Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 11633/17

Tenor

Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 2017 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid des Beklagten für die Errichtung eines Einfamilienhauses.

2

Der 1942 geborene Kläger ist Eigentümer des in der Ortsgemeinde B... gelegenen Grundstücks Flur ..., Parzelle Nr. .../... (I... L... ...), auf dem sich eine landwirtschaftliche Betriebsstätte sowie das Wohnhaus seiner Familie befinden. Unter dem 13. März 1970 hatte ihm das damalige Landratsamt des Unterwesterwaldkreises einen Bauschein für die Errichtung eines Stalles mit Futterraum und Güllegrube sowie den Massiv-Ausbau einer Feldscheune erteilt. Ursprünglich war die Hofstelle mit dem Schwerpunkt Rindviehhaltung (90 Tiere) bewirtschaftet und das landwirtschaftliche Betriebsgebäude zum Teil für die Lagerung von Fahrzeugen, landwirtschaftlichen Geräten und Heuballen genutzt worden. Etwa seit Mitte der 1990er Jahre erfolgte keine Tierhaltung mehr. In der Folgezeit beschränkte sich die betriebliche Tätigkeit im Wesentlichen auf Weidewirtschaft zur Heugewinnung, die Vermietung eines Teils der Hofstelle zur privaten Pferdehaltung sowie die Verpachtung von Ackerflächen, Wirtschaftsgebäuden und der Güllegrube zur Zwischenlagerung an Herrn S... W..., der in S... (Verbandsgemeinde Montabaur) einen landwirtschaftlichen Mischbetrieb mit ca. 75 Kühen führt.

3

Der Beigeladene ist Eigentümer des westlich gelegenen, 599 m² großen unbebauten Grundstücks Nr. .../... (I... L... ...). Weiter westlich schließt sich eine Wohnbebauung an, die sich nach Norden und Süden fortsetzt und in Höhe der Nachbarparzelle Nr. .../...(I... L... ...) endet. Ca. 25 m nördlich der Parzelle des Klägers liegt ein Reitplatz, an dessen westlicher Grenze zwei Hallen sowie mehrere kleinere Schuppen errichtet worden sind.

4

Mit Schreiben vom 18. Juli und 20. Dezember 2012 stellte der Beigeladene bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf seiner Parzelle.

5

Hierzu teilte die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz am 30. November 2012 mit, im Fall einer möglichen künftigen Bewirtschaftung der Betriebsstätte bestünden wegen der zu befürchtenden Geruchs- und Lärmbeeinträchtigungen Bedenken gegen das Vorhaben. Mit Schreiben vom 12. Mai 2013 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten, eine Bewirtschaftung seines Betriebs ruhe bzw. erfolge nur in geringem Umfang. Eine Wiederaufnahme der Tierhaltung wolle er sich indes ausdrücklich offenhalten, zumal noch im laufenden Jahr das Einstellen von Jungrindern geplant sei. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord – Regionalstelle Gewerbeaufsicht – hielt die Errichtung des geplanten Einfamilienhauses mit Schreiben vom 8. August 2013 unter Hinweis auf einen fehlenden Immissionsschutz ebenfalls für zweifelhaft.

6

Nachdem die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz im November 2013 gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, dass es unter anderem angesichts einer angenommenen Nichtbewirtschaftung und des Lebensalters des Klägers und seiner Ehefrau fraglich sei, ob die Hofstelle in näherer Zukunft überhaupt betrieben werde, erließ der Beklagte unter dem 12. März 2014 den beantragten Bauvorbescheid, der dem Kläger am 20. März 2014 zugestellt wurde.

7

Hiergegen legte der Kläger am 22. April 2014, dem Dienstag nach Ostern, Widerspruch ein.

8

In einem Vermerk der Beklagten vom 15. September 2014 ist festgehalten, dass die Hofstelle mit fünf Rindern bestückt worden sei.

9

Der Kläger gab eine gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. agr. A... K... in Auftrag, der unter dem 28. Januar 2015 zu dem Ergebnis kam, dass durch die Haltung von 40 bis 50 Rindern der Altersklasse 1 bis 2 Jahre „auf Festmist“ nachteilige Geruchsimmissionen für die nächstgelegene Wohnbebauung auf der Parzelle des Beigeladenen zu erwarten seien.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2016, dem Kläger zugestellt am 6. April 2016, wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, der nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilende Bauvorbescheid verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die über zehnjährige Nichtnutzung der Hofstelle habe zu einem Erlöschen des formellen Bestandsschutzes geführt. Zudem sei das in einem faktischen Dorfgebiet geplante Vorhaben gegenüber dem Kläger nicht rücksichtslos. Der Beigeladene habe als Eigentümer eines am Rand zum Außenbereich gelegenen Grundstücks ferner die ortsübliche Vorbelastung durch vom Hof des Klägers ausgehende Emissionen hinzunehmen.

11

Der Kläger erhob am 5. Mai 2016 Klage und trug vor, eine Realisierung des angegriffenen Vorhabens mache die derzeitige und beabsichtigte Nutzung der Hofstelle unmöglich. Das Vorhaben führe zu einer unzulässigen Gemengelage, die seinen Betrieb dauerhaft im Bestand gefährde. Die umliegende Wohnbebauung habe nur deshalb entstehen können, weil er sich 1996 dazu bereit erklärt habe, bei Eintragung einer Baulast mit dem Inhalt eines Verzichts auf Abwehransprüche gegen seinen Betrieb keine Rechtsmittel gegen diese Bauvorhaben einzulegen. Das Vorhaben des Beigeladenen verstoße zudem gegen die in den VDI-Richtlinien 3474 bzw. 3894 festgelegten Abstandsregelungen.

12

Mit Urteil vom 17. Januar 2017 hob das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bauvorbescheid auf und stellte zur Begründung darauf ab, das Vorhaben des Beigeladenen verletze das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Es könne dahingestellt bleiben, ob das zur Bebauung vorgesehene Grundstück tatsächlich dem unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB – oder aber dem Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB zuzuordnen sei. Denn das Rücksichtnahmegebot sei sowohl bei Vorhaben des Innenbereichs als Ausfluss des Tatbestandsmerkmals des „Einfügens“ als auch bei solchen des Außenbereichs, wie § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB belege, zu beachten.

13

Dies vorausgeschickt müsse der Kläger das geplante Vorhaben nicht hinnehmen. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei dabei der Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheides vom 12. März 2014. Vor dem Hintergrund der mit den Betriebsabläufen typischerweise verbundenen Lärm- und Geruchsimmissionen liege es auf der Hand, dass die vom Beigeladenen beabsichtigte Wohnbebauung eine Verschärfung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen für den landwirtschaftlichen Betrieb auf der Parzelle Nr. .../... Gestalt von Betriebseinschränkungen oder -belastungen von nicht nur unerheblichen Gewicht nach sich ziehen werde. Denn das Bauvorhaben des Beigeladenen werde um ca. weitere 20 m an die besonders emissionsträchtigen Punkte auf dem Flurstück des Klägers heranrücken. Somit würde die – ohnehin bestehende – Konfliktsituation im Hinblick auf die bereits an das Hofgrundstück herangerückte Wohnbebauung durch das unmittelbar hieran angrenzende Vorhaben des Beigeladenen noch weiter verschärft.

14

Soweit der Beklagte meine, der durch den Bauschein vermittelte Bestandsschutz sei angesichts einer endgültigen Nutzungsaufgabe durch den Kläger, wie sich aus seiner mehr als 10-jährigen Nutzungsunterbrechung sowie der Belegenheit der baulichen Anlage im Außenbereich ergebe, erloschen, könne dieser Auffassung jedenfalls im Umfang der im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt noch bestehenden Nutzung nicht gefolgt werden. Die bloße zeitliche Nichtweiterführung der genehmigten Nutzung – zumal bei dauernder Nutzungstauglichkeit der baulichen Anlage – lasse ohne zusätzliche Anhaltspunkte noch nicht auf einen dauerhaften Verzichtswillen schließen, zumal im Baurecht keine Rechtspflicht zur fortgesetzten Nutzung eines genehmigten Baubestands bestehe.

15

Mit ihren vom Senat zugelassenen Berufungen treten der Beklagte und der Beigeladene den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und der Rechtsauffassung des Klägers entgegen.

16

Der Beklagte vertritt die Auffassung, sowohl das Grundstück des Beigeladenen als auch dasjenige des Klägers gehörten zum unbeplanten Innenbereich von B... Der Gebietscharakter der näheren Umgebung entspreche außerdem – wie bereits zuvor ausgeführt – einem faktischen Dorfgebiet. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme scheide aus, da die streitgegenständliche Parzelle Nr. .../... Baulandqualität habe, bereits immissionsvorbelastet sei und deshalb ohnehin nur einen eingeschränkten Schutz für sich beanspruchen könne.

17

Der Beigeladene weist damit übereinstimmend darauf hin, dass es dem Kläger angesichts der vorhandenen und bereits bestandskräftig genehmigten Wohnbebauung verwehrt sei, sich auf erhebliche, gegen sein Vorhaben sprechende Beeinträchtigungen zu berufen.

18

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger stellt den Antrag,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er macht geltend, dass die Parzelle Nr. .../... im Außenbereich von B... liege. Ob die Umgebung als Dorfgebiet angesehen werden könne, sei überdies fraglich. Bei der geplanten Ausdehnung der Bebauung an bzw. in den Außenbereich sei das Interesse des dort vorhandenen landwirtschaftlichen Aussiedlerbetriebs am ungestörten Wirtschaften mit besonderem Gewicht bei der Abwägung zu berücksichtigen. Im Rahmen des Rücksichtnahmegebots hätte der Beklagte insbesondere für einen angemessenen Interessenausgleich sorgen müssen. Das sei jedoch nicht erfolgt. Durch das Heranrücken des Bauvorhabens des Beigeladenen an sein Flurstück trete eine Verschärfung der Immissionslage ein. Ihm werde daher eine stärkere Rücksichtnahme abverlangt, als er bisher einhalten müsse. In diesem Zusammenhang falle ins Gewicht, dass er zu keinem Zeitpunkt einen Aufgabewillen für seine landwirtschaftliche Tätigkeit zum Ausdruck gebracht habe und dies auch in Zukunft nicht beabsichtige.

23

Der Senat hat die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

24

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich auf den zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen sowie den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungs- und Widerspruchsakten. Außerdem hat der Senat drei Luftbildaufnahmen in das Verfahren eingeführt.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen haben Erfolg.

26

Das Verwaltungsgericht hätte die Anfechtungsklage des Klägers gegen den positiven Bauvorbescheid des Beklagten vom 12. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2016 abweisen müssen. Die vorgenannten Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

27

Nach §§ 70 Abs. 1, 72 Landesbauordnung – LBauO – ist ein positiver Bauvorbescheid zu erteilen, wenn einem Vorhaben, so wie es zur Prüfung gestellt worden ist, keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.

28

Dabei muss der Antrag auf Erteilung des Bescheides hinreichend bestimmt sein, damit im Fall seiner positiven Bescheidung der Umfang seiner Bindungswirkung für das Baugenehmigungsverfahren feststeht. Über diese Bestimmtheit der Bauvoranfrage hinaus ist der Bauantragsteller bei der Festlegung des Verfahrensgegenstandes weitgehend frei. Es ist insbesondere anerkannt, dass ein Vorbescheid auch lediglich über die „grundsätzliche“ Zulässigkeit der Bebauung eines Grundstücks mit einem Vorhaben ergehen darf, dessen Ausführung im Einzelnen der Prüfung in einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren vorbehalten bleibt. Auch ein Vorbescheid dieses Inhaltes kann für den Bauwerber eine günstige Rechtsposition begründen. Allerdings lässt die Bindungswirkung eines darauf ergehenden positiven Bescheides die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in seiner konkreten Ausführung noch offen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 – 4 C 41.84 –, NVwZ 1987, 884; siehe auch OVG RP, Urteil vom 7. November 2017 – 8 A 10859/17.OVG –, juris; so weiterhin OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2013 – 2 A 204/12 –, BauR 2014, 676 sowie Urteil vom 19. Juli 2017 – 7 A 768/16 –, juris). Eine solche Bauvoranfrage zielt damit auf die Feststellung, dass das zunächst nur allgemein umschriebene Vorhaben nicht von vornherein bereits grundsätzlich und unabhängig von den Details der Bauausführung und des konkreten Nutzungskonzepts bauplanungsrechtlich unzulässig, vielmehr durch eine bestimmte Art der baulichen Gestaltung und durch technische Vorkehrungen so plan- und ausführbar ist, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen kommt. Mit welchen baulichen und technischen Vorkehrungen und mit welchen Nutzungsauflagen sich das Bauvorhaben einfügt und dem Rücksichtnahmegebot gerecht wird, ist dem nachfolgendem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987, a.a.O.). Insbesondere braucht der Bauherr sich nicht darauf festzulegen, an welchem konkreten Standort auf dem Grundstück das Bauwerk errichtet werden soll (siehe hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 10. September 2003 – 1 LB 269/02 –, juris).

29

Danach ist davon auszugehen, dass der Beigeladene keine umfassend die Vereinbarkeit seines Vorhabens mit den planungsrechtlichen Vorschriften feststellende Entscheidung des Beklagten erstrebt, sondern lediglich eine Aussage über Einzelfragen der planungsrechtlichen Zulässigkeit, und zwar darüber, ob das betreffende Grundstück überhaupt zur Errichtung eines Einfamilienhauses genutzt werden kann. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Bauvoranfrage vom 28. Juli 2012 lediglich ein Auszug aus einer Katasterkarte beigefügt war, in der die Parzelle des Beigeladenen als Baugrundstück durch eine rote Umrandung gekennzeichnet ist. In dem Schreiben vom 20. Dezember 2012 hat der Beigeladene sodann ergänzend angegeben, dass er den „Neubau eines Einfamilienhauses“ begehrt. Daraus ist zu folgern, dass weitergehende Fragen, wie eine bestimmte Anordnung des Gebäudes auf dem Grundstück und/oder ein bestimmtes Nutzungsmaß ausgeklammert werden sollten.

30

Dies vorausgeschickt ist die von dem Beigeladenen begehrte Nutzung der Parzelle Nr. .../... zu Wohnzwecken (Errichtung eines Einfamilienhauses) mit bauplanungsrechtlichen Bestimmungen vereinbar. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

31

Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 Baugesetzbuch – BauGB –, da das zur Bebauung vorgesehene Grundstück, für das Ersichtlich keine qualifizierten planerischen Festsetzungen existieren, innerhalb des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ von B... gelegen ist.

32

Ein Bebauungszusammenhang, wie ihn § 34 Abs. 1 BauGB voraussetzt, reicht so weit, wie die aufeinanderfolgende Bebauung trotz dazwischenliegender unbebauter Freiflächen den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt (grundlegend BVerwG, Beschuss vom 12. Februar 1968 – 4 B 47.67 –, juris). Ein derartiger Bebauungszusammenhang wird zwar nicht durch einzelne, auch größere Baulücken unterbrochen; größere landwirtschaftlich genutzte oder bewaldete Freiflächen oder ungenutzte Ödlandflächen schießen indes die Annahme eines Zusammenhangs aus (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1972 – 4 C 6.71 –, juris). Als Faustregel kann davon ausgegangen werden, dass die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich in der Mehrzahl der Fälle hinter dem letzten von der zusammenhängenden Bebauung noch umfassten Gebäude verläuft. Eine sachgerechte Entscheidung kann allerdings nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern nur auf der Grundlage einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten würdigende Beurteilung getroffen werden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1972, a.a.O.).

33

Hiervon ausgehend ergibt sich auf der Grundlage der im Berufungsverfahren durchgeführten Ortsbesichtigung und der dem Senat vorliegenden Luftbildaufnahmen, dass der Bebauungszusammenhang von B... nicht mit dem Wohnhaus auf der Parzelle Nr. .../... endet, sondern über dieses Gebäude hinaus bis zu den landwirtschaftlich genutzten Anlagen am östlichen Ende der Parzelle Nr. .../... des Klägers – und damit unter Einschluss des zwischen diesen Parzellen liegenden Grundstücks des Beigeladenen – reicht. Ausschlaggebend für diese Beurteilung ist der Umstand, dass der mit langgestreckten landwirtschaftlichen Gebäuden und dem Wohnhaus des Klägers in Erscheinung tretende Bebauungskomplex der Hofstelle eine Ausdehnung und ein Bauvolumen hat, an denen gemessen das Grundstück des Beigeladenen in seiner Bedeutung in den Hintergrund tritt. Jedenfalls entsteht nach dem an Ort und Stelle durch die gerichtliche Beweisaufnahme vermittelten Bild nicht der Eindruck, dass dem Grundstück des Beigeladenen eine den Bebauungskomplex des Hofgeländes von der westlich gelegenen Bebauung trennende Wirkung zukommt. Das gilt umso mehr, als der Abstand zwischen den beiden Wohngebäuden auf den Parzellen Nrn. .../... und .../... lediglich rund 40 m beträgt und die landwirtschaftlichen Gebäude nach dem gewonnenen Eindruck gewissermaßen als natürliche Schlusspunkte einer baulichen Entwicklung von der Einmündung der Straßen „I... L.../J... Straße“ in östlicher Richtung erscheinen. Ob dies auch in der Vergangenheit der Fall und die Hofstelle vormals dem Außenbereich zuzuordnen war, kommt es nicht an, da allein die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung maßgebend sind. Bei diesen örtlichen Gegebenheiten hält es der Senat nach allem für gerechtfertigt, das Grundstück des Beigeladenen als Baulücke zwischen den Anwesen „I... L... ...“ und dem Anwesen des Klägers einzustufen.

34

Ist die Parzelle Nr. .../... somit bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen, steht das geplante Einfamilienhaus mit dieser Bestimmung, was die mit der Bauvoranfrage zur Überprüfung gestellte Frage einer Zulässigkeit nach der Art der baulichen Nutzung betrifft, in Einklang.

35

Als für die Beurteilung des Sicheinfügens maßgeblich nähere Umgebung im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist die vorhandene Bebauung entlang der J... Straße vom südlichen Ortsausgang von B... bis in Höhe des Reitplatzes im Norden einschließlich der Straße „I... L...“ anzusehen. Die weiter nördlich liegenden baulichen Anlagen sowie die Gebäude auf der südlichen Seite der parallel zur Straße „I... L...“ verlaufenden Straße „V... d... B...“ sind dagegen mit gut 130 m und angesichts des zum Teil weiträumig wirkenden unbebauten Zwischenbereichs zu weit entfernt, um von den Auswirkungen des Vorhabens erfasst zu werden oder ihrerseits Einfluss auf den bodenrechtlichen Charakter des streitgegenständlichen Baugrundstücks zu nehmen.

36

Die in dieser Umgebung vorhandene Bebauung umfasst nahezu ausschließlich Wohngebäude, die zu dem allein vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb auf der Parzelle des Klägers in einem Verhältnis zueinanderstehen, das einer eindeutigen Zuordnung zu einer der in der Baunutzungsverordnung aufgeführten Gebietsarten, insbesondere auch eine Einstufung als faktisches Dorfgebiet gemäß § 5 Baunutzungsverordnung – BauNVO – entgegensteht. Es verbietet sich aber auch die Annahme eines allgemeinen oder reinen Wohngebiets nach §§ 3, 4 BauNVO, da die Bebauung auf der Hofstelle von ihrem Volumen her ein den Bereich des Baugrundstücks prägendes Gewicht besitzt, das es ausschließt, ihn als Fremdkörper zu betrachten und deshalb bei der hier vorzunehmenden Betrachtung unberücksichtigt zu lassen. Von daher ist für eine Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB kein Raum.

37

Auszugehen ist hier von einer Gemengelage bzw. einer „diffuse Bebauung“ mit Wohnhäusern und einem einzelnen, zum Teil noch von einer landwirtschaftlichen Nutzung geprägten Grundstück. Einschlägig ist demnach § 34 Abs. 1 BauGB. Nach dieser Bestimmung fügt sich das hier zur Überprüfung gestellte Einfamilienhaus an sich ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da es sich innerhalb des durch die vorhandene Bebauung vorgegebenen Rahmens hält, der derartige Wohngebäude gerade einschließt.

38

Ferner erweist sich das Vorhaben gegenüber der unmittelbar benachbarten landwirtschaftlichen Betriebsstätte auf der Parzelle Nr. .../... des Klägers nicht als rücksichtslos.

39

Zwar ist anerkannt, dass sich auch ein Vorhaben, das sich in jeder Hinsicht innerhalb des durch die nähere Umgebung vorgegebenen Rahmens bewegt, ausnahmsweise dann nicht einfügt, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf seine Umgebung vermissen lässt. Das Gebot der Rücksichtnahme stellt in erster Linie eine objektive Schranke für die Zulassung von Bauvorhaben dar, die dann durchbrochen ist, wenn ein Vorhaben unzumutbare Folgen für seine unmittelbare Nachbarschaft mit sich bringt (vgl. zum Gebot der Rücksichtnahme grundlegend: BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – 4 C 22.75 –, BVerwGE 52, 122; zur Bedeutung dieser Rechtsfigur im Innenbereich: BVerwG, Urteile vom 4. Juli 1980 – 4 C 101.77 –, juris, und vom 13. März 1981 – 4 C 1/78 –, juris). Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ergeben sich nicht nur Anforderungen an Bauvorhaben, die Beeinträchtigungen, insbesondere in Form von Immissionen für ihre Nachbarschaft mit sich bringen, sondern auch an solche Vorhaben, die sich in der Nähe derartiger Belästigungsquellen ansiedeln. Die Entscheidung darüber, ob ein Bauvorhaben gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen.

40

Diese am Kriterium der Zumutbarkeit orientierte Abwägung fällt vorliegend zugunsten des Vorhabens des Beigeladenen aus. Dabei fällt ins Gewicht, dass das zur Bebauung vorgesehene Grundstück dem Innenbereich zuzuordnen ist und ihm deshalb Baulandqualität zukommt, die nicht entschädigungslos entzogen werden darf (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28/81 –, juris), und sich das geplante Einfamilienhaus, wie gezeigt, innerhalb des durch die vorhandene Bebauung vorgegebenen Rahmens bewegt, also seiner Art nach grundsätzlich zulässig ist. Unter diesen beiden Gesichtspunkten ist dem auf die Verwirklichung des Vorhabens gerichteten Interesse des Beigeladenen bereits ein hohes Gewicht beizumessen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 C 50.89 –, juris). Allerdings lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das Vorhaben den von der landwirtschaftlichen Hofstelle ausgehenden Immissionen ausgesetzt sein wird. Dazu gehören zum einen Lärmbeeinträchtigungen durch die in den Ställen gehaltenen Rinder – wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass eine Unterbringung in den vormals genehmigten Umfang weiterhin zulässig ist –, Betriebsvorgänge auf dem Hofgrundstück und schließlich Geräuschimmissionen durch den über das Baugrundstück führenden Zu- und Abgangsverkehr. Zum anderen ist insbesondere mit Geruchsbelästigungen zu rechnen, wie das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Dipl. Ing. agr. A... K... belegt.

41

Zu berücksichtigen ist indes, dass das Vorhaben des Beigeladenen, gerade weil es sich in der Nachbarschaft eines emittierenden Betriebes ansiedelt und sich den von diesen ausgehenden Beeinträchtigungen aussetzt, diese Situation als Vorbelastung schutzmindernd gegen sich geltend lassen muss. Das bedeutet, der Beigeladene kann nicht die Herstellung von Verhältnissen einfordern, wie sie in einem reinen, völlig unbelasteten Wohngebiet anzutreffen sind, sondern muss sich auf der Ebene eines aus der wechselseitigen Rücksichtnahmepflicht resultierenden Mittelwerts mit darüber hinausgehenden Beeinträchtigungen abfinden (vgl. zur Anwendung des Gebots der Rücksichtnahme bei Gemengelagen BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983 – 4 C 59/79 –, juris). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der bestehende Landwirtschaftsbetrieb sich derzeit bereits in einer Situation befindet, in der er auf die benachbarte Wohnbebauung, insbesondere auf die etwa 30 bis 40 m entfernten Anwesen auf den Parzellen Nrn. .../..., .../... und .../... Rücksicht nehmen muss und von dem der Hofstelle in östlicher Richtung vorgelagerten Wohnhaus des Klägers eine gewisse Abschirmfunktion ausgeht. Daher würde sich bei Verwirklichung des vorgesehenen Einfamilienhauses eine nochmalige Verschlechterung, so sie überhaupt vorliegt (so aber das zu den Akten gereichte Gutachten), in Grenzen halten.

42

Letztlich kommt es hierauf jedoch angesichts der hier gegebenen besonderen Gesichtspunkte nicht an. Dabei fällt zunächst ins Gewicht, dass Wohnbebauung und Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe, wie ihre regelmäßige Zulässigkeit in Dorfgebieten zeigt, nicht stets und von vorneherein miteinander unverträgliche Nutzungen darstellen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 – 4 N 6/88 –, juris). Zudem war aus der Sicht des Klägers nach Realisierung der vorgenannten Wohngebäude absehbar, dass sich die Bebauung in Richtung auf seine Hofstelle weiter entwickeln würde. Entscheidend hinzu kommt, dass von dem Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die landwirtschaftliche Hofstelle kein Ausweichen auf eine gegen derartige Störungen weniger empfindliche Nutzungsart verlangt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, sind in einer Umgebung, die die Merkmale mehrerer Baugebiete aufweist, nicht alle Arten von Nutzungen zulässig, die in den nach der Deutungsbreite der Umgebung jeweils in Betracht kommenden Baugebieten verwirklicht werden könnten. Vielmehr wird der Rahmen der zulässigen Nutzungen auch in diesem Falle durch die in der Umgebung tatsächlich vorhandenen Nutzungsarten begrenzt (BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 – 4 C 41/84 –, juris). Dieser Nutzungsrahmen umfasst vorliegend einerseits landwirtschaftliche Nutzung und andererseits Wohnnutzung. Wäre der Beigeladene unter dem Gesichtspunkt einer eigenen Rücksichtnahmepflicht ein Ausweichen auf eine weniger störungsempfindliche Nutzung anzusinnen, bliebe ihm allenfalls eine Bebauung mit landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Anlagen. Eine derartige Nutzung wäre auf dem nur 599 m² großen Grundstück aber schon tatsächlich nahezu ausgeschlossen bzw. allenfalls in Form der Errichtung von untergeordneten Nebengebäuden, wie kleiner Stallungen, möglich. Eine derartige Nutzung der Parzelle Nr. 1351/6 wäre jedoch, legt man dieselben Maßstäbe zugrunde, unter umgekehrten Vorzeichen Bedenken ausgesetzt; nämlich mit Blick auf ein Heranrücken störender Nutzungen an die Wohnbebauung entlang der benachbarten Anwesen auf den Parzellen Nr. .../... und der gegenüberliegenden Parzelle Nr. .../... (I... L... ...). Dies liefe in letzter Konsequenz auf den Ausschluss einer sinnvollen baulichen Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen hinaus. Das aber wäre mit der angesprochenen, durch die Innenbereichslage vermittelten Baulandqualität des Grundstücks nicht zu vereinbaren und ginge über das hinaus, was die Rücksichtnahmepflicht einem Bauherrn auferlegt (vgl. zum Ganzen OVG des Saarlandes, Urteil vom 6. Januar 1993 – 2 R 30/91 – m.w.N., juris).

43

Daher ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Errichtung eines Wohngebäudes auf dem vorgesehenen Baugrundstück als solche nicht gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb verstößt. Ob das Vorhaben den übrigen Kriterien des Sicheinfügens nach § 34 BauGB entspricht, ist, da die zur Überprüfung gestellten Unterlagen insoweit keine Konkretisierung der geplanten Anlage enthalten, ersichtlich nicht Gegenstand der Bauvoranfrage. Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich unter dem Gesichtspunkt der beim Kriterium des Sicheinfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche zu beurteilenden Anordnung des geplanten Baukörpers auf dem Grundstück durchaus Anforderungen an das geplante Einfamilienhaus aus der Pflicht zur Rücksichtnahme auf den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb ergeben können.

44

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser durch das eingelegte Rechtsmittel ein eigenes Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen ist.

45

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

47

1. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das zweitinstanzliche Verfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt (§ 47, 52, 63 Abs. 2 GKG).

48

2. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren seitens des Beigeladenen wird für notwendig erklärt (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen