Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 10631/14

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Tenor

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1) und zu 4) zu je 1/3 und die Antragsteller zu 2) und 3) zu je 1/6.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan „M…“ der Antragsgegnerin, durch den im Ortskern von R… Teile der H… Straße, der Straßen „U…“, „A…W…“ und „A… d… L…“ sowie der M... Platz mit dem Ziel überplant werden, den Verlauf der L 182 nunmehr über den M… Platz und einen dort zu errichtenden Kreisverkehr zu verlegen, und eine Ausweisung des Plangebietes als Mischgebiet erfolgt.

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Die Antragsteller sind Eigentümer von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken im Plangebiet.

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Nachdem der Ortsgemeinderat der Antragsgegnerin am 3. März 2008 die Satzung zur förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes „Ortskern R…“ beschlossen hatte, fasste er am 2. März 2009 den Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes „M… Platz/U…“ im beschleunigten Verfahren nach § 13a Baugesetzbuch (BauGB). Als Ziel und Zweck der Planung ist in der öffentlichen Bekanntmachung in der Idarwald-Rundschau vom 14. Oktober 2009 angegeben, die „planungsrechtlichen Voraussetzungen für die rechtsverbindliche Umsetzung der auf der Grundlage der vorbereitenden Untersuchungen für das Sanierungsgebiet „Ortskern R…“ ermittelten und dargestellten Sanierungsziele und Handlungsansätze“ zu schaffen. Der Schwerpunkt der Sanierung liege auf der „Attraktivierung des Ortskerns durch die Gestaltung der Verkehrs- und Freiflächen, der Umnutzung/Niederlegung nicht mehr genutzter Gebäude in Verbindung mit der Schaffung neuen Wohnraums und der Renovierung der erhaltenswerten und ortsbildprägenden Bausubstanz“.

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Einen ersten Planentwurf billigte der Ortsgemeinderat am 14. März 2011. Nachdem die öffentliche Auslegung im Mai/Juni 2012 erfolgt und eine Vielzahl von Stellungnahmen hierzu eingegangen war, beschloss er am 3. Juni 2013 und am 1. Juli 2013 eine Reihe von Änderungen des Planentwurfs sowie dessen erneute öffentliche Auslegung, welche im April/Mai 2014 stattfand.

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Am 19. Mai 2014 beriet der Rat über die während der erneuten öffentlichen Auslegung und des Beteiligungsverfahrens nach § 4 Abs. 2 BauGB vorgebrachten Bedenken und Anregungen und beschloss den Bebauungsplan sodann als Satzung. Nach dessen Ausfertigung durch den Ortsbürgermeister am 28. Mai 2014 wurde der über den Plan gefasste Beschluss am 4. Juni 2014 öffentlich bekannt gemacht.

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Am 14. Juli 2014 haben die Antragsteller den vorliegenden Antrag gestellt.

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Sie machen zunächst geltend, dass die Sanierungssatzung unwirksam sei. Somit sei auch der angegriffene Bebauungsplan rechtswidrig. Die Unwirksamkeit der Sanierungssatzung folge bereits aus dem Nichtvorliegen städtebaulicher Missstände im Sinne des § 136 Abs. 2 BauGB und dem Fehlen einer ordnungsgemäßen Abwägung gemäß § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB. Insbesondere wiesen nach der vorbereitenden Untersuchung vom März 2008 30 % der untersuchten Gebäude keinen und weitere 35 % nur einen geringen Sanierungsbedarf auf. Vorhandene Gestaltmängel seien ohne weiteres mit einer Dorfgestaltungssatzung oder anderen baurechtlichen Mitteln behebbar. Die diagnostizierten „erheblichen Verkehrsprobleme“ seien nicht durch Zählungen oder Messungen untermauert. Auch existiere nach der vorbereitenden Untersuchung keine zu dichte Bebauung, sondern eine „relativ gute Durchmischung der räumlichen Dichte“. Demgemäß stelle die vorbereitende Untersuchung auch fest, dass ein großes Desinteresse der Bevölkerung an der Sanierung bestehe.

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Der Bebauungsplan sei zudem wegen eines sog. Etikettenschwindels rechtswidrig, da es sich bei der Festsetzung eines Mischgebietes um eine vorgeschobene Planung zur Absenkung des Lärmschutzniveaus im Plangebiet handele. Das Gebiet weise aufgrund seiner vorhandenen Bebauung die Merkmale eines allgemeinen Wohngebietes, nicht aber die eines Mischgebietes auf. Auch sei nicht erkennbar, dass sich mischgebietstypische Nutzungen in der Ortsmitte neu ansiedeln könnten. Konsequenter Weise sei in den textlichen Festsetzungen deshalb auch geregelt, dass nur ein eingeschränktes Mischgebiet entstehe, in dem sonstige Gewerbebetriebe nur ausnahmsweise und Vergnügungsstätten nicht zulässig sind. Damit verblieben im Prinzip lediglich in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässige Nutzungen. Der von der Antragsgegnerin mit den schalltechnischen Untersuchungen beauftragte Sachverständige P… habe festgestellt, dass selbst bei Festsetzung eines Mischgebietes bei einem Teil der Gebäude im Bereich der neuen Verkehrsführung die Kriterien der 6. BImSchV nicht eingehalten seien. Die Festsetzung eines Mischgebietes diene danach letztlich nur dazu, die neue Straßenführung immissionsrechtlich auf dem Papier umsetzen zu können.

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Des Weiteren leide der Plan an gravierenden Abwägungsmängeln. Die Antragsgegnerin habe eine Fehleinschätzung des überplanten Gebietes vorgenommen und insbesondere bei der Neuplanung der Verkehrsführung die privaten Belange der betroffenen Eigentümer bei der Abwägung außer Acht gelassen und ihre eigenen Belange in den Vordergrund gestellt. Nahezu alle betroffenen Eigentümer hätten eine größere Lärmbelastung und eine damit einhergehende Wertminderung ihrer Grundstücke befürchtet. Dem sei nur durch den lapidaren Verweis auf die schalltechnischen Untersuchungen und im Bebauungsplan angeordnete passive Lärmschutzmaßnahmen begegnet worden. Auch habe die Antragsgegnerin nicht zutreffend berücksichtigt, dass es durch den im Bau befindlichen Hochmoselübergang und den durch die kommende Mautpflicht auf der B 50 zunehmenden LKW-Verkehr zu einer Veränderung der Lärmimmissionen kommen könne. Überdies werde die geplante Ortsumgehung zu einer Entlastung der innerörtlichen Straßen führen, womit es überhaupt an einem Bedarf für eine innerörtliche Verkehrsverlegung mit immensem Kostenaufwand und gegen den Willen der betroffenen Eigentümer fehle.

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Ein weiterer Abwägungsfehler sei der Antragsgegnerin schließlich bei der Behandlung des Überschwemmungsgebietes des Idarbaches unterlaufen. Sie habe lediglich die sich aus dem Bebauungsplan „A… d… L…“ ergebenden Überschwemmungsgebiete nachrichtlich übernommen; eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Problematik einer möglichen Überschwemmung von – zum Teil auch über die aus dem Bebauungsplan „A… d… L…“ übernommenen Flächen hinausgehenden – Teilen des Plangebietes durch den Idarbach sei nicht erfolgt.

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Die Antragsteller beantragen,

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den Bebauungsplan „M…/U…“ der Ortsgemeinde R… für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzulehnen.

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Sie tritt dem Vorbringen der Antragsteller mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsakten.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

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Formell-rechtliche Fehler des Bebauungsplans sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. In materieller Hinsicht hält er der rechtlichen Prüfung stand.

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1. Zunächst fehlt es nicht bereits, wie die Antragsteller meinen, am Planerfordernis gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.

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Danach haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was im Sinne dieser Vorschrift „erforderlich“ ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele diese sich setzt, liegt in ihrem – grundsätzlich weiten – planerischen Ermessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 BN 15.99 –, juris). Zur Planrechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es danach nicht der Unausweichlichkeit des Planvorhabens, sondern es genügt vielmehr, dass die zur städtebaulichen Rechtfertigung geltend gemachten Gründe vernünftigerweise geboten sind.

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a. Soweit die Antragsteller einwenden, dass es dem Bebauungsplan bereits (allein) aufgrund einer Unwirksamkeit der ihm zugrunde liegenden Sanierungssatzung an der Planrechtfertigung fehle, vermag der Senat dem schon im Ansatz nicht zu folgen.

23

Sanierungssatzung und Bebauungsplan sind rechtlich voneinander unabhängige Satzungen; die Ungültigkeit einer Sanierungssatzung zieht deshalb nicht die Ungültigkeit eines Bebauungsplanes nach sich, der im Zuge der beabsichtigten Sanierung aufgestellt worden ist (vgl. dazu bereits den Beschluss des Senats vom 15. März 2010 – 1 B 11357/09 –, m. w. N., sowie etwa VGH BW, Urteil vom 8. Juli 2010 – 5 S 3092/08 –, OVG Berlin, Urteil vom 20. Februar 1987 – 2 A 4.83 –, BayVGH, Urteil vom 14. Dezember 1981 – 14 N 81.A 272 –, OVG NW, Urteil vom 10. März 1980 – 11a NE 15/77 u. a. –, sowie zur insoweit vergleichbaren Entwicklungssatzung gem. § 165 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 31. März 1998 – 4 BN 5/98 –, alle in juris).

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Da mithin selbst eine mögliche Unwirksamkeit der Sanierungssatzung nicht dazu führen würde, dass allein deshalb automatisch auch der Bebauungsplan rechtswidrig wäre, bedarf es einer entsprechenden Überprüfung der Sanierungssatzung hier nicht.

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b. Abgesehen davon kann zwar nicht von vorneherein das Bestehen einer Fehleridentität (vgl. dazu BVerwG, a. a. O.) zwischen Sanierungssatzung und Bebauungsplan in dem Sinne ausgeschlossen werden, dass die Gemeinde sich im konkreten Einzelfall bei ihrer Entscheidung über den Bebauungsplan möglicherweise von Festsetzungen einer unwirksamen Sanierungssatzung hat leiten lassen, welche sie irrigerweise als verbindlich und deshalb im Bebauungsplan umzusetzen angesehen hat.

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Dafür gibt es hier jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte.

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Die Sanierungssatzung regelt lediglich die Frage des „Ob“ einer Sanierung sowie die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes und die Frist, innerhalb derer die Sanierung durchgeführt werden soll (§ 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BauGB). Eine detaillierte Festsetzung von Sanierungszielen erfolgt in der Regel nicht. Die Sanierungsplanung gibt dem nachfolgenden Verfahren der Bauleitplanung vielmehr nur einen ausfüllungsbedürftigen Rahmen vor. Dessen späteres Verlassen durch den Bebauungsplan kann erkennen lassen, dass die Sanierungsabsicht aufgegeben worden ist oder künftig von der ursprünglichen Planung abweichende Ziele verfolgt werden sollen. Es gilt insoweit der gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssatz, dass die spätere Norm die frühere verdrängt (vgl. auch dazu den Beschluss des Senats vom 15. März 2010, a. a. O.).

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Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nichts für eine vom Ortsgemeinderat der Antragsgegnerin bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan sachfremd angenommene Bindung an die Sanierungssatzung oder -planung ersichtlich. Anlass für den Bebauungsplan ist nach der ihm beigefügten Begründung „die rechtsverbindliche Umsetzung der auf der Grundlage der Vorbereitenden Untersuchungen für das Sanierungsgebiet „Ortskern R…“ ermittelten und im Rahmenplan dargestellten Sanierungsziele und Handlungsansätze“, indem er die planungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür schafft. Bereits diese Formulierung – insbesondere der Wortlaut „Handlungsansätze“ auf der einen Seite gegenüber der nunmehr beabsichtigten „rechtsverbindlichen“ Umsetzung auf der anderen Seite – lässt klar erkennen, dass der Rat sich bewusst war, bei seiner Entscheidung nicht etwa bereits bestehenden verbindlichen Vorgaben folgen zu müssen. Vielmehr hat er, was auch die Beschlussvorlage für den Aufstellungsbeschluss vom 2. März 2009 (Seite 3 der Verwaltungsakten) erkennen lässt

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- „Mit der Ausführungsplanung zur Ortskernsanierung war vom Planer auch ein Vorschlag zur Änderung der Verkehrsführung von der H… Straße über den M… Platz zur Straße am W…. vorgelegt und ausführlich begründet worden. Nach Gesprächen mit dem Landesbetrieb Mobilität und nach Hinweisen aus dem Innenministerium auf die weitere Zeitschiene für die Umsetzung der Ortskernsanierung sollen jetzt bereits die Planungs-rechtlichen Voraussetzungen und damit Baurecht für diese Änderung der Verkehrsführung herbeigeführt werden“ -,

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einen Einzelaspekt der Sanierungsplanung in Form eines bloßen Vorschlags des Planers, nämlich die Änderung der Verkehrslinienführung, schon einmal vorab aufgegriffen und in Kenntnis der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit des entsprechenden Sanierungsziels beschlossen, diese Zielvorstellung als Bestandteil eigenen aktuellen planerischen Willens nunmehr quasi „vor die Klammer“ zu ziehen und per Bebauungsplan rechtsverbindlich festlegen zu wollen.

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c. Eine fehlende Erforderlichkeit der Planung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht aus einem sog. „Etikettenschwindel“ herleiten.

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Dies würde voraussetzen, dass die Antragsgegnerin als Plangeber das für ein Mischgebiet in § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) gesetzlich vorgesehene Miteinander verschiedener Nutzungen in Wirklichkeit gar nicht gewollt, sondern lediglich als bloßes ihre wahren Planungsabsichten verdeckendes „Etikett“ vorgeschoben hätte, oder aber, dass eine Entwicklung des Plangebietes zum Mischgebiet aufgrund der vorhandenen Bebauung oder sonstiger Umstände faktisch gar nicht zu erreichen wäre (vgl. zum Ganzen etwa die Urteile des Senats vom 29. Januar 2015 – 1 C 10442/14 –, 8. Juni 2011 – 1 C 11239/10 –, und vom 21. Oktober 2009 – 1 C 10150/09, alle in juris, jeweils m. w. N.).

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Dafür fehlt es hier indessen an zureichenden Anhaltspunkten.

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Dass zumindest noch bis in die jüngere Vergangenheit im Ortskern eine eindeutig über ein bloßes Wohngebiet hinausgehende Mischung von Nutzungen existiert hat, belegt bereits der Vortrag der Antragsteller zur Entwicklung des Plangebietes seit den 80iger Jahren, wonach zwei Lebensmittelmärkte in ein neu ausgewiesenes Gewerbegebiet abgewandert und zwei Drogerien, zwei Kleinläden mit Grundnahrungsmitteln, eine Bäckerei mit Café, eine Textilreinigung, eine Bank, zwei Hotels mit Gaststätten und eine Metzgerei geschlossen worden sind.

35

Als derzeit im Plangebiet (noch) vorhandene Nutzungen geben die Beteiligten übereinstimmend Wohngebäude, Handelsbetriebe, Gastronomie und Dienstleistungen an. Die drei letztgenannten Nutzungen sind nach § 4 Abs. 2 BauNVO nur unter bestimmten Voraussetzungen in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig, nämlich die Gastronomie und Handelsbetriebe, soweit sie der Versorgung des Gebietes dienen, und sonstige Dienstleistungen nur in Form nicht störenden Handwerks. Nach der Konzeption der BauNVO einem Mischgebiet zuordenbar wären hingegen sonstige Gastronomie, Einzelhandelsbetriebe und sonstige Dienstleister (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 – 4 BauNVO). Vor diesem Hintergrund erscheint mit Blick auf die geringe Größe des Plangebietes – dieses hat einen Durchmesser von rund 150 Metern und umfasst maximal 25 Wohngebäude - insbesondere fraglich, ob es sich bei der Gaststätte „G… A…“ (A… W… …) noch um eine der Versorgung des Gebietes dienende Gastronomie handelt. Wie in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert, wirbt die Gaststätte im Internet mit insgesamt 70 Restaurant- und Grillstubenplätzen, behindertengerechten und für Feierlichkeiten geeigneten Räumlichkeiten, Tagesessen, Sonntagsmenüs, einem Lieferservice, ausreichenden Parkmöglichkeiten und einer Anfahrtsbeschreibung (). Überdies erscheint beispielsweise fraglich, ob es sich bei der im „U…“ betriebenen Polsterei noch um einen nicht störenden Handwerksbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. BauNVO oder aber nur um einen das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb gemäß § 6 Abs. 1. Abs. 2 Nr. 4 BauNVO (so z. B. VG München, Urteil vom 22. September 2009 – M 1 K 08.5765 –, juris) handelt. Nicht wohngebietstypisch erscheint zudem, dass das Plangebiet von einer Landesstraße (L 182) durchschnitten wird. Überdies besteht im Zentrum des Gebiets mit dem M… Platz eine relativ große Parkplatzfläche, welche deutlich über den Bedarf der Bewohner des Gebiets hinausgeht.

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Danach lässt sich letztendlich schon nicht feststellen, dass es sich bei den derzeitigen Nutzungen im Plangebiet nur noch um solche wohngebietstypischer Art handeln würde. Selbst wenn man dies gleichwohl annehmen wollte, würde es jedenfalls an objektiven Umständen fehlen, nach denen eine (Rück-)Entwicklung des Gebietes zum Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO ausgeschlossen wäre. Raum für derartige Nutzungen ist – wie deren früheres Vorhandensein im Plangebiet belegt – vorhanden und auch die Lage im Ortskern und die räumliche Nähe zur H… Straße lassen entsprechende Nutzungsarten keineswegs als fernliegend erscheinen.

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Fehlt es danach jedenfalls an einer objektiven Unerreichbarkeit der durch den angegriffenen Bebauungsplan festgesetzten Nutzung als Mischgebiet, so lässt sich auch nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin eine solche Nutzung zumindest subjektiv nicht anstrebt.

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Die dem Plan beigefügte Begründung beschreibt die Bestandssituation als „sehr heterogene Nutzungsmischung von Wohngebäuden, Handelsbetrieben, Gastronomie und Dienstleistungen“ (Seite 4). Zielsetzung des Bebauungsplans sei es, „das Sanierungsgebiet funktionsfähig zu halten und seine Attraktivität und Ausstrahlungskraft für Bewohner, Besucher sowie diejenigen, die hier einkaufen bzw. arbeiten, zu erhöhen“ (Seite 2). Ein positiver Beleg für die Absicht, den Ortskern in diesem Sinne auch für mischgebietstypische Nutzungen offen zu halten, ergibt sich aus der Erwägung, für den Bereich MI 5 „durch den größeren Grundstückszuschnitt nach Neufestlegung der Grundstücke ein höheres Überbauungsmaß für größere Baueinheiten (Geschäfte mit Nebenräumen etc.) ermöglichen zu können, indem direkt an den Bereich MI 4 angebaut werden kann“ (Seite 15). Auch ist zu sehen, dass dort, wo durch den angegriffenen Bebauungsplan ein Teilgebiet des bereits zuvor bestehenden Bebauungsplans „A… d… L…“ überplant wird – Bereich der geplanten Bushaltestelle und des Kreisverkehrs – auch durch die ursprüngliche Planung bereits ein Mischgebiet festgesetzt war.

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d. Ebenfalls nicht durchdringen können die Antragsteller mit dem Argument, ein Planungserfordernis fehle, weil angesichts dessen, dass sie zum einen die Verkehrsströme nur unwesentlich verlagere und über einen Kreisverkehrsplatz führe, und zum anderen die geplante Ortsumgehung eine Entlastung der innerörtlichen Straßen erwarten lasse, nicht ersichtlich sei, welche Vorteile die geplante neue Verkehrsführung bringen solle

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Die mit der Maßnahme verfolgten Ziele werden indessen bereits in der frühen Phase der Planung deutlich: So hat der Planer B… ausweislich der Sitzungsniederschrift (Seite 7 der Verwaltungsakte) dem Ortsgemeinderat in der Sitzung vom 5. Oktober 2009 die geplante Änderung der Verkehrsführung erläutert und dazu ausgeführt, dass „ausgehend von der derzeitig sehr schwierigen Kurvensituation am A… R… und am Anwesen … G… ... nach Überprüfung der verschiedenen Möglichkeiten und einer fachtechnischen Rücksprache mit dem Landesbetrieb Mobilität ... nur die jetzt geplante Linienführung“ verbleibe. Alle Redner, so die Niederschrift weiter, seien von einer positiven Änderung des Verkehrsflusses und einer Steigerung der Attraktivität der Ortslage ausgegangen.

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Demgemäß ist auch in der dem Bebauungsplan beigefügten Begründung als städtebauliches Planungsziel ausdrücklich die „Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, insbesondere durch eine ortsgerechte Straßengestaltung und die ausreichende zur Verfügungstellung von öffentlichen Parkmöglichkeiten sowie die teilweise Neugestaltung der Verkehrsführung in Verbindung mit einer Verringerung des Durchgangsverkehrs im Ortskern“ angegeben. Die Neuführung der Verkehrsströme durch einen Kreisel über den derzeitigen M… Platz werde auch vom Landesbetrieb Mobilität als zielführende und die Verkehrssicherheit verbessernde Straßenführung im Ortskern angesehen. Durch diese Verkehrsführung bestehe nunmehr die Möglichkeit, den mittleren Bereich der H… Straße zwischen den Straßen „A… W…“ und „U…“ mit seinen Geschäften und Läden zu einem verkehrsberuhigten Bereich mit hoher Verweilqualität umzugestalten (Seite 11 der Begründung).

42

Mit dieser Zielsetzung bewegt sich die Antragsgegnerin ohne weiteres innerhalb der – wie bereits dargelegt – grundsätzlich weiten Grenzen ihres planerischen Ermessens.

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2. Des Weiteren lässt der Bebauungsplan auch keine Abwägungsmängel in Bezug auf den Lärmschutz sowie eine mögliche Wertminderung einzelner Grundstücke infolge einer nunmehr stärkeren Lärmbelastung erkennen.

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Insoweit machen die Antragsteller geltend, dass ihren im Rahmen der Bürgerbeteiligung geäußerten diesbezüglichen Bedenken nur durch den lapidaren Verweis auf die schalltechnischen Untersuchungen und passive Lärmschutzmaßnahmen begegnet worden sei.

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Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Abwägungsgebot ist nach ständiger Rechtsprechung verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 – IV C 105.66 – und vom 5. Juli 1974 – IV C 50.72 –, sowie den Beschluss des erkennenden Senats vom 15. März 2010 – 1 B 11357/09 –, alle in juris). Keine Verletzung liegt demgegenüber vor, wenn sich die Gemeinde innerhalb dieses Rahmens in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die elementare planerische Entschließung der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob der Plangeber die abwägungserheblichen Gesichtspunkte zutreffend bestimmt hat und ob er auf der Grundlage des derart ermittelten Abwägungsergebnisses die aufgezeigten Grenzen der ihm obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

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Letzteres ist hier der Fall.

47

Was die von einer Reihe von Anliegern, darunter auch den Antragstellern, geltend gemachte Zunahme der vom Straßenverkehr herrührenden Lärmimmissionen für die in ihrem Eigentum stehenden Wohngrundstücke anbetrifft, hat die Antragsgegnerin eine Untersuchung durch das Schalltechnische Ingenieurbüro P… in Auftrag gegeben. Der Sachverständige P… hat zur Ermittlung der Auswirkungen der baulichen Maßnahmen im Änderungs- und Ausbaubereich insgesamt 60 Immissionsorte festgelegt (siehe dazu den Lageplan Anhang 4 der Schalltechnischen Untersuchung vom 30. Juli 2013). Die entsprechenden Berechnungsergebnisse (a. a. O., Anhang 5) weisen – je nach Lage der Immissionsorte – Pegelerhöhungen von bis zu 25 dB sowie auch Pegelabnahmen von bis zu 17 dB aus. Die hohen Pegelzunahmen seien, so der Sachverständige, darauf zurückzuführen, dass besonders an der Straße „U…“ sowie auch an der Straße „A…W…“ Gebäude rückgebaut würden, so dass dahinterliegende, vorher geschützte Gebäude nunmehr erstmals dem Verkehrslärm ausgesetzt seien. Auch komme es durch die neue Straßenführung zu Erhöhungen der Lärmbelastung. Die hohe Pegelabnahme sei demgegenüber darauf zurückzuführen, dass im ausgebauten Zustand in der H…. Straße im Bereich zwischen dem Knotenpunkt L 162/L 182 „A… W…/Z… I…“ und der Straße „U…“ eine Verkehrsberuhigung stattfinde. Insgesamt sei eine Lärmzunahme von > 2,1 db(A) als Kriterium für eine wesentliche, Maßnahmen des passiven Lärmschutzes verlangende Änderung im Sinne der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung lediglich an drei Gebäuden entlang der Straße „U…“ (Hausnummern 1, 3 und 5) sowie am Gebäude „A…W…“ … zu erwarten. Dem Untersuchungsergebnis ist überdies zu entnehmen, dass der Sachverständige die höchste prognostizierte Lärmbelastung nach einer Änderung der Streckenführung zwar mit 67,4 dB(A) tags und 60,4 db(A) nachts am Grundstück „A… W… ..“, dem Hausgrundstück des Antragstellers zu 1) – westliche Hausfront im Erdgeschoss – errechnet hat, dieser Wert dort vor dem Ausbau aber noch höher liegt (68,1 bzw. 61,0 dB(A)). Insgesamt überwiegt die Zahl der Messpunkte, an denen sich nach der Schalltechnischen Untersuchung infolge der geplanten Streckenführung Entlastungen ergeben, die Zahl der Messpunkte mit einer zu erwartenden zusätzlichen Lärmbelastung (a. a. O., Anhang 5, S.1 bis 6).

48

Die durch die Maßnahme bewirkte „Umverteilung“ von Lärmbelastungen von den Anliegern entlang des bisherigen Streckenverlaufs hin zu denjenigen, deren Grundstücke an der neuen Streckenführung gelegen sind, war der Antragsgegnerin mithin umfassend bekannt. Unter Zugrundelegung der bereits dargestellten Kriterien für die gerichtliche Überprüfung ist es nicht zu beanstanden, wenn der Ortsgemeinderat der Antragsgegnerin sich bei der Beratung und Beschlussfassung über die entsprechenden Bedenken in seiner Sitzung am 19. Mai 2014 ausweislich der Niederschrift (Seite 975 ff. der Verwaltungsakten) im Wesentlichen auf das vorliegende und von ihm ausdrücklich für zutreffend gehaltene Lärmgutachten bezogen hat. Umstände, welche Anlass gäben, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln, sind weder der Antragsbegründung zu entnehmen und sonst ersichtlich. Soweit die Antragsteller darüber hinaus eine detaillierte Auseinandersetzung des Rates mit der Frage fordern, „ob und welchem Eigentümer eine neue, bisher nicht vorhandene Lärmbelästigung zugemutet werden kann und aus welchen Gründe dies erfolgen soll“, findet dies in dem bereits umschriebenen Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von gemeindlichen Abwägungsvorgängen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen keine Stütze. Dies gilt umso mehr, es sich bei den vom Rat diesbezüglich zu treffenden Entscheidungen um Gremienbeschlüsse handelt und sich mithin d i e (für die Entscheidung aller Ratsmitglieder maßgeblichen) Gründe, aus denen der Beschluss in der einen oder anderen Weise gefasst worden ist, letztlich nicht geben kann.

49

Was die geltend gemachte mögliche Wertminderung durch die Änderung der Verkehrsführung anbetrifft, so stellt diese als bloße mittelbare Auswirkung auf den Verkehrswert des Grundstückes für sich allein nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa die Beschlüsse vom 23. Oktober 2002 – 4 BN 53/02 – und vom 9. Februar 1995 – 4 NB 17/94 –, beide in juris) keinen abwägungsbeachtlichen Belang dar. Maßgeblich sind vielmehr die allein von der (neu) zugelassenen Nutzung unmittelbar zu erwartenden tatsächlichen Beeinträchtigungen, welche der Ortsgemeinderat der Antragsgegnerin indessen, wie bereits ausgeführt, gekannt und mithin bei seiner Abwägungsentscheidung mit im Blick gehabt hat.

50

3. Ein Abwägungsmängel liegt schließlich auch nicht in Bezug auf das Überschwemmungsgebiet des Idarbaches vor.

51

Was die in § 9 Abs. 6a BauGB vorgesehene nachrichtliche Übernahme festgesetzter Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bzw. den Vermerk von noch nicht festgesetzten Überschwemmungsgebieten (§ 76 Abs. 3 WHG) und von Risikogebieten (§ 73 Abs. 1 S. 1 WHG) im Bebauungsplan angeht, bedarf es vorliegend keiner näheren Überprüfung. Nachrichtliche Übernahme und Vermerk nach § 9 Abs. 6a BauGB haben nämlich bloße Hinweis- und Warnfunktion im Hinblick auf Maßnahmen zum Vollzug des Bebauungsplans, so dass ihr etwaiges Fehlen von vorneherein nicht die Wirksamkeit des Bebauungsplans berühren würde (vgl. etwa Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 9 Rn. 282a und 280, und Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 9 Rn. 166).

52

Zwar kann ein Bebauungsplan im Falle einer unterbliebenen Übernahme bzw. eines unterbliebenen Vermerks im Sinne des § 9 Abs. 6a BauGB gleichwohl immer noch inhaltliche Fehler dergestalt aufweisen, dass entgegen § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB die Belange des Hochwasserschutzes als solche nicht ordnungsgemäß in der Abwägung berücksichtigt worden sind (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 24. November 2010 – 1 KN 266/07 –, juris, m. w. N.). Dies ist vorliegend jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil nach der Stellungnahme der SGD Nord vom 14. Juni 2012, auf die die SGD in ihrer weiteren Stellungnahme vom 6. Mai 2014 nochmals ausdrücklich verwiesen hat, wasserrechtliche Belange durch die Planung nicht berührt werden, sondern lediglich das Erfordernis einer wasserrechtlichen Genehmigung für Veränderungen im Überschwemmungsgebiet zu beachten ist und bei der Anlage der geplanten Stellplätze keine Erhöhung des Geländes erfolgen darf.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

54

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

55

Beschluss

56

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

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