Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 11003/12


Tenor

Die am 30.09.2011 bekanntgemachte 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern „Windenergienutzung“ wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin ist eine Ortsgemeinde im Bereich der Antragsgegnerin. Sie wendet sich gegen die 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern - Teilbereich „Windenergienutzung“ - mit dem für das Gebiet der Verbandsgemeinde Konzentrationsflächen für Windenergie ausgewiesen werden.

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Das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes wurde durch Beschluss des Verbandsgemeinderates der Antragsgegnerin vom 08.05.2005 eingeleitet. Durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt „Simmern Regional“ wurde darauf hingewiesen, dass die Pläne mit Erläuterungen, Umweltberichten und umweltbezogenen Stellungnahmen in der Zeit von „Montag, 19.07.2010 bis einschließlich Freitag, 20.08.2010“ bei der Verbandsgemeindeverwaltung eingesehen werden könnten. Die Bekanntmachung umfasste ferner folgenden Hinweis:

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„Während der Auslegungsfrist können Bedenken vorgebracht werden. Nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen können bei der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan unberücksichtigt bleiben.“

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Mit einem am 23.08.2010 bei der Verbandsgemeindeverwaltung Simmern eingegangenen Schreiben machte die Klägerin geltend, es fehle an einem schlüssigen Gesamtkonzept, da insgesamt 10 Ortsgemeinden innerhalb des Naturparks Soonwald-Nahe bewusst um die Möglichkeit der Nutzung der Windenergie und somit um die Möglichkeit der Verbesserung ihrer Einnahmesituation gebracht würden. Da somit auf etwa 39 % der Gesamtfläche der Verbandsgemeinde keine Windkraftkonzentrationszonen ausgewiesen würden, sehe man sich gegenüber den Gemeinden, welche die Möglichkeit einer Ausweisung hätten, erheblich benachteiligt. Nach ihrer Auffassung sollten nicht alle Flächenpotenziale für die Windenergie innerhalb des Naturparks ausgeschöpft werden, sondern es solle „ein Windpark konzentriert“ werden. Dies solle für den Bereich des Mengerschieder Waldes geschehen. Sie, die Ortsgemeinde Tiefenbach und die Ortsgemeinde Mengerschied, welche jeweils Eigentum im Bereich der aktuell ausgeschlossenen Konzentrationsflächen 75, 131 und 132 hätten, hätten sich zusammengeschlossen, um sich für die Ausweisung einer Konzentrationszone im Bereich der Gemeinde Mengerschied einzusetzen.

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Im Dezember 2010 wurde eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt (Bekanntmachung im Amtsblatt „Simmern Regional“ Nr. 49 vom 10.12.2010). Die Bekanntmachung enthielt den gleichen Hinweis wie der oben aus der Bekanntmachung vom 07.07.2010 zitierte Hinweis. Stellungnahmen oder Einwendungen der Antragstellerin gingen hierzu nicht ein. Mit einem innerhalb der Auslegungsfrist eingegangenen Schreiben der Ortsgemeinde Mengerschied wurde auf die „… gemeinsam mit der Gemeinde Tiefenbach abgegebene Stellungnahme vom 22.08.2010 …“ Bezug genommen.

6

In seiner Sitzung vom 01.03.2011 beschloss der Verbandsgemeinderat den Flächennutzungsplan. Nachdem die Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises mit Bescheid vom 02.08.2011 die 8. Änderung des Flächennutzungsplanes unter Beifügung zweier Auflagen genehmigt hatte, wurde der Änderungsplan am 20.09.2011 bekanntgemacht.

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Ausweislich des Inhalts der Begründung zur 8. Änderung des Flächennutzungsplanes „Windenergienutzung“ (vgl. Nr. 2.1) beruhte die Festsetzung der Konzentrationszonen auf folgender Methodik: In einem ersten Schritt wurden im Ausschlussverfahren Potenzialflächen ermittelt, wobei sich die Ausschlusskriterien am Kriterienkatalog des gemeinsamen Rundschreibens des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums des Innern und für Sport, des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau und des Ministeriums für Umwelt und Forsten vom 20.01.2006 orientierten. In einem zweiten Schritt (vgl. Nr. 2.2 der Begründung) wurden aus den Potenzialflächen ungeeignete Flächen ausgesondert und unter den verbleibenden Flächen dann die am besten geeigneten Flächen ausgewählt.

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Mit ihrem am 21.09.2012 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, sie sei Eigentümerin von verschiedenen Potenzialflächen zur Windkraftnutzung. Zu nennen seien insbesondere die Grundstücke .../..., .../... und .../... und .../..., Flur ..., Gemarkung Sargenroth. Sie sei als Grundstückseigentümerin antragsbefugt.

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Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien bei der Ausweisung der Konzentrationszonen für Windkraftnutzung in einem ersten Schritt sogenannte harte Tabukriterien zu benennen. Gemeint seien damit Kriterien, die eine Windkraftnutzung für bestimmte Flächen von vorneherein ausschlössen. Sodann seien weiche Tabukriterien zu definieren; gemeint seien hiermit Kriterien die für bestimmte Flächen zwar einer Windkraftnutzung nicht von vorneherein entgegenstehen, aber nach dem planerischen Willen der Gemeinde zum Ausschlussgebiet für Windkraftnutzung erklärt werden sollen. Diese Unterscheidung von harten und weichen Tabukriterien sei von zentraler Bedeutung, da der Rechtfertigungsmaßstab für harte und weiche Kriterien unterschiedlich sei. Bei sogenannten weichen Tabukriterien müsse die Gemeinde sich im Rahmen der Abwägung vor allem zur Rechtfertigung erheblich mehr Gedanken machen, als bei harten Tabukriterien. So dürften weiche Tabukriterien nicht einfach postuliert werden, sondern bedürften einer eingehenden planerischen Begründung.

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Diese Vorgaben setze die 8. Änderung des Flächennutzungsplans nicht um. Es fehle schon an der Unterscheidung von harten und weichen Tabukriterien. Schon deshalb sei der Flächennutzungsplan abwägungsfehlerhaft. Hinzu komme, dass die streitgegenständliche Planung infolgedessen weiche Tabukriterien in keiner Weise besonders auf ihre einschränkende Wirkung prüfe, abwäge und rechtfertige.

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Ferner sei der Flächennutzungsplan der Antragstellerin unwirksam, weil er die gesamte Fläche der Antragstellerin von der Windkraftnutzung ausnehme. Konkret habe die Antragsgegnerin den gesamten südlichen Bereich des Gebiets der Verbandsgemeinde jenseits der B 50 ausgenommen. Ein solch großflächiger Ausschluss einer Fläche laufe auf eine rechtswidrige Verhinderungsplanung hinaus.

12

Die Antragstellerin beantragt,

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die 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern „Windenergienutzung“, bekanntgemacht am 30.09.2011 für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie trägt im Wesentlichen vor, der Normenkontrollantrag sei unzulässig. Hinsichtlich ihrer Planung sei die Antragstellerin, wie der Senat mit Urteil vom 18.10.2007 – 1 C 10138/07.OVG – entschieden habe, nicht antragsbefugt. Soweit sich die Antragstellerin auf ihr Grundeigentum berufe, sei sie gemäß § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert, da sie insoweit rein fiskalisch betroffen sei und ihre Einwendung im Rahmen der Offenlagen nach § 3 Abs. 2 BauGB hätte geltend machen können und müssen. Die Antragstellerin habe sich jedoch lediglich in der ersten Offenlage geäußert, wobei diese Stellungnahme erst nach Ablauf der Stellungnahmefrist eingegangen ist. Im Übrigen wäre eine aus dem Eigentum herzuleitende Antragsbefugnis nur gegeben, wenn die Antragstellerin selbst Windenergieanlagen habe errichten wollen und solche Bauabsichten auch geltend gemacht hätte. Die Antragstellerin habe jedoch im Planaufstellungsverfahren weder auf Bauabsichten noch überhaupt auf ihr Grundeigentum in der Ortsgemeinde Sargenroth hingewiesen.

17

Aus ihrem Grundeigentum könne die Antragstellerin nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Antragsbefugnis nur herleiten, wenn sie selbst Windenergieanlagen habe errichten wollen und solche Bauabsichten auch geltend gemacht habe. Mit ihrer Stellungnahme vom 22.08.2010, ferner auch im gesamten Planaufstellungsverfahren habe sie aber Bauabsichten auf eigenem Grund und Boden nicht geltend gemacht.

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Der Normenkontrollantrag sei auch unbegründet. Mit ihren Ausführungen zu den harten und weichen Tabukriterien übersehe die Antragstellerin, dass es sich bei diesem „Arbeitsschema“ nicht um einen Selbstzweck handele. Die gerügte fehlende Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabukriterien könne nur dann einen Abwägungsfehler begründen, wenn dies zu einer fehlerhaften Gewichtung der Kriterien geführt hätte. Diese Frage stelle sich aber nicht, weil die Antragstellerin in der Begründung des Flächennutzungsplanes sehr wohl zwischen harten Ausschluss- und weichen Auswahlkriterien unterschieden habe. Ob man diese als Tabukriterien bezeichne, sei eine Geschmacksfrage und keine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit. Im Übrigen sei bereits entschieden, dass bei der Ausweisung von Konzentrationszonen der gesamte Außenbereich einzelner Gemeinden ausgeschlossen werden könne.

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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus dem Inhalt der vorliegenden Planentstehungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I.

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Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

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1. Der Normenkontrollantrag gegen die 8. Änderung des Flächennutzungsplans der Verbandsgemeinde Simmern ist insoweit statthaft, als die antragstellende Ortsgemeinde geltend macht, durch den angegriffenen Flächennutzungsplan die Möglichkeit zu verlieren, in ihrem Eigentum stehende Grundstücke mit Windenergieanlagen zu bebauen. Kraft gesetzlicher Anordnung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen auf der Ebene der Vorhabenzulassung rechtliche Außenwirkung; soweit Rechtswirkungen des § 35 Abs.3 S. 3 BauGB für Standorte außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten, ist die Normenkontrolle gemäß § 47 Abs. 1 VwGO analog statthaft (vgl. BVerwG, Urteile vom 31.01.2013, 4 CN 1.12 und vom 26.04.2007, NVwZ 2007, 1081 f., Urteil des Senats vom 08.12.2005, NVwZ 2006, 14, 42 f. und vom 18.10.2007, BRS 71, Nr. 42).

22

2. Soweit die Antragstellerin auf ihr Vorhaben verweist, die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke im Bereich der früheren Konzentrationsflächen 75, 131 und 132 zur Errichtung von Windenergieanlagen zu nutzen, kann ihr entgegen den Überlegungen der Antragsgegnerin auch die erforderliche Antragsbefugnis nicht abgesprochen werden. Die Antragsbefugnis gemäß dem auf einen Normkontrollantrag gegen einen Flächennutzungsplan entsprechend anzuwendenden § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO ergibt sich hier aus ihrem Eigentumsrecht, jedenfalls aber aus dem Recht der Antragstellerin auf gerechte Abwägung ihrer Belange. Diese Grundsätze sind, ungeachtet des Umstandes, dass Gemeinden sich nicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums durch Art. 14 GG berufen können, auch für Grundstücke maßgebend, die in gemeindlichem Eigentum stehen. Das Gebot der gerechten Abwägung der planbetroffenen Belange erfasst grundsätzlich alle Rechtspositionen und sonstigen rechtlich geschützten Interessen, unabhängig davon, ob diese Belange auch verfassungsrechtlich abgesichert sind. Das ist auch bei dem lediglich einfachrechtlich geschützten Eigentum einer Gemeinde nicht anders, die Inhaberin aller Rechte ist, die sich für einen Eigentümer aus §§ 903 ff. BGB ergeben. Dementsprechend kann die Antragstellerin verlangen, dass ihr Interesse an der Nutzung ihr gehörender Grundstücke für die Errichtung von Windkraftanlagen im Rahmen der Festsetzung von Konzentrationszonen berücksichtigt wird.

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3. Der Überlegung der Antragsgegnerin, es fehle an der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO, weil die Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren keine konkrete Absicht zum Bau einer Windenergieanlage geltend gemacht habe, kann sich der Senat nicht anschließen. Damit werden nämlich die die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt und unzulässig mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 2a VwGO vermischt. Erforderlich und ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass die Antragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch Festsetzungen des Flächennutzungsplans in ihrem Grundeigentum oder in ihrem Recht auf gerechte Abwägung verletzt wird. Danach genügt die Antragstellerin ihrer Darlegungspflicht im Normenkontrollverfahren gegen den Flächennutzungsplan, wenn sie hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch Festsetzungen des Flächennutzungsplans in einem Recht verletzt wird (BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2/98 - ,BVerwGE 107, 215f). Hier ist nach dem Vortrag der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren eine Verletzung ihres einfachgesetzlichen Eigentumsrechts, jedenfalls aber des drittschützenden Abwägungsgebots nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (vgl. zur sogenannten Möglichkeitstheorie BVerwG, Urteil vom 22.02.1994 - 1 C 24.92 -, BVerwGE 95, 133). Dass in § 47 Abs. 2a VwGO - worauf noch einzugehen sein wird - eine unterbliebene oder verspätete Geltendmachung von Einwendungen im Planaufstellungsverfahren zu deren Präklusion führen kann, ändert nichts an der Antragsbefugnis.

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Der von der Antragsgegnerin angesprochene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.11.2006 (NVwZ 2007,229f; juris Rn 11) führt zu keiner abweichenden Beurteilung. In dem seinerzeit zu entscheidenden Rechtsstreit hatte sich das Bundesverwaltungsgericht damit zu befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen nach dem dort anzuwenden Recht private Belange schon bei der Abwägung auf der Stufe der Regionalplanung zu berücksichtigen waren. Für die Beurteilung der Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren gegen einen Flächennutzungsplan lässt sich daraus nichts herleiten, da dieser, soweit die Ausschlusswirkung des § 35 Abs.3 S.3 BauGB reicht, - anders als ein Regionalplan - unmittelbare Auswirkungen auf den Inhalt des Eigentums haben.

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4. Die Unzulässigkeit des Normenkontrollantrages folgt auch nicht aus der Regelung des § 47 Abs. 2a VwGO. Nach dieser Vorschrift ist ein gegen einen Bebauungsplan gerichteter Normenkontrollantrag unzulässig, wenn die antragstellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 3 BauGB) nicht oder verspätet vorgebracht hat, aber hätte geltend machen können und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Diese gesetzliche Bestimmung gilt entsprechend für den Erlass eines Flächennutzungsplanes; ihre Voraussetzungen sind aber vorliegend nicht erfüllt. Zwar hat die Antragstellerin Einwendungen nur verspätet geltend gemacht. Sie ist aber auf die Rechtsfolgen eines solchen Verhaltens nicht ausdrücklich hingewiesen worden. Nach dem im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Wortlaut der der öffentlichen Bekanntmachungen beigefügten Belehrung war nämlich der gemäß § 47 Abs. 2a VwGO i.V.m § 3 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 BauGB erforderliche Hinweis des Inhalts, dass das Unterbleiben einer fristgerechten Stellungnahme zur Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags führen kann, nicht beigefügt.

II.

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Der somit zulässige Normenkontrollantrag ist auch begründet, da die Festsetzung der Konzentrationszonen an beachtlichen Mängeln im Abwägungsvorgang leidet.

27

Hinsichtlich der bei der Festsetzung von Konzentrationszonen gebotenen Abwägung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13.12.2012 (Az. 4 CN 1.11) folgendes ausgeführt:

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…Die Anforderungen an den Abwägungsvorgang ergeben sich aus den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 2 Abs. 3 BauGB, die sich mit den Anforderungen decken, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entwickelt hat (Urteil vom 9. April 2008 - BVerwG 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100 Rn. 20). Soll eine planerische Entscheidung die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auslösen - hiernach stehen öffentliche Belange einem Vorhaben zur Nutzung der Windenergie in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist -, verlangt das Abwägungsgebot die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt. Die gemeindliche Entscheidung muss nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <298> und vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - NVwZ 2003, 1261).

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Nach der Rechtsprechung des Senats vollzieht sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts abschnittsweise (vgl. Beschluss vom 15.09.2009 - BVerwG 4 BN 25.09 - BRS 74 Nr. 112). In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als „Tabuzonen“ zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in „harte“ und „weiche“ untergliedern (Beschluss vom 15.09.2009 a.a.O.). Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Gemeindegebietsteilen, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung „schlechthin“ ungeeignet sind (vgl. Urteil vom 17.10.2002 a.a.O. S. 295, 299), mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden Bereiche des Gemeindegebiets erfasst, in denen nach dem Willen der Gemeinde aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen „von vornherein“ ausgeschlossen werden „soll“ (vgl. Urteil vom 21.10.2004 - BVerwG 4 C 2.04 - BVerwGE 122, 109 <112>). Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird (vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 26. November 2003 - 8 A 10814/03 - ZNER 2004, 82 <83>). …

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… Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, deren Bereitstellung für die Windenergienutzung an § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB scheitert. Danach haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nicht erforderlich ist ein Bauleitplan, wenn seiner Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. Urteil vom 18.03.2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239 <240 f.>). Harte Tabuflächen sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen (§ 1 Abs. 7 BauGB) entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche 11 12 für die Windenergie sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie keine eigenständige Kategorie im System des Rechts der Bauleitplanung bilden, sondern der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass städtebauliche Gesichtspunkte hier - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen, einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum schafft (vgl. Urteil vom 24.01.2008 - BVerwG 4 CN 2.07 - NVwZ 2008, 559 <560>).

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Während harte Tabuzonen kraft Gesetzes als Konzentrationsflächen für die Windenergienutzung ausscheiden, muss der Plangeber eine Entscheidung für weiche Tabuzonen rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er - anders als bei harten Tabukriterien - einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen. Andernfalls scheitert seine Planung unabhängig davon, welche Maßstäbe an die Kontrolle des Abwägungsergebnisses anzulegen sind, schon an dem fehlenden Nachweis, dass er die weichen Tabukriterien auf der Stufe der Abwägung in die Planung eingestellt hat. …“

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Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, hält die 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern einer Überprüfung nicht stand. Zwar ist der Antragsgegnerin einzuräumen, dass es auf die Verwendung der in der Entscheidung genannten Begrifflichkeiten („harte“ und „weiche“ Tabukriterien) nicht ankommt. Maßgeblich sind weder die gewählte Form der Ausarbeitung des Planungskonzepts, noch die dabei verwendeten Begriffe. Entscheidend ist vielmehr, ob der Rat der Beklagten bei seiner Entscheidung der Sache nach zwischen Flächen unterschieden hat, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für die Ausweisung als Konzentrationszone von vornherein ausgeschlossen sind und solchen Flächen, in denen die Errichtung und der Betreib von Windenergieanlagen tatsächlich und rechtlich möglich sind, die aber nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht für die Errichtung von Windenergieanlagen genutzt werden sollen. Diese gebotene Unterscheidung ist aber vorliegend nicht ausreichend berücksichtigt worden.

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Zunächst ist die Antragsgegnerin bei ihrer Planung unter dem Begriff „Ausschlusskriterien“ davon ausgegangen, dass die innerhalb eines Abstandes

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- von 800 m um Siedlungsflächen,

- von 500 m um bewohnte Gebiete im Außenbereich,

- von 150 m um Gewerbe- und Grünflächen und

- von 500 m um Friedhöfe

        

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gelegenen Flächen für die Nutzung durch Windenergieanlagen von vorneherein ungeeignet sind (vgl. Begründung zur 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern, S. 4 Mitte). Der Senat hat angesichts der in diesem Zusammenhang zum Teil nicht eindeutigen Formulierungen im Text der Begründung erwogen, ob mit den angegebenen Schutzabständen in Wahrheit sogenannte weiche Tabukriterien gemeint sein könnten. Im Hinblick darauf, dass in den einleitenden Erläuterungen (vgl. S. 3 der Begründung zur 8. Änderung des Flächennutzungsplanes letzter Absatz) die nachfolgenden Überlegungen als „Ausschlusskriterien“ bezeichnet werden, muss angenommen werden, dass hier tatsächlich harte Tabukriterien gemeint sind. Dafür spricht auch, dass die Antragsgegnerin in einem zweiten Schritt „…Potenzialflächen mit weniger als 950m Abstand zu Wohn- und Mischflächen…“ als Konzentrationsflächen ausgeschlossen (vgl. S. 12 der Begründung) und diesen Vorgang als Auswahl der am besten geeigneten Flächen (vgl. S. 7 der Begründung) verstanden hat. Trotz der Verwendung anderer Bezeichnungen - Ausschluss- und Auswahlkriterien - ist somit der Sache nach die 800m-Linie als Begrenzung der „harten“, die 950m-Linie als Begrenzung der „weichen“ Tabuzone zu verstehen. Dies zeigt auch der Hinweis (vgl. S. 4 der Begründung, Ende des 2. Absatzes) Bauverbotszonen nach dem Landesstraßengesetz und dem Fernstraßengesetz würden

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„…nicht als Ausschluss-, sondern als Auswahlkriterien im zweiten Prüfungsschritt angewandt…“;

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dieser Hinweis wäre nicht notwendig gewesen, wenn nicht die zuvor unter a-d beschriebenen Schutzabstände jeweils als Ausschlusskriterium im ersten Prüfungsschritt angesehen worden wären.

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Dass aber Flächen von 800 m um Siedlungsflächen und 500 m um Gebäude im Außenbereich etc. von vorneherein aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen im gesamten Bereich der Verbandsgemeinde für die Nutzung durch Windenergieanlagen schlechthin ungeeignet seien, lässt sich nicht feststellen. Rechtliche Vorgaben könnten sich insoweit nur aus dem Immissionsschutzrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) ergeben: Durch die Windkraftanlagen dürfen keine schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Welcher Abstand danach einzuhalten ist, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, kann - was zunächst den Lärm angeht - nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der Werte der TA-Lärm festgestellt werden. Dies hätte aber Berechnungen auf der Grundlage der für die Lärmimmissionen maßgeblichen Parameter wie etwa der Größe und Höhe der Anlage, der Windrichtung und der Geschwindigkeit sowie der Leistungsfähigkeit der Anlage oder der Tonhaltigkeit der Rotorgeräusche unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der betroffenen Nutzungen erfordert.

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Auch soweit die optischen Beeinträchtigungen in den Blick genommen werden, sind insbesondere ohne Berücksichtigung der Größe und Höhe der Anlage und der speziellen topographischen Verhältnisse sowie der Störempfindlichkeit der zu schützenden Nutzungen abstrakte Aussagen kaum möglich.

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Ob Anderes dann gelten kann, wenn die planende Gemeinde im Wege einer willkürfreien Typisierung unter Rückgriff auf Erfahrungswerte eine untere Grenze für die einzuhaltenden Abstände bestimmt, die - auch unter den für den Betrieb einer Windkraftanlage denkbar günstigsten Umständen - in jedem Falle eingehalten werden müssen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2011, juris Rn 65), braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Antragsgegnerin hat nämlich im Rahmen ihrer Planung weder eine Abschätzung der einzuhaltenden Mindestabstände anhand der Schallleistungspegel der zuzulassenden Anlagen, deren Nabenhöhe etc., noch eine Bewertung der durch den Schattenwurf verursachten Belästigungen nach der Dauer über den Tag und das Jahr vorgenommen. Danach hat sie keine Überlegungen dazu angestellt, ob es einen derartigen „auf der sicheren Seite“ liegenden allgemeinen Mindestabstand für Windenergieanlagen geben könnte, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in jedem Einzelfall eingehalten werden muss. Im Gegenteil belegen die Ausführungen der Begründung zu dem hier angegriffenen Flächennutzungsplan (Seite 4, letzter Absatz), es solle sichergestellt werden,

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„…dass dem Schutz öffentlicher und privater Belange in dem gebotenen Umfang Rechnung tragen wird und mögliche Nutzungskonflikte vermieden werden.“

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dass trotz der Annahme, es handele sich um Ausschlusskriterien auch im ersten Schritt nach Abständen gesucht wurde, die das Ergebnis einer Abwägung waren. Die so ermittelten Abstände sind daher solche, die unter Berücksichtigung des Vorsorgegrundsatzes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in Betracht kommen können; sie sind aber keine harten Tabukriterien oder - nach dem Sprachgebrauch der Antragsgegnerin - keine Ausschlusskriterien, wie es die Begründung zum hier angegriffenen Teilplan nahelegt. Da somit gesetzliche Bindungen (Ausschlusskriterien) angenommen wurden, wo in Wahrheit abzuwägen war, liegt ein Abwägungsfehler vor.

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2. Wie die Antragstellerin zu Recht rügt, sind auch

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- FFH-Gebiete (vgl. S. 5 der Begründung 1. Absatz)

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kein rechtlich zwingendes Ausschlusskriterium für die Windkraftnutzung. Die Errichtung einer Windenergieanlage ist in einem FFH-Gebiet (§ 31 ff BNatSchG) nur dann und insoweit rechtlichen Einschränkungen unterworfen, als Errichtung und Betrieb der Anlagen mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebietes unvereinbar und geeignet sind, dass Gebiet erheblich zu beeinträchtigen (vgl. § 34 Abs. 1, 2 BNatSchG). Ein Projekt, das zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes führen kann, kann zudem unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl zugelassen werden (vgl. § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG). Danach ist es grundsätzlich nicht möglich, FFH-Gebiete generell, ohne nähere Befassung mit der konkreten Situation als „harte“ Tabuzonen anzusehen (ähnlich: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2011, juris Rn 63, dem jedoch eine Zuordnung zu den harten Tabuzonen “… im vorliegenden Zusammenhang gerechtfertigt,…“ erschien).

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Auch hier mag Anderes dann gelten, wenn die planende Gemeinde im Wege einer willkürfreien Typisierung unter Rückgriff auf Erfahrungswerte eine Prognose mit dem Ergebnis anstellt, dass Errichtung und Betrieb einer WEA in einem bestimmten FFH-Gebiet praktisch ausgeschlossen ist. Dem braucht hier aber nicht näher nachgegangen zu werden, da die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Planung keine derartigen Erwägungen angestellt, sondern FFH-Gebiete pauschal als harte Tabuzonen angesehen hat. Selbstverständlich kann es eine vertretbare Abwägung beinhalten, wenn die Gemeinde in einem zweiten Schritt naturschutzrechtlichen Vorstellungen den Vorrang gegenüber anderen Belangen einräumt und FFH-Gebiete als weiche Tabuzonen ausweist.

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Auch insoweit ist die Abwägung daher fehlerhaft.

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3.Gleiches gilt für den

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- um FFH-Gebiete herum vorgesehenen Sicherheitsabstand von 200 m.

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4. Schließlich – auch dies rügt die Antragstellerin zu Recht – hat die Antragsgegnerin abwägungsfehlerhaft Ausnahmen von dem von ihr selbst auf 950 m festgesetzten Abstand zur Wohn- und Mischbauflächen zugelassen. Diesbezüglich ist zunächst klarzustellen, dass die Abwägung insoweit nicht zu beanstanden ist, als Potenzialflächen mit weniger als 950 m Abstand zu Wohn- und Mischbauflächen von der Nutzung durch Windenergieanlagen ausgeschlossen werden. Ausweislich des Inhalts der Begründung zum Bebauungsplan hat die Antragsgegnerin die Flächen mit weniger als 950 m zu Wohn- und Mischbauflächen im zweiten Arbeitsschritt (Bestimmung der weichen Tabukriterien) ausgeschieden, was auf der Überlegung beruhte, die Konzentrationswirkung dürfe nicht durch eine zu hohe Konzentrationszonendichte entwertet werden und, es müssten „größere Abstände“ zwischen den Konzentrationszonen erreicht werden. Die danach verbleibende Fläche von 5,8 % des Verbandsgemeindegebietes sei immer noch groß genug um der Windenergienutzung in substantieller Weise Raum zu verschaffen (vgl. Begründung zur 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern, S. 12, dritter Absatz von unten). Das hier gefundene Ergebnis der Abwägung zwischen dem Interesse an der Nutzung von Grundstücken zur Errichtung von Windenergieanlagen einerseits und einer zu hohen Anlagendichte ist rechtlich nicht zu beanstanden.

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Abwägungsfehlerhaft hat aber die Antragsgegnerin diese von ihr selbst vorab als (weiche) Tabuzonen für die Nutzung durch Windenergieanlagen ausgeschlossenen Flächen innerhalb eines Abstandes von 950 m zu Wohn- und Mischbauflächen im Hinblick auf

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„… konkrete Darstellungswünsche eine[r] Einzelfallwürdigung unterzogen …“

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(vgl. Begründung zur 8. Änderung des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Simmern, S. 12, letzter Absatz) und im Bereich der Ortsgemeinde Bergenhausen einen Abstand von 850 m sowie in der Ortsgemeinde Altweidelbach ein Abstand von 800 m zugelassen. Insoweit verhält sich die Antragsgegnerin widersprüchlich, sodass ein schlüssiges Planungskonzept nicht mehr erkennbar ist. Wenn die Gemeinde Tabuzonen bestimmt, in denen nach ihren eigenen städtebaulichen Kriterien von vornherein die Errichtung von Windenergieanlagen ausgeschlossen sein sollen, müssen diese abstrakt definiert sein und einheitlich für alle potenziellen Vorhabenstandorte im Plangebiet gelten. Für eine differenzierte "ortsbezogene" Anwendung der Restriktionskriterien, ist bei der Ermittlung der Potenzialflächen kein Raum (vgl. BVerwG, B.v.15.09.2009, 4 BN 25/09, BRS 74, Nr. 112). Zwar können aus den nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen verbleibenden Potenzialflächen in einem dritten Arbeitsschritt aufgrund einer ortsbezogenen Einzelfallabwägung noch zusätzlich Flächen als für die Windenergienutzung ungeeignet ausgeschieden werden, soweit danach noch substanziell Raum für die Windenergienutzung verbleibt. Die planende Verbandsgemeinde darf sich aber mit ihren eigenen, bei der Ermittlung der weichen Tabuzonen entwickelten Kriterien nicht in Widerspruch setzen. Stellt sie fest, dass, aus welchen Gründen auch immer, diese einheitlichen Tabukriterien Probleme aufwerfen, so muss sie diese hinterfragen und die Bestimmung der weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen und die weiche Tabuzone erneut nach anderen Kriterien aber einheitlich festsetzen.

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5. Die somit festzustellende unberechtigte Annahme von harten Tabukriterien und das Abweichen von den weichen Tabukriterien beinhalten Mängel im Abwägungsvorgang, die nicht gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB unbeachtlich sind. Diese Mängel stellen sich vielmehr als aus der Planbegründung folgende und damit offensichtliche Fehler bei der Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials dar, die sich auch auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt haben. Da bei einer zutreffenden Bewertung der harten Tabukriterien (nach der Wortwahl der Antragsgegnerin: „Ausschlusskriterien“) und bei einer widerspruchsfreien Festsetzung der weichen Tabukriterien (nach der Wortwahl der Antragsgegnerin: „Auswahlkriterien“) die nach Abzug der Tabuflächen verbleibenden Potenzialflächen vergrößert hätten, besteht die konkrete Möglichkeit, dass bei fehlerfreier Planung deutlich mehr Flächen für die Windenergienutzung in Betracht kommen, als dies bisher der Fall war. Zwar war der Mangel hinsichtlich der Abstände zu Wohn- und Mischbauflächen (vgl. oben 1., 1. und 2. Aufzählungspunkt) deshalb nicht von Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens, weil die Antragsgegnerin, wie ausgeführt, in einem zweiten Arbeitsschritt eine „weiche“ Tabuzone von 950 m um Wohn- und Mischbauflächen zusätzlich von der Nutzung durch Windkraftanlagen ausgeschlossen hat, sodass sich insoweit die fehlerhafte Annahme einer engeren „harten“ Tabuzone von 800 m nicht auswirkt. Hinsichtlich der übrigen, oben unter den Nummern 1. bis 4. beschriebenen, jeweils selbstständig tragenden Abwägungsfehler gilt dies aber nicht; insoweit wäre die Planung ohne den Fehler wahrscheinlich anders ausgefallen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

56

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 Nr. 10, 711 ZPO.

57

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

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Beschluss

59

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Berücksichtigung des vom Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Nr. 9.8.2 vorgeschlagenen Wertes auf 60.000,00 € festgesetzt (§§ 62 Abs.2, 52 Abs. 1 GKG).

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