Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LB 23/10
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 4. Kammer, Einzelrichterin – vom 02. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich im Berufungsverfahren noch gegen die Heranziehung zur Niederschlagswassergebühr. Sie sind Eigentümer eines bebauten Grundstücks in der amtsangehörigen Gemeinde ... . Ein Carport mit Schuppen ist auf einer Fläche von 44 m² mit einem Gründach versehen. Die Dachfläche des Hauses von 124 m² und der überdachten Terrasse von 29 m² entwässern in eine im Jahr 1999 errichtete Regenwassernutzungsanlage mit einem Fassungsvermögen von 3200 l. Die Zisterne ist über einen Notüberlauf an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen. Das aufgefangene Regenwasser wird z. T. für die Gartenbewässerung, z. T. für die Toilettenspülung und die Waschmaschine genutzt. Die Menge des Brauchwassers wird gemessen und bei der Schmutzwassergebühr berücksichtigt.
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Nachdem in ... zunächst eine einheitliche Schmutz- und Niederschlagswassergebühr erhoben worden war, führte die Gemeinde Ende 2008 eine Trennung der Einrichtungen einschließlich gebührenrechtlicher Aufteilung herbei. Zur Vorbereitung wurden Angaben der Grundstückseigentümer zu befestigten und an die Kanalisation angeschlossenen Grundstücksflächen erhoben. Die Kläger wiesen dabei auf die Besonderheiten ihres Grundstücks hin.
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Mit (Dauer-)Bescheid vom 21.April 2009 zog der Beklagte den Kläger zu 1) für 2009 und folgende Jahre zu einer Abwassergebühr von jährlich insgesamt 349,95 € heran. Davon entfiel auf die Niederschlagswassergebühr ein Betrag von 31,20 € für bebaute und befestigte Flächen von 208 m².
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Beide Kläger legten gegen den Bescheid am 21. April 2009 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, dass die Besonderheiten ihres Grundstücks nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus baten sie um Nachprüfung hinsichtlich der Quadratmeter der befestigten Dachflächen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009 gab der Beklagte dem Widerspruch teilweise statt, indem angekündigt wurde, den Ansatz der befestigte Fläche um 11 m² zu reduzieren. Soweit die Kläger sich darauf beriefen, dass sie in eine Zisterne entwässerten, sei hierin kein Ermäßigungsgrund zu sehen. Dies sie bei der Beratung über die Satzung beschlossen worden. Die Satzung enthalte keine Ermäßigungstatbestände.
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Mit einem ebenfalls allein an den Kläger gerichteten Änderungsbescheid vom 19. Mai 2009 verminderte der Beklagte den Ansatz der bebauten und befestigten Flächen auf
197 m² und setzte die Niederschlagswassergebühr neu auf jährlich 29,55 € fest.
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Am 16.09.2009 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und unter Angabe von Einzelheiten geltend gemacht, dass die Festsetzung keinen Bestand haben könne. Die gesamte befestigte Grundstückfläche könne nicht zugrunde gelegt werden, weil die tatsächlichen Gegebenheiten nicht berücksichtigt worden seien.
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Die Kläger haben beantragt,
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den Abwassergebührenbescheid des Beklagten vom 21.04.2009 für das Jahr 2009 (sowie als Dauerbescheid für die Folgejahre) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2009 bzw. des damit ergangenen Änderungsbescheides vom 19.05.2009 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat angeführt, dass der zur Vorbereitung der Gebührengestaltung an die Grundstückseigentümer gerichtete Fragebogen zur Differenzierung zwischen vollversiegelten und teilversiegelten Flächen gedient habe. Zu dem Zeitpunkt seien die Beratungen in den Gremien der Gemeinde ... noch nicht abgeschlossen gewesen, so dass man noch nicht habe wissen können, welche Entscheidung getroffen werden würde. Die Gemeindevertretung habe sich mit dem Thema der Begünstigung von ressourcenschonenden Nutzungen beschäftigt, aber dann in dieser Hinsicht keine Regelung in die Satzung aufgenommen.
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Durch Urteil vom 2. Juni 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der angegriffene Bescheid sei sowohl hinsichtlich der Schmutzwassergebühren als auch hinsichtlich der Niederschlagswassergebühren rechtmäßig. Das Satzungsrecht der Gemeinde biete dafür in Verbindung mit § 6 KAG eine taugliche Rechtsgrundlage. Entgegen der Auffassung der Kläger sei auch die Satzung über die Erhebung von Abgaben für die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung der Gemeinde ... rechtmäßig. Sie müsse insbesondere keine Ermäßigungstatbestände für den Fall vorsehen, dass Gebührenpflichtige durch Maßnahmen die Niederschlagswassermenge, die in die Kanalisation tatsächlichen einfließe, reduzierten. Soweit sie die Auffassung verträten, sie würden für die Verwendung des Niederschlagswasser bereits Gebühren bezahlen, habe dieses auf die Höhe der Schmutzwassergebühr keine Auswirkungen, da sie in der korrekt ermittelten Größenordnung Schmutzwasser in die Kanalisation einleiteten.
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Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes komme der Gemeinde ein weiter Ermessensspielraum zu. Ein Gericht sei nicht befugt, eigene Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle der Gemeinde zu setzen. Die gerichtliche Prüfung sei vielmehr auf die Frage beschränkt, ob der von der Gemeinde gewählte Maßstab innerhalb des ihr eingeräumten Ermessensspielraums liege. Die Grenzen dieses Ermessens seien erst überschritten, wenn der Maßstab seinen Zweck, das Ausmaß der Inanspruchnahme sachgerecht abzubilden, verfehle. Ein Maßstab sei nicht schon dann rechtswidrig, wenn er zwar einen sachgerechten Zusammenhang zwischen der Gebühr und der Art und dem Umfang der Inanspruchnahme herstelle, jedoch ein anderer Maßstab denkbar sei, der diesen Zusammenhang noch besser abbilde.
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Der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen eine Gemeinde sich bei der Bestimmung eines Gebührenmaßstabes bewegen müsse, werde u.a. durch das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsgrundsatz gebildet. Diese Grundsätze beträfen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie die Gleichbehandlung der Gebührenpflichtigen untereinander. Allerdings ergäben sich aus diesen Grundsätzen keine objektiv quantifizierbaren Kriterien, anhand derer das Entgelt zu messen wäre. Für einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab habe die Rechtsprechung dem Äquivalenzprinzip aber immerhin entnommen, dass die Bezugsgröße einen hinreichend sicheren, in der Regel zutreffenden Schluss auf den Umfang der Inanspruchnahme oder der Benutzung zulassen müsse. Der Gleichheitsgrundsatz sei dann gewahrt, wenn diejenigen Gebührenpflichtigen, die eine Einrichtung in ungefähr gleichem Ausmaß in Anspruch nehmen würden, auch ungefähr gleich hohe Gebühren, bei unterschiedlicher Benutzung dagegen diesen Unterschieden entsprechend in etwa angemessene Gebühren zahlen müssten. Kennzeichen eines auf die Wahrscheinlichkeit ausgerichteten Maßstabes sei, dass dieser den Regelfall abbilde und Besonderheiten eines Einzelfalls nicht erfassen könne. Daher ergäben sich gewisse Ungenauigkeiten, Mängel und Ungerechtigkeiten. Diese würden allerdings auch bei einem besseren, weil genaueren, Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht vermieden, sondern nur für bestimmte Fallgruppen verringert. Typisierung und Pauschalierung seien gerade bei einer Massenverwaltung in gewissem Maß unabdingbar, müssten allerdings im zu beurteilenden Bereich durch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein. Die Grenze der typisierenden Vereinfachung liege dort, wo die in Kauf zu nehmenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Typisierung angestrebten Vorteilen stünden und wo ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte und entsprechend die Ungleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Fälle nicht erkennbar sei. Die Auswirkungen pauschalierender Maßstabsregelungen in atypischen Fallgestaltungen dürften den Betroffenen dann zugemutet werden, wenn sich die finanziellen Konsequenzen im Einzelfall in relativ moderatem Rahmen bewegten.
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Nach diesen Grundsätzen lasse sich nicht feststellen, dass der in der Satzung geregelte Maßstab für die Bemessung der Niederschlagswassergebühr für die Einleitung von Wasser die Grenzen des dem Beklagten eingeräumten Ermessens überschreite. Nach der Rechtsprechung stelle die Bemessung der Gebühr für die Beseitigung des Niederschlagwassers nach der bebauten und/oder der befestigten Fläche einen nach Wahrscheinlichkeitsmaßstäben geeigneten Gebührenmaßstab dar.
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Dieser zulässige Maßstab werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, weil die Kläger das Niederschlagswasser ihres Hauses und ihrer überdachten Terrasse in eine 3.200-Liter-Zisterne einlaufen ließen, welche nur über einen Überlauf in die Kanalisation entwässere.
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Zwar hätten die Kläger vorgetragen, dass sie die Größe der Zisterne nach den zu erwartenden durchschnittlichen Regenmengen bestimmt hätten. Dabei übersähen sie aber, dass diese Kapazitätenberechnung nur dazu diene, die Größe des Speichers von der geplanten Nutzung abhängig zu machen. Nach dieser Berechnung werde eine Speichergröße von 1.600 l empfohlen, und damit ein Speicher, der nur halb so groß sei, wie er von den Klägern tatsächlich errichtet worden sei. Allerdings ginge selbst die von den Klägern eingereichte Berechnung von einer optimalen Speichergröße von 163.600 l aus. Hieraus werde deutlich, dass die Kläger kein Interesse hätten, möglichst das ganze Niederschlagswasser aufzufangen, um möglichst wenig Regenwasser in die Kanalisation ablaufen zu lassen, sondern sie nur so viel Regenwasser auffangen wollten, wie sie für ihre wirtschaftlichen Zwecke der Toilettenspülung und Waschmaschinennutzung gebrauchen könnten. Wenn die Kläger von einer Niederschlagsmenge pro Quadratmeter von 744 l im Jahr ausgingen, fielen – ohne Berücksichtigung der Abflussbeiwerte – bei einer Dachfläche von 124 + 29 = 153 m² x 744 l/m² = 113.832 l Niederschlagswasser im Jahr an. Die Kläger gebrauchten aber nur ca. 41.000 l aus der Zisterne als Schmutzwasser. Dieser Vergleich zeige bereits, dass der überwiegende Teil des Niederschlagswassers in die Kanalisation laufe. Selbst bei nur einem Regentag, der auf 30 l Niederschlag auf einen Quadratmeter komme, würde die Zisterne das Wasser (30 l/m² x 153 m² = 4.590 l) nicht vollständig aufnehmen können.
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Auch wenn den Klägern zugegeben werde, dass sie durch ökologisches Verhalten jedenfalls weniger Niederschlagswasser in die Kanalisation einleiteten als die übrigen Grundstückseigentümer, verstoße deren Nichtberücksichtigung nicht gegen den Gleichheitssatz. Eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte aufgrund eines gewählten Gebührenmaßstabes sei nämlich unerheblich, wenn diese bei ihrer Bewertung einer der beiden davon betroffenen Fallgruppen deshalb vernachlässigt werden dürfe, weil sie bei der unvermeidbar typisierenden Betrachtung nicht ins Gewicht falle. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit gestatte dem Gesetzgeber bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft werde und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht blieben. Dieser Grundsatz vermöge die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indes nur solange zu rechtfertigen, als nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem Typ widersprächen, auf den die Maßstabsregelung zugeschnitten sei. Die Auswirkungen sollten auf die Betroffenen nicht erheblich sein und Schwierigkeiten könnten verwaltungspraktikabel vermieden werden.
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Obwohl es vielfältige Möglichkeiten gebe, die Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Regenwassers zu reduzieren, sei nicht erkennbar, dass von dieser Möglichkeit viele Gebührenpflichtige Gebrauch machten. Für den Maßstab der befestigten Fläche spreche, dass diese objektiv und verwaltungspraktikabel feststellbar sei und eine Gleichbehandlung gewährleiste. Die Schaffung von Ausnahmetatbeständen würde zu einer Einzelfallgerechtigkeit mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand und Unsicherheiten führen, weil die Menge des nicht in die Kanalisation eingeführten Regenwassers in vielen Fällen nur schwer zu ermitteln sei. Denn in welcher Höhe Niederschlagswasser durch eine Wasserklappe entnommen werde, sei nicht ermittelbar.
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Entgegen der Auffassung der Kläger sei der Beklagte auch nicht verpflichtet, die 44 m² große Carport-Dachfläche, die begrünt sei, nur zum Teil als befestigte Fläche zu werten. Aus den o.g. Gründen sei zwar eine Privilegierung von begrünten Dächern zulässig. Aber es bestehe insoweit kein Anspruch, dass eine Satzung solche Privilegierungen enthalten müsse.
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Auf Antrag der Kläger hat der Senat durch Beschluss vom 1. September 2010 die Berufung zugelassen, soweit für das Jahr 2009 und Folgejahre eine Abwassergebühr von mehr als 318,75 € erhoben wird.
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Zur Begründung ihrer Berufung wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen und ihre Argumentation aus dem erstinstanzlichen Verfahren und machen geltend, dies sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Den tatsächlichen Gegebenheiten auf ihrem Grundstück werde nicht ausreichend Rechnung getragen, soweit der Berechnung der Niederschlagswassergebühr ein Faktor von 197 zugrunde gelegt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das beklagte Amt zunächst eine genaue Aufschlüsselung der bebauten und/oder befestigten Flächen eingefordert habe, dann aber im Rahmen der Gebührenfestsetzung sämtliche Flächen wieder einheitlich behandele. Eine einheitliche Behandlung sei im Hinblick auf den Zweck der Trennung der Gebühren nicht gerechtfertigt. Eine Niederschlagswassergebühr werde aus dem Grund erhoben, dass Grundstückseigentümer Teilflächen ihres Grundstücks versiegelten, Regenwasser auf diesen versiegelten Flächen nicht mehr natürlich absickern könne und ins öffentliche Abwassernetz abfließe. Je mehr Flächen der Grundstückseigentümer versiegele, desto mehr Regenwasser gelange von seinem Grundstück in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage, so dass die von ihm zu entrichtende Gebühr auch umso höher sei. Dieser Zusammenhang werde nicht bestritten, müsse aber gerecht umgesetzt werden. Sofern sie, die Kläger, mehrere Maßnahmen dahingehend getroffen hätten, die Wassermenge zu verringern, die ins öffentliche Abwassernetz gelange, seien diese Maßnahmen im Rahmen der Gebührenberechnung zu berücksichtigen und nicht alle Flächen gleich zu behandeln.
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Das Regenwasser von Dächern des Wohnhauses und der Holzterrasse werde aufgefangen, in einer Zisterne gesammelt und als Brauchwasser für die Toilettenspülung und die Waschmaschine genutzt. Insoweit gelange es also nicht als Regenwasser, sondern als Schmutzwasser über den normalen Abwasseranschluss ins öffentliche Abwassernetz. Für die als Schmutzwasser gemessene Abwassermenge werde aber bereits die Verbrauchsgebühr erhoben. Das genutzte Regenwasser werde somit bei der getrennten Gebührenabrechnung zweimal als Rechenfaktor berücksichtigt, nämlich zur Ermittlung der Schmutzwassergebühr und zur Ermittlung der Niederschlagswassergebühr. Sie, die Kläger, würden im Ergebnis doppelt in Anspruch genommen.
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Da die Zisterne durch einen Notüberlauf zur Kanalisation gesichert sei und daher bei großen Regenmengen auch von den betroffenen Dachflächen Regenwasser direkt in das Abwassernetz gelangen könne, habe die Fläche nicht vollständig unberücksichtigt zu bleiben. Die Größe der Zisterne sei aber bewusst so gewählt worden, dass sie die zu erwartenden durchschnittlichen Regenmengen aufnehmen könne. Von den betroffenen Dachflächen gelange tatsächlich daher nur bei außergewöhnlich starken und intensiven Regenfällen Regenwasser ins Abwassernetz.
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Darüber hinaus könne auch die Dachfläche des Carports nicht vollständig berücksichtigt werden, denn es handele sich um ein bepflanztes Gründach. Dachbegrünung diene der Entsiegelung und dem Regenwasserrückhalt. Das Regenwasser, das auf das Dach falle, werde teilweise von den Pflanzen aufgenommen, teilweise verdunste es und wirke somit wie ein Zwischenspeicher für Regenwasser. Nur der restliche Teil werde in das öffentliche Abwassernetz geleitet. Das Abwassernetz werde durch diese Grünfläche also deutlich geringer belastet.
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Gleiches gelte für das unter der Holzterrasse angelegte Kiesbett. Obwohl diese Fläche der Holzterrasse überdacht sei und somit als befestigt gelte, könne auf dieser Grundstücksfläche dennoch kein Regenwasser abfließen.
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Ferner sei die vorgenommene Berechnung im erstinstanzlichen Urteil fehlerhaft. Der Maßstab bei der Erhebung der Gebühren sei schon deshalb zu ändern, weil sie, die Kläger, das Niederschlagswasser ihres Hauses und ihrer überdachten Terrasse in eine 3.200 Liter-Zisterne einlaufen ließen, die lediglich über einen Überlauf in die Kanalisation entwässere. Diesen Umstand habe das Gericht mehr berücksichtigen müssen. Darüber hinaus habe es den Ladebeiwert überhaupt nicht berücksichtigt. Dieser Wert sei ein wichtiger Bestandteil einer Zisternenberechnung. Es handele sich dabei um einen ermittelten Wert, der die Verdunstung des Wassers in Zahlen darstelle. Er betrage 0,8.
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Außerdem habe das Gericht die Gartenbewässerung nicht berücksichtigt. Sie sei allerdings wesentlicher Bestandteil und werde bei der Online-Berechnung mit 37,32 m³ angegeben. Aus diesem Grund sei die Berechnung des Gerichts ebenfalls fehlerhaft.
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Die vom Gericht fehlerhaft vorgenommene Berechnung habe wie folgt durchgeführt werden müssen: (Anmerkung: die in der Begründungsschrift teilweise fehlerhaft angegebenen Zahlen und Dimensionen sind in der offensichtlich gemeinten Weise wiedergeben)
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153 m² x 744 l/m² = 113.832 Liter = 113,832 m3 x 0,8 Ladebeiwert
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= 91,066 m3 zur Verfügung stehendes Wasser.
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Von diesem Wert habe eine Schmutzwassermenge von 41 m3 pro Jahr (laut Zähler) sowie eine weitere gerundete Menge von 38 m3 für Gartenbewässerung in Abzug gebracht werden müssen, so dass sich als Einleitungsmenge lediglich eine Menge von 12 m³ ergebe.
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Die Kläger beantragen,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 2. Juni 2010 den Bescheid vom 21. April 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Mai 2009 sowie des Änderungsbescheides vom 19. Mai 2009 für das Jahr 2009 und Folgejahre aufzuheben, soweit eine Abwassergebühr von mehr als 318,75 € erhoben wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, dass der von der Gemeinde ... gewählte Gebührenmaßstab für die Niederschlagswassergebühr keinen durchgreifenden Bedenken begegne. Es stehe mit höherrangigem Recht in Einklang, dass die Gemeinde darauf verzichtet habe, die Niederschlagswassergebühr zu ermäßigen in jenen Fällen, in denen ein Teil des auf dem betreffenden Grundstück angefallenen Niederschlagswassers auf dem Grundstück selbst verwendet werde und hierdurch nicht in die gemeindliche Niederschlagswasserbeseitigungsanlage gelange. Die Gestaltung des Gebührenmaßstabes sei insoweit vom Ermessensspielraum der Gemeinde gedeckt.
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In der Praxis habe sich für gebührenfinanzierte Einrichtungen, deren Benutzung sich allenfalls mit unverhältnismäßigem Aufwand exakt messen ließe, die Bemessung der Benutzungsgebühren nach Wahrscheinlichkeitsmaßstäben herausgebildet. Aus einem quantitativ feststellbaren und messbaren Umstand werde indirekt abgeleitet, in welchem Umfang die öffentliche Einrichtung typischerweise benutzt werde. Atypische Fälle müsse der typisierende und pauschalierende Wahrscheinlichkeitsmaßstab dabei nicht berücksichtigen. Mit dem gewählten Maßstab, der an die Größe der versiegelten und an die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung angeschlossenen Grundstücksflächen anknüpfe, habe die Gemeinde im Rahmen ihres Gestaltungsermessens einen hinreichend einzelfallgerechten Gebührenmaßstab gewählt.
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Die bei den Klägern vorzufindende Situation, dass ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil des auf dem Grundstück aufgefangenen Niederschlagswassers als Brauchwasser verwendet werde und dadurch nicht in die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung gelange, sei von der Gemeinde ... in rechtmäßiger Weise als atypischer Fall angesehen worden. Das beklagte Amt habe bei der Auswertung der Datenerfassungsblätter zur Niederschlagswassergebühr festgestellt, dass im Gebiet der Gemeinde ... ausschließlich die Kläger über befestigte Grundstücksflächen verfügten, die in eine mittels eines Überlaufes mit der Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung der Gemeinde verbundene Zisterne entwässerten. Damit sei der Anteil der betreffenden Grundstückseigentümer ersichtlich unterhalb der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblichen 10 %-Grenze, so dass dieser Fall bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabes habe unberücksichtigt bleiben dürfen. Bei dieser Ausgangslage rechtfertige es die ganz erhebliche Verwaltungsvereinfachung, die mit einem Verzicht auf die von den Klägern verlangten Privilegierungen im Gebührenmaßstab einhergehe, dass die Kläger als einzige Benutzer der Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung finanziell geringfügig stärker belastet würden, als bei einem Maßstab, der die Speicherung und Verwendung des Niederschlagswassers berücksichtigte.
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Das hohe Gewicht der Verwaltungsvereinfachung als Rechtfertigung für die Typisierung und Pauschalierung ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass ein auf die versiegelten und an die Niederschlagswasserbeseitigung angeschlossenen Flächen abstellender Gebührenmaßstab dazu führe, dass sowohl die Kalkulation des Niederschlagswassergebührensatzes als auch die Erhebung der Niederschlagswassergebühr ganz erheblich vereinfacht werde verglichen mit einem Maßstab, der die Nutzung von Regenwasser in Haus und Garten berücksichtige.
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Umgekehrt sei festzustellen, dass die mit der Erhebung der Niederschlagswassergebühr einhergehende wirtschaftliche Belastung vergleichsweise gering sei. Auf das klägerische Grundstück mit immerhin 197 m² versiegelter und an die Niederschlagswasserbeseitigung angeschlossener Fläche entfalle pro Jahr gerade einmal eine Niederschlagswassergebühr in Höhe von 29,55 €. Ungleichheiten seien bei betragsmäßig geringeren Abgaben in höherem Umfange hinzunehmen als bei einschneidenderen wirtschaftlichen Belastungen.
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Es spreche noch ein weiterer Umstand für die Sachgerechtigkeit eines Gebührenmaßstabes, der die Regenwassernutzung unberücksichtigt lasse. Die gebührenfähigen Kosten einer Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung zeichneten sich strukturell dadurch aus, dass sie einen überaus hohen Anteil an Fixkosten aufwiesen. Dies resultiere aus der Eigenart der Aufgabe der Niederschlagswasserbeseitigung. Denn obwohl die nach dem Landeswassergesetz insoweit zuständigen Gemeinden nicht verpflichtet seien, für außergewöhnlich seltene katastrophenähnliche Regenereignisse Vorsorge zu treffen, werde die erforderliche Dimensionierung der gemeindlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlagen entscheidend bestimmt durch die Vorsorge gegen Starkregenereignisse. Anders als bei Schmutzwasserbeseitigung sei der Niederschlagswasseranfall pro Zeiteinheit ausgesprochen schwankend und weise deutliche Spitzenwerte bei Starkregenereignissen auf. Die Dimensionierung sei somit im Wesentlichen nach den Anforderungen von Starkregenereignissen zu bemessen.
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Auch die laufenden Kosten, insbesondere Abschreibungen und kalkulatorische Verzinsung, würden wiederum ihrer Höhe nach maßgeblich von der Dimensionierung der Anlage beeinflusst werden. Hieraus resultiere ein hoher Fixkostenanteil innerhalb der gebührenfähigen Kosten. Zugleich gelange von solchen Grundstücken, auf denen Niederschlagswasser über Zisternen genutzt werde, bei Starkregenereignissen Niederschlagswasser über den Zisternenüberlauf in die Niederschlagswasserbeseitigungsanlage, da die Aufnahmekapazität der Zisterne dann überschritten werde. Die typische Inanspruchnahme der Niederschlagswasserbeseitigung von Grundstücken aus, auf denen Niederschlagswasser gespeichert und verwendet werde, sei also bei Starkregenereignissen am größten, folglich also in Situationen, die ohnehin prägend seien für die erforderliche Dimensionierung der Niederschlagswasserbeseitigungsanlagen. Privilegiere man ungeachtet dieses Befundes innerhalb des Gebührenmaßstabes solche Benutzer der Einrichtung, die auf ihrem Grundstück Niederschlagswasser in Zisternen speicherten und verwendeten, führe dies im Ergebnis dazu, dass die übrigen Benutzer überproportional mit den Kosten der Einrichtung belastet würden. So betrachtet spiegele ein Gebührenmaßstab, der nur auf die versiegelten und an die Niederschlagswasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Grundstücksflächen abstelle, in sachgerechter Weise den Zusammenhang zwischen der Größe der versiegelten Flächen und der typischen Inanspruchnahme der Einrichtung bei Starkregenereignissen wieder.
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Auch der Vortrag, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Regenwasserspeicherung und Nutzung nicht berücksichtigt werde, nachdem das Amt zuvor in Erhebungsbögen die auf den Grundstücken in der Gemeinde vorhandenen Regenwasserspeicher gleichwohl erfasst habe, führe nicht zur Begründetheit der Berufung. Es begegne keinen Bedenken, die erstmalige Erhebung einer besonderen Niederschlagswassergebühr in der Weise vorzubereiten, dass auch solche Daten erfasst würden, die nicht bei allen denkbaren Maßstabsmodellen erforderlich seien. Insbesondere sei festzuhalten, dass die sachgerechte und fehlerfreie Ausübung des gemeindlichen Gestaltungsermessens beim Gebührenmaßstab gefördert werde, wenn die Gemeinde sich Gewissheit über die kalkulatorischen Grundlagen verschiedener denkbarer Maßstabsmodelle verschaffe.
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Es liege auch keine Doppelbelastung der Kläger vor. Vielmehr treffe im Fall der Kläger nur ein schwerpunktmäßiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab (bei der Bemessung der Schmutzwassergebühr), der kombiniert sei mit Elementen eines Wirklichkeitsmaßstabes (Hinzurechnung der Schmutzwassermenge aus der Brauchwasseranlage) auf einen anderen Wahrscheinlichkeitsmaßstab (Gebührenmaßstab der Niederschlagswassergebühr). Dieser Effekt sei nur ein Reflex des Nebeneinanders von verschiedenen Gebührenmaßstäben für verschiedene öffentliche Einrichtungen. Auch wenn der Gebührenmaßstab für die Niederschlagswasserbeseitigung die Speicherung und Nutzung von einem Teil des Niederschlagswassers berücksichtigen würde, käme es zu solchen Effekten. Denn auch dann wäre der Niederschlagsgebührenmaßstab nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der die wirkliche Benutzung der Niederschlagswassereinrichtung niemals exakt widerspiegeln würde.
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Darüber hinaus sei der Vortrag des Klägers unzutreffend, aus der Kapazitätenberechnung für die Zisterne ergebe sich, dass die vorhandene Speicherkapazität von 3.200 l sicherstelle, dass nur ausnahmsweise Niederschlagswasser über den Überlauf in die gemeindliche Niederschlagswasserbeseitigungsanlage gelange. Die Tankgrößenberechnung errechne lediglich die empfohlene Speichergröße nach dem voraussichtlichen Brauchwasserbedarf, nicht hingegen nach dem Regenwasseranfall. Ein nach Ertrag optimierter Speicher werde in dem Berechnungsprogram mit 4.700 l angegeben, mithin werde ein um 46,875 % größeres Volumen empfohlen als der Speicher der Kläger tatsächlich aufweise.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist im zugelassenen Umfang unbegründet.
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Die Berufung der Klägerin zu 2) kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil ihre Klage unzulässig ist. Ihr fehlt es an der erforderlichen Klagebefugnis i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO, weil sie mit den angefochtenen Bescheiden nicht zu Gebühren herangezogen wird. Ein Miteigentümer eines Grundstücks ist nicht klagebefugt gegen einen Abgabenbescheid, der - wie hier - (allein) gegen einen anderen Miteigentümer gerichtet wurde. Dies gilt auch dann, wenn die Miteigentümer (abgaben-)rechtlich Gesamtschuldner sind (vgl. Senatsbeschl. v. 04.02.1999 – 2 M 1/99 -, NordÖR 1999, 193; v. 06.12.2001 – 2 L 161/01 – m.w.N.). Eine faktische Betroffenheit allein als Miteigentümerin des Grundstücks, für dessen Entwässerung die Gebühren erhoben werden, reicht nicht aus. Die Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus der Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin als unbegründet. Daraus folgt keine selbständige Beschwer.
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Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg, weil die angefochten Gebührenbescheide im noch zur Überprüfung gestellten Umfang rechtmäßig sind.
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Mit den angefochtenen Bescheiden wird der Kläger als Miteigentümer des in den Bescheiden benannten Grundstücks für 2009 und die Folgejahre zu Recht zu einer Niederschlagswassergebühr in Höhe von jährlich 29,55 € auf der Grundlage einer Fläche von 197 m² bebauter und/oder befestigter Grundstücksfläche herangezogen.
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Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ergeben sich die Rechtsgrundlagen für die Gebührenerhebung aus § 6 KAG sowie den Bestimmungen der Satzung über die Erhebung von Abgaben für die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung der Gemeinde ... (Beitrags- und Gebührensatzung) vom 18. Dezember 2008 - (im Folgenden: BGS NW), die rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Nach § 11 BGS NW werden für die Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage Niederschlagswassergebühren für die Grundstücke erhoben, die an diese Niederschlagswassereinrichtung angeschlossen sind oder in diese entwässern. Gebührenpflichtig ist nach § 14 BGS NW der Eigentümer des Grundstücks, Miteigentümer sind Gesamtschuldner.
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Dass das Grundstück des Klägers an die öffentliche Einrichtung angeschlossen ist und in diese entwässert, wird von ihm ebenso wenig in Zweifel gezogen wie seine Gebührenpflicht dem Grunde nach. Er wendet sich allein gegen die Gebührenbemessung, insbesondere gegen die Maßstabsregelung und deren Anwendung. Diese Einwendungen sind unberechtigt; die Satzungsbestimmungen stehen - wie das Verwaltungsgericht richtig gesehen hat - im Einklang mit § 6 KAG und allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzipien und sind im konkreten Fall auch zutreffend angewendet worden. Gemäß § 130 b Satz 2 VwGO wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Im Hinblick auf den Einwand des Klägers, sein Vorbringen und seine Argumentation seien nicht genügend berücksichtigt worden, ist Folgendes zu ergänzen:
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Sofern - wie hier - von der Möglichkeit des § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG, Grund- und Zusatzgebühren zu erheben, kein Gebrauch gemacht wird, kommt für die Bemessung von Niederschlagswassergebühren allein ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Betracht. Mit Hilfe eines solchen Maßstabes ist das Ziel des § 6 Abs. 2 KAG zu verfolgen, mit den Benutzungsgebühren die Kosten der laufenden Verwaltung und Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung zu decken und diese Kosten nach sachgerechten Kriterien auf die Benutzer der Einrichtung zu verteilen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung tragen und gewährleisten, dass bei seiner Anwendung eine gleichmäßige Behandlung der Benutzer zu erwarten ist, dass also regelmäßig bei wahrscheinlich gleicher Inanspruchnahme oder Benutzung auch eine in etwa gleiche Menge von Maßstabseinheiten anfällt und auf eine größere oder geringere Inanspruchnahme jeweils im Verhältnis eine größere oder geringere Anzahl von Einheiten entfällt und demgemäß bei gleicher Inanspruchnahme etwa gleich hohe Gebühren, bei unterschiedlicher Benutzung dagegen diesen Unterschieden entsprechend in etwa angemessene Gebühren zu zahlen sind (vgl. Thiem/Böttcher, KAG, § 6 Rdnr. 369 m.w.N.). Diese pauschalierende Abweichung von der tatsächlichen Inanspruchnahme wird von der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwendigen und damit auch den Gebührenpflichtigen zugutekommenden Erhebungsverfahrens getragen und lässt sich deshalb auf den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität zurückführen (BVerwG, Beschl. v. 28.03.1995 – 8 N 3.93 -, NVwZ-RR 1995, 594). Ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den beschriebenen Anforderungen genügt, steht auch im Einklang mit § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG, wonach Benutzungsgebühren grundsätzlich nach dem Umfang und der Art der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu bemessen sind. Diese Regelung ist eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes.
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Bei der Auswahl des Gebührenmaßstabes besteht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - für den Satzungsgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit. Nur die Einhaltung der äußersten Grenzen dieser "gesetzgeberischen" Freiheit ist vom Gericht überprüfbar. Das Gericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber den zweckmäßigsten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab gefunden hat. Die Gemeinden sind nicht verpflichtet, unter mehreren Ersatzmaßstäben denjenigen zu wählen, der im Vergleich zu anderen der Wirklichkeit ersichtlich näher kommt. Auch ein der Wirklichkeit sehr nahe kommender Maßstab ist inhaltlich ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab und entzieht sich damit einer juristisch exakten, auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnisse oder mathematischer Berechnungen beruhenden Beantwortung der Frage, wie nahe er der Wirklichkeit kommt (std. Rspr. des Senats, so schon Urt. v. 22.09.1994 - 2 L 93/93 -, Die Gemeinde 1994, 392 = GemHH 1995, 17 = SchlHA 1994, 311). Ein Verstoß dagegen liegt (nur) vor, wenn der Satzungsgeber seinen Gestaltungsspielraum dergestalt missbraucht, dass sich kein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für eine vorgenommene oder unterlassene Differenzierung (Ungleichbehandlung) finden lässt, so dass die getroffene Regelung als willkürlich erscheinen muss (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.01.1978 - 1 BvL 13/76 -‚ NJW 1978, 933/935; BVerwG, Urt. v. 08.11.1968 - VII C 99.67 -‚ BVerwGE 31, 33/34; Senatsurt. v. 22. 09. 1994, a.a.O.), Senatsurt. v. 06.06.1996 - 2 K 1/95 -; s. a. Senatsurt. v. 03.06.2010 - 2 LB 27/09 -, KStZ 2010, 215 = SchlHA 2011, 38).
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Diesen Anforderungen wird § 12 BGS NW gerecht, indem die Gebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung nach der überbauten und/oder befestigten Grundstücksfläche bemessen wird, von der aus Niederschlagswasser in die öffentliche Niederschlagswasseranlage eingeleitet wird oder in diese gelangt. Mit den weiteren Präzisierungen der Satzung genügt die Regelung dem für Normen geltenden Bestimmtheitsgebot und sie ist geeignet, allgemein und für den Einzelfall das wahrscheinliche Maß der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung abzubilden. Dazu bedarf es entgegen der Ansicht des Klägers keiner Differenzierungen nach der Art der befestigten Flächen und keiner Ermäßigungstatbestände für auf dem Grundstück zurückgehaltenes oder anderweitig verwendetes Niederschlagswasser.
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Die vom Kläger erwarteten Verfeinerungen im Gebührenmaßstab sind nicht schon wegen der vorangegangenen differenzierten Erhebung der Grundstücksverhältnisse geboten. Zwar mögen dadurch Vorstellungen geweckt worden sein, die die später erlassene Satzung nicht erfüllt, doch folgt daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Norm. Es ist der Auffassung des Beklagten zuzustimmen, dass keine Bedenken dagegen bestehen, die erstmalige Erhebung einer besonderen Niederschlagswassergebühr in der Weise vorzubereiten, dass auch solche Daten erfasst werden, die nicht bei allen denkbaren Maßstabsmodellen erforderlich sind. Es lag dann in der Kompetenz der Gemeindevertretung, aufgrund der von der Verwaltung vorbereiteten Unterlagen unter Ausschöpfung des o. g. satzungsgeberischen Ermessens die Regelungen zu treffen. Dass danach entgegen ursprünglichen Überlegungen Vorkehrungen zur sinnvollen Verwendung des Niederschlagswassers im Haushalt und zur Begrenzung des Abflusses, wie sie die Kläger getroffen haben, gebührenmäßig nicht honoriert werden, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Bemessung der Gebühren nach der befestigten Grundstücksfläche berücksichtigt zwar nur einen für das Maß der Inanspruchnahme aussagekräftigen Parameter, nämlich die Befestigung als solche. Die damit verbundene Vernachlässigung aller übrigen Parameter, wie etwa die Nutzung des Niederschlagwassers als Brauchwasser oder die Versickerung auf einem begrünten Dach ist jedoch gerechtfertigt. Denn im Rahmen der gebührenrechtlich zulässigen Pauschalierung kann – wie der Beklagte zutreffend geltend macht - davon ausgegangen werden, dass auch bei der Entwässerung in eine Zisterne gelegentlich das bei starken Regenfällen schlagartig auftretende Niederschlagswasser über den Notüberlauf abgeleitet werden muss, und dass die Menge des abzuleitenden Wassers steigt, je größer die Fläche ist, die in die Zisterne entwässert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Dimensionierung eines Kanalnetzes für die Ableitung von Regenwasser sich an den voraussichtlich bei starken Regenfällen dem Kanalnetz zufließenden Wassermengen orientieren muss. Der mit der Gebühr abzugeltende Vorteil bemisst sich – anders als bei der relativ kontinuierlichen Schmutzwasserbeseitigung - nicht nach der jährlichen Abflussmenge, sondern nach der zuverlässigen Entsorgung auch bei starken Regenfällen und damit nach der Leistungsfähigkeit der Einrichtung. Schon aus dem Grunde verfolgt der Kläger mit seiner Berechnung der innerhalb eines Jahres von seinem Grundstück in den Regenwasserkanal eingeleiteten Wassermenge einen für die Gebührenbemessung unerheblichen Aspekt.
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Der Umstand, dass die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung für Zeiten mit hohen Niederschlägen ausgelegt sein muss, trägt dazu bei, dass – wie der Beklagte ebenfalls zutreffend vorträgt – der Anteil der sog. Fixkosten der Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung besonders hoch ist. Es kommt hinzu, dass - anders als bei der Schmutzwasserbeseitigung - Reinigungskosten in der Regel nicht anfallen und auch sonstige variable Kosten - wie die Gebührenkalkulation der Gemeinde zeigt - verschwindend gering sind. Im Wesentlichen sind mit den Gebühren die durch das Leitungsnetz verursachten kalkulatorischen Kosten (Abschreibung und Verzinsung) abzudecken. Bei einer Aufteilung in Grund- und Zusatzgebühren bliebe für eine nach den besonderen Grundstücksverhältnissen differenzierte Zusatzgebühr zur Deckung der verbrauchsabhängigen Kosten kaum Raum, wenn – wie es für zulässig angesehen wird – die Grundgebühr die invariablen (leistungsunabhängigen) Kosten vollständig abdeckte (vgl. Senatsurt. v. 29.10.1991 - 2 L 144/91 -, Die Gemeinde 1992, 48, 49). Dies verdeutlicht, dass auch bei der hier von der Gemeinde gewählten Einheitsgebühr die vom Kläger geforderten Abzüge für zurückgehaltenes oder anderweitig genutztes Niederschlagswasser sich nicht an den verbrauchsabhängigen Kosten orientieren könnten, sondern eine Honorierung des ressourcenschonenden Verhaltens bedeuteten. Obwohl sich dies im Ergebnis zu Lasten der übrigen Gebührenschuldner auswirkte, wäre dem Satzungsgeber die Berücksichtigung derartiger, im allgemeinen Interesse liegender Belange nicht verwehrt, doch ist er dazu aus den genannten Gründen nicht verpflichtet.
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Diese Betrachtungen gelten vornehmlich für die Zurückhaltung von Regenwasser in der Zisterne und den Verbrauch für Gartenbewässerung und im Haushalt. Soweit es Gründächer betrifft, spricht Überwiegendes dafür, dass auch bei starken Niederschlägen ein Teil des Wassers aufgefangen und zurückgehalten, jedenfalls aber später abgeleitet und damit die Einrichtung entlastet wird. Dies ließe es zu, Flächen dieser Art - etwa auch großfugige Pflasterungen - mit einem niedrigeren Faktor zu bewerten als etwa Hartdächer, von denen der weitaus größte Teil des Niederschlags sofort abfließt. Der Senat hält aber an der bisher schon vertretenen Auffassung fest, dass im Interesse der Verwaltungspraktikabilität einerseits und im Hinblick auf die geringe Gebührenlast andererseits kein „Verdunstungs- oder Versickerungsabschlag“ je nach der Art der befestigten Fläche erforderlich ist (vgl. Senatsurt. v. 24.11.1999 - 2 K 19/97 -, Die Gemeinde 2000, 46; Senatsbeschl. v. 25.04.2003 - 2 MB 33/03 -, NordÖR 2004, 173; s. a. HessVGH, Beschl. v. 15.06.1994 - 5 UE 2928/93 -, GemHH 1996, 20). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob besonders großflächigen Befestigungen mit ungewöhnlichen Verhältnissen schon durch die Satzung Rechnung zu tragen ist oder im Einzelfall Gebührenermäßigungen zu gewähren sind.
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Schließlich ist der Auffassung des Beklagten beizupflichten, dass den Kläger keine unzulässige Doppelbelastung trifft, indem zurückgehaltenes und im Haushalt verbrauchtes Regenwasser bei der Schmutzwassergebühr erfasst wird. Bei seinem Einwand, das genutzte Regenwasser werde bei der seit 2008 vorgenommenen getrennten Gebührenrechnung zwei Mal als Rechenfaktor berücksichtigt, verkennt der Kläger die Bedeutung der Trennung der beiden Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung und die unterschiedliche Art der Gebührenbemessung. Da die Schmutzwassergebühr nach der Abwassermenge bemessen wird, die in die Einrichtung gelangt, ist es konsequent, nicht nur die aus Wasserversorgungsanlagen zugeführte Wassermenge zu erfassen, sondern auch die auf dem Grundstück gewonnene und dem Grundstück sonst zugeführte Wassermenge. Für die Inanspruchnahme der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung ist die Herkunft des eingeleiteten Wassers unerheblich. Sofern es sich dabei um aufgefangenes Niederschlagswasser handelt, wird diese Wassermenge nur einmal erfasst, nämlich bei der Schmutzwassergebühr. Dass sie nicht der Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung zugeführt wird, kann aus den o. g. Gründen unberücksichtigt bleiben, weil der Maßstab für die Gebührenbemessung an die befestigte Fläche und nicht auf die eingeleitete Wassermenge abstellt und ferner die anderweitige Nutzung und Ableitung zu keiner spürbaren Kostenersparnis in der Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung führt.
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Da nach alledem die maßgeblichen Satzungsbestimmungen nicht zu beanstanden sind und die Gebührenerhebung auch diesem Ortsrecht entspricht, hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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Referenzen
- 2 K 19/97 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 130b 1x
- § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 1x
- 2 M 1/99 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 42 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 6 KAG 3x (nicht zugeordnet)
- 2 L 93/93 1x (nicht zugeordnet)
- 2 LB 27/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2 L 161/01 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 6 Abs. 2 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 K 1/95 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- 2 L 144/91 1x (nicht zugeordnet)
- 5 UE 2928/93 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvL 13/76 1x (nicht zugeordnet)
- 2 MB 33/03 1x (nicht zugeordnet)