Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 A 10718/14
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 3. Juni 2014 wird der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Landesbetriebes Mobilität Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 verpflichtet, der Klägerin eine Linienverkehrsgenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Linie 403 Spangdahlem-Bitburg ab Rechtskraft bis zum 31. Mai 2024 zu erteilen.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte; ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Gegenstand des Verfahrens ist die Entscheidung des Beklagten über konkurrierende Anträge der Klägerin und der Beigeladenen auf Erteilung einer Genehmigung für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen der Linie 403 Spangdahlem-Bitburg, die zugunsten der Beigeladenen ausfiel.
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Die Beigeladene besaß eine Genehmigung für diesen Linienverkehr, die bis zum 31. Mai 2014 gültig war. Sie beantragte unter dem 28. Mai 2013 die Wieder-erteilung der Genehmigung für die Dauer von 10 Jahren für den ab Juni 2014 beginnenden Zeitraum.
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Die Klägerin beantragte unter dem 29. Mai 2013 ebenfalls die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung für diese Linie im gleichen Zeitraum. Sie gab in ihrem Antrag neun verbindliche Zusicherungen ab:
1. Vorhalten eines Verkaufs- und Informationsbüros in unmittelbarer Nähe zum Linienverlauf (30 Meter).
2. Bereithalten von elektronischen Fahrscheindruckern an jedem Fahrerarbeitsplatz.
3. Verkaufs- und Informationsbüro mindestens 45 Stunden die Woche (Montag-Freitag) zur Verfügung der Kunden.
4. Beibehaltung des Fahrplanangebots, solange eine regelmäßige Nutzung von mindestens vier Personen besteht.
5. Anpassung des Fahrtenangebots für Schüler in Abstimmung mit den Aufgabenträgern entsprechend der Nachfrageentwicklung.
6. Einsatz von kompetentem, mindestens einmal jährlich geschultem Fahrpersonal.
7. Angebot einer Busschule für Erstklässler zur Unfallverhütung nach den Richtlinien der Unfallkasse Rheinland-Pfalz.
8. Planerische Inanspruchnahme von lediglich 70 v.H. der in den Zulassungsunterlagen freigegebenen Stehplätze, um sicherzustellen, dass keine überfüllten Busse eingesetzt werden und der Fahrgastkomfort auch zu Hauptlastzeiten erhalten bleibt.
9. Ständig besetzte Einsatz- und Dispositionszentrale während der Einsatzzeit und Vorhalten eines Ersatzfahrzeugs für einen Schadens- oder Notfall.
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Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2013 der Beigeladenen die beantragte Linienverkehrsgenehmigung und lehnte zugleich den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte er aus: Die subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen würden von beiden Unternehmen erfüllt. In der vorliegenden Situation eines Genehmigungswettbewerbes habe die Genehmigungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung eine in ihrem Ermessen stehende Auswahlentscheidung zu treffen, wobei in erster Linie darauf abzustellen sei, wer die beste Verkehrsbedienung anbiete. Im Rahmen der Auswahlentscheidung sei die langjährige beanstandungsfreie Bedienung der Linie durch einen Bewerber angemessen zu berücksichtigen. Dies bedeute, dass dem Altunternehmer gegenüber einem Neubewerber ein starker Schutz zukomme, der nur durch gewichtige Gründe bzw. ein überzeugend besseres Angebot überwunden werden könne. Die Fahrplanangebote unterschieden sich nur marginal und seien daher im Ergebnis als gleichwertig anzusehen. Für die zu treffende Auswahlentscheidung könne es neben dem Fahrplanangebot auch darauf ankommen, mit welchen Standards die Antragsteller den beantragten Verkehr durchführen wollten. Die von der Klägerin mit dem Antrag abgegebenen verbindlichen Zusicherungen seien daher zu prüfen und dahingehend zu gewichten, ob hierdurch ein so überzeugend besseres Angebot vorliege, dass damit das Altunternehmerprivileg der Beigeladenen überwunden werden könne. Dies sei nicht der Fall. Die Klägerin habe aufgrund der Zusicherungen zwar ein leicht besseres Angebot vorgelegt. Die Zusicherungen seien in ihrer Bedeutung aber nicht so gewichtig, dass hierdurch ein überzeugend besseres Angebot bestehen würde.
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So sei eine Verkaufs- und Informationsstelle in räumlicher Nähe, wie von der Klägerin am Betriebssitz der Firma vorgehalten und zugesichert, für die Kunden von Vorteil. Die Beigeladene besitze allerdings ebenfalls elektronische Fahrscheindrucker an jedem Fahrerarbeitsplatz und stimme ihr Fahrplanangebot auch mit den Aufgabenträgern ab. Die von der Klägerin zugesicherte Unterweisung der Erstklässler sei vergleichbar mit der bereits seit Jahren bestehenden Busschule der Beigeladenen. Zudem sei dies kein Kriterium für eine bessere Verkehrsbedienung. Der Zusicherung der Klägerin, dass nur 70 v.H. der Stehplätze bei der Beförderung in Anspruch genommen würden, wie dies das Schulgesetz Rheinland-Pfalz für den sogenannten freigestellten Schülerverkehr fordere, könne keine große praktische Bedeutung zukommen, da diese Zusicherung schon bisher als informelle Vereinbarung zwischen den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern innerhalb des Verkehrsverbundes Region Trier (VRT) existiere. Im Übrigen wäre die Einhaltung einer solchen Zusicherung bzw. einer daraus resultierenden Auflage in der Genehmigung kaum zu kontrollieren, da im Zweifel Stehplätze im allgemeinen Linienverkehr entsprechend den in den Fahrzeugpapieren festgelegten Angaben genutzt werden dürften. Die Beigeladene habe in der Vergangenheit bei Auswahl von Fahrzeugen ebenfalls Ersatzbusse gestellt, um die Beförderung in Schadens- und Notfällen sicherzustellen. Die Zusicherung, dass das Fahrplanangebot garantiert werde, solange eine regelmäßige Nutzung von mindestens vier Personen bestehe, erfolge unter einer auflösenden Bedingung, über deren Eintritt derzeit keinerlei Aussage möglich sei. Sie sei deshalb hier auch nicht zu berücksichtigen.
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Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2014 zurückgewiesen. Auch die erneute Prüfung und Gewichtung der von der Klägerin abgegebenen verbindlichen Zusicherungen führe zu dem Ergebnis, dass sie kein überzeugend besseres Angebot gegenüber dem der Altunternehmerin, der Beigeladenen, vorgelegt habe. Jahrelang praktizierte und damit selbstverständliche Umstände bedürften keiner zusätzlichen ausdrücklichen Zusicherung. Bei der Garantie des Fahrplanangebots, solange eine regelmäßige Nutzung von mindestens vier Personen bestehe, handele es sich um eine auflösende Bedingung, die dem Personenbeförderungsgesetz fremd und damit nicht in den Blick zu nehmen sei. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, müsse diese Zusicherung im Kontext mit der seit Jahren üblichen Verwaltungspraxis in Rheinland-Pfalz betrachtet werden. Hiernach würden Anträge auf Entbindung oder Teilentbindung von der Betriebspflicht erst bei einer regelmäßigen Nutzung von unter fünf Personen genehmigt. Gleiches gelte für Zustimmungen zu Fahrplanänderungen. Nach dieser Praxis seien Antragsteller ohne Zusicherung gehalten, ihr Fahrplanangebot aufrechtzuerhalten, solange eine Mindestnutzung von fünf Personen bestehe. Vor diesem Hintergrund könne eine Zusicherung, die diese Grenze nur um eine Person verbessern würde, nicht als so wesentlich bezeichnet werden, dass sie den Besitzstandsschutz des bisherigen Unternehmers überwinden könne.
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Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3. Juni 2014 mit der Begründung abgewiesen, die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen sei rechtmäßig. Der Beklagte habe unter Berücksichtigung des Altunternehmerprivilegs eine rechtlich nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung getroffen.
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Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend: Dem Beklagten stehe kein Auswahlermessen zu. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, die diesbezüglich von einer Ermessensentscheidung ausgegangen sei, sei durch die Einfügung des § 13 Abs. 2b in das Personenbeförderungsgesetz überholt. Nunmehr sei die Auswahl danach vorzunehmen, wer die beste Verkehrsbedienung anbiete. Ferner habe der Beklagte die Grenzen des ihm von der Rechtsprechung zugebilligten Beurteilungsspielraums bei der Ermittlung der besten Verkehrsbedienung überschritten. Die von der Beigeladenen in der Vergangenheit erbrachten Leistungen könnten nicht gleichgesetzt werden mit den verbindlichen Zusicherungen, die sie – die Klägerin – abgegeben habe. Jene Leistungen rechtfertigten nur eine gewisse Vermutung der erneuten Erbringung in der Zukunft. Es bestehe insoweit aber keine Bindung der Beigeladenen wie bei einer verbindlichen Zusicherung. Zugesicherte Angebotsbestandteile könnten nach der Regelung des Personenbeförderungsgesetzes nur unter erschwerten Bedingungen zurückgenommen werden. Verbindlichen Zusicherungen müsse daher stets ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Auswahlentscheidung zugemessen werden. Die Berücksichtigung von in der Vergangenheit erbrachten Leistungen vermische auch unzulässig die Ermittlung des besten Angebots mit der Berücksichtigung des Altunternehmerprivilegs. Darüber hinaus seien auch einzelne der von ihr abgegebenen verbindlichen Zusicherungen fehlerhaft bewertet worden. Hinsichtlich der von ihr zugesicherten Garantie des Fahrplanangebots bei einer Mindestauslastung von vier Personen stelle dies gegenüber der Verwaltungspraxis, wonach ein Fahrplanangebot bei einer Mindestnutzung von fünf Personen aufrechtzuerhalten sei, eine nicht nur unwesentliche Verbesserung dar, da hier ein Unterschied in einer Größenordnung von 20 v.H. bestehe. Hinsichtlich der Zusicherung, nur 70 v.H der zugelassenen Stehplätze in Anspruch zu nehmen, könne dem entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengehalten werden, dass dies den Vorgaben des Schulgesetzes Rheinland-Pfalz für den Schülerverkehr entspreche. Denn hier handele es sich um Linienverkehr. Die Beigeladene könne sich auch nicht auf das Altunternehmerprivileg berufen, weil sie den Verkehr auf der hier in Rede stehenden Linie nicht selbst betrieben habe, sondern überwiegend Subunternehmer eingesetzt habe. Lediglich vier der vierzehn auf der Linie eingesetzten Busse habe sie selbst betrieben. Das Altunternehmerprivileg diene auch dem Investitionsschutz. Die Höhe der für die Linie aufgewendeten Investitionen habe der Beklagte nicht aufgeklärt. Zudem habe sie – die Klägerin – als Subunternehmerin der Beigeladenen ebenfalls einen Teil der Verkehrsleistung erbracht, so dass die Beigeladene jedenfalls ihr gegenüber sich nicht auf das Altunternehmerprivileg berufen könne. Ferner könne zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Altunternehmerprivileg ein gewisser Rückstand des Verkehrsangebots ausgeglichen werden. Fehlerhaft sei jedoch die Annahme, dass nur durch ein wesentlich besseres Angebot das Altunternehmerprivileg überwunden werden könne. Dieser Maßstab gelte nur für einen konkurrierenden Antrag im Verhältnis zu einer laufenden Linienverkehrsgenehmigung. Schließlich habe die Beklagte auch nicht geprüft, ob die Beigeladene den beantragten Verkehr über die beabsichtigte Laufzeit werde erbringen können, obwohl die Beigeladene in der jüngeren Vergangenheit öffentlich bekundet habe, für die Verkehrserbringung in dem Gebiet, in dem auch die streitgegenständliche Linie verlaufe, Zuschüsse zu benötigen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 3. Juni 2014 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesbetriebes Mobilität Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 zu verpflichten, ihr eine Linienverkehrsgenehmigung zur Einrichtung und zum Betrieb der Linie 403 Spangdahlem-Bitburg ab Rechtskraft bis zum 31. Mai 2024 zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, dass die Beigeladene nicht nur Subunternehmer eingesetzt habe, sondern auch eigene Busse. Sie könne sich daher auf Investitionsschutz durchaus berufen. An der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beigeladenen für den dauerhaften Betrieb der Linie bestünden keine Zweifel. Sie besitze einen Ergebnisabführungsvertrag mit der DB Regio AG, nach dem sie nicht nur Gewinne, sondern auch Verluste abführe.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Vertreter der Beigeladenen geben in der mündlichen Verhandlung an, von einem überfüllten Bus könne erst dann gesprochen werden, wenn mehr als die zugelassenen Stehplätze in Anspruch genommen würden. Die Beigeladene bemühe sich, die Selbstverpflichtung aufgrund der informellen Vereinbarung zur Inanspruchnahme der Stehplätze einzuhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist begründet.
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Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Entscheidung des Beklagten, der Beigeladenen die Genehmigung für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen der Linie 403 Spangdahlem-Bitburg zu erteilen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung für den genannten Linienverkehr.
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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin zur Anfechtung der der Beigeladenen erteilten Linienverkehrsgenehmigung klagebefugt, weil sie eine mögliche Verletzung eigener Rechte geltend machen kann (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Die Bestimmungen des § 13 Personenbeförderungsgesetz – PBefG – schützen den Bewerber um eine Linienverkehrsgenehmigung, der – wie hier die Klägerin – geltend macht, die Genehmigung habe ihm und nicht seinem Konkurrenten erteilt werden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2000 – 3 C 6.99 –, juris, Rn. 16 ff.; VGH Bayern, Urteil vom 6. März 2008 – 11 B 04.2449 –, juris, Rn. 27).
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2. Die Klage ist auch begründet. Die Auswahlentscheidung des Beklagten zu Gunsten der Beigeladenen ist rechtswidrig. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung der von ihr begehren Linienverkehrsgenehmigung zu.
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Rechtsgrundlage für die Erteilung der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG erforderlichen Genehmigung für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen im Sinne von § 42 PBefG ist § 13 PBefG.
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a) Die Anträge sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen sind nach § 13 Abs. 1 und Abs. 2 PBefG genehmigungsfähig. Die in § 13 Abs. 1 PBefG normierten subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen werden von der Klägerin erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
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Gleiches gilt für die Beigeladene. Etwas anderes ergibt sich in Bezug auf die Gewährleistung der Leistungsfähigkeit des Betriebes im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. PBefG nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, wonach die Beigeladene öffentlich erklärt habe, Zuschüsse für die Verkehrserbringung in dem Gebiet, in dem auch die streitgegenständliche Linie liegt, zu benötigen. Denn etwaige zu erwartende Defizite aus dem zur Genehmigung gestellten Verkehr sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. PBefG nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 C 26.12 –, juris, Rn. 19 m.w.N. = BVerwGE 148, 175).
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Die von der Klägerin angeführte Äußerung der Beigeladenen begründet auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene die Linie wegen fehlender Kostendeckung nicht dauerhaft betreiben kann. Bestünden hierfür konkrete Anhaltspunkte, so würde die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung an die Beigeladene öffentliche Verkehrsinteressen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 3 PBefG beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013, a.a.O., Rn. 22). Die genannte Äußerung der Beigeladenen und die von der Klägerin hierzu vorgelegten Unterlagen rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Beigeladene die Linie in Zukunft wegen fehlender Kostendeckung nicht dauerhaft betreiben kann. Die Äußerung bezieht sich schon nicht konkret auf die hier in Rede stehende Linie 403. Vor allem aber besitzt die Beigeladene nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten einen Ergebnisabführungsvertrag mit der DB Regio AG, nach dem sie nicht nur Gewinne, sondern auch Verluste abführt. Damit ist ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für den dauerhaften Betrieb der Linie als gesichert anzusehen.
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b) Die Auswahlentscheidung bei mehreren genehmigungsfähigen konkurrierenden Anträgen auf Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung richtet sich nach § 13 Abs. 2b PBefG. Nach dieser Vorschrift ist die Auswahl des Unternehmers danach vorzunehmen, wer die beste Verkehrsbedienung anbietet, wenn im öffentlichen Personennahverkehr mehrere Anträge gestellt werden, die sich ganz oder zum Teil auf die gleiche oder im Wesentlichen gleiche Verkehrsleistung beziehen (Satz 1). Hierbei sind insbesondere die Festlegungen eines Nahverkehrsplans im Sinne des § 8 Abs. 3 PBefG zu berücksichtigen (Satz 2). Außerdem ist nach § 13 Abs. 3 PBefG der Umstand, dass ein Verkehr von einem Unternehmer jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden ist, angemessen zu berücksichtigen.
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Die von der Genehmigungsbehörde zu treffende Auswahlentscheidung bei mehreren genehmigungsfähigen konkurrierenden Anträgen auf Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung ist eine Ermessensentscheidung.
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Hiervon ist die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Obergericht einhellig ausgegangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006 – 3 C 33.05 –, juris, Rn. 50 = BVerwGE 127, 42; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 1. August 2012 – 3 L 2/11 –, juris, Rn. 96; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2009 – 1 B 1/08 –, juris, Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31. März 2009 – 3 S 2455/06 –, juris, Rn. 62; VGH Bayern, Urteil vom 6. März 2008, a.a.O., Rn. 45 und 47). An dieser Rechtslage hat sich durch die Einfügung des § 13 Abs. 2b in das Personenbeförderungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2013 (vgl. Gesetz vom 14. Dezember 2012, BGBl. I S. 2598) nichts geändert (im Ergebnis ebenso: Saxinger, GewArch 2014, 377 [378]; Fielitz/Grätz, PBefG, Stand Juni 2014, § 13, Rn. 54 am Ende).
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Der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Novelle des Personenbeförderungsgesetzes ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 13 Abs. 2b PBefG die bisherige Rechtsprechung korrigieren wollte. Vielmehr wollte er ausweislich der Gesetzesbegründung in § 13 Abs. 2b PBefG „entsprechend der bestehenden Verwaltungspraxis“ ausdrücklich festlegen, dass in dem Fall mehrerer konkurrierender Anträge der Bewerber mit der besten Verkehrsbedienung vorzuziehen ist (BT-Drucks. 17/8233, S. 16). Da die bisherige Praxis – wie oben ausgeführt – von einer Ermessensentscheidung ausging, wollte der Gesetzgeber somit hieran ersichtlich nichts ändern.
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Der Wortlaut des § 13 Abs. 2b PBefG spricht nicht entscheidend gegen diese Auslegung der Vorschrift. Insbesondere die Verwendung der Formulierung „ist die Auswahl des Unternehmers danach vorzunehmen, wer die beste Verkehrsbedienung anbietet“ schließt ein der Genehmigungsbehörde zustehendes Ermessen nicht aus. Das Wort „ist“ beschreibt hier nicht – im Unterschied zu dem regelmäßig einen Ermessensspielraum anzeigenden Wort „kann“ – eine gebundene Entscheidung. Die genannte Formulierung bezeichnet hier lediglich das maßgebliche Kriterium bei der von der Behörde nach Ermessen zu treffenden Auswahlentscheidung, nämlich die beste Verkehrsbedienung.
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Für einen Ermessensspielraum der Genehmigungsbehörde spricht schließlich auch, dass nicht erkennbar ist, wie eine gebundene Auswahlentscheidung getroffen werden kann, wenn zwei gleich gute Angebote vorliegen.
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Der Genehmigungsbehörde kommt darüber hinaus bei der Bewertung von öffentlichen Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und ihrer befriedigenden Bedienung und damit auch bei der Beantwortung der Frage, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 – 7 C 39.87 –, juris, Rn. 15 = BVerwGE 82, 260). Dies gilt auch im Rahmen der nach § 13 Abs. 2b PBefG vorzunehmenden Prüfung, wer – gemessen an den öffentlichen Verkehrsbedürfnissen – die beste Verkehrsbedienung anbietet (vgl. Saxinger, GewArch 2014, 377 [378]).
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Hiervon ausgehend hat der Beklagte bei seiner Auswahlentscheidung rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Fahrplanangebote der Klägerin und der Beigeladenen den Vorgaben des Nahverkehrsplans des Eifelkreises Bitburg-Prüm entsprechen, sich nur marginal unterscheiden und im Ergebnis als gleichwertig anzusehen sind.
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Im Ausgangspunkt fehlerfrei ist die weitere Annahme des Beklagten, dass die Klägerin aufgrund ihrer verbindlichen Zusicherungen ein besseres Angebot abgegeben hat als die Beigeladene.
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Nach § 12 Abs. 1a PBefG kann der Antragsteller dem Genehmigungsantrag weitere Bestandteile hinzufügen, die als verbindliche Zusicherungen zu bezeichnen sind, um bestimmte Standards des beantragten Verkehrs verbindlich zuzusichern. Gegenstand einer verbindlichen Zusicherung können alle Standards des geplanten Verkehrs sein, zum Beispiel Tarife, Fahrpläne und technische Spezifikationen der eingesetzten Fahrzeuge (vgl. BT-Drucks. 17/8233, S. 15). Die Einhaltung einer verbindlichen Zusicherung ist gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 PBefG durch eine Auflage zur Genehmigung abzusichern.
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Verbindliche Zusicherungen verbessern die Ausgangsstellung des Antragstellers, sind aber bei erfolgreichem Antrag auch grundsätzlich für die gesamte Laufzeit der Genehmigung einzuhalten. Denn für Bestandteile des Genehmigungsantrags, die vom Unternehmer verbindlich zugesichert werden, bleibt die Erfüllung der Betriebspflicht in der Regel zumutbar (vgl. § 21 Abs. 4 Satz 3 PBefG). Ein Antrag nach § 21 Abs. 4 Satz 1 PBefG auf Entbindung von der Betriebspflicht, weil deren Erfüllung dem Unternehmer nicht mehr zugemutet werden könne, wird daher hinsichtlich der verbindlich zugesicherten Bestandteile grundsätzlich keinen Erfolg haben. Ebenso wird die erforderliche Zustimmung zu einer Änderung des Fahrplans oder der Beförderungsentgelte und -bedingungen in der Regel nicht erteilt, wenn diese einer verbindlichen Zusicherung widerspricht (vgl. §§ 40 Abs. 2a, 39 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 Satz 3 PBefG).
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Daher ist ein Angebot, in dem Bestandteile des Genehmigungsantrags nach § 12 Abs. 1a PBefG verbindlich zugesichert werden, aufgrund der dadurch – bei Erfolg des Antrags – begründeten rechtlichen Bindung besser als ein Angebot ohne eine entsprechende Zusicherung. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei der Beantwortung der Frage, wer die beste Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2b PBefG anbietet, generell der Abgabe verbindlicher Zusicherungen gegenüber dem Fehlen entsprechender Zusicherungen ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen ist. Vielmehr hängt die Beantwortung der Frage nach dem besten Angebot bei Abgabe verbindlicher Zusicherungen von der Bedeutung des zugesicherten Standards ab.
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Keine ausschlaggebende Bedeutung kommt einer verbindlichen Zusicherung zu, die nur eine Bagatelle betrifft. Gleiches gilt in den Fällen, in denen die berechtigte Erwartung besteht, dass der von einem Unternehmer verbindlich zugesicherte Standard von dem konkurrierenden Unternehmer auch ohne entsprechende Zusicherung ebenfalls für die gesamte Laufzeit der Genehmigung eingehalten wird. Eine solche Erwartung ist insbesondere berechtigt, wenn die Einhaltung des zugesicherten Standards gesetzlich vorgeschrieben ist oder in der Praxis so allgemein verbreitet ist, dass dies als selbstverständlich anzusehen ist. Eine solche Erwartung kann darüber hinaus bei einem Altunternehmer berechtigt sein, der bereits jahrelang den von einem Neubewerber verbindlich zugesicherten Standard eingehalten hat, etwa wenn die weitere Aufrechterhaltung dieses Standards im wohlverstandenen eigenen Interesse des Altunternehmers liegt. Besteht die berechtigte Erwartung, dass der Altunternehmer auch ohne verbindliche Zusicherung den jahrelang praktizierten Standard weiter aufrechterhalten wird, so ist der Vorteil, den die verbindliche Zusicherung dieses Standards und die dadurch begründete rechtliche Bindung enthält, nicht von solch einem Gewicht, dass ihm bei der Bestimmung des besten Angebots im Sinne des § 13 Abs. 2b PBefG ausschlaggebende Bedeutung zukommen müsste.
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In der Berücksichtigung der bisherigen Verkehrsbedienung des Altunternehmers liegt entgegen der Auffassung der Klägerin keine unzulässige Vermischung der Prüfung der besten Verkehrsbedienung nach § 13 Abs. 2b PBefG und der Berücksichtigung des sogenannten Altunternehmerprivilegs nach § 13 Abs. 3 PBefG. Aus den dargelegten Gründen ist vielmehr die bisherige Verkehrsbedienung des Altunternehmers auch im Rahmen der Bewertung von verbindlichen Zusicherungen eines Neubewerbers für die Frage des besten Angebots von Bedeutung.
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Einschätzung des Beklagten nicht zu beanstanden, dass die Klägerin durch die Abgabe folgender verbindlicher Zusicherungen keine bedeutsam bessere Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2b PBefG angeboten hat als die Beigeladene, die keine entsprechenden Zusicherungen gemacht hat: Bereithalten von elektronischen Fahrscheindruckern an jedem Fahrerarbeitsplatz (Nr. 2 der verbindlichen Zusicherungen der Klägerin), Verkehrs- und Informationsbüro mindestens 45 Stunden/Woche von Montag bis Freitag (Nr. 3), Anpassung des Fahrtenangebots für Schüler in Abstimmung mit den Aufgabenträgern entsprechend der Nachfrageentwicklung (Nr. 5), Einsatz von kompetentem, mindestens einmal jährlich geschultem Fahrpersonal (Nr. 6), Angebot einer Busschule für Erstklässler zur Unfallverhütung nach den Richtlinien der Unfallkasse Rheinland-Pfalz (Nr. 7) sowie eine ständig besetzte Einsatz- und Dispositionszentrale während der Einsatzzeit und Vorhalten eines Ersatzfahrzeugs für einen Schadens- oder Notfall (Nr. 9).
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Insofern besteht nämlich die berechtigte Erwartung, dass die Beigeladene, die als Altunternehmer jahrelang entsprechende Standards eingehalten hat, dies auch künftig während der Laufzeit der Genehmigung aufrechterhalten wird. Die Aufrechterhaltung dieser Standards, soweit sie nicht wie der Einsatz von einmal jährlich geschultem Fahrpersonal ohnehin gesetzlich vorgeschrieben sind, liegt letztlich auch im wohlverstandenen eigenen Interesse der Beigeladenen.
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Der Beklagte ist ferner zutreffend bei seiner Entscheidung – jedenfalls hilfsweise im Widerspruchsbescheid – davon ausgegangen, dass dies nicht für die verbindlichen Zusicherungen der Klägerin für das Vorhalten eines Verkaufs- und Informationsbüros in unmittelbarer Nähe zum Linienverlauf (Nr. 1) und für die Garantie der Beibehaltung des Fahrplanangebots, solange eine regelmäßige Nutzung von mindestens vier Personen besteht (Nr. 4), gilt. Die Beigeladene hat weder entsprechende Standards verbindlich zugesichert noch als Altunternehmer bisher eingehalten. Die Beigeladene verfügt über keine Verkaufs- und Informationsstelle in unmittelbarer räumlicher Nähe, sondern lediglich in Trier. Zwar sind ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge Fahrscheine einschließlich Monatskarten auch beim Fahrer in den eingesetzten Bussen erhältlich. Eine Information ist zudem über das Internet möglich. Die räumliche Nähe einer Verkaufs- und Informationsstelle zur Linie stellt jedoch nach der plausiblen Einschätzung des Beklagten – gerade für ältere Kunden – durchaus einen gewissen qualitativen Vorteil dar.
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Die Garantie des Fahrplanangebots bei einer regelmäßigen Mindestnutzung von vier Fahrgästen ist entgegen der Annahme des Beklagten im Ausgangsbescheid nicht eine lediglich auflösend bedingte Zusicherung, die nicht zu berücksichtigen wäre, sondern eine verbindliche Zusicherung hinsichtlich der Beibehaltung des Fahrplanangebots. Sie bedeutet angesichts der bestehenden Verwaltungspraxis in Rheinland-Pfalz, Anträgen auf Betriebspflichtentbindungen und Fahrplanänderungen erst ab einer regelmäßigen Nutzung von weniger als fünf Personen zu entsprechen, eine Verbesserung des Angebots um eine Person gegenüber dem Angebot der Beigeladenen, das keine verbindlichen Zusicherungen enthält. Insoweit ist das Angebot der Klägerin – wie vom Beklagten im Widerspruchsbescheid in seinen Hilfserwägungen zutreffend erkannt – besser als das der Beigeladenen.
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Fehlerhaft ist aber die Annahme des Beklagten, dass der verbindlichen Zusicherung der Klägerin (Nr. 8), lediglich 70 v.H. der in den Zulassungsunterlagen freigegebenen Stehplätze in Anspruch zu nehmen, keine große praktische Bedeutung zukomme, weil diese Zusicherung schon bisher als informelle Vereinbarung zwischen den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern des Verkehrsverbundes Region Trier (VRT) existiere.
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Eine informelle Vereinbarung ist mangels rechtlicher Bindung von deutlich geringerem Gewicht als eine verbindliche Zusicherung. Die vom Beklagten angeführte informelle Vereinbarung rechtfertigt als solche nicht die Erwartung, dass der von der Klägerin zugesicherte Standard von der Beigeladenen auch ohne entsprechende Zusicherung ebenfalls für die gesamte Laufzeit der Genehmigung eingehalten wird. Eine solche Erwartung wäre allerdings dann berechtigt, wenn die Beigeladene als Altunternehmerin bereits jahrelang den von der Klägerin zugesicherten Standard aufgrund der informellen Vereinbarung eingehalten hätte. Eine entsprechende Feststellung hat der Beklagte jedoch weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid getroffen. Die Beigeladene hat dies auch weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren schriftsätzlich behauptet. Auch nach den Angaben der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung des Senats ist hiervon nicht auszugehen.
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Der Geschäftsführer der Beigeladenen hat auf gerichtliche Nachfrage erklärt, von einem überfüllten Bus könne erst dann gesprochen werden, wenn mehr als die zugelassenen Stehplätze in Anspruch genommen würden. Ihr Prozessbevollmächtigter hat hierzu angegeben, die Beigeladene bemühe sich, die Selbstverpflichtung aufgrund der informellen Vereinbarung zur Inanspruchnahme der Stehplätze einzuhalten. Die Beigeladenenvertreter haben demnach auf Nachfrage selbst nicht behauptet, dass die Beigeladene die informelle Vereinbarung als Altunternehmerin bereits jahrelang eingehalten habe. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, die Beigeladene habe als Altunternehmerin den von der Klägerin zugesicherten Standard bei der Inanspruchnahme von Stehplätzen in der Vergangenheit während der Geltungsdauer der früheren Genehmigung stets eingehalten.
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Die Einhaltung dieses zugesicherten Standards ist auch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Die Vorgabe des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes, wonach sicherzustellen ist, dass die Zahl der zulässigen Stehplätze nur bis zu 70 v.H. genutzt wird, gilt nur beim Einsatz von Schulbussen durch die Landkreise und kreisfreien Städte (vgl. § 69 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 SchulG) und damit nicht beim vorliegenden Linienverkehr im öffentlichen Personennahverkehr nach § 42 PBefG, wenngleich die Linie stark am Schülerverkehr ausgerichtet ist. In diesen Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs ist die Beförderung von stehenden Fahrgästen lediglich auf die Zahl der Stehplätze beschränkt, die in der Zulassungsbescheinigung Teil I eingetragen ist (vgl. § 34a StVZO).
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Die verbindliche Zusicherung der Klägerin zur Inanspruchnahme von lediglich 70 v.H. der zugelassenen Stehplätze betrifft schließlich auch keine Bagatelle. Der zugesicherte Standard entspricht vielmehr den dargelegten günstigeren Bedingungen für Schulbusse nach § 69 Abs. 5 SchulG. Die Zusicherung der Klägerin dient vor allem ebenso wie die gesetzliche Vorgabe für Schulbusse dem Zweck, die Sicherheit der Fahrgäste zu erhöhen. Überdies soll mit ihr der Fahrgastkomfort auch zu Hauptlastzeiten erhalten bleiben. Ihr kann daher ein bedeutsames Gewicht bei der Beantwortung der Frage, wer die beste Verkehrsbedienung nach § 13 Abs. 2b PBefG anbietet, nicht abgesprochen werden. Dies gilt umso mehr, als die Linie stark am Schülerverkehr ausgerichtet ist.
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Soweit der Beklagte hilfsweise die Bedeutung dieser Zusicherung mit der Erwägung relativiert hat, ihre Einhaltung lasse sich kaum kontrollieren, ist dies nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, weshalb stichprobenartige Kontrollen hierzu nicht durchgeführt werden könnten.
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Nach alledem ist das Angebot der Klägerin nicht nur aufgrund der verbindlichen Zusicherungen Nr. 1 und 4 – Vorhalten eines Verkaufs- und Informationsbüros in unmittelbarer Nähe zum Linienverlauf und Garantie des Fahrplanangebots bei einer regelmäßigen Nutzung von mindestens vier Personen – besser als das der Beigeladenen ohne entsprechende Zusicherungen. Gleiches gilt vielmehr entgegen der Annahme des Beklagten und der Vorinstanz aus den genannten Gründen auch bezüglich der verbindlichen Zusicherung Nr. 8 zur Inanspruchnahme von lediglich 70 v.H. der zugelassenen Stehplätze.
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c) Ermessensfehlerhaft ist die Annahme des Beklagten, das Altunternehmerprivileg der Beigeladenen nach § 13 Abs. 3 PBefG führe dazu, den Rückstand ihres Angebots gegenüber dem besseren Angebot der Klägerin auszugleichen.
- 52
Nach § 13 Abs. 3 PBefG ist der Umstand, dass ein Verkehr von einem Unternehmer jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden ist, angemessen zu berücksichtigen. Diese den Altunternehmer begünstigende Regelung verweist zum einen mit dem Kriterium der jahrelangen erfolgreichen Verkehrsbedienung auf den im Gewerberecht anerkannten Grundsatz „bekannt und bewährt“. Das entspricht einem berechtigten Verkehrsinteresse, bei der Erteilung einer neuen Genehmigung denjenigen zu bevorzugen, der in Jahren bewiesen hat, dass er den fraglichen Verkehr ordnungsgemäß betreibt. Darüber hinaus liegt der Regelung der Gedanke des Besitzstandsschutzes zugrunde. Die für die Durchführung eines rechtmäßigen Linienverkehrs getätigten Investitionen sollen nicht ohne Not entwertet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006, a.a.O., Rn. 47).
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Die Genehmigungsbehörde hat die jahrelange beanstandungsfreie Verkehrsbedienung durch den Altunternehmer bei seiner Auswahlentscheidung im Rahmen des ihr hierbei zustehenden Ermessens „angemessen“ zu berücksichtigen. Eine allgemeine Regel, wie die gebotene Abwägung vorzunehmen ist, damit die Verkehrsbedienung durch den Altunternehmer ihre angemessene Berücksichtigung findet, lässt sich nicht aufstellen. Hierfür kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls mit Blick auf den Sinn und Zweck des Altunternehmerprivilegs an (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 3 C 30.12 –, juris, Rn. 47 f. = BVerwGE 148, 321). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt das Altunternehmerprivileg nicht nur dann zum Tragen, wenn die konkurrierenden Angebote annähernd gleichwertig sind. Die angemessene Berücksichtigung einer jahrelang den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprechenden Verkehrsbedienung durch den Altunternehmer kann nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls dazu führen, dass ein gewisser Rückstand seines Angebots gegenüber dem konkurrierenden Anbieter ausgeglichen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013, a.a.O., Rn. 43 f.).
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Hiervon ausgehend kann sich zwar die Beigeladene auch gegenüber der Klägerin, die von ihr als Subunternehmerin auf der hier in Rede stehenden Linie eingesetzt worden ist, auf das Altunternehmerprivileg berufen (aa). Der Rückstand ihres Angebots gegenüber dem besseren Angebot der Klägerin ist aber so groß, dass die angemessene Berücksichtigung der jahrelangen beanstandungsfreien Verkehrsbedienung durch sie als Altunternehmerin nicht mehr ermessensfehlerfrei dazu führen kann, diesen Rückstand auszugleichen (bb).
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aa) Die Beigeladene hat in dem abgelaufenen Genehmigungszeitraum, in dem sie die Linienverkehrsgenehmigung besaß, einen Teil des Verkehrs selbst und nicht durch beauftragte Subunternehmer betrieben, indem sie vier eigene von insgesamt vierzehn Bussen auf der Linie eingesetzt hat. Sie kann sich daher auch mit Blick auf den mit der Regelung des § 13 Abs. 3 PBefG bezweckten Besitzstandsschutz auf den Schutz der von ihr getätigten Investitionen und mithin auf das Altunternehmerprivileg berufen. Einer Ermittlung der genauen Höhe der insbesondere für die vier eingesetzten Busse aufgewendeten Investitionen der Beigeladenen bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht.
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Die Beigeladene kann sich auf das Altunternehmerprivileg auch gegenüber der Klägerin berufen, obgleich diese von ihr auf der hier in Rede stehenden Linie – neben anderen Unternehmern – als Subunternehmerin eingesetzt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann zwar dem Inhaber einer Linienverkehrsgenehmigung, der einem anderen über Jahre die Betriebsführung mit behördlicher Genehmigung übertragen hat, im Verhältnis zum Betriebsführer das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG bei einer Auswahlentscheidung nicht zugebilligt werden. Denn der ordnungsgemäße Betrieb in den vergangenen Jahren ist dann nicht das Verdienst des Genehmigungsinhabers, sondern des Betriebsführers, der nach § 3 Abs. 2 PBefG den Betrieb im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung betreiben muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006, a.a.O., Rn. 43 ff.). Gleiches gilt aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Verhältnis des Genehmigungsinhabers zu einem von ihm mit der Durchführung des Verkehrs beauftragten Subunternehmer. Der Auftragnehmer wird nämlich entsprechend § 3 Abs. 2 PBefG im Namen und für Rechnung des Auftraggebers und unter dessen Verantwortung tätig. Dies unterscheidet ihn grundlegend vom Betriebsführer (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006, a.a.O., Rn. 49).
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bb) Ermessensfehlerhaft ist die Auswahlentscheidung des Beklagten zugunsten der Beigeladenen, weil die angemessene Berücksichtigung ihrer jahrelangen beanstandungsfreien Verkehrsbedienung nur einen „gewissen“ Rückstand ihres Angebots gegenüber einem konkurrierenden Angebot ausgleichen kann, nicht aber den hier vorliegenden, darüber hinausgehenden Rückstand gegenüber dem besseren Angebot der Klägerin.
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Das Angebot der Klägerin ist nicht nur aufgrund ihrer verbindlichen Zusicherungen zum Vorhalten eines Verkaufs- und Informationsbüros in unmittelbarer Nähe zum Linienverlauf und der Garantie des Fahrplanangebots bei einer regelmäßigen Nutzung von mindestens vier Personen besser als das der Beigeladenen, das keine verbindlichen Zusicherungen enthält. Wie oben ausgeführt, kommt vielmehr – entgegen der Annahme des Beklagten – eine weitere Verbesserung hinzu durch die verbindliche Zusicherung der Klägerin zur Inanspruchnahme von lediglich 70 v.H. der zugelassenen Stehplätze. Die Erhöhung der Sicherheit der Fahrgäste, der diese Zusicherung dient, kann insbesondere auf einer Linie, die – wie im vorliegenden Fall – stark am Schülerverkehr ausgerichtet ist, nicht als unbedeutende Verbesserung angesehen werden. Sie führt in Verbindung mit den genannten beiden anderen verbindlichen Zusicherungen zu einem so großen Vorsprung des Angebots der Klägerin gegenüber dem der Beigeladenen, dass die Einschätzung des Beklagten, das Altunternehmerprivileg könne hier den Rückstand des Angebots der Beigeladenen ausgleichen, nach Überzeugung des Senats der jahrelangen beanstandungsfreien Verkehrsbedienung ermessensfehlerhaft ein unangemessen hohes Gewicht beimisst.
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Kann das Altunternehmerprivileg demnach den Rückstand des Angebots der Beigeladenen gegenüber dem besseren Angebot der Klägerin hier nicht ausgleichen, ist die Auswahlentscheidung des Beklagten rechtswidrig. Eine rechtmäßige Ermessensentscheidung zugunsten der Beigeladenen ist danach ebenfalls ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall kommt dem besseren Angebot der Klägerin ausschlaggebende Bedeutung für die Auswahl zwischen den beiden genehmigungsfähigen Anträgen nach § 13 Abs. 2b PBefG zu. Der Klägerin steht daher nicht nur ein Anspruch auf Neubescheidung, sondern auf Erteilung der von ihr beantragten Genehmigung zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da zur Auslegung und Anwendung der 2013 in das Personenbeförderungsgesetz neu eingefügten §§ 13 Abs. 2b, 12 Abs. 1a noch keine höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt.
…
Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 47.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt in LKRZ 2014, 169).
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Referenzen
- VwGO § 132 1x
- VwGO § 42 1x
- PBefG § 42 Begriffsbestimmung Linienverkehr 2x
- VwGO § 154 1x
- 1 B 1/08 1x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 21 Betriebspflicht 2x
- PBefG § 13 Voraussetzung der Genehmigung 23x
- PBefG § 40 Fahrpläne 1x
- VwGO § 167 1x
- § 34a StVZO 1x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 15 Erteilung und Versagung der Genehmigung 1x
- PBefG § 8 Förderung der Verkehrsbedienung und Ausgleich der Verkehrsinteressen im öffentlichen Personennahverkehr 1x
- PBefG § 12 Antragstellung 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 L 2/11 1x
- § 69 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- §§ 47, 52 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 2 Genehmigungspflicht 1x
- PBefG § 39 Beförderungsentgelte und -bedingungen 1x
- § 69 Abs. 5 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 S 2455/06 1x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 3 Unternehmer 2x