vorliegenden Verfahrens – durch Urteile des Senates vom 29. Oktober 2008 (1 A 11930/08.OVG) und vom 12. Mai 2011 (1 A 11186/08.OVG) abgeschlossen worden ist.

2

Der Kläger ist u.a. Eigentümer des Grundstücks Parzelle Nr. ... in Flur ... der Gemarkung G... Das Grundstück liegt im Außenbereich. Nach den Angaben des Klägers handelt es sich bei diesem wie auch den anderen ihm im Außenbereich gehörenden Grundstücken um renaturierte Biotopflächen, die zur Jagdausübung genutzt werden. Die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Windkraftanlage T2 des Beigeladenen ist diejenige der verschiedenen von dem Kläger angegriffenen Windkraftanlagen, die mit der geringsten Entfernung zu einem seiner Grundstücke, hier dem Grundstück Parzelle Nr. ..., genehmigt worden ist. Dabei steht – neben anderen Streitpunkten – zwischen den Beteiligten im Streit, ob bezüglich der genannten Windkraftanlage § 8 LBauO bei der Erteilung der Genehmigung beachtet worden ist.

3

Mit am 5. Januar 2005 eingegangenen Schreiben vom 27. Dezember 2004 beantragte der Beigeladene die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb zweier Windkraftanlagen in der Nähe der Grundstücke des Klägers, u.a. bezüglich der Windkraftanlage T2. In etwa gleichzeitig beantragte ein anderer Betreiber die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von weiteren fünf Windkraftanlagen in der Gemarkung G... Im Weiteren Umfeld der zur Genehmigung gestellten Anlagen befanden sich seinerzeit – nördlich der Ortsgemeinde K... - weitere Windkraftanlagen. Die ursprünglich zur Genehmigung gestellten Windkraftanlagen des Typs GE Wind Energy 2.3, wozu auch die hier streitige Windkraftanlage zählte, sollten eine Nabenhöhe von 100 m und einen Rotordurchmesser von 94 m, also eine Gesamthöhe von 147 m haben.

4

Das Genehmigungsverfahren wurde zunächst auf der Grundlage des § 10 BImSchG mit der danach erforderlichen Offenlage der Antrags- und Planungsunterlagen durchgeführt. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang durchgeführten Behördenbeteiligung wandte sich die untere Landespflegebehörde mit Schreiben vom 7. Juli 2005 gegen die Vorhaben. In der Folgezeit konnte verwaltungsintern zwischen der unteren Landespflegebehörde und der unteren Immissionsschutzbehörde keine Einigkeit darüber hergestellt werden, ob nachteilige Umweltauswirkungen durch die Vorhaben zu erwarten stehen. Aufgrund der Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juni 2005 trat am 1. Juli 2005 eine Rechtsänderung ein, die der Beklagte dann zum Anlass nahm, nunmehr ein sog. vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG durchzuführen. Diese Absicht wurde am 1. Oktober 2005 mit der Begründung öffentlich bekannt gemacht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, weil nach der durchgeführten Vorprüfung keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten stünden. Hiergegen wandte sich indessen mit Schreiben vom 11. Oktober und vom 18. Oktober 2005 die untere Landespflegebehörde, die nach wie vor der Ansicht war, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei erforderlich.

5

Mit Bescheid vom 17. November 2005 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen unter gleichzeitiger Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im vereinfachten Verfahren u.a. die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Windkraftanlage T2. Hierin wurde u.a. ausgeführt, nach Mitteilung aller zu beteiligenden Fachbehörden und Stellen habe die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen gewesen sei, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht zu erwarten stünden. Das sei gemäß § 3a Abs. 2 UVPG am 1. Oktober 2005 öffentlich bekannt gemacht worden. Dem Bescheid waren verschiedene Nebenbestimmungen beigefügt. Insbesondere hatte danach der Beigeladene vor Baubeginn nachzuweisen, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle.

6

Nachdem der Beigeladene im Rahmen eines Änderungsantrages den ursprünglichen Anlagentyp durch den Typ Nordex N 90 mit einer Leistung von ebenfalls 2300 kW, gleichbleibender Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von nunmehr reduzierten 90 m ersetzt hatte, erließ der Beklagte unter dem 23. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung.

7

Da gegen die Genehmigungen Widerspruch eingelegt worden war, beantragte der Beigeladene die Anordnung des Sofortvollzuges, dem der Beklagte bezüglich der ursprünglichen Genehmigung unter dem 22. Februar 2006 und bezüglich der Änderungsgenehmigung unter dem 2. März 2006 nachkam.

8

Am 9. März 2006 legte der Kläger sodann gegen die ihm nicht bekannt gegebenen Genehmigungen Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen vortrug, aufgrund des grundsätzlich drittschützenden hier aber fehlerhaft durchgeführten Verfahrensablaufs ohne Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit gemäß § 10 BImSchG in seinen Rechten verletzt zu sein. Ein förmliches Genehmigungsverfahren habe hier durchgeführt werden müssen, da erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Belange des Naturschutzes und der Landespflege bzw. des Landschaftsbildes zu erwarten stünden. Außerdem sei er wegen nicht ausreichender Schutzvorkehrungen gegen die Gefahr des Eisabwurfs in seinen Rechten verletzt. Die hierzu erlassene Nebenbestimmung sei zu unbestimmt und deshalb ungeeignet und unwirksam. Einen gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2006 (1 L 633/06.KO) mit der Begründung ab, drittschützende Beteiligungsrechte seien nicht verletzt. Eine subjektive Rechtsverletzung aufgrund fehlender, jedoch gebotener Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG könne nicht festgestellt werden. Die behauptete Eiswurfgefahr sei angesichts der in die Genehmigungen aufgenommenen Nebenbestimmungen ausgeschlossen. Die dagegen von dem Kläger eingelegte Beschwerde, mit der er u.a. die Verletzung europarechtlicher Bestimmungen geltend machte, wies der Senat durch Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10561/06.OVG) zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger auch in Ansehung der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine seiner Ansicht nach fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht rügen könne, weil Verfahrensvorschriften grundsätzlich keine drittschützende Wirkung hätten. Eine Verletzung von sonstigen drittschützenden Vorschriften sei im Übrigen nicht zu erkennen.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück und stellte darin darauf ab, dass die Bestimmung des § 10 BImSchG weder drittschützend, noch wegen fehlender Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt verletzt sei. Die vom Kläger erneut vorgetragene Eiswurfgefahr sei ebenso wenig gegeben wie die sonstigen von ihm geltend gemachten Beeinträchtigungen. Eine Rechtsverletzung des Klägers sei daher nicht ersichtlich.

10

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft hat. Weiterhin hat er ausgeführt, die Genehmigung verstoße gegen § 8 LBauO, weil die diesbezügliche, sich nach den Vorgaben der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ergebende Abstandsfläche bei dem von dem Beklagten selbst festgelegten Abstand von 0.32H bezüglich seiner Parzelle Nr. ... nicht eingehalten sei. Die Antragsunterlagen des Beigeladenen gingen lediglich von einem mit der maßgeblichen Höhe zu multiplizierenden Multiplikator von 0,25 aus. Zudem sei auch der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum, der nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtes auf die Geländeoberfläche zu projizieren und an dessen Rand die sich nach § 8 LBauO ergebende Abstandsfläche in Richtung auf sein Grundstück anzusetzen sei, fehlerhaft ermittelt worden.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Juni 2007 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne nicht geltend machen, in eigenen Rechten deshalb verletzt zu sein, weil im vorliegenden Verfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht stattgefunden habe, die wegen der Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung aber habe stattfinden müssen. Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 VwGO ziele auf die Geltendmachung von Individualrechtsschutz. Verfahrensvorschriften vermittelten in diesem Zusammenhang grundsätzlich keine selbständig durchsetzbare Rechtsposition, auch wenn das Verfahrensrecht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhe, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entscheide, worauf auch der erkennende Senat bereits in seinem Eilbeschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen habe. Der Kläger habe danach keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG. Weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen im Hinblick auf die geltend gemachten natur- und landschaftsrechtlichen Belange ergäben sich auch nicht aus der von dem Kläger angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zwar seien die zuständigen Behörden danach verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen. Die Einzelheiten des hierbei anwendbaren Verfahrens seien jedoch nach dem Grundsatz der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten Sache der nationalen Rechtsordnung. Insbesondere räume Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften ein. Hiernach stellten die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die (a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. das Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteilichen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gelte, bestimmten die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zum Gericht zu gewähren. Hiernach hätten die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten. Sie könnten den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, oder aber davon, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht werde. Die Mitgliedstaaten könnten somit zwischen dem (französischen) Modell der Interessentenklage oder dem (in Deutschland herkömmlichen) Modell des Individualrechtsschutzes wählen. Die Klagebefugnis des Einzelnen könne also weiterhin davon abhängig gemacht werden, dass eine Rechtsverletzung vorliege. Was eine Rechtsverletzung sei, bestimme der jeweilige Mitgliedstaat. Weder die UVP-Richtlinie noch die Aarhus-Konvention zwängen zur Aufgabe der Schutznormtheorie im Bereich des Individualrechtsschutzes in Umweltangelegenheiten. Selbst dann jedoch, wenn man im vorliegenden Fall einer anderen Auffassung folgen sollte und eine drittschützende Wirkung des § 10 BImSchG zugunsten des Klägers unterstellen würde, ergäbe sich keine andere Betrachtung, da eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung hier nicht erforderlich gewesen sei. Ein Verstoß gegen eine sonstige drittschützende Norm, die den Kläger begünstige, liege ebenfalls nicht vor.

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Zur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen, das sich nunmehr allein noch gegen die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung der Windkraftanlage T2 richtet, wonach hier eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei und damit ein Verfahren gemäß § 10 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen, was er auch rügen könne. Darüber hinaus sei er in seinen Rechten verletzt, weil die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung keine ausreichenden Regelungen gegen die Gefahr durch Eiswurf enthalte. Im vorliegenden Fall seien konkrete Regelungen erforderlich gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass die streitige Windkraftanlage in einem Gebiet errichtet werden sollte, in dem aufgrund der klimatischen Gegebenheiten mit Eisansatz an dem Rotor zu rechnen sei. Dass für ihn auch tatsächlich die Gefahr bestehe, durch von dem Windkraftrotor abgeworfene Eisstücke getroffen zu werden, habe sich im Dezember 2007 vor Ort gezeigt, wo er solche Eisstücke gefunden habe. Die hierzu geregelten Nebenbestimmungen in der Genehmigung seien zu unbestimmt und daher ungeeignet, dieser Gefahr zu begegnen. Der von dem Beigeladenen eingebaute Sensor stelle eine wirksame Maßnahme gegen die Eiswurfgefahr nicht dar. Alle vorhandenen Sicherheitssysteme würden den Eisansatz möglicherweise erst mit einiger Verzögerung anzeigen. Die angefochtene Genehmigung bezüglich der Windkraftanlage T2 verstoße darüber hinaus gegen § 8 LBauO. Der Standort der Windkraftanlage halte nämlich nicht den nach der Vorschrift erforderlichen Abstand von der Grenze seines Grundstückes Parzelle Nr. ... ein. Zwar könne bei Windkraftanlagen in nicht bebauten Gebieten gemäß § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO eine Abstandsfläche bis zu 0,25H anstelle der nach § 8 Abs. 6 Satz 1 LBauO vorgegebenen Tiefe der Abstandsfläche von 0,4H zugelassen werden. Indessen fehle es vorliegend an einer diesbezüglichen sachgerechten Ermessensausübung durch den Beklagten. Tatsächlich liege sogar ein vollständiger Ermessensausfall vor, da sich der Beklagte im Rahmen der Erteilung der Genehmigung hierüber offensichtlich keinerlei Gedanken gemacht habe. Soweit er der Genehmigung zeitlich nachfolgend während des laufenden Widerspruchsverfahrens eine entsprechende Festlegung dahingehend vorgenommen habe, dass bezüglich der streitigen Windkraftanlage eine Abstandsfläche von 0,32H einzuhalten sei, sei bereits zweifelhaft, ob dies auf sachgerechten Erwägungen beruhe. Unabhängig davon sei jedoch festzustellen, dass die sich danach ergebende Abstandsfläche von der streitigen Windkraftanlage tatsächlich nicht eingehalten werden könne. Nach der von ihm vorgenommenen Berechnung müsse die WEA-Turmlängsachse einen Abstand von 84,37 m von der Grenze seines Grundstücks Parzelle Nr. ... einhalten. Das sei jedoch bezüglich der von dem Beklagten genehmigten Windenergieanlage T2 nicht der Fall.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des dem Kläger am 11. Juli2007 zugestellten Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Juni 2007 (1 K 1792/06.KO) die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 17. November 2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23. Januar 2006, des Widerspruchsbescheides vom 02. November 2006 und der nachträglichen Auflage vom 29. Oktober 2008 insoweit aufzuheben, als auf den Grundstück Flur 7, Parzelle ... die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage (T2) genehmigt wird.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, der Kläger könne eine Verletzung eigener Rechte nicht dadurch geltend machen, dass er sich auf die angebliche Verletzung von Verfahrensvorschriften berufe. Diesen komme keine drittschützende Wirkung zu. Eine Gefährdung der klägerischen Grundstücke durch Eiswurf stehe nicht zu befürchten. Diese von ihm behauptete Gefährdung sei durch ausreichende Nebenbestimmungen ausgeschlossen. Zudem habe der Beigeladene inzwischen einen dem Stand der Technik entsprechenden Sensor eingebaut. Die Genehmigung verstoße auch nicht gegen § 8 LBauO. Soweit der Kläger von einem größeren Rotordurchmesser als 90 m im angeblasenen Zustand ausgehe, sei dies unzutreffend. Nach Auskunft der Herstellerfirma sei nämlich die Vorspannung der Rotorblätter im Maß der Blattlänge bereits enthalten, woraus folge, dass der Typ N 90 nur im „angeblasenen“ Zustand unter Windlast einen maximalen Durchmesser von 90 m habe. Bei wenig Wind oder Stillstand werde dieser Durchmesser unterschritten. Eine auf der Grundlage der Angaben der Herstellungsfirma durchgeführte Abstandsflächenberechnung gelange zu dem Ergebnis, dass bei der festgelegten Abstandsfläche von 0,32H ein Abstand von 84,13 m vom Mastmittelpunkt bis zum klägerischen Grundstück erforderlich sei. Das Katasteramt Wissen sei gebeten worden, unter Zugrundelegung der Gauß-Krüger-Koordinaten gemäß Bauantrag den kürzesten Abstand der Windkraftanlage T2 zur Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstückes zu ermitteln. Dieses habe mitgeteilt, dass sich danach die Genauigkeit der Angabe bezüglich der Entfernung des Standortes der Windkraftanlage bis zur Parzelle Nr. ... mit 84 m in einer Genauigkeit von +/- 5 m bewege. Die Festlegungen der Abstandsfläche auf 0,32H beruhe darauf, dass sich dieser Wert aus der Rückrechnung vom tatsächlichen Abstand auf das Verhältnis zwischen Höhe der Anlage und dem Grenzabstand ergeben habe. Diesen sich aus den Plänen ergebenden Abstand habe man genehmigt.

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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, aus dem von ihm geltend gemachten Verstoß gegen die immissionsrechtlichen Verfahrensvorschriften könne der Kläger eine Verletzung seiner eigenen Rechte nicht ableiten, weil diese Vorschriften keinen Drittschutz vermittelten. Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz, das das Recht, die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend zu machen, lediglich Vereinigungen zubillige. Eine Klagebefugnis bestehe nur dann, wenn der „betroffene Dritte“ in seinen materiellen Belangen berührt werde. Das sei hier jedoch erkennbar nicht der Fall. Darüber hinaus seien im vorliegenden Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht erforderlich gewesen. Eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf bestehe nicht. Eine Eisbildung an den Rotoren könne ohnehin nur bei seltenen Extremwetterlagen eintreten. Die Auflagen in den Genehmigungsbescheiden zur Vermeidung einer diesbezüglichen Gefährdung seien ausreichend. Die Windkraftanlage verstoße auch nicht gegen § 8 LBauO. Nach der LBauO könne auch ein kürzerer Abstand als 0,32H zugelassen werden. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte überschlägig den Abstand zwischen der Anlage T2 und dem Grundstück des Klägers ermittelt und daraus 0,32H errechnet. Das Ermessen sei schlicht und einfach dahingehend ausgeübt worden, den tatsächlichen Abstand der Windkraftanlage von dem Grundstück des Klägers zu sanktionieren. Deshalb komme es nicht darauf an, ob ein Abstand von 0,32H eingehalten werde. Die entsprechende Festlegung in dem Schreiben vom 28. April 2006 sei dahingehend auszulegen, dass ein solcher Multiplikator der maßgeblichen Höhe festgelegt werden sollte, dass die sich danach ergebende Abstandsfläche von der tatsächlich vorhandenen Anlage eingehalten werde.

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In der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 hat der Beklagte die Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigungen durch weitere Auflagen ergänzt, wonach ein Eissensor der Firma L... (LID-3210 C) eingebaut werden solle, ein automatisches Abschalten des Rotors bei Eisansatz gewährleistet werden solle und eine Wiederinbetriebnahme der Windkraftanlage erst nach vollständigem Abtauen des Eises an den Rotorblättern erfolgen darf. Der Beigeladene hat auf Rechtsmittel gegen diese Auflagen verzichtet.

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Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 29. Oktober 2008 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben darüber, ob die vorgenannten Auflagen sicherstellen, dass das Grundstück des Klägers nicht durch Eiswurf von der Windkraftanlage getroffen werden kann. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 13. Dezember 2010, die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 24. Januar 2011 sowie auf die Niederschrift der Ausführungen des Dipl.-Ing. R... von der GL-...... Deutschland GmbH, Hamburg, in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (10 Ordner, 1 Hefter) und die Gerichtsakte 1 L 633/06.KO Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

25

Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung verletzt den Kläger nämlich in seinen Rechten. Das beruht entgegen seiner Auffassung indessen nicht darauf, dass Verfahrensvorschriften verletzt worden sind und ihm hierdurch Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein können, weil kein Verfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt worden ist. Zwar bestehen, wie der Senat in seinem Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) ausgeführt hat, erhebliche Zweifel daran, ob die Voraussetzungen für das von dem Beklagten durchgeführte vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG vorlagen. Indessen kommt den immissionsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften, wie der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, dargelegt hat, keine drittschützende Wirkung zu, weshalb der Kläger deren Verletzung nicht als die Verletzung eigener Rechte geltend machen kann. Ebenso wenig ist eine Verletzung eigener Rechte des Klägers deshalb anzunehmen, weil die immissionsschutzrechtliche Genehmigung in ihrer letztendlich durch die Ergänzungen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 erlangten Fassung der Gefährdung durch Eiswurf nicht hinreichend Rechnung tragen würde, wie der Senat in dem ebenfalls den Beteiligten bekannten Urteil vom 12. Mai 2011 (1 A 11186/08.OVG) ausgeführt hat, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Die angefochtene Genehmigung verletzt den Kläger allerdings in seinen eigenen Rechten, weil sie in Bezug auf sein Grundstück Parzelle Nr. ... die drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO verletzt.

26

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es insoweit allerdings nicht darauf an, wo die genehmigte Windkraftanlage T2 tatsächlich errichtet worden ist. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nämlich nicht ein von dem Kläger geltend gemachter Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen eine Anlage wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen § 8 LBauO. Vielmehr ist Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens die von dem Beklagten erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Maßgeblich ist insoweit jedoch, welcher Standort der streitigen Windenergieanlage genehmigt und nicht, wo diese – möglicherweise davon abweichend – tatsächlich errichtet worden ist. Der zwischen den Beteiligten bestehende Streit darüber, ob die von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 05. Oktober 2011 (dort S. 2, Bl. 62 GA) erläuterte eigene Messung des Abstandes der tatsächlichen vorhandenen Anlage von der Grundstücksgrenze der Parzelle Nr. ... zutrifft, bedarf im Rahmen dieses Verfahrens deshalb keiner Klärung.

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Der Verstoß gegen § 8 LBauO beruht im vorliegenden Fall hingegen zunächst darauf, dass mit den angefochtenen Bescheiden der Standort nicht geregelt worden und nicht exakt feststellbar ist, wo nach den der Genehmigung zugrunde liegenden Antragsunterlagen der genehmigte Standort der Windkraftanlage liegen soll. Anhand der vorliegenden Unterlagen lässt sich dies nämlich nicht eindeutig feststellen. Der Standort lässt sich lediglich ungefähr angeben. Eine derartige Ungenauigkeit mag zwar im Falle einer Nachbarklage gegen ein Vorhaben unproblematisch sein, wenn es ungeachtet aller Ungenauigkeiten soweit von dem Grundstück des klagenden Nachbarn entfernt verwirklicht werden soll, dass sich die Frage, ob § 8 LBauO beachtet ist, gar nicht stellen kann. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Hier ist die Windkraftanlage T2 nämlich in einer solchen Entfernung von dem Grundstück des Klägers genehmigt worden, dass es bezüglich der Klärung der Frage, ob § 8 LBauO beachtet worden ist, einer exakten Lokalisierung des Standortes der genehmigten Anlage bedarf. Anders ausgedrückt ist es so, dass, je näher an eine Nachbargrenze herangerückt eine bauliche Anlage genehmigt wird, umso exakter deren genehmigter Standort festgelegt werden muss. Daran mangelt es im vorliegenden Fall.

28

Die einzigen annähernd aussagekräftigen Lagepläne mit der Eintragung u.a. des Standortes der hier streitigen Windkraftanlage T2 finden sich im Ordner VIII der Verwaltungsakten (dort Bl. 196) und im Ordner X (dort Bl. 293). Der erstgenannte Lageplan gehört zu den von dem Beigeladenen vorgelegten Antragsunterlagen und trägt die Bezeichnung „Flurkarte der Standorte WEA T1 und T2“. Es handelt es sich dabei um einen Lageplan im Maßstab 1:2500. Eine Nachmessung auf diesem Lageplan vom eingezeichneten Standort der Windkraftanlage T2 bis zur Grenze des Grundstücks Parzelle Nr. ... ergibt eine Entfernung von 81 bis 82 m. Der in dem Ordner X enthaltene Lageplan mit der Bezeichnung „Flurkarte mit Standorten der Windkraftanlage“ hat ebenfalls einen Maßstab 1:2500. Die darin eingetragene Windkraftanlage T2 hat nach einer Nachmessung – insoweit nicht übereinstimmend mit dem anderen Lageplan – eine Entfernung zur Grenze des klägerischen Grundstücks von rund 83 m. Der letztgenannte Lageplan enthält zwar zusätzlich die Eintragung eines vom Mastmittelpunkt bis zur entlang des klägerischen Grundstückes vorbeiführenden Wegeparzelle reichenden Pfeils mit der Angabe „84 m“. Die Entfernung vom Mastmittelpunkt bis zu der genannten Wegeparzelle kann nach dem Lageplan indessen keine 84 m betragen. Diese Eintragung könnte allenfalls so verstanden werden, dass danach ein Abstand von 84 m bis zum Grundstück des Klägers festgelegt werden sollte.

29

Indessen hat der Beklagte angegeben, maßgeblich für die Genehmigung seien nicht diese Lagepläne, vielmehr seien bei der Genehmigung die im Bauantrag angegebenen Gauß-Krüger-Koordinaten maßgeblich gewesen (s. Schriftsatz vom 06. September 2011, Bl. 34 GA). Hierzu hat der Beklagte indessen ausgeführt, dass sich die Genauigkeit der Angaben in einer Genauigkeit von +/- 5 m bewegten, sodass sich mit diesen Gauß-Krüger-Koordinaten sich der zentimetergenaue Standort der genehmigten Anlage, auf den es hier aber ankommt, nicht bestimmen.

30

Somit ist festzuhalten, dass nach den genehmigten Bauunterlagen und der Genehmigung selbst der exakte Standort der Windkraftanlage T2 in seiner abstandsflächenrechtlich relevanten Nähe zum Grundstück des Klägers nicht hinreichend genau feststellbar ist. Eine Baugenehmigung ist jedoch als nachbarrechtswidrig anzusehen, wenn Bauschein und genehmigte Unterlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen unbestimmt sind und infolgedessen bei der Ausführung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist (vgl. OVG NRW Urteil vom 13. Mai 1994, BRS 56, 139 und Beschlüsse vom 29. September 1995, BRS 57, 230 und vom 02. Oktober 1998, BRS 60, Nr. 207; BayVGH, Urteil vom 24. Juni 1999 – 1 B 96.2372 – in juris). Soweit Dritte, wie hier der Kläger, von einem Verwaltungsakt betroffen werden, muss dieser auch ihnen gegenüber bestimmt sein. Sie werden durch die Unbestimmtheit jedoch nur dann in ihren Rechten verletzt, wenn sich diese gerade auf die Merkmale eines Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um die Verletzung solcher Rechtsvorschriften auszuschließen, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 37 VwVfG, Rn. 4). Das ist hier der Fall, da es wegen der genehmigten Nähe der Windkraftanlage T2 zu dem Grundstück des Klägers Parzelle-Nr. ... im Hinblick auf die Abstandsflächenregelung des § 8 LBauO, die drittschützend ist, auf eine exakte Festlegung des Standortes der genehmigten Windkraftanlage ankommt. Diesen Anforderungen wird die erteilte Genehmigung indessen nicht gerecht. Vielmehr ist danach unklar, ob § 8 LBauO beachtet worden ist. Dieser Mangel führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung.

31

Selbst dann, wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgehen wollte, er habe einen Abstand der streitigen Windkraftanlage von 84 m von dem Grundstück des Klägers genehmigen wollen und tatsächlich auch genehmigt, rechtfertigt das nicht die Annahme, hiernach sei § 8 LBauO nicht verletzt. Ein Abstand von 84 m genügt nämlich nicht.

32

Wie im Einzelnen die Abstandsfläche einer Windkraftanlage zu ermitteln und wo sie in Richtung auf das Grundstück des jeweils klagenden Nachbarn anzusetzen ist, hat der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 12. Mai 2011 (1 A 11186/08.OVG) im Einzelnen erläutert, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Hieran haben sich die Beteiligten im weiteren Verlauf des Verfahrens bei ihren jeweiligen Berechnungen auch orientiert. Die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 06. September 2011 vorgelegte Neuberechnung der erforderlichen Abstandsfläche (Anlage 6 des Schriftsatzes, Bl. 45 ff. GA), die die Angaben der Herstellerfirma der Windkraftanlage zugrunde legt, gelangt zu dem Ergebnis, dass bei dem festgelegten Abstand von 0,32H ein Abstand von 84,13 m vom Mastmittelpunkt bis zum Grundstück des Klägers erforderlich ist, der hiernach nicht eingehalten ist. Soweit der Kläger seinerseits eine davon abweichende Berechnung vorgelegt hat, wonach ein noch größerer Abstand erforderlich sei, muss dem nicht weiter nachgegangen werden, weil schon nach der von dem Beklagten vorgelegten Berechnung der erforderliche Abstand, wie er nach § 8 LBauO einzuhalten ist, durch die genehmigte Anlage nicht eingehalten wird, selbst wenn man davon ausgeht, dass sie in einer Entfernung von 84 m von dem Grundstück des Klägers genehmigt worden sein sollte. Da vorliegend über die Rechtmäßigkeit einer Genehmigung gestritten wird und nicht darüber, ob die zuständige Behörde gegen eine tatsächlich errichtete bauliche Anlage einschreiten darf bzw. einzuschreiten hat, sind in diesem Zusammenhang auch Messungenauigkeiten oder sonstige zu berücksichtigende Ungenauigkeiten unbeachtlich. Im Rahmen der Erteilung einer Genehmigung ist dem Gesetz nämlich exakt Rechnung zu tragen.

33

Der vorstehend erläuterte Verstoß gegen § 8 LBauO kann entgegen der Auffassung des Beigeladenen auch nicht mit der Argumentation beiseite geschoben werden, der Beklagte habe mit der gemäß § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO vorgenommenen Verringerung der Tiefe der Abstandsfläche auf 0,32H letztlich nichts anderes bezweckt, als die tatsächlich errichtete Windkraftanlage mit § 8 LBauO in Einklang zu bringen, weshalb es letztlich nicht darauf ankomme, ob tatsächlich eine Abstandsfläche von 0,32H eingehalten werde, sondern das entsprechende Schreiben des Beklagten vom 28. April 2006 (Bl. 129 GA, 1 L 633/06.KO) entsprechend auszulegen sei. Abgesehen davon, dass nicht der tatsächliche Standort der Anlage, sondern allenfalls der genehmigte insoweit relevant sein kann, ist für eine Auslegung im Sinne vorliegend bereits deshalb kein Raum, weil der Wortlaut dieses Schreibens eindeutig ist. Dort heißt es nämlich “…wurde unser Ermessen dahin ausgeübt, eine Reduzierung der Abstandsfläche auf 0,32H vorzunehmen…“, sodass hier ein konkreter Abstand (0,32H) festgelegt wird. Der Umstand, dass der Beklagte seinerzeit – irrtümlich – der Annahme war, hierdurch werde gewährleistet, dass § 8 LBauO nicht verletzt werde, mag ein Motiv für die Entscheidung gewesen sein, erlaubt es aber nicht, den klaren Wortlaut der Festlegung unberücksichtigt zu lassen.

34

Das von dem Beigeladenen vorgetragene Verständnis der hier von dem Beklagten geforderten Ermessensentscheidung läuft im Übrigen darauf hinaus, dass die nach § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO geforderte Festlegung der Tiefe der Abstandsfläche in Wahrheit nicht erfolgt. Da die Genehmigungsbehörde nicht weiß, für welchen genauen Standpunkt die Anlage genehmigt worden ist, eine fehlerfreie Ermittlung der Abstandsfläche deshalb nicht möglich ist und da es zudem wegen der genannten Ungenauigkeiten des Katasterauszuges unklar ist, wo genau die Grenze zum Nachbargrundstück verläuft, will sie auf die exakte Festlegung des Multiplikators der maßgeblichen Wandhöhe H verzichten und eine Tiefe der Abstandsfläche gestatten, die die Einhaltung des § 8 LBauO sicherstellt. Diese rechtliche Konstruktion leidet zunächst darunter, dass sie dem was tatsächlich geregelt wurde -wie ausgeführt 0,32H- nicht entspricht. Im Übrigen wären aber bei einer derartigen Ermessensausübung die Grenzen einer sachgerechten Ermessensausübung überschritten, da dann nicht Sinn und Zweck der Abstandsfläche einer Windkraftanlage im Außenbereich im Allgemeinen unter besonderer Berücksichtigung der Nachbarinteressen im besonderen Fall, sondern lediglich die nachträgliche Billigung eines durch die Genehmigung nicht exakt bestimmten Standortes ausschlaggebend wären.

35

Nach alledem war das Urteil des Verwaltungsgerichtes abzuändern und die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung bezüglich der Windkraftanlage T2 des Beigeladenen in der Fassung, die sie letztendlich durch die verschiedenen Änderungen erhalten hat, aufzuheben.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 ZPO.

38

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

39

Beschluss

40

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).

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