Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (10. Senat) - 10 A 11136/15


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen, soweit sie die in Ziffer I.2. des Bescheids der Beklagten vom 18. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2014 festgesetzte Ratenhöhe (1.170,- €) betrifft. Im Übrigen wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 10. November 2015 die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein ehemaliger Soldat auf Zeit, wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten. Die Beklagte fordert die Erstattung des ihm anlässlich seines Studiums der Fachrichtung Informatik an der Universität der Bundeswehr München verbliebenen geldwerten Vorteils in Höhe von 27.229,14 €.

2

Der 1982 geborene Kläger trat zum 1. Juli 2000 seinen zehnmonatigen Grundwehrdienst an und wurde zum 1. Juli 2001 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr übernommen und in ein Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Das Ende der 13jährigen Dienstzeit wurde auf den 30. Juni 2013 festgesetzt. Der Kläger absolvierte im Verlauf seiner militärischen Ausbildung in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 28. März 2006 ein universitäres Studium der Informatik an der Universität der Bundeswehr München. Dieses schloss er mit der Diplomprüfung ab. Nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wurde der Kläger mit Ablauf des 11. März 2011 aus dem Dienst der Bundeswehr entlassen.

3

Für das Studium des Klägers ermittelte die Beklagte Ausbildungskosten in Höhe von 93.133,33 €. Persönliche Kosten wurden mit 0 € vermerkt.

4

Die Beklagte hörte den Kläger zur Erstattung der Studienkosten an und teilte mit, der zu erstattende Betrag belaufe sich auf ca. 27.300 €. Der Kläger wandte ein, eine Rückforderung wäre ermessensfehlerhaft. Er habe fast elf Jahre gedient und während dieser Zeit – privat und in seiner Freizeit – eine Software entwickelt, die heute noch bei der Beklagten eingesetzt würde. Deren Wert übersteige die Ausbildungskosten erheblich. Ihm seien zudem Umzugskosten entstanden und er habe seinen Anspruch auf Berufsförderung und Übergangsgelder verloren.

5

Mit Leistungsbescheid vom 18. Dezember 2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, den anlässlich des Studiums verbliebenen geldwerten Vorteil zu erstatten und setzte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 27.229,14 € fest. Sie gewährte eine verzinsliche Stundung und räumte eine monatliche Ratenzahlung in von Höhe von 1.170,- € ein. Mit Bestandskraft des Bescheides, spätestens ab 15. Februar 2013, würden Stundungszinsen in Höhe von 4 % jährlich erhoben, deren Berechnung und Einziehung nach Erledigung der Hauptforderung erfolge. Die verzinsliche Stundung durch Einräumung von Ratenzahlungen stünde unter dem Vorbehalt gleichbleibender wirtschaftlicher Verhältnisse und werde von Amts wegen jährlich überprüft. Weiter sagte die Beklagte zu, einem Antrag auf Erlass des restlichen Erstattungsbetrags zwei Jahre vor Erreichen des Renteneintrittsalters (Regelaltersgrenze) stattzugeben, wenn bis zu diesem Zeitpunkt den Mitwirkungs- und Zahlungspflichten nachgekommen worden sei.

6

Die Beklagte begründete ihren Bescheid wie folgt: Nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Soldatengesetz – SG – müsse ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden gewesen und der auf seinen Antrag entlassen worden sei oder als auf eigenen Antrag entlassen gelte, die entstandenen Kosten eines Studiums oder einer Fachausbildung erstatten. Auf die Erstattung der Kosten könne nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie eine besondere Härte bedeuten würde. Die Erstattungsverpflichtung, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassener Soldat gegenübersehe, stelle eine besondere Härte dar, die den ehemaligen Dienstherrn zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwinge. Bei der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sei § 56 Abs. 4 Satz 3 SG im Lichte des Art. 4 Abs. 3 Grundgesetz – GG – dahin auszulegen, dass die Kosten der Ausbildung nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstattet werden müssten, der aus dem Studium oder der Fachausbildung für das weitere Berufsleben real und nachprüfbar verblieben sei. Es sei ein Vorteilsausgleich anzustellen, der die Situation wiederherstelle, die in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bestanden habe, bevor das Studium absolviert worden sei. Der Vorteil bestehe in der Ersparnis von Aufwendungen. Es könne der Betrag zurück verlangt werden, den der Kläger selbst hätte aufbringen müssen, um das Studium zu finanzieren. Auf Grundlage der „Bemessungsgrundsätze“ (Erlass BMVg - PSZ I 8 - Az 16-02-11 vom 22. Juli 2002) sei eine fiktive Berechnung der ersparten Aufwendungen vorgenommen worden. Nach Anlage 4 dieses Erlasses könnten monatliche Beiträge für Lebensunterhalt, Studiengebühren und Lernmittelzuschuss ab dem 1. Januar 2002 in Höhe von 612 € mit einer jährlichen Erhöhung von 2,9 v.H. angesetzt werden. Danach ergebe sich ein Betrag in Höhe von 27.229,14 €. Diese Rückerstattung sei weder unangemessen noch unverhältnismäßig. Es werde auf einen erheblichen Teil – mehr als 70 % – der tatsächlichen Kosten verzichtet und nur die aus der fiktiven Berechnung resultierenden und erheblich geringeren ersparten Aufwendungen zurückverlangt. Der Erstattungsbetrag sei grundsätzlich sofort und in voller Höhe fällig. Dies könne zu einer besonderen Härte führen, wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde. Ausweislich der dargelegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse gebe es dafür keine Anhaltspunkte. Gleichwohl werde eine verzinsliche Stundung durch Einräumung von Teilzahlungen gewährt. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Rückforderung nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil er zum Zeitpunkt der Entlassung bereits fast elf Jahre seiner Verpflichtungszeit abgedient habe. Als anerkannter Kriegsdienstverweigerer habe er die Ausbildungskosten nur im Umfang des geldwerten Vorteils zu erstatten, der aus dem Studium für das weitere Berufsleben real und nachprüfbar verblieben sei. Dabei handele es sich um eine fiktive Kostenberechnung, so dass auch nur fiktive Lebenssachverhalte, nicht aber eine reale Abdienzeit einbezogen werden könnten. Gleichwohl sei zu beachten, dass fiktive Ausbildungskosten nur zurückgefordert werden dürften, wenn sie geringer als die tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten unter Berücksichtigung der Abdienquote seien. Für den Kläger ergebe sich unter Zugrundelegung seines Studienendes am 28. März 2006 eine Abdienquote von 68,26 % (Stehzeit bis zu Entlassung am 11. März 2011 = 1.783 Tage; Stehzeit gemäß Verpflichtungserklärung bis 30. Juni 2013 = 2.612 Tage; 1.783 : 2.612 = 68,26 %) und entsprechend der abgestuften Berücksichtigung der Abdienzeiten (erstes Drittel der Bleibeverpflichtung 0,75; zweites Drittel 1,05; drittes Drittel 1,2) ein Verzichtsanteil von 61,92 %. Es seien Studienkosten in Höhe von 93.133,33 € entstanden, so dass danach auf einen Betrag in Höhe von 57.668,16 € verzichtet und eine Rückforderung von 35.465,17 € anstehen würde. Dieser Betrag liege über der fiktiven Kostenermittlung in Höhe von 27.229,14 €, so dass nur der fiktiv festgesetzte Betrag – ohne Berücksichtigung einer Abdienquote – zurückgefordert werde. Soweit der Kläger einwende, er habe während der Dienstzeit eine Software entwickelt, die heute noch eingesetzt werde und deren Wert die Ausbildungskosten erheblich übersteige, und der Bundeswehr kein Schaden entstanden sei, sei zu berücksichtigen, dass es bei der Rückerstattung nicht um einen Schadensausgleich gehe. Die vorgetragenen materiellen Folgen der Entlassung – Verlust des Anspruchs auf Berufsförderung und Übergangsgelder, Finanzierung des Umzugs nach der Entlassung aus der Bundeswehr – änderten an der Erstattungspflicht nichts. Soweit die Ehefrau des Klägers Mitte Januar 2013 ein Kind erwarte und künftig Elterngeld beziehen werde, bat die Beklagte den Kläger, die Geburt des Kindes zu gegebener Zeit durch Vorlage einer Geburtsurkunde anzeigen, um die Höhe der Zahlungen anzupassen bzw. weitere Zahlungserleichterungen einzuräumen. Auch die Zinspflicht sei angesichts der Höhe von 4 % nicht unverhältnismäßig. Die Möglichkeit eines Erlasses der Restforderung zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze sei angemessen und ausreichend, damit der Kläger nicht während des gesamten Berufslebens mit der Erstattungsforderung belastet sei.

7

Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass nach der Geburt seiner Tochter am im Januar sich die Einkommensverhältnisse verändert hätten und die festgesetzten Raten daher inakzeptabel seien. Zudem werde die Softwareentwicklung in keiner Weise berücksichtigt. Der Kläger legte eine Geburtsurkunde über die Geburt seiner Tochter vor.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Soweit der Kläger einwende, durch die Geburt seiner Tochter hätten sich die Einkommensverhältnisse verändert, könne die Monatsrate auf Antrag angepasst werden, sobald der Kläger monatliche Zahlungen leiste.

9

Die am 1. Juli 2014 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhobene Klage wurde an das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße verwiesen. Mit seiner Klage hat der Kläger vertiefend und ergänzend geltend gemacht: Er habe über ein Jahrzehnt gedient und während des Dienstes – außerhalb der Dienstzeit in seiner Freizeit und ohne Zuarbeit weiterer Personen – eine Software entwickelt, die noch heute verwendet werde. Der materielle Nutzen für die Bundeswehr sei nicht berücksichtigt worden. Insoweit liege eine Ermessensunterschreitung vor. Er habe in den Jahren 2003 und 2008 Belobigungen erhalten. Wäre er, der Kläger, „ehrenhaft“ entlassen worden, hätte er Anspruch auf Übergangsgebührnisse, Übergangsbeihilfe, Förderung der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung und zusätzliche interne Ausbildungsangebote. All dies sei wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nicht geleistet worden. Wegen der veränderten materiellen Situation infolge der Geburt seiner Tochter sei die Ratenhöhe existenzgefährdend. Letztlich führe die Erstattungspflicht zu einer Aushöhlung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG. Die Wahrnehmung des Grundrechts werde damit kostenpflichtig.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Leistungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2014 aufzuheben und

12

die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat ergänzend geltend gemacht, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses sei die Tochter noch nicht geboren gewesen. Die Geburt der Tochter könnte auf Antrag eine Anpassung der Rate für den Zeitpunkt nach der Geburt möglicherweise rechtfertigen. Die Umzugskosten nach der Entlassung aus der Bundeswehr seien nicht vom (ehemaligen) Dienstherrn veranlasst gewesen, sondern beruhten auf einer Entscheidung des Klägers. Aus der Entwicklung der Software entstehe keine besondere Härte, die eine Reduzierung des Rückzahlungsbetrags bedinge. Der Kläger habe im Rahmen seiner Diensttätigkeit eine Leistung für den Dienstherrn erbracht und dafür seine Bezüge sowie eine Leistungsprämie erhalten. Übergangsgebührnisse seien im Rahmen der Rückzahlungspflicht nicht zu berücksichtigen, weil ein solcher Anspruch beim Kläger nicht entstanden sei, da seine Dienstzeit nicht wegen Ablaufs der Zeit geendet sei, sondern wegen der Kriegsdienstverweigerung. Die Erstattungspflicht knüpfe nicht an die Kriegsdienstverweigerung an, sondern an das Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis. Der Gewissensentscheidung sei durch die Berechnung lediglich der fiktiven Kosten ausreichend Rechnung getragen.

16

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Voraussetzungen nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG für die geforderte Erstattung lägen vor; bei der härtefallbedingten Reduzierung dieser Forderung im Rahmen von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG habe die Beklagte jedoch ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie den nach Abschluss des Studiums abgeleisteten Dienst, d. h. die Abdienquote, nicht als besondere Härte berücksichtigt habe. Sie habe zunächst in nicht zu beanstandender Weise im Rahmen der Ermessensausübung einen besonderen Härtefall darin erkannt, dass der Kläger wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassen worden sei. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Gewissensfreiheit habe sie sich für eine Reduzierung der zurückgeforderten Ausbildungskosten entschieden und lediglich den Betrag zu Grunde gelegt, den der Kläger dadurch erspart habe, dass er nicht an einer zivilen Universität studiert habe. Bei der pauschalierten Ermittlung der fiktiven ersparten Ausbildungskosten habe die Beklagte sachgerecht und insoweit ermessensfehlerfrei die Anlage 4 der „Bemessungsgrundsätze“ ihres Erlasses herangezogen.

17

Die Ermessensentscheidung der Beklagten sei aber fehlerhaft, weil sie den vom Kläger nach Abschluss des Studiums geleisteten Dienst nicht als besondere Härte berücksichtigt habe. Eine „besondere Härte“ setze eine besondere Fallkonstellation voraus und sei dann anzunehmen, wenn der frühere Soldat einen Teil der Ausbildungskosten bereits „abgedient“ habe. Der Rückforderungsbescheid sei insoweit zu reduzieren. Die Beklagte berücksichtige in Anwendung ihrer Bemessungsgrundsätze regelmäßig, wie lange der Soldat nach Abschluss der Ausbildung dem Dienstherrn noch zu Verfügung gestanden habe und setze diese Abdienzeit zur Ermittlung einer Abdienquote in Verhältnis zu der nach der Verpflichtungserklärung abzuleistenden Dienstzeit. In der Rechtsprechung werde die Auffassung vertreten, bei der Ermittlung des bei einem als Kriegsdienstverweigerer anerkannten Soldaten verbliebenen geldwerten Vorteil wäre die Abdienquote nicht relevant. Die Abdienquote stünde in Bezug zu den tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten und wirkte sich gegebenenfalls diesen gegenüber mindernd aus. Im Fällen wie dem vorliegenden ginge es jedoch nicht um die tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten, sondern um die in Form ersparter Aufwendungen entstandenen Vorteile. Zu diesen stünde die Abdienquote in keinem Bezug. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, dass die Abschöpfung des geldwerten Vorteils aber nicht grundsätzlich der Anerkennung der Abdienquote entgegenstehe. Bei jedem früheren Soldaten, auch demjenigen, der seine Dienstzeit vollständig ableiste, verbleibe auch immer ein Vorteil aus einer von der Bundeswehr finanzierten Ausbildung, die er im Zivilleben nutzen könne. Gleichwohl seien die Kosten mit der Ableistung der Verpflichtungszeit trotz des verbleibenden Ausbildungsvorteils abgegolten. Bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis habe der Gesetzgeber bewusst auf eine Verknüpfung zwischen der Höhe des Erstattungsverlangens und der Abdienzeit verzichtet. Die Länge der im Anschluss an die Ausbildung geleisteten Dienstzeit könne aber in atypischen Ausnahmefällen eine besondere Härte darstellen. Ein solcher Ausnahmefall könne bei einem deutlichen Missverhältnis des Erstattungsbetrags im Vergleich zu einer sehr hohen Abdienquote aber auch im Rahmen der reinen Vorteilsabschöpfung vorliegen. Ein solches Missverhältnis wäre offensichtlich, wenn ein ehemaliger Soldat erst sehr kurz (z. B. einen Monat) vor Ablauf der Verpflichtungszeit als Kriegsdienstverweigerer anerkannt würde, er also fast die komplette Dienstzeit abgeleistet hätte und der Dienstherr den Vorteil der Ausbildung in Gänze gezogen hätte. Ein sachlicher Grund, in einem solchen Fall der fast 100 %-igen Abdienquote eine besondere Härte zu verneinen, so dass ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer im Rahmen eines Vorteilsausgleichs die Ausbildungskosten komplett zu erstatten hätte, während bei einem Soldaten mit gleich hoher Abdienquote der Rückerstattungsbetrag (bezogen auf die Ausbildungskosten) aufgrund der Berücksichtigung der sehr hohen Abdienquote gegen Null gehen dürfte, wäre nicht ersichtlich. Die Abdienquote in einem solchen Fall nicht zu berücksichtigen, stelle einen Ermessensfehler dar. Auch wenn im Fall des Klägers die Abdienquote von 68,26 v.H. geringer sei, liege dennoch ein Missverhältnis vor. Er habe von den 13 Jahren Dienstzeit fast elf Jahre – davon vier Jahre, elf Monate und dreizehn Tage nach Abschluss des Studiums – abgeleistet. Die Beklagte habe über einen Zeitraum von fast fünf Jahren die Vorteile seines Studiums ziehen können.

18

Weitere Ermessensfehler lägen nicht vor. Die Programmentwicklung sei im Rahmen der Diensttätigkeit des Klägers erfolgt; er habe dafür eine Leistungsprämie erhalten. Der Einwand, die Beklagte habe eigene Aufwendungen wie Übergangsgebührnisse erspart, treffe nicht zu, weil ein früherer Soldat auf Zeit gemäß § 56 Abs. 3 SG nach seiner Entlassung keinen Anspruch auf Bezüge und Versorgung (mit Ausnahme der Beschädigtenversorgung) habe. Dass der Kläger die veränderte familiäre Situation nicht zeitnah nachgewiesen habe, gehe zu seinen Lasten. Die Erhebung der Stundungszinsen und deren Zinssatz seien nicht zu beanstanden. Von einer nur teilweisen Aufhebung des Bescheids sah das Verwaltungsgericht ab, da mit der Änderung des Erstattungsbetrags auch über die Höhe der Raten, insbesondere vor dem Hintergrund der familiären Situation des Klägers, neu zu entscheiden sei.

19

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung macht die Beklagte in Ergänzung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend: Im Falle von Kriegsdienstverweigerern sei eine Ermessensausübung dahingehend geboten, dass lediglich der geldwerte Vorteil, welcher durch die fiktiven Ausbildungskosten einer zivilen Ausbildung bestimmt werde, erstattet werden müsse. Eine Berücksichtigung der Abdienzeit sei aufgrund des Exklusivitätsverhältnisses zwischen den fiktiven Kosten und den tatsächlichen Kosten als auch durch Sinn und Zweck ausgeschlossen. Bei der Berechnung der fiktiven Kosten werde ein Lebenssachverhalt fingiert, der tatsächlich nicht stattgefunden habe. Die Abdienzeiten dürften nicht berücksichtigt werden, weil andernfalls fingierte Lebenssachverhalte mit tatsächlichen verknüpft würden und das Regel-Ausnahme-Prinzip verkannt werde. Zudem solle durch die Abschöpfung des geldwerten Vorteils ein Ausgleich zwischen den verfehlten Aufwendungen des Dienstherrn in Erwartung der Erfüllung der Verpflichtungszeit und dem Vorteil, welcher der Kriegsdienstverweigerer aus der bisherigen Dienstzeit habe ziehen können, geschaffen werden. Würde die Abdienzeit ebenfalls die fiktiven Kosten unmittelbar reduzieren, würde dies dem Ziel des Vorteilsausgleichs entgegen laufen und den Kriegsdienstverweigerer unangemessen privilegieren. Es seien zwar Fälle denkbar, in denen die tatsächlichen Kosten aufgrund einer sehr hohen Abdienzeit geringer seien als die fiktiven Kosten. Gemäß der Erlasslage werde der Rückforderungsbetrag nach den fiktiven Kosten auf den Betrag der tatsächlichen Kosten unter Berücksichtigung der Abdienzeit gedeckelt. Dies sei vorliegend auch geschehen.

20

Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 10. November 2015 die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

24

Der Kläger macht dagegen unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag weiter geltend, wegen der Nichtberücksichtigung der Abdienquote liege eine Ermessensunterschreitung vor.

25

Das Gericht hat am 10. Juni 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt. Die Beteiligten haben darin erklärt, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

26

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (1 Ordner) lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich am 10. Juni 2016 damit einverstanden erklärt haben (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

28

Die Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Leistungsbescheid vom 18. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2014 ist (nur) hinsichtlich der dort im Rahmen der Zahlungsmodalitäten festgesetzten Ratenhöhe (1.170,- €) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid insoweit zu Recht aufgehoben und die Berufung der Beklagten hat diesbezüglich keinen Erfolg (II.). Im Übrigen ist der Leistungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtmäßig und die Klage war insoweit abzuweisen; insofern hat die Berufung der Beklagten Erfolg (I.).

29

I. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Soldatengesetz – SG – für die Erstattungsforderung der Beklagten liegen vor (1.), insbesondere ist ihre Ermessensentscheidung über die härtefallbedingte Reduzierung der Erstattungsforderung nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG nicht fehlerhaft (2.).

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1. Rechtsgrundlage für die in Ziffer I.1. des Bescheids festgelegte Erstattungsforderung ist § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG. Danach muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, die entstandenen Kosten seines Studiums oder der Fachausbildung erstatten.

31

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bis zu seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr war der Kläger Soldat auf Zeit. Seine militärische Ausbildung war mit einem Studium verbunden; der Kläger studierte von Oktober 2002 bis März 2006 an der Universität der Bundeswehr München Informatik und schloss dieses Studium mit der Diplomprüfung ab. Aufgrund seiner Entlassung infolge der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer im März 2011 gilt der Kläger nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SG als auf eigenen Antrag entlassen. Damit besteht grundsätzlich die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der entstandenen Ausbildungskosten.

32

Die Einbeziehung anerkannter Kriegsdienstverweigerer in diese Erstattungspflicht verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 3 Grundgesetz – GG –. Nach Art. 4 Abs. 3 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst an der Waffe gezwungen werden. Die Pflicht, Ausbildungskosten zurückzuzahlen, liegt jedoch außerhalb des Schutzbereichs dieses Grundrechts. Die Erstattungspflicht knüpft nämlich nicht an die Kriegsdienstverweigerung an, sondern an das Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18/05 –, juris, Rn. 12 und Urteil vom 28. Oktober 2015 – 2 C 40/13 –, juris, Rn. 13). Die Erstattungspflicht ist jedenfalls objektiv mit Art. 4 Abs. 3 GG vereinbar, wenn und soweit sie nicht ein Druckmittel darstellt, den Soldaten von der Grundrechtsausübung abzuhalten, sondern ein Instrument des wirtschaftlichen Ausgleichs ist (BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18/05 –, juris, Rn. 13).

33

2. Die Ermessensentscheidung über eine härtefallbedingte Reduzierung der Erstattungsforderung nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG hat die Beklagte ermessensfehlerfrei getroffen.

34

a. Die Beklagte hat die Abdienquote in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausreichend berücksichtigt.

35

Nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Für einen anerkannten Kriegsdienstverweigerer stellt die Erstattungsverpflichtung eine besondere Härte dar. Er befindet sich nämlich wegen seiner Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst in einer Ausnahmesituation. Er könnte der Erstattungsverpflichtung zwar dadurch entgehen, dass er den für die Anerkennung seiner Gewissensentscheidung erforderlichen Antrag nicht stellt und im Wehrdienstverhältnis verbleibt; damit müsste er aber seinem Gewissen zuwider handeln. Diese Zwangslage stellt eine besondere Härte dar, die den Dienstherrn zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt. Dabei greift die Härteregelung bereits aufgrund einer verfassungsrechtlich gebotenen Korrektivfunktion ein; ihre Anwendung setzt nicht voraus, dass außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine Reduzierung der grundsätzlich unbeschränkten Erstattungspflicht veranlassen. Die Härteklausel ermöglicht einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des grundrechtsgeschützten ehemaligen Soldaten und des Dienstherrn, eine Ausbildung zu finanzieren, die im zivilen Bereich mit erheblichen Kosten verbunden ist. § 56 Abs. 4 Satz 3 GG ist im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG dahingehend auszulegen, dass der anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten seiner Ausbildung nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten muss, der ihm aus der genossenen Fachausbildung für sein weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verblieben ist. Diese Reduzierung führt zu dem Betrag, den der Soldat dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten finanziert hat, die ihm im weiteren Berufsleben von Nutzen sind. Der Soldat muss also Ausbildungskosten (nur) in Höhe der durch das Studium oder die Fachausbildung erlangten Vorteile erstatten. Diese Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den erlangten Vorteil stellt sicher, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme wird, die den Betroffenen von der Stellung eines Antrags auf Kriegsdienstverweigerung abschreckt. Die Abschöpfung lediglich des durch das Studium oder die Fachausbildung erworbenen Vorteils führt nämlich zu keiner Einbuße an Vermögensgütern, über die der ehemalige Soldat unabhängig von dem Wehrdienstverhältnis verfügt. Der Vorteilsausgleich stellt nur die Situation wieder her, die in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bestand, bevor der Soldat das Studium oder die Fachausbildung absolviert hat. Mehr soll und darf bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes nicht abgeschöpft werden. Der erlangte Vorteil besteht dabei in der Ersparnis von Aufwendungen, die der Soldat dadurch erspart hat, dass er das Studium oder die Fachausbildung nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen. Erspart sind zunächst die unmittelbaren Ausbildungskosten (Ausbildungsgebühren, Aufwendungen für Ausbildungsmittel) und ferner die mittelbaren Kosten der Ausbildung (Reisekosten, Trennungsgeld, ersparte Lebenshaltungskosten, Kosten für die Krankenversicherung) (vgl. zu alldem BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18/05 –, juris, Rn. 15 ff.).

36

Diesen Grundsätzen hat die Beklagten in ihrem Leistungsbescheid Rechnung getragen. Sie hat ihrer Forderung nicht die tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten in Höhe von 93.133,33 € zu Grunde gelegt, sondern in Ausübung des ihr obliegenden Ermessens aufgrund des Härtefalls der Entlassung als Kriegsdienstverweigerer (nur) den Betrag in Ansatz gebracht, den der Kläger dadurch erspart hat, dass er sein Studium nicht auf eigene Kosten außerhalb der Bundeswehr absolviert hat. Die Höhe der ersparten Aufwendungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs hat die Beklagte in pauschalierender Weise unter Anwendung der „Bemessungsgrundsätze“ (Erlass BMVg - PSZ I 8 - Az 16-02-11 vom 22. Juli 2002), Anlage 4, d.h. unter Zuhilfenahme der fortgeschriebenen Sätze für die Gewährung von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr ermittelt. Rechtliche Bedenken gegen diese generalisierende und pauschalierende Ermittlung der ersparten Aufwendungen bestehen keine. Die angesetzten Elemente „Lebensunterhalt“, „Gebühren“ und „Lernmittelzuschuss“ stellen die Kosten dar, mit denen ersparte Aufwendungen realistisch und nachprüfbar abgebildet werden, und sind daher eine sachgerechte und tragfähige Berechnungsgrundlage (vgl. HessVGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 1 UZ 2203/07 –, juris, Rn. 11 und BayVGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 6 ZB 14.1841 –, juris, Rn. 13 f.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 27.229,14 € ermittelt. Hinsichtlich der Höhe dieser Berechnung besteht zwischen den Beteiligten im Übrigen auch kein Streit.

37

Entgegen der Ansicht des Klägers und des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte in ihre Ermessensentscheidung die Abdienquote in ausreichendem Maße eingestellt. Zunächst hat sie – ohne dass insoweit die Abdienzeit des Klägers von Bedeutung wäre – die ersparten Aufwendungen nach ihren oben genannten und nicht zu beanstandenden Grundsätzen in Höhe von 27.229,14 € berechnet. Die Nichtberücksichtigung der Abdienquote bei dieser Ermittlung erklärt sich daraus, dass die Abdienquote zu den ersparten Aufwendungen in keinem Bezug steht (vgl. HessVGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 1 UZ 2203/07 –, juris, Rn. 17). Die Ermittlung der ersparten Aufwendungen beruht auf dem Gedanken des Vorteilsausgleichs; ihr liegt die (fiktive) Betrachtung zu Grunde, was der ehemalige Soldat an Aufwendungen erspart hat, die er ansonsten auf eigene Kosten hätte aufbringen müssen. Für diese (fiktive) Berechnung spielt die (reale) Abdienquote keine Rolle. Die Berücksichtigung der Abdienquote hat nach der Verwaltungspraxis der Beklagten vielmehr in erster Linie in den Fällen Bedeutung, in denen ein Soldat aus sonstigen Gründen vorzeitig aus dem Dienstverhältnis ausscheidet und nach § 56 Abs. 4 Satz 1 SG die höheren tatsächlichen Ausbildungskosten erstatten muss. Die Berücksichtigung der Abdienquote in diesen Fällen beruht auf der Erwägung, welchen Anteil der tatsächlichen Ausbildungskosten ein ehemaliger Soldat in der verbliebenen Abdienzeit „abgedient“ hat, d. h. inwieweit der Soldat dem Dienstherrn die aus der kostspieligen Ausbildung erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten in der noch abgeleisteten Verpflichtungszeit zur Verfügung gestellt hat.

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Dies hat aber nach der Verwaltungspraxis der Beklagten gerade nicht zur Folge, dass die Abdienquote für die Erstattungsforderung auch im Falle eines anerkannten Kriegsdienstverweigerers grundsätzlich „gänzlich“ ohne Bedeutung wäre. Die Beklagte vergleicht nämlich den für diesen ermittelten (fiktiven) Betrag mit dem Betrag, den ein aus anderen Gründen ausscheidender Soldat zu diesem Zeitpunkt unter Zugrundelegung der tatsächlichen Kosten und der Abdienquote erstatten müsste. Dieser hätte entsprechend der Verwaltungspraxis der Beklagten die tatsächlichen Ausbildungskosten vermindert um die Abdienquote zu erstatten, was vorliegend einen Betrag in Höhe von 35.456,17 € ergäbe. Ist dieser (Vergleichs-)Betrag niedriger als der für den anerkannten Kriegsdienstverweigerer im Rahmen des Vorteilsausgleichs ermittelte (fiktive) Betrag, so sind auch von letzterem („nur“) die niedrigeren Kosten zurückzufordern. Der vom Verwaltungsgericht gezogene Vergleich, aus dem das Gericht einen Ermessensfehler ableitet, greift daher zu kurz und berücksichtigt diese „Vergleichsberechnung“ der Beklagten nicht. Entgegen der dortigen Ausführungen ist es nämlich kraft dieser Verwaltungspraxis gerade nicht so, dass bei Ausscheiden sehr kurz (z. B. ein Monat) vor Ende der Verpflichtungszeit der Kriegsdienstverweigerer die Ausbildungskosten im Rahmen des Vorteilsausgleichs komplett zu erstatten hätte, während bei einem Soldat mit gleich hoher Abdienzeit der Rückerstattungsbetrag aufgrund der sehr hohen Abdienquote gegen Null gehen würde. Bei einer entsprechend hohen Abdienquote müsste nämlich auch der Kriegsdienstverweigerer „nur“ die um die Abdienquote verminderten tatsächlichen Ausbildungskosten erstatten.

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Diese Vorgehensweise der Beklagten stellt im Ergebnis sicher, dass der anerkannte Kriegsdienstverweigerer entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 3 GG höchstens die von ihm ersparten Aufwendungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs erstatten muss. Gleichzeitig bewirkt sie, dass der anerkannte Kriegsdienstverweigerer – relevant im Falle einer langen Abdienzeit – im Wege des Vorteilsausgleichs nicht schlechter steht als ein aus anderen Gründen ausscheidender Soldat. Bei entsprechend hohen Abdienzeiten spielt auch bei dem anerkannten Kriegsdienstverweigerer die (lange) Abdienzeit eine Rolle und führt zur Verminderung des Erstattungsbetrags. Dann steht der Kriegsdienstverweigerer einem aus anderen Gründen ausscheidenden Soldaten zwar gleich, eine „Besserstellung“ des Kriegsdienstverweigerers darüber hinaus gebietet Art. 4 Abs. 3 GG aber insoweit nicht. Diese Praxis der „Vergleichsberechnung“ gewährleistet, dass der Kriegsdienstverweigerer nicht mehr als die (fiktiv) ersparten Aufwendungen erstatten muss und gleichzeitig nicht durch eine in seinem Falle höhere Erstattungsforderung für ein Ausscheiden aus Gewissensgründen „bestraft“ wird. Die Abdienzeit spielt bei einem Kriegsdienstverweigerer also (nur) insoweit eine Rolle, als der durch die Abdienquote veranlasste Abschlag von den tatsächlichen Ausbildungskosten zu einem noch niedrigeren Erstattungsbetrag führen würde, als er sich aus dem Vorteilsausgleich bezogen auf die fiktiv ersparten Aufwendungen ergeben würde (siehe dazu auch VG München, Urteil vom 21. Juni 2013 – M 21 K 11.4430 –, juris, Rn. 30). Eine darüber hinaus gehende Einbeziehung der Abdienquote – wie vom Kläger zur Berücksichtigung seiner in der Bundeswehr geleisteten Dienste begehrt – ist nicht geboten.

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b. Auch die übrigen vom Kläger geltend gemachten Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Nichtberücksichtigung der Entwicklung des Softwareprogramms ist – wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – nicht ermessensfehlerhaft. Sie erfolgte im Rahmen der Diensttätigkeit des Klägers; im Übrigen hat dieser dafür Leistungsprämien erhalten. Auch die Nichtberücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten „materiellen Folgen“ der Entlassung als besondere Härte ist nicht zu beanstanden. Ein Härtefall im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG erfordert einen atypischen Sonderfall, den der Gesetzgeber nicht abstrakt berücksichtigen konnte. Wie sich jedoch aus § 56 Abs. 3 SG ergibt, sieht es der Gesetzgeber als Regelfall an, dass ein früherer Soldat auf Zeit nach seiner Entlassung keinen Anspruch auf Dienstbezüge und Versorgung (ausgenommen die Beschädigtenversorgung) hat. Der Umstand, dass der Dienstherr Versorgungsleistungen „erspart“ hat, ist keine atypische Besonderheit, sondern der Regelfall (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 6 ZB 14.1841 –, juris, Rn. 18; siehe auch OVG Saarland, Beschluss vom 14. Januar 2002 – 1 Q 56/01 –, juris, Rn. 6).

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II. Die in Ziffer I.2. des Bescheides getroffene Entscheidung der Beklagten, dem Kläger durch Einräumung von monatlichen Ratenzahlungen eine verzinsliche Stundung zu gewähren, ist hinsichtlich der Höhe der monatlichen Raten rechtswidrig (1.), im Übrigen sind die Zahlungs- und Abwicklungsmodalitäten nicht zu beanstanden (2.).

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1. Die Ziffer I.2. des Bescheids vom 18. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2014 ist rechtswidrig, da die Geburt der Tochter des Klägers bei der Festlegung der Höhe der monatlichen Raten – im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung – nicht berücksichtigt wurde. Die Beklagte hatte im Leistungsbescheid eine monatliche Rate in Höhe von 1.170,- € festgelegt und den Kläger gebeten, die bevorstehende Geburt seiner Tochter durch Vorlage einer Geburtsurkunde zu gegebener Zeit anzuzeigen. Nach Geburt der Tochter im Januar 2013 hat der Kläger im März 2013 eine Geburtsurkunde vorgelegt. Diesen Umstand hat die Beklagte in ihrer Widerspruchsentscheidung im Mai 2014 jedoch nicht berücksichtigt. Durch die Geburt der Tochter haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers offensichtlich geändert, was eine Neuberechnung erfordert hätte. Ungeachtet – nicht vorliegender – konkreter Zahlenangaben, hat sich mit der Geburt der Tochter jedenfalls die Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen geändert, was eine Neuberechnung bereits vor dem Hintergrund sich ändernder Pfändungsfreigrenzen (vgl. § 850c Zivilprozessordnung – ZPO –) bedingt hätte. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid eine entsprechende Anpassung der Rate jedoch nicht vorgenommen, sondern dies lediglich für den Beginn der monatlichen Zahlungen seitens des Klägers in Aussicht gestellt.

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Ist daher die Festlegung der Ratenhöhe rechtswidrig, so ist die Ziffer I.2. des Bescheids insoweit aufzuheben. Der Bestand der Erstattungsforderung an sich und der übrigen Zahlungsmodalitäten bleibt davon jedoch unberührt. Es obliegt insoweit der Beklagten, die durch die Aufhebung der Festsetzung der Ratenhöhe entstandene „Lücke“ im Bescheid zu schließen und die Ratenhöhe nunmehr unter Berücksichtigung der Geburt der Tochter des Klägers in ermessensfehlerfreier Weise festzulegen. Dabei ist angesichts der Höhe des Rückforderungsbetrags, des Alters des Klägers und seiner beruflichen Situation anzunehmen, dass die Ratenhöhe ermessensfehlerfrei so festgesetzt werden kann, dass die Erstattungsforderung in zumutbarer Weise in überschaubarem Zeitraum erfüllt werden kann und der Kläger insbesondere nicht mit der Erstattungspflicht bis zum Ende der Berufstätigkeit belastet bleibt (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 30. März 2006
2 C 18/05 –, juris, Rn. 24 und Urteil vom 28. Oktober 2015 – 2 C 40/13 –, juris, Rn. 28). Im Übrigen bestehen gegen die Praxis der Beklagten, die Ratenhöhe unter Orientierung an den gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen zu bestimmen, keine grundsätzlichen Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 6. Februar 2015 – 10 A 10935/14.OVG –, S. 22 UA).

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2. Die in Ziffer I.3. des Bescheids festgesetzte Höhe der Verzinsung der gestundeten Forderung hält sich im Rahmen des durch § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eröffneten Ermessens. Dieser Ermessensspielraum schließt auch die Entscheidung mit ein, ob und in welcher Höhe die Beklagte für die Stundung bzw. für die Bewilligung von Ratenzahlungen Stundungszinsen fordert (vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Februar 2016 – 1 A 1991/14 –, juris, Rn. 84). Die Festsetzung eines jährlichen Zinssatzes von 4 % ist jedenfalls nicht unverhältnismäßig und daher nicht ermessensfehlerhaft (siehe dazu OVG RP, Urteil vom 6. Februar 2015 – 10 A 10935/14.OVG –, S. 23 UA; BayVGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 6 ZB 14.1841 –, juris, Rn. 21; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 – 1 A 930/14 –, juris, Rn. 63 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2015 – OVG 7 B 27.14 –, juris, Rn. 60; a.A. OVG Thüringen, Urteil vom 12. November 2015 – 2 KO 171/15 –, juris, Rn. 33: 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz; VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 2265/12 –, juris, Rn. 97: 1,5 %; siehe dazu auch OVG NRW, Urteil vom 24. Februar 2016 – 1 A 1991/14 –, juris, Rn. 86), zumal sich Kreditzinsen für eine Forderung dieser Größenordnung etwa zwischen 2 % und 8 % bewegen (vgl. etwa die Berechnungen auf http://darlehenszinsenaktuell.de/kreditrechner).

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Mit der in Ziffer I.6. getroffenen Zusage, einem Antrag auf Erlass zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze stattzugeben, wenn bis dahin den Zahlungs- und Mitwirkungspflichten nachgekommen wird, wird die Beklagte dem Umstand gerecht, dass bei Gewährleistung von Ratenzahlungen die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern darf, sondern zeitlich begrenzt sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 – 2 C 18/05 –, juris, Rn. 24 und Urteil vom 28. Oktober 2015 – 2 C 40/13 –, juris, Rn. 28). Eine unzulässigerweise das gesamte Berufsleben belastende Zahlungspflicht kommt insbesondere dann in Betracht, wenn wegen der individuellen wirtschaftlichen Situation des ehemaligen Soldaten nur eine sehr geringe Rate festgesetzt werden kann, welche die Zeitdauer des ganzen Restberufslebens und gegebenenfalls noch mehr erfasst. In Anbetracht des beachtlichen, aber letztlich überschaubaren Erstattungsbetrags, der noch langen Zeitdauer des Restberufslebens, der beruflichen Ausbildung und der allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Klägers stellt sich die Frage einer absoluten zeitlichen Obergrenze (so etwa OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 – 1 A 930/14 –, juris, Rn. 32 ff.) über die Zusage der Stattgabe eines Erlassantrags zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus hier jedoch nicht. Es besteht nämlich keinerlei greifbare Gefahr, dass der Kläger für den Rest des Berufslebens mit der Erstattungsforderung belastet wird, so dass es jedenfalls nicht zwingend geboten ist, bereits jetzt im Bescheid das Ende der Zahlungspflicht zu einem festen Zeitpunkt auszusprechen (vgl. dazu VG München, Urteil vom 21. Juni 2013 – M 21 K 11.4430 –, juris, Rn. 21; BayVGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 6 ZB 14.1841 –, juris, Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2015 – OVG 7 B 27.14 –, juris, Rn. 61 ff.). Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Kläger die von ihm geforderte Summe insgesamt bedeutend früher erbringt und damit nicht, auch nicht annähernd, sein ganzes Berufsleben belastet sein wird.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 VwGO.

47

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

48

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

49

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 27.229,14 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

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