Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 MB 27/15
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 29. September 2015 wird verworfen.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf
7.500,00 Euro
festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Beigeladenen führen Beschwerde gegen einen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts, soweit durch diesen die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin für den Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport vom 29. Mai 2015 einschließlich einer nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG getroffenen Entscheidung angeordnet worden ist.
- 2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks ...weg ... in A.. Im westlichen Teil des Grundstücks befinden sich verschiedene Bäume, insbesondere Eichen, die mit dem Forst Hagen einen Wald bilden und die östliche Grenze dieses Waldes kennzeichnen.
- 3
Unmittelbar an das Grundstück des Antragstellers grenzt in südlicher Richtung das Grundstück der Beigeladenen, ...weg ... in A.. Auch auf diesem Grundstück befinden sich entlang dessen westlicher Flurstücksgrenze Baumreihen, die dem Forst Hagen zuzurechnen sind.
- 4
Mit Bescheid vom 29. Mai 2015 erteilte die Antragsgegnerin den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Carport auf ihrem Grundstück ...weg .... Der Abstand des Gebäudes zum westlich gelegenen Wald (Eiche Nr. 6) auf dem Grundstück des Antragstellers beträgt 21 m. Insofern ließ die Antragsgegnerin im Einvernehmen mit der unteren Forstbehörde nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG zugleich die Unterschreitung des 30 m-Waldabstandes (§ 24 Abs. 1 S. 1 LWaldG) zu.
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Gegen die Baugenehmigung legte der Antragsteller unter dem 24. Juni 2015 Widerspruch ein, beschränkt auf die Genehmigung der Ausnahme nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG, und erhob mit Schriftsatz vom 29. Juni 2015 sodann Widerspruch auch gegen die Baugenehmigung als solches.
- 6
Am 24. Juli 2015 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und die Feststellung begehrt, dass der Widerspruch vom 24. Juni 2015 gegen die mit der Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2015 erteilte Ausnahme nach § 24 LWaldG aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 24. Juni 2015 gegen die mit der Baugenehmigung erteilte Ausnahme nach § 24 LWaldG anzuordnen; des Weiteren hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 29. Juni 2015 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2015 anzuordnen.
- 7
Mit Beschluss vom 29. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers vom 24. Juni 2015 gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 einschließlich der Entscheidung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG angeordnet und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Feststellungsbegehren bleibe der Erfolg deshalb versagt, weil die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die im Rahmen der Baugenehmigung erteilte Zulassung einer Unterschreitung des Abstandes zum Wald gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a BauGB entfallen sei. Der Begriff der „bauaufsichtlichen Zulassung“ in § 212a Abs. 1 BauGB umfasse auch die der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens übertragene Entscheidung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG. Indessen habe das Rechtsschutzgesuch insoweit Erfolg, als die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 sowie die im selben Bescheid getroffene Zulassungsentscheidung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG begehrt werde. Die für die Nichteinhaltung des Waldschutzstreifens erteilte Ausnahmegenehmigung begegne ernstlichen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG lägen nicht vor. Es seien keine besonderen Umstände gegeben, die dazu führten, dass eine Gefährdung des Waldes durch das Bauvorhaben praktisch ausgeschlossen, zu vernachlässigen oder vermeidbar sei.
- 8
Die Beigeladenen haben gegen den ihnen am 05. Oktober 2015 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts am 09.Oktober 2015 Beschwerde eingelegt.
- 9
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2015 hat die Antragsgegnerin den Beigeladenen eine Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 erteilt, die - bei unverändertem Standort - Maßnahmen zur Reduzierung der vom Gebäude ausgehenden Brandgefahr zum Inhalt hat. Gegen diesen Nachtrag hat der Antragsteller unter dem 25. November 2015 Widerspruch eingelegt.
- 10
Mit Schriftsatz vom 02. November 2015, eingegangen am 03. November 2015, begründen die Beigeladenen die eingelegte Beschwerde.
- 11
Sie beantragen,
- 12
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. September 2015 insoweit abzuändern, als dem Antrag des Antragstellers stattgegeben worden ist und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 24. Juni 2015 gegen die ihnen erteilte Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 - einschließlich der Entscheidung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG - abzulehnen.
- 13
Der Antragsteller beantragt,
- 14
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 15
Die Antragsgegnerin schließt sich, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, im Wesentlichen den Ausführungen der Beigeladenen an.
II.
- 16
Die Beschwerde ist unzulässig. Die von den Beigeladenen gegebene Begründung der Beschwerde genügt den von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO aufgestellten Anforderungen nicht.
- 17
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen.
- 18
Zwar begründen die Beigeladenen die von ihnen eingelegte Beschwerde. Die Begründung befasst sich jedoch nicht mit der angefochten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern bezieht sich auf einen anderen - neuen - Streitgegenstand, der nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war.
- 19
Ein Beschwerdeführer ist zwar berechtigt, im Zuge der Begründung nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO solche neuen Tatsachen innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorzutragen, die nach Ergehen des erstinstanzlichen Beschlusses eintreten (OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 12.02.2003 - 1 B 298/02 -, NvwZ-RR 2003, 694; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2007 - 9 S 29.07 -, zit. nach juris [Rn. 6]; Sächs. OVG, 15.06.2004 - 5 BS 406/03 -, zit. nach juris [Rn. 1]; OVG NRW, Beschluss vom 26.03.2004 - 21 B 2399/03 -, zit. nach juris [Rn. 21]; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 146 VwGO, Rn. 82; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 146, Rn. 42). Dies gilt auch dann, wenn der Beschwerdeführer selbst die neuen Tatsachen geschaffen hat (Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 146, Rn. 42; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 146 VwGO, Rn. 83).
- 20
Von der Frage der Zulässigkeit des Vortrages neuer Tatschen im Beschwerdeverfahren ist allerdings der Fall zu unterscheiden, dass der Beschwerdeführer sich auf einen veränderten Streitgegenstand bezieht. Ziel des Beschwerdeverfahrens nach § 146 Abs. 4 VwGO ist es gerade, festzustellen, ob das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend über den Streitgegenstand entschieden hat (OVG B-Stadt, Beschluss vom 02.10.2002 - 4 Bs 257/02 -, zit. nach juris [Rn. 10]; OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 12.02.2003 - 1 B 298/02 -, a.a.O.; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 146 VwGO, Rn. 82). Hinzu kommt, dass § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich eine Befassung der Begründung der Beschwerde mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung fordert. Eine Begründung, die sich nicht auf einen Anspruch bzw. Lebenssachverhalt bezieht, über den das Verwaltungsgericht entschieden bzw. den es der Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann die von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO aufgestellten Anforderungen damit nicht erfüllen (OVG NRW, Beschluss vom 25.07.2002 - 18 B 1136/02 -, zit. nach juris [Rn. 7 ff.]; OVG B-Stadt, Beschluss vom 22.08.2003 - 4 Bs 278/03 - zit. nach , juris [Rn. 7]; Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 146, Rn. 33), was die Beschwerde unzulässig macht.
- 21
Der Streitgegenstand einer Sache bestimmt sich nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, d.h., maßgebend ist der von dem Kläger bzw. Antragsteller aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts gerichtlich geltend gemachte Anspruch bzw. das Rechtsschutzbegehren (Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 90 Rn. 7). Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen einer Anfechtungsklage regelmäßig dann von einer Notwendigkeit einer Klageänderung auszugehen, wenn in das anhängige Verfahren ein anderer, modifizierender Verwaltungsakt einbezogen werden soll (BVerwG, Urteil vom 26.06.1969 - VIII C 36.69 -, BVerwGE 32, 243 (246); Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 91 Rn. 19). Es werden in derartigen Fällen sowohl Klageantrag als auch Klagegrund geändert.
- 22
Die gleichen Maßstäbe müssen auch im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 VwGO angelegt werden (vgl. i.E. Mampel/Schmidt-Bleker, § 9 Das Mandat im Baurecht, in: Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 3. Auflage 2012, Rn. 159). Das heißt, dass auch in derartigen Verfahren der Streitgegenstand eng mit dem Verwaltungsakt verbunden ist, der in der Hauptsache angegriffen wird. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wesentlich durch die angegriffene Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 bestimmt wird. Die Einbeziehung einer Änderung der Baugenehmigung durch den Antragsteller im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hätte vor diesem Hintergrund eine Änderung des Streitgegenstandes dargestellt und damit eine Antragsänderung entsprechend § 91 VwGO erforderlich gemacht.
- 23
Die von den Beigeladenen vorgetragene Begründung bezieht sich allerdings nicht auf die ursprüngliche Baugenehmigung vom 29. Mai 2015. Sie setzt sich inhaltlich nicht mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen diese ursprüngliche Genehmigung auseinander. Die Beigeladenen erklären bezüglich der Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 vielmehr, auf alle Rechtswirkungen aus der ursprünglichen Genehmigung zu verzichten, soweit diese nicht mit der Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 in Gestalt der Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2015 deckungsgleich sind und begründen ihre Beschwerde im Wesentlichen damit, dass mit der Baugenehmigung in der Gestalt der als Änderungsgenehmigung bezeichneten Genehmigung die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG vorlägen. Eine vom Wohnhaus ausgehende Gefährdung der sich auf dem Grundstück des Antragstellers befindenden Bäume bestehe nach Änderung des Bauvorhabens nicht mehr. Die Baugenehmigung in der durch den Nachtrag erhaltenen Gestalt war jedoch gerade nicht - und konnte auch gar nicht - Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein.
- 24
Das vorstehende Ergebnis, dass die von den Beigeladenen abgegebene Begründung der Beschwerde den von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO aufgestellten Anforderungen nicht genügt, wird auch nicht durch eine möglicherweise erklärte Antragsänderung und eine damit verbundene Änderung des Streitgegenstandes erschüttert.
- 25
Eine Änderung des Streitgegenstandes durch die Beigeladenen kommt, wie die Beigeladenen selbst zutreffend anmerken, grundsätzlich nicht in Betracht. Herr über den Streitgegenstand ist auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens allein der Antragsteller. Dieser kann in der vorliegenden Fallkonstellation jedoch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens den Streitgegenstand nicht ändern.
- 26
Zwar spricht Vieles dafür, dass der Antragsteller, der eine Zurückweisung der Beschwerde begehrt, mit Schriftsatz vom 25. November 2015, in dem er mitgeteilt hat, dass er, nachdem das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes soweit gefördert worden sei, einer Entscheidung in der Sache nicht entgegenstehen wolle und die Einbeziehung des Nachtrags der Baugenehmigung in das Beschwerdeverfahren für sachgerecht und der Prozessökonomie dienend halte, eine Antragsänderung erklärt hat. Dieses Vorbringen des Antragstellers kann ersichtlich nur so verstanden werden, dass der Antragsteller die Änderung der Baugenehmigung durch den Nachtrag vom 30. Oktober 2015 in das Verfahren einbeziehen möchte, und, da er selbst ausdrücklich von einer Veränderung des Streitgegenstandes durch diese Einbeziehung ausgeht, im Ergebnis die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung in Gestalt des Nachtrages vom 30. Oktober 2015 begehrt.
- 27
Eine solche Antragsänderung ist im vorliegenden Fall jedoch im Beschwerdeverfahren nicht möglich. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob hier vor dem Hintergrund der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und des Beschleunigungsgebotes eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Änderungen des Streitgegenstandes im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO nicht zuzulassen sind (für eine Unzulässigkeit: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2007 - 9 S 29.07 -, a.a.O. [Rn. 6]; OVG B-Stadt, Beschluss vom 02.10.2002 - 4 BS 257/02 - , a.a.O. [Rn. 10]), vorzunehmen ist (so Bay. VHG, Beschluss vom 29.05.2013 - 22 CS 13.753 -, zit. nach juris [Rn. 17]; VGH BW, Beschluss vom 18.10.2010 - 1 S 2029/10 -, zit. nach juris [Rn. 2]; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 146 VwGO, Rn. 94).
- 28
Selbst wenn man hier von einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Antragsänderung ausginge, stehen einer Antragsänderung Grundprinzipien des Rechtsmittelrechts entgegen. Grundsätzlich dient das Rechtsmittel dazu, solche Entscheidungen überprüfen zu lassen, die den Einzelnen in seinen subjektiven Rechten betreffen. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips sowie dem Recht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG. Die Möglichkeit der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen besteht jedoch für den Einzelnen nur insoweit, als er durch die gerichtliche Entscheidung auch beschwert ist (vgl. Blanke, Vorb. zu § 124, Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., Rn. 59). Vor diesem Hintergrund ist es auch einem Kläger, dessen Antrag das Gericht voll stattgegeben hat, mangels Beschwer regelmäßig verwehrt, Rechtsmittel einzulegen, um in der Rechtsmittelinstanz seine Klage zu erweitern (Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., Vorb § 124 VwGO, Rn. 43; Bay. VGH, Urteil vom 07.09.1979, 2.B-996/79, zit. nach juris). Daraus ergibt sich, dass das Ziel eines Rechtsmittelverfahrens grundsätzlich sein muss, die sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergebende Beschwer jedenfalls teilweise zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund können Änderungen von Klagen und/oder Anträgen in der Rechtsmittelinstanz jedenfalls dann nicht zulässig sein, wenn diese nicht auch auf die Beseitigung einer Beschwer abzielen.
- 29
So liegt es jedoch hier. Die seitens des Antragstellers wohl erklärte Antragsänderung erfolgt keinesfalls zur Ausräumung einer durch die erstinstanzliche Entscheidung eingetretenen Beschwer. Das Verwaltungsgericht hat den Anträgen des Antragstellers soweit entsprochen, dass dieser in der Hauptsache durch den verwaltungsgerichtlichen Beschluss im Ergebnis nicht beschwert ist. Das Begehren des Antragstellers (§§ 88, 122 VwGO), die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 inklusive der Entscheidung nach § 24 Abs. 2 Satz 2 LWaldG anzuordnen, wurde befriedigt. Die jetzt erfolgte Änderung der Anträge entsprechend § 91 VwGO dient aus Sicht des Antragstellers allein dazu, im Ergebnis die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung in der durch den Nachtrag erhaltenen Gestalt zu erreichen. Damit hat das Beschwerdeverfahren für den Antragsteller allein den Zweck, einen gegenüber dem im ersten Verfahren modifizierten prozessualen Anspruch durchzusetzen, ohne dass dies zur Ausräumung einer aus dem erstinstanzlichen Verfahren resultierenden Beschwer möglich wäre.
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Von diesem Ergebnis ist auch nicht aufgrund der notwendigen Gewährung effektiven Rechtsschutzes hinsichtlich der Beigeladenen eine Ausnahme zu machen. Den Beigeladenen war es grundsätzlich nicht verwehrt, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Wege der Beschwerde anzugreifen. Auch wenn die Änderung der Baugenehmigung durch den Nachtrag vom 30. Oktober 2015 zur Erledigung der Hauptsache geführt haben sollte, führt dies nicht zu einem Entfallen der durch den erstinstanzlichen Beschluss vermittelten Beschwer und damit zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Gleiches gilt in Bezug auf das mit der Erklärung des Verzichts auf die Rechtswirkungen der Baugenehmigung vom 29. Mai 2015 eingetretene Erlöschen der ursprünglichen Genehmigung (BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 4 C 36/86 -, zit. nach juris [Rn. 22]; VGH BW, Urteil vom 10.11.1993 - 3 S 1120/92 -, zit. nach juris [Rn. 31]; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 43 VwVfG, Rn. 45) und eine daraus resultierende Erledigung der Hauptsache. Allein die Erledigung der Hauptsache nach Abschluss der ersten Instanz führt grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Dies ergibt sich daraus, dass die Möglichkeit der Erklärung der Erledigung durch den Antragsteller bzw. Kläger grundsätzlich zeitlich unbegrenzt ist und insofern auch noch in der Rechtsmittelinstanz erfolgen kann (BVerwG, Beschluss vom 29.09.1988 - 7 B 185/87 -, zit. nach juris [Rn. 7]; Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 40/91 -, zit. nach juris [LS]; Beschluss vom 29.07.2003 - 1 B 291/02 -, zit. nach juris [Rn. 8]). Dies gilt jedenfalls insofern, als eine Erledigungserklärung - wie im vorliegenden Fall - nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren möglich war.
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Im Übrigen ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beigeladenen im Hinblick auf eine Beschwerde, welche die Baugenehmigung in Gestalt der Nachtragsgenehmigung vom 30. Oktober 2015 zum Gegenstand hat, nicht gegeben.
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Grundsätzlich hat nur derjenige, der mit dem von ihm angestrebten Verfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung (Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., Vorb. § 40, Rn. 30). Dies gilt auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens (Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 146 Rn. 42). Ein solches rechtsschutzwürdiges Interesse der Beigeladenen an einer Entscheidung über die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung in der Fassung vom 30. Oktober 2015 liegt hier jedoch nicht vor. Im vorliegenden Fall bindet die verwaltungsgerichtliche Entscheidung die Beteiligten nur insoweit, wie das Verwaltungsgericht eine Entscheidung über den konkreten Streitgegenstand, das heißt vorliegend die Baugenehmigung in ihrer ursprünglichen Fassung, getroffen hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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