Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 11131/16

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan „A...-B... III 2. Änderung", der am 31. Mai 2016 vom Rat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen und am 20. Juli 2016 ortsüblich bekannt gemacht worden ist.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung C..., Flur ..., Parzelle Nr. ... . Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück liegt im Bereich des Bebauungsplans „A...-B... III", der für das Grundstück eine bauliche Nutzung als Mischgebiet festsetzt. Für den benachbarten, ca. 1.150 qm umfassenden Grundstücksteil der Parzelle Nr. ... setze dieser Bebauungsplan zunächst eine Nutzung als Fläche für den Gemeinbedarf für eine eventuelle Erweiterung der auf dem Grundstück vorhandenen Sport- und Festhalle fest.

3

Am 17. November 2015 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplans „A...-B... III" im beschleunigten Verfahren nach § 13a Baugesetzbuch - BauGB -, der am 30. März 2016 mit der Begründung und dem Hinweis auf die öffentliche Auslegung vom 7. April 2016 bis zum 9. Mai 2016 bekannt gemacht wurde. Die geplante Änderung bezog sich dabei allein auf die bauliche Nutzung des bislang als Fläche für den Gemeinbedarf festgesetzten Teils der Parzelle Nr. ..., die hinsichtlich der westlich gelegenen, 55 qm umfassenden Fläche als Verkehrsfläche mit der Zweckbestimmung als Bushaltestelle und der übrigen Teilfläche als öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung als Kinderspielplatz ausgewiesen werden sollte.

4

Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung machte der Antragsteller als Mitunterzeichner eines Schreibens der Interessengemeinschaft „An der A..." unter dem 11. April 2016 geltend, die Änderung des Bebauungsplans werfe Fragen bezüglich des erforderlichen Nachweises notwendiger Stellplätze, einer Beeinträchtigung der Aufstellflächen für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge sowie der Gewährleistung notwendiger Zu- und Durchfahrten und der Fluchtwegesituation bezogen auf die Nutzung der Sport- und Festhalle auf.

5

Mit weiterem Schreiben vom 20. April 2016 trug der Antragsteller vor, er widerspreche der geplanten Änderung des Bebauungsplans, weil die beabsichtigte Herstellung eines Kinderspielplatzes in unmittelbarer Nachbarschaft seines Grundstücks dessen Wert erheblich mindere. Zudem verschärfe die vorgesehene Nutzung verbunden mit dem Wegfall von Parkmöglichkeiten auf dem nunmehr überplanten Grundstück die ohnehin schwierige Parkplatzsituation bei Veranstaltungen in der Sport- und Festhalle. Ferner sei eine Beeinträchtigung der Not- und Rettungswege zu befürchten.

6

Die Antragsgegnerin wies die Bedenken der Interessengemeinschaft „An der A..." und des Antragstellers im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung zurück. Zur Begründung führte der Rat der Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, auf der überplanten Fläche befänden sich keine für die Hallennutzung ausgewiesenen Parkflächen, das Abstellen von Fahrzeugen sei bislang lediglich geduldet worden. Parkplätze seien außerhalb dieser Fläche ausreichend vorhanden. Die Errichtung des Kinderspielplatzes beeinträchtige auf der Grundlage einer brandschutzrechtlichen Stellungnahme der Kreisverwaltung M...-B... weder die Flucht- und Rettungswege der Halle noch würde der überplante Grundstücksteil als Aufstellfläche oder Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge benötigt. Soweit der Antragsteller einen Wertverlust für sein Grundstück befürchte, stelle dies keinen abwägungserheblichen Belang im Sinne des § 1 Abs. 6 BauGB dar. Im Übrigen zählten Kinderspielplätze grundsätzlich zu den in Wohngebieten üblichen und zulässigen Nutzungen.

7

Am 5. Oktober 2016 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung er vorträgt, der angegriffene Bebauungsplan sei unwirksam, weil er an einem beachtlichen Verfahrensfehler leide und gegen das Abwägungsverbot verstoße. Ein rechtserheblicher Verfahrensfehler liege darin, dass ihm entgegen der öffentlichen Bekanntmachung, in der ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass der Bebauungsplan mit seiner Begründung ab sofort in der Verbandsgemeindeverwaltung R...-S... von jedermann in einem näher bezeichneten Zimmer des Dienstgebäudes C..., S…-A…-Ring 31, ... O... während der Dienststunden eingesehen werden könne, am Montag, dem 12. September 2016, bei seiner Vorsprache dort keine Einsicht gewährt worden sei. Der Bebauungsplan sei nicht ausgelegt gewesen. Er selbst sei vielmehr lediglich darauf hingewiesen worden, dass der zuständige Sachbearbeiter in Urlaub sei und er sich wegen der Einsicht an den Ortsbürgermeister der Antragsgegnerin wenden könne. In materieller Hinsicht verstoße der angegriffene Bebauungsplan gegen das Abwägungsverbot des § 1 Abs. 6 und 7 BauGB. Dies ergebe sich bereits daraus, dass es die Antragsgegnerin unterlassen habe, die von dem geplanten Kinderspielplatz zu erwartenden Lärmemissionen durch Einholung eines Schallgutachtens zu ermitteln. Damit fehle es bereits an einer Grundlage für eine sachgerechte Abwägung seiner privaten Schutzbelange im Verhältnis zu den sonstigen öffentlichen und privaten Belangen.

8

Der Antragsteller beantragt,

9

den Bebauungsplan „A...-B... III, 2. Änderung" der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.

10

Die Antragsgegnerin beantragt,

11

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

12

Sie hält den Normenkontrollantrag bereits für unzulässig, weil der Antragsteller wegen der behaupteten Lärmbeeinträchtigungen gemäß § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert sei. Dies folge daraus, dass der Antragsteller während der Offenlage allein eine Wertminderung seines Grundstücks und die Parkplatzsituation, nicht aber eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung durch den vorgesehenen Kinderspielplatz gerügt habe. Ungeachtet dessen leide der angegriffene Bebauungsplan weder an einem formellen noch an einem materiellen Fehler. Soweit der Antragsteller vortrage, ihm sei bei einer Vorsprache am 12. September 2016 die begehrte Einsicht in den Bebauungsplan nicht gewährt worden, werde dies mit Nichtwissen bestritten, weil der Antragsteller nicht angegeben habe, mit welchem ihrer Bediensteten er bei der behaupteten Vorsprache in Kontakt getreten sei. Dessen ungeachtet sei maßgeblich darauf abzustellen, dass der Bebauungsplan grundsätzlich, wie in der Veröffentlichung angegeben, zur Einsicht vorgehalten werde. Dies sei auch bezüglich des in Streit stehenden Bebauungsplans der Fall. Selbst wenn es dem Antragsteller auf der Grundlage seines Vortrags am 12. September 2016 nicht möglich gewesen sein sollte, Einsicht in die Originalunterlagen des Bebauungsplans zu nehmen, begründe dies nicht die (nachträgliche) Unwirksamkeit des rechtsgültig in Kraft getretenen Bebauungsplans. Der Bebauungsplan leide auch nicht an einem Abwägungsfehler. Einer Ermittlung der von dem geplanten Kinderspielplatz ausgehenden Lärmimmissionen auf das Grundstück des Antragstellers habe es nicht bedurft, weil es sich bei Geräuscheinwirkungen, die von Kinderspielplätzen ausgingen, gemäß § 22 Abs. 1a Bundesimmissionsschutzgesetz im Regelfall um keine schädlichen Umwelteinwirkungen handle. Die bei einer bestimmungsgemäßen Nutzung eines Kinderspielplatzes ausgehenden Emissionen seien vielmehr hinzunehmen. Zudem habe sie, die Antragsgegnerin, ausweislich der Begründung des Bebauungsplans die von dem Kinderspielplatz ausgehenden Geräuschemissionen erkannt und deshalb festgelegt, dass der Spielplatz so ausgestaltet werden soll, dass er hauptsächlich jüngere Kinder anspreche, um damit eventuelle Störungen der Nachbarn vorrangig auf die Nachmittagsstunden zu beschränken.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Planaufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin (1 Ordner), die dem Senat vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

14

Der Normenkontrollantrag führt nicht zum Erfolg.

I.

15

Der Normenkontrollantrag ist bereits unzulässig, denn dem Antragsteller fehlt es an der gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderlichen Antragsbefugnis. Nach dieser Bestimmung ist nur derjenige antragsbefugt, der geltend macht, durch Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplanes oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dazu muss ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen der angegriffenen Satzung in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2/98 -, BVerwGE 107, 215; OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 - 1 C 10678/15.OVG -, juris).

16

Eine Rechtsverletzung kommt dabei stets dann in Betracht, wenn sich der Eigentümer oder eine ihm gleichgestellte Person gegen eine Festsetzung wendet, die unmittelbar sein im Plangebiet gelegenes Grundstück betrifft. Dies beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den Regelungen eines Bebauungsplans um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG - handelt. Beschränkungen, die sich hieraus für die Nutzung des Grundeigentums ergeben, braucht der Eigentümer nur hinzunehmen, sofern der als Satzung erlassene Plan rechtmäßig ist. Ob dies der Fall ist, kann er im Normenkontrollverfahren überprüfen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2002 - 4 BN 2/02 -, juris). Wird der Bebauungsplan, der das Grundstück erfasst, indessen so geändert, dass dieses von den neuen Festsetzungen unberührt bleibt, ist eine Verletzung des Grundeigentums dagegen ausgeschlossen, weil die Festsetzungen für das Grundstück - also die Festsetzungen, die das Grundeigentum bestimmen - bereits in dem früheren Bebauungsplan getroffen worden sind (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 a.a.O. sowie BVerwG, Beschluss vom 13. November 2012 - 4 BN 23.12 -, VGH BW, Urteil vom 20. März 2013 - 5 S 1126/11 - und VGH Bayern Urteil vom 18. Juli 2017 - 9 N 15.1106 - , jeweils juris).

17

Darüber hinaus lässt sich eine Antragsbefugnis für Planbetroffene aus einer möglichen Verletzung des Abwägungsgebots (vgl. § 1 Abs. 7 Baugesetzbuch - BauGB -) herleiten. Eine so begründete schützenswerte Rechtsposition reicht weiter als die wegen einer möglichen Eigentumsverletzung in Betracht kommende Antragsbefugnis, weil dem Abwägungsgebot ein drittschützender Charakter zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998, a.a.O.). In die Abwägung einzustellen sind allerdings nur schutzwürdige Belange, die gerade durch die Planänderung berührt werden. Die Belange der Ursprungsplanung sind demgegenüber grundsätzlich nicht mehr in den Blick zu nehmen und gegen- und untereinander abzuwägen (BVerwG, Beschluss vom 13. November 2012; VGH BW, Urteil vom 20. März 2013; OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 und Bay VGH, Urteil vom 18. Juli 2017, jeweils a.a.O.).

18

1. In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass die bauplanerischen Festsetzungen der angegriffenen Änderungssatzung, nämlich die Festsetzung der an das Grundstück des Antragstellers angrenzenden (Teil) Parzelle als Verkehrsfläche mit der Zweckbestimmung als Bushaltestelle und öffentliche Grünfläche für die Herstellung eines Kinderspielplatzes, die Festsetzungen des ursprünglichen Bebauungsplans für das Grundstück des Antragstellers unberührt lassen und insoweit eine Rechtsverletzung des Antragstellers nicht erkennbar ist.

19

2. Eine die Antragsbefugnis begründende mögliche Rechtsverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung und damit eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebotes gemäß § 1 Abs. 7 BauGB geltend macht und die dazu vorgetragenen Tatsachen dies auch möglich erscheinen lassen.

20

Die vom Antragsteller im Planverfahren vorgetragenen Einwände bezogen sich zunächst auf die Problematik einer durch die Änderungsplanung geltend gemachten Verschärfung der Parkflächensituation sowie einer Beeinträchtigung der Not- und Rettungswege hinsichtlich der an sein Grundstück angrenzenden Sport- und Festhalle. Ferner hat der Antragsteller einen durch die Änderungsplanung zu befürchtenden Wertverlust seines Grundstücks geltend gemacht und im gerichtlichen Verfahren eine unzumutbare Lärmbelastung durch den geplanten Kinderspielplatz beanstandet.

21

a) Was die durch die Änderungsplanung vom Antragsteller geltend gemachte Verschärfung der Parkflächensituation sowie die Beeinträchtigung der Not- und Rettungswege in Bezug auf die Sport- und Festhalle anbelangt, so ist diesbezüglich eine mögliche Verletzung des Antragstellers in subjektiven Rechten bereits im Ansatz nicht erkennbar, weil sein Vorbringen insoweit allein im öffentlichen Interesse liegende Aspekte betrifft, so dass sich hieraus keine Antragsbefugnis ergibt.

22

b) Auch die angebliche Wertminderung seines Grundstücks vermag die Antragsbefugnis des Antragstellers nicht zu begründen. Die Auswirkungen, die die Errichtung von baulichen Anlagen in der Umgebung eines Grundstücks auf dessen Verkehrswert haben, sind allein keine für die planerische Abwägung erheblichen Belange. Sie stellen deshalb auch keinen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu erwartenden Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO dar. Vielmehr kommt es auf die von der (neu) zugelassenen Nutzung unmittelbar zu erwartenden tatsächlichen Beeinträchtigungen an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2002 - 4 BN 53/02 - sowie Urteil des Senats vom 10. Dezember 2015 - 1 C 10631/14.OVG -, jeweils nach juris), zu denen sich der Normenkontrollantrag insoweit aber nicht dezidiert verhält.

23

c) Die Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich schließlich auch nicht aus dem erstmals im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Einwand, durch die Änderung der festgesetzten baulichen Nutzung seines Nachbargrundstücks seien für sein Grundstück unzumutbare, von der Nutzung des geplanten Kinderspielplatzes verursachte Lärmimmissionen zu befürchten.

24

Zwar ist der Antragsteller mit diesem Vorbringen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht präkludiert, weil die Präklusionsvorschrift des § 47 Abs. 2a VwGO, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, durch Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl I, S. 1298ff) ohne Übergangsbestimmungen gemäß Art. 18 dieses Gesetzes am 2. Juni 2017 aufgehoben worden ist.

25

Aus den vom Antragsteller befürchteten Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung des geplanten Kinderspielplatzes lässt sich die Antragsbefugnis jedoch deshalb nicht herleiten, weil der Antragsteller diese Lärmbeeinträchtigungen als sozialadäquat hinnehmen muss.

26

Zwar gehört eine planbedingte Zunahme des Lärms grundsätzlich zum Abwägungsmaterial. Dies entspricht für Verkehrslärm einer gefestigten Rechtsprechung (vgl. VGH BW, Urteil vom 12. Juni 2012 - 8 S 1337/10 -, VBlBW 2012, 421; OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 - 1 C 10678/15.OVG - sowie BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2011 - 4 BN 22.11 -, juris). Allerdings muss dieser Belang dann nicht in die Abwägung eingestellt werden, sofern der Lärmzuwachs nur geringfügig ist oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirkt, weil der Nachbar dann die Lärmbelastung hinzunehmen hat.

27

Dem ist es nach Auffassung des Senates gleichzustellen, wenn dem von Lärmimmissionen betroffenen Nachbarn diese Immissionen aus sonstigen Gründen zugemutet werden können. So liegt der Fall hier.

28

Ausgangspunkt und Maßstab für die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen ist die Regelung des § 22 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG -. Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und unvermeidbare Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche Geräusche, die geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Wann Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, also eine erhebliche Belästigung für die Nachbarschaft darstellen, erfordert eine situationsbezogene Abwägung anhand der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls. Dabei können Vorschriften einschlägiger Regelwerke grundsätzlich als Orientierungshilfe mitberücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1998 - 7 C 77.87 - juris).

29

Für die von Kindern ausgehenden Geräusche enthält § 22 Abs. 1a BImSchG eine Spezialvorschrift. Danach sind Geräuscheinwirkungen, die unter anderem von Kinderspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und Richtwerte nicht herangezogen werden.

30

Nach dieser Regelung steht Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft; Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 22 Abs. 1a BImSchG, BT-Drs. 17/4836, S. 4 sowie die entsprechende landesrechtliche Regelung des § 3 Abs. 2 BImSchG, nach dem Kinderlärm grundsätzlich keine schädliche Umwelteinwirkung darstellt und als sozialadäquat in der Regel zumutbar ist.).

31

§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und -richtwerte technischer Regelwerke abzustellen (so bereits: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003, a.a.O.). Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen „im Regelfall" keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind. Für den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot.

32

Nach der Gesetzesbegründung soll ein vom Regelfall abweichender Sonderfall nur vorliegen, wenn besondere Umstände gegeben sind, zum Beispiel die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäuser und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen (BT-Drucks. 17/4836, S. 7). Diese beiden - beispielhaft und deshalb nicht abschließend zu verstehenden - Fallgruppen (vgl. hierzu OVG RP, Urteil vom 16. Mai 2012, a.a.O. und Urteil vom 24. Oktober 2012 - 8 A 10301/12.OVG - sowie BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2013, - 7 B 1/13 - jeweils nach juris) sind hier nicht einschlägig. Auch im Übrigen ist weder vorgetragen, noch sind für den Senat Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass vorliegend ein mit den beiden Fallgruppen vergleichbarer atypischer Sonderfall gegeben ist, so dass für die Nutzung des durch die streitgegenständliche Änderung des Bebauungsplans festgesetzten Kinderspielplatzes das absolute Toleranzgebot gilt. Muss der Antragsteller deshalb die von der Nutzung des Kinderspielplatzes ausgehenden Lärmimmissionen hinnehmen, so scheidet unter diesem Aspekt die Möglichkeit einer eigenen Rechtsverletzung durch die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans aus.

II.

33

Der Normenkontrollantrag ist ungeachtet seiner aus der fehlenden Antragsbefugnis folgenden Unzulässigkeit aber auch in der Sache unbegründet.

34

Der streitgegenständliche Bebauungsplan „A...-B... 2. Änderung" weist keine durchgreifenden formell-rechtlichen Fehler auf und hält auch in materieller Hinsicht einer Prüfung stand, wobei es für die Begründetheit nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller selbst in subjektiven Rechten verletzt ist.

35

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers vermag der Senat einen beachtlichen formellen Verfahrensfehler nicht festzustellen.

36

Soweit der Antragsteller diesbezüglich geltend macht, er habe den Bebauungsplan bei einer Vorsprache am 12. September 2016 in den in der Bekanntmachung vom 20. Juli 2016 angegebenen Räumlichkeiten der Verbandsgemeindeverwaltung R...-S... nicht einsehen können, begründet dies nicht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn ungeachtet der Richtigkeit dieses Vortrags, den die Antragsgegnerin mangels substantiierter Angaben des Antragstellers mit Nichtwissen bestreitet, wird die Gültigkeit eines Bebauungsplans nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Einsichtnahme in das Originaldokument für kürzere oder längere Zeit erschwert wird. Selbst der Verlust des Bebauungsplandokuments nach seinem Inkrafttreten hat nicht die Unwirksamkeit des Plans zur Folge, wenn der Nachweis des Planinhaltes auf andere Weise zweifelsfrei geführt werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juni 2010 - 4 BN 55/09 - und vom 1. April 1997 - 4 B 206.96 - juris sowie Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2017, Anm. 127 zu § 10). Da der streitgegenständliche Bebauungsplan ausweislich der Planaufstellungsunterlagen (Bl. 49) am 20. Juli 2016 ordnungsgemäß bekanntgemacht worden und unter diesem Datum gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB in Kraft getreten ist, berührt danach das Vorbringen des Antragstellers , ihm sei am 12. September 2016 keine Einsicht in die Originalplanunterlagen gewährt worden, die Wirksamkeit des Bebauungsplans selbst dann nicht, wenn sein Vortrag als wahr unterstellt wird, denn Anhaltspunkte dafür, dass der Bebauungsplan an dem in der Bekanntmachung angegebenen Ort tatsächlich dauerhaft nicht zu jedermanns Einsicht bereitgehalten wird, sind vom Antragsteller weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat vielmehr ausdrücklich erklärt, den Bebauungsplan in den in der Bekanntmachung genannten Räumlichkeiten zur allgemeinen Einsicht bereit zu halten.

37

2. Der Bebauungsplan ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

38

Entgegen der Auffassung des Antragstellers, der im gerichtlichen Verfahren mit seinem Normenkontrollantrag in der Sache allein einen Abwägungsmangel in Bezug auf die von ihm befürchteten, von dem geplanten Kinderspielplatz ausgehenden Lärmimmissionen geltend macht, liegt ein solcher Abwägungsmangel hier nicht vor.

39

Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Abwägungsgebot ist nach ständiger Rechtsprechung verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 - IV C 105.66 - und vom 5. Juli 1974 - IV C 50.72 -, sowie den Beschluss des erkennenden Senats vom 15. März 2010 - 1 B 11357/09 -, alle in juris). Keine Verletzung liegt demgegenüber vor, wenn sich die Gemeinde innerhalb dieses Rahmens in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die elementare planerische Entschließung der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob der Plangeber die abwägungserheblichen Gesichtspunkte zutreffend bestimmt hat und ob er auf der Grundlage des derart ermittelten Abwägungsergebnisses die aufgezeigten Grenzen der ihm obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

40

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Senat hier keinen Abwägungsmangel feststellen.

41

a) Was die vom Antragsteller geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung des festgesetzten Kinderspielplatzes anbelangt, muss dieser, wie oben bereits dargelegt, die Geräuschimmissionen ungeachtet eines Immissionsgrenz- oder -richtwertes als sozialadäquat hinnehmen, so dass es seitens der Antragsgegnerin auch keiner Einholung eines schalltechnischen Gutachtens zur Ermittlung der zu erwartenden Emissionen bedurfte und sich die Festsetzung des Kinderspielplatzes auf der Nachbarparzelle auch ansonsten nicht als abwägungsfehlerhaft darstellt.

42

b) Soweit der Antragsteller im Planaufstellungsverfahren gerügt hat, der streitgegenständliche Bebauungsplan führe bedingt durch den Wegfall von Parkfläche für Kraftfahrzeuge zu einer Verschärfung der Parkplatzsituation bei Veranstaltungen in der Sport- und Festhalle und beeinträchtige den Brandschutz sowie den Einsatz von Rettungskräften, vermag der Senat keinen, die Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplanes begründenden Abwägungsfehler zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr in ihrer Beschlussfassung über diese Einwände das Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis genommen und im Einzelnen dargelegt, dass die für die Nutzung der Sport- und Festhalle erforderlichen Stellplätze auf außerhalb der von der Bebauungsplanänderung gelegenen Flächen nachgewiesen sind und die Errichtung des Kinderspielplatzes auf der Grundlage einer brandschutzrechtlichen Stellungnahme der Kreisverwaltung M...-B... den Brandschutz sowie Rettungs- und Fluchtwege bei Veranstaltungen in der Sport- und Festhalle nicht beeinträchtigt und deshalb an ihrer Planung festgehalten. Diese Abwägungsentscheidung, die der Antragsteller im Normenkontrollverfahren nicht beanstandet und zu der er auch sonst nicht Stellung genommen hat, lässt rechtserhebliche Fehler nicht erkennen.

43

Da sonstige, rechtserhebliche Einwände gegen die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans vom Antragsteller nicht geltend gemacht werden und auch für den Senat nicht ersichtlich sind, ist der Normenkontrollantrag mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenentscheidung abzulehnen.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

45

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

46

Beschluss

47

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen