Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 LB 15/15

Tenor

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2014 wird geändert.

Der Widerrufsbescheid vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtzüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Mit seinem Berufungsverfahren wehrt sich der Kläger gegen den Widerruf seiner Betrauung als Prüfingenieur.

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Der Kläger hat in A-Stadt ein Ingenieurbüro als selbständiger Prüfingenieur für die Beklagte in Schleswig-Holstein betrieben. Der Prüfingenieur-Vertrag wurde am 26. Juni 2012 gekündigt. Zuvor, nämlich mit Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1994, war der Kläger mit Zustimmung des Ministeriums für ... des Landes Schleswig-Holstein vom 12. Dezember 1994 mit der Durchführung von amtlichen Fahrzeuguntersuchungen betraut worden. In der Zeit vom 31. Dezember 1996 bis 29. Januar 1997 war die Betrauung des Klägers wegen Beanstandungen ausgesetzt worden.

3

Seit dem Jahr 2008 wurden seitens der Beklagten bezüglich der Tätigkeit des Klägers zahlreiche verdeckte Tests durchgeführt, es fanden Mentorbegleitungen und Qualitätsgespräche statt.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichtes A-Stadt vom 10. Februar 2012 wurde ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Falschbeurkundung im Amt gemäß § 348 StGB gegen Geldbuße gemäß § 153 a StPO eingestellt. Dem Kläger wurden weitere nicht vorschriftenkonforme Untersuchungen nach der StVZO vorgeworfen:

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So hätte er am 15. Juni 2011 in der Werkstatt „Autodienst K.“ in G. anlässlich eines verdeckten Tests für das betreffende, zur Hauptuntersuchung angemeldete Fahrzeug, einen Prüfbericht gefertigt ohne den PKW eigenhändig zuvor vollständig geprüft zu haben. Am 13. November 2011 nahm der Kläger als Pflichtkandidat an einem Qualitätszirkel teil, am 30. November 2011 wurde mit ihm ein Qualitätsgespräch u.a. hinsichtlich des Ergebnisses bei dem Qualitätszirkel und des verdeckten Tests vom 15. Juni 2011 geführt.

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Am 15. Dezember 2011 fand eine unangekündigte Nachkontrolle bezüglich der Prüftätigkeit des Klägers in der Werkstatt T. in G. statt. An einem Fahrzeug, dem vom Kläger eine positive Hauptuntersuchung beschieden worden war, wurden seitens der von der Beklagten beauftragten Prüfer Mängel festgestellt - insbesondere eine überlackierte Fahrgestellnummer - aufgrund derer die HU - Plakette aus Sicht der Prüfer nicht hätte erteilt werden dürfen.

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Mit Schreiben vom 17. Januar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm aufgrund des Ergebnisses des Qualitätsgespräches und der anschließenden unangekündigten Nachkontrolle vom 15. Dezember 2011 eine Abmahnung erteilt und im Wiederholungsfall die Prüftätigkeit ausgesetzt werde.

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Das Ministerium für … des Landes Schleswig-Holstein widerrief in Anbetracht der erhobenen Vorwürfe mit Schreiben vom 3. April 2012 die Zustimmung zur Betrauung von Prüfingenieuren bezüglich des Klägers. Daraufhin widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2012 die Betrauung des Klägers unter Anordnung des Sofortvollzuges. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass das Ministerium für … als zuständige Aufsichts- bzw. Anerkennungsbehörde die wiederholten Pflichtverletzungen nunmehr zum Anlass genommen habe, die der GTÜ gegenüber erteilte Zustimmung zur Betrauung zurückzunehmen. Sie, die nunmehr beklagte GTÜ, sei damit gezwungen, den Widerruf der Betrauung vorzunehmen. Dazu komme, dass auch sie zu der Bewertung gelangt sei, dass Tatsachen vorlägen, die zu einer Versagung der Betrauung hätten führen müssen. Der Kläger besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Es sei zu berücksichtigen, dass die Durchführung von Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen dem Schutz wichtiger Belange der Allgemeinheit dienten; ohne den Widerruf der Betrauung bestehe die Gefahr, dass Kraftfahrzeuge ohne ordnungsgemäß durchgeführte Hauptuntersuchung und Sicherheitsprüfung in nicht mehr verkehrssicherem Zustand am Straßenverkehr teilnähmen und damit Leben und Leib anderer Verkehrsteilnehmer gefährdeten.

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Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass er weiterhin zuverlässig sei; er habe seine Leistung stets ordnungsgemäß erbracht. Die Zahlung eines Geldbetrages von 800,-- € im Rahmen der Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens gemäß § 153a StPO sei ausschließlich zur Vermeidung einer umfangreichen Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten in Abstimmung mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft erfolgt. Bei Durchführung des Verfahrens wäre er von den erhobenen Vorwürfen freigesprochen worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in Verbindung mit seiner Tätigkeit als Prüfingenieur Mitte Juni 2011 bzw. Mitte Dezember 2011 seien unzutreffend dargestellt worden. Er habe die erforderlichen Prüfungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt; die beanstandete Hupe habe zunächst funktioniert, die Fahrzeugidentnummer sei zwar nur teilweise lesbar, indes identifizierbar gewesen.

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Er beantragte bei Gericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Widerruf der Betrauung wieder herzustellen. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 3. Mai 2012 abgelehnt, die dagegen erhobene Beschwerde vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. August 2012 zurückgewiesen (Verfahren Az. 3 B 47/12 und 2 MB 31/12).

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Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. April 2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Betrauung des Klägers für amtliche Fahrzeuguntersuchungen Tatsachen eingetreten seien, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre den Kläger nicht mit amtlichen Fahrzeuguntersuchungen zu betrauen. Ohne den Widerruf der Betrauung wäre das öffentliche Interesse gefährdet. Das öffentliche Interesse daran, dass nur verkehrssichere Fahrzeuge am Straßenverkehr teilnähmen, überwiege das Interesse des Klägers an der Fortführung seiner Berufstätigkeit als Prüfingenieur. Der Kläger habe sich während seiner Tätigkeit als mit amtlichen Fahrzeuguntersuchungen betrauter Kraftfahrzeugsachverständiger als unzuverlässig erwiesen. Im Widerspruchsbescheid wurden verschiedene ihm vorgeworfene Pflichtverletzungen aufgeführt. In Anbetracht dieser Pflichtverletzungen sei der Widerruf der Betrauung zum Schutz der Verkehrssicherheit erforderlich. Es seien alle maßgeblichen Umstände im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung über den Widerruf berücksichtigt worden. Der Widerruf der Betrauung erfolge nicht nur deshalb, weil die Aufsichtsbehörde die Zustimmung zur Betrauung widerrufen habe. Auch die Beklagte habe insbesondere aufgrund der Ergebnisse des verdeckten Tests vom 15. Juni 2011 und der unangekündigten Nachkontrolle vom 15. Dezember 2011 Umstände festgestellt, die die fehlende Zuverlässigkeit des Widerspruchsführers begründeten. Bei der Ausübung des der Beklagten eingeräumten Ermessens hinsichtlich des Widerrufs der Betrauung des Widerspruchsführers mit der Durchführung von amtlichen Fahrzeuguntersuchungen seien das öffentliche Interesse an einer zuverlässigen Prüfung von Kraftfahrzeugen einerseits und das Interesse des Widerspruchsführers an einer Fortsetzung seiner Berufstätigkeit andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Verlust seiner bisherigen Tätigkeit treffe den Widerspruchsführer hart, aber das öffentliche Interesse daran, dass nur verkehrssichere Kraftfahrzeuge am Straßenverkehr teilnähmen, überwiege. Es gehe letztlich um Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer, so dass ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung nicht in Betracht komme. Auch werde mit dem Widerruf der Betrauung kein Berufsverbot ausgesprochen, da der Widerspruchsführer nur in einem ganz speziellen Bereich des Berufsbildes des Kraftfahrzeugsachverständigen gehindert sei. Schließlich komme ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung auch deshalb nicht in Betracht, weil der Widerspruchsführer in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgefallen sei und die zahlreichen Abmahnungen bzw. Ermahnungen sowie die zahlreichen Qualitätsmaßnahmen, denen sich der Widerspruchsführer in der Vergangenheit habe unterziehen müssen, keine Verhaltensänderung herbeigeführt hätten.

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Der Kläger hat am 25. Oktober 2012 Klage erhoben.

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Der Kläger hat geltend gemacht, dass es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung durch die Beklagte fehle. Sämtliche in dem Ausgangsbescheid vorgebrachten Vorwürfe seien bereits umfassend kommentiert und zum allergrößten Teil widerlegt worden. Soweit geringfügige Beanstandungen in der Vergangenheit vorgekommen seien, rechtfertigten diese bei Anwendung ordnungsgemäßen Ermessens nicht den Widerruf der Betrauung, da all dies zu einer ungleichen Behandlung führen würde. Bei Anwendung des hier herangezogenen Beurteilungsmaßstabes müsste nämlich ein großer Teil der Prüfingenieure eliminiert werden. Bereits aus den Statistiken ergebe sich, dass er, der Kläger, mit überdurchschnittlichen Werten ausgestattet sei. Würde man die punktuellen Beanstandungen, die bei jedem Prüfer aufträten, zum Anlass nehmen, Betrauungen zu widerrufen, gebe es praktisch keine Prüfingenieure mehr in Deutschland. Bei den im Widerspruchsbescheid hervorgehobenen Punkten handele es sich durchweg entweder um falsche Behauptungen oder um solche Beanstandungen, die in der Regel bei jedem Prüfer ab und an aufträten.

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Er hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten - Widerruf der Betrauungen - vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufrechterhaltung der Betrauungen, einen Prüfingenieurausweis zu erteilen und die Prüfstempel auszuhändigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen bzw. diese weiter ausgeführt.

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In der mündlichen Verhandlung am 13. August 2013 wurde Beweis erhoben über die Durchführung von Prüftätigkeiten durch den Kläger am 15. Juni 2011 durch Vernehmung des Herrn M. N. und des Herrn H. K. als Zeugen. Über die Durchführung von Prüftätigkeiten durch den Kläger am 15. Dezember 2011 wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren R. T., A. L. sowie U. N. als Zeugen. Darüber hinaus wurde Beweis erhoben über die Prüftätigkeit des Klägers sowie durch diesen absolvierte Nachschulungen und Qualitätsmaßnahmen durch Vernehmung des Herrn M. als Zeugen.

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Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die entsprechende Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2013 verwiesen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Januar 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe den Widerruf zwar zu Unrecht auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gestützt; die Voraussetzungen der hier anwendbaren und deckungsgleichen Rechtsgrundlage des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG seien jedoch erfüllt. Zwar sei die Beklagte entgegen ihren Ausführungen nicht gezwungen gewesen, die Betrauung deshalb aufzuheben, weil die zuständige Anerkennungsbehörde die seinerzeit zur Betrauung erteilte Zustimmung widerrufen habe. Zuständig für den Widerruf der Betrauung sei nämlich ausschließlich die Überwachungsorganisation. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe indes fest, dass der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze, so dass die Betrauung widerrufen werden dürfe. So sei aufgrund der Vernehmung des Zeugen N. erwiesen, dass der Kläger am 15. Juni 2011 in der Werkstatt „Autodienst K.“ in G. als Prüfingenieur den Prüfbericht anlässlich einer Hauptuntersuchung unterschrieben und die von der Werkstatt zuvor dokumentierten Mängel in diesen Bericht übernommen habe, ohne selbst die vorgeschriebenen Prüfhandlungen durchgeführt zu haben. Darüber hinaus stehe für das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass am 15. Dezember 2011 in der Untersuchungsstelle der Kfz-Werkstatt T. in G. ein vom Kläger überprüfter Lkw VW T 4 eine Hauptuntersuchung positiv beschieden bekommen hätte, obwohl Mängel an dem Fahrzeug gewesen seien. Insbesondere sei die Fahrgestell-Nummer soweit überlackiert, dass sie nicht komplett erkennbar gewesen sei. Dies belege die Unzuverlässigkeit des Klägers, wobei dieser Begriff auf das jeweilige Gewerbe auszurichten sei. Die Frage der Zuverlässigkeit eines Prüfingenieures richte sich aus an den Aufgaben und Verpflichtungen, die mit der Betrauung dieses Amtes einhergingen. Mit den jeweils nicht ordnungsgemäß durchgeführten Hauptuntersuchungen habe der Kläger gegen seine Amtspflicht verstoßen, die Verkehrstauglichkeit von Kraftfahrzeugen im Rahmen einer sorgfältigen und gewissenhaften Hauptuntersuchung zu überprüfen und so Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden. Aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit sei für die Beklagte das Ermessen eröffnet gewesen, die Betrauung zu entziehen. Hiervon habe sie ordnungsgemäß Gebrauch gemacht, indem sie den Widerruf der Betrauung zum Schutze der Verkehrssicherheit für erforderlich gehalten und keine mildere Maßnahme als ausreichend erachtet habe. Seit 2008 seien verschiedene Qualitätsmaßnahmen durchgeführt worden, die keine Verbesserung der praktischen Untersuchungstätigkeit des Klägers nach sich gezogen hätten. Nach Aussage des Zeugen M. seien seit 2010 - teilweise mehrfach im Jahr - Qualitätsgespräche geführt, sowie eine Schulung und eine Ermahnung ausgesprochen worden. Ende November 2011 seien ein weiteres Qualitätsgespräch durchgeführt und Maßnahmen festgelegt worden. Dass die Beklagte aufgrund dieser ohne nachhaltigen Erfolg geführten Qualitätsgespräche zu der Überzeugung gelangt sei, dass kein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung zur Verfügung stehe, werde für das Gericht insbesondere dadurch nachvollziehbar belegt, dass am 30. November 2011 ein Qualitätsgespräch mit dem Kläger geführt worden sei, in dem Gegenstand die jüngst festgestellten Mängel bei der Prüftätigkeit gewesen seien. Trotz Absolvierung dieses Gesprächs sei es am 15. Dezember 2011 wiederum zu einer Pflichtverletzung anlässlich der Prüfung des T4 in der Werkstatt T. gekommen. Gerade dieser enge zeitliche Zusammenhang zeige, dass die Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung nicht zur Verfügung stehe, um die hochwertigen Rechtsgüter aller Verkehrsteilnehmer zu schützen.

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Soweit der Kläger ausführe, der Widerruf der Betrauung habe schon deswegen nicht erfolgen dürfen, weil ihm mit Schreiben vom 17. Januar 2012 eine Abmahnung erteilt und allenfalls eine Aussetzung der Betrauung, aber nicht der Widerruf in Aussicht gestellt worden sei, sei festzustellen, dass dem Schreiben für die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs rechtlich keine Bedeutung zukomme. Es stelle nicht etwa eine Zusicherung dar auf Fortführung der Tätigkeit und allenfalls Aussetzung der Betrauung.

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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung.

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Der Kläger wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Das Rechtsschutzinteresse sei gegeben, denn er, der Kläger, habe Anspruch auf Abschluss eines Prüfvertrages, wenn festgestellt werde, dass die Kündigung zu Unrecht erfolgt sei. Das Urteil leide an Verfahrensfehlern, weil es die Aussage des Zeugen N. nicht zutreffend gewürdigt habe. Auch habe sich das Gericht mit seinem Vorbingen in 1. Instanz nicht auseinandergesetzt. Es sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass das Strafverfahren bei einer streitigen Verhandlung mit einem Freispruch beendet worden wäre. Hierzu sei Beweis angetreten worden. Ebenso sei einem Beweisantritt zur Vorlage von statistischen Untersuchungen nicht Folge geleistet worden. Das Vorgehen beim Entzug der Betrauung sei systemwidrig erfolgt. Darüber hinaus sei die Betrauung nur wegen der behördlichen Anweisung entzogen worden. Die Beklagte habe weitere im Widerspruchsbescheid angeführte Gründe lediglich zur Stützung ihrer ansonsten rechtswidrigen Verhaltensweise herangezogen. Es habe keine Ermessensprüfung stattgefunden. Der vom Verwaltungsgericht angesetzte Maßstab müsse dazu führen, dass eine Vielzahl von Prüfern durch einen Widerruf der Betrauung außer Dienst genommen werden müsste. Der Vorfall am 15. Juni 2011 sei nicht eindeutig erwiesen; darüber hinaus sei er durch das Qualitätsgespräch im Rahmen des Maßnahmenkataloges der Beklagten erledigt. Dieser Vorfall könne daher nicht mehr zur Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen werden. Der weitere Vorfall vom 15. Dezember 2012 berechtige nicht zum Widerruf; als stärkstes Mittel hätte (allenfalls) die vierwöchige Aussetzung der Betrauung ausgereicht. Diese sei in dem vorangegangenen Qualitätsgespräch als (weitere) Maßnahme angekündigt worden. Das Schreiben vom 17. Januar 2012 treffe eine abschließende Maßnahme in Form einer Abmahnung. Auch dieser Vorfall könne daher für die Begründung seiner Unzuverlässigkeit nicht herangezogen werden. Bereits durch Maßnahmen des Maßnahmenkataloges geklärte Sachverhalte könnten im Nachhinein nicht noch einmal für den Entzug der Betrauung herangezogen werden. Aus diversen Schreiben ergebe sich in der Folgezeit zudem eine positive Entwicklung.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu ändern und den Bescheid der Beklagten - Widerruf der Betrauungen - vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Oktober 2012 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Aufgrund der wirksamen Kündigung des GTÜ-Prüfingenieur-Vertrages vom 26. Juni 2012 fehle es bereits am Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses. Darüber hinaus sei das Ermessen im Widerspruchsbescheid ordnungsgemäß ausgeübt worden. Es sei kein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung in Betracht gekommen. Wesentlich hierfür seien die Vorfälle am 15. Juni 2011 und am 15. Dezember 2011. Auch danach sei es zu weiteren Vorfällen gekommen. Der dem Strafverfahren zugrunde liegende Sachverhalt habe verwertet werden dürfen. Der vom Kläger angeführte Freispruch im Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt sei für die Prognose im Rahmen der Unzuverlässigkeit irrelevant. Ein weiterer Vorfall habe sich am 29. März 2012 ereignet. Die Vorfälle am 15. Dezember 2011 und am 29. März 2012 seien zudem nach dem Qualitätssicherungsgespräch vom 30. November 2011 erfolgt. Seit 2008 hätten immer wieder Vorfälle Anlass für regelmäßige Nachschulungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger geboten. Somit sei es zu zahlreichen Pflichtenverstößen aufseiten des Klägers gekommen, die zur Annahme der Unzuverlässigkeit geführt hätten. Der Widerruf sei auch selbständig tragend auf die fehlende Unzuverlässigkeit des Klägers gestützt. Das Urteil setze sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinander. Das Schutzgut der Sicherheit des Straßenverkehrs erfordere absolute charakterliche Zuverlässigkeit. Die gegen den Kläger ergriffenen Maßnahmen seien Beleg für seine Unzuverlässigkeit. Für die Bewertung und Annahme der Unzuverlässigkeit komme es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf eine Gesamtbewertung des Verhaltens an. Erforderlich sei - wie auch im Gewerberecht üblich - eine Gesamtschau über einen längeren Zeitraum. Sonst dürfe sie, die Beklagte, auf einzelne Verstöße nicht reagieren, wolle sie diese für einen möglichen Widerruf nicht verbrauchen. Dies stelle kein sachgerechtes Vorgehen angesichts des hohen Schutzgutes der Verkehrssicherheit dar. Das pflichtgemäße Ermessen gebiete angesichts des hohen Gefahr- und Schadenspotentials regelmäßig den Widerruf der Betrauung. Es sei auch keine Selbstbindung eingetreten, indem dem Kläger im Qualitätsgespräch vom 30. November 2011 die Aussetzung der Betrauung in Aussicht gestellt worden sei, denn es habe sich nur um eine einzelfallbezogene Maßnahme gehandelt. Im Übrigen habe der Zeuge M. im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge darauf hingewiesen, dass auch ein Widerruf der Betrauung in Betracht komme. Das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner Beweiswürdigung auch nicht auf unzutreffende Annahmen gestützt. Aus den aufgelisteten Pflichtenverstößen und Qualitätssicherungsmaßnahmen ergebe sich zudem, dass eine positive Entwicklung des Klägers gerade nicht feststellbar sei. Im Übrigen könne sich der Kläger nicht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht in Bezug auf andere Prüfingenieure berufen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Die Gerichtsakten der Verfahren Az. 3 B 47/ 12 und Az. 3 MB 31/12 sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und begründet.

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Das Rechtsschutzinteresse für die Durchführung des Berufungsverfahrens ist nicht dadurch entfallen, dass der Prüfingenieurvertrag mit der GTÜ mittlerweile gekündigt worden ist. Der Kläger hat ein Interesse daran gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Widerruf der Betrauung zu Recht erfolgt ist. Nur so kann er entscheiden, ob eine berufliche Tätigkeit als Prüfingenieur künftig zulässigerweise von ihm ausgeübt werden kann, und sollte dies der Fall sein, er von dieser Möglichkeit wieder Gebrauch machen will durch Abschluss eines erneuten Prüfingenieurvertrages bei der Beklagten oder einer anderen anerkannten Überwachungsorganisation.

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Die Berufung ist auch begründet.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet hinsichtlich der Feststellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung der festgestellten Pflichtenverstöße des Klägers keinen Bedenken (dazu unter 1.) Es war indes abzuändern, weil der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG ausgesprochene Widerruf der Betrauung unter einer nicht sachgerechten Ausübung des Ermessens leidet. In Folge dessen war der für rechtswidrig erkannte Widerrufsbescheid vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu unter 2.).

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1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargestellt, dass sich die Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf einer Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) mangels spezialgesetzlicher Regelungen in § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG findet und es hierfür nicht der Zustimmung der Aufsichts- bzw. Anerkennungsbehörde bedarf (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.01.2012 - 3 C 8/11- juris Rn. 14f.; vgl. auch OVG Schl.-Holst., Beschl. v. 06.08.2012 - 3 MB 31/12). Dass die tatbe-standlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Betrauung - Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts, dessen Erlass die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre zu verweigern, kumulativ dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre - vorliegen, hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. Die Sachverhaltsermittlung durch die Vernehmung von an den einzelnen dem Kläger vorgehaltenen Vorgängen beteiligten Prüfpersonen und Inhabern von Kfz-Werkstätten sowie die vorgenommene Beweiswürdigung begegnet keinen Bedenken. Die hiergegen vom Kläger vorgebrachten Einwände (unrichtige Würdigung der Zeugenaussage N., nicht hinreichende Würdigung des klägerischen Vorbringens nebst entsprechender Beweisantritte) sind unsubstantiiert. Es ist für den Senat nicht erkennbar, was der Kläger aus dem nach seiner Auffassung zu nachsichtigen und ihn benachteiligenden Umgang der Beklagten mit anderen Prüfingenieuren für sich ableiten will. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht würde im Übrigen nicht bestehen.

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Gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit als Prüfingenieur sich so zugetragen haben, wie es das Verwaltungsgericht in seinen Urteilsgründen dargestellt hat und überdies von dem Kläger hinsichtlich des ihm vorgeworfenen Vorganges am 15. Dezember 2011 (positive Bescheidung einer Hauptuntersuchung trotz vorhandener Mängel, insbesondere einer nicht komplett erkennbaren Fahrgestell-Nummer) auch selbst eingeräumt worden ist, so ist dem Verwaltungsgericht weiterhin insoweit beizutreten, dass der Tätigkeit eines Prüfingenieurs nach der StVZO aufgrund des herausragenden Schutzgutes, von der Allgemeinheit Gefahren abzuwenden, die durch den Betrieb von gefährlichen, nicht verkehrstauglichen Fahrzeugen entstehen können, eine besondere Verantwortung innewohnt (vgl. UA Seite 12). Der Kläger nimmt die Prüfung von Kraftfahrzeugen auf ihren verkehrssicherheitstechnischen und immissionsschutzrechtlichen Zustand, der unmittelbar der Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf den öffentlichen Straßen dient, als sog. Beliehener wahr. Ihm sind hoheitliche Befugnisse übertragen (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.09.2000 - 8 A 2429/99 -, juris Rn. 66, 77; Hentschel, König, Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 29 StVZO, Rn. 22). Der Prüfingenieur ist daher wie jede Behörde (vgl. § 3 Abs. 2 LVwG) an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden (vgl. für den Bezirksschornsteinfegermeister BVerwG, Urt. v. 07.11.2012 - 8 C 28/11 -, BVerwGE 145, 67-79, zitiert nach juris Rn. 18). Die Anforderungen an Prüfingenieure (und Überwachungsorganisationen, die diese mit der Durchführung der Hauptuntersuchung und der Sicherheitsprüfung betrauen) sind in Anlage VIIIb (Anlage VIII Nummer 3.1 und 3.2) zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt. Zu diesen an Prüfingenieure zu stellenden Anforderungen gehört, dass diese zuverlässig sind (vgl. Nr. 3.2). Der unbestimmte Rechtsbegriff der Zuverlässigkeit ist - wie auch in weiteren (spezial-) gesetzlichen Regelungen (vgl. etwa § 35 GewO) - nicht näher definiert. Aufgrund der dem Prüfingenieur übertragenen hoheitlichen Befugnisse und dem herausragenden Schutzgut der Unversehrtheit der Allgemeinheit erscheint es angesichts der durchaus vergleichbaren Stellung des Bezirksschornsteinfegermeisters sachgerecht, auf den hierzu von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstab bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit zurückzugreifen. Dessen Zuverlässigkeit beurteilt sich danach anhand von Tatsachen, welche auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufes schließen lassen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO). Von der Behörde wird also eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit der Prognose auf das künftige Verhalten. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (BVerwG, Urt. vom 07.11.2012, a.a.O., Rn. 19 mwN). Der Senat gelangt mit den diesen Maßgaben entsprechenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu der Überzeugung, dass die dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge (insbesondere Ergebnisse des verdeckten Tests am 05. Juni 2011 und der unangekündigten Nachkontrolle am 15. Dezember 2011) nachträglich eingetretene Tatsachen im Sinne des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG darstellen, die geeignet sind, seine Unzuverlässigkeit zu begründen (vgl. UA, Seite 9 bis 12).

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Soweit der von Seiten des Fachministeriums erklärte Widerruf der Zustimmung zur Betrauung als geeignet erscheinen könnte, eine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne von § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG darzustellen, ließe sich daraus jedenfalls keine, die Beklagte in der Ausübung ihres Ermessens bindende Wirkung ableiten. Wie ausgeführt, ist der Widerruf der Zustimmung quasi als actus contrarius gerade nicht erforderlich, so dass er keine Wirkungen im Rechtssinne zu entfalten vermag. Vielmehr ist die für den Widerruf sachlich zuständige Beklagte gehalten, ihr Ermessen eigenständig zu betätigen.

38

2. Die Beklagte hat - wenn auch mit recht knapp gehaltenen Ermessenserwägungen - den Widerruf der Betrauung selbständig tragend darauf gestützt, dass die dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge Tatsachen darstellen, die nach Auffassung der Beklagten geeignet seien, (nunmehr) die Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen und angesichts des hohen Schutzgutes der Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer zu einem Widerruf der Betrauung führen müssten. Es ist daher jedenfalls nichts Durchgreifendes für die vom Kläger angestellte Annahme ersichtlich, dass die Beklagte sich gehalten gefühlt hat, wegen der seitens des Fachministeriums widerrufenen Zustimmung zu seiner Betrauung diese ihrerseits zu widerrufen, ohne eigene Ermessenserwägungen anzustellen.

39

Entgegen der weiterhin vom Verwaltungsgericht angestellten Annahme stellt sich der Widerruf der Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) indes als nicht ermessensgerecht dar. Die Annahme, die Beklagte habe pflichtgemäß von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und es sei kein milderes Mittel als der Widerruf vorhanden, um wirksam Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden, begegnet nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen durchgreifenden Bedenken, so dass die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und die streitigen Bescheide aufzuheben waren. Dazu im Einzelnen:

40

Zur Überzeugung des Senats ist es bereits zweifelhaft, ob nach den festgestellten Vorgängen am 15. Juni 2011 und am 15. Dezember 2011 das Entschließungsermessen eröffnet war. Dass die Beklagte angesichts der schwerwiegenden Verstöße gegen elementare Amtspflichten des Klägers grundsätzlich auch außerhalb ihres Qualitätssicherungssystems liegende (ordnungs-)rechtliche Maßnahmen gegen den Kläger in die Wege leiten durfte, ist unzweifelhaft. Der von der Beklagten hierzu vertretenen Auffassung ist dabei insoweit zuzustimmen, als sich rechtliche Reaktionsmöglichkeiten nicht lediglich auf die Umsetzung von Maßnahmen aus ihrem Qualitätsmanagementsystem (vgl. hierzu auch Anlage VIIIb, Nr. 2.1b) beschränken. Bei - wie hier - festgestellten erheblichen Pflichtenverstößen können auch außerhalb des Qualitätsmanagementsystems liegende Maßnahmen durchaus in Betracht gezogen werden. Ansonsten hätte die Argumentation des Klägers, die Pflichtenverstöße seien durch das Ergreifen von Maßnahmen auf der Basis des Qualitätssicherungssystems der Beklagten erledigt, zur Folge, dass bei einer Häufung von (gravierenden) Pflichtenverstößen keine weitergehenden Konsequenzen gezogen werden dürften und verwaltungsverfahrensrechtliche Maßnahmen wie etwa ein Widerruf der Betrauung nicht zur Anwendung gelangen könnten; entsprechende Vorschriften also gleichsam leerlaufen würden.

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Hier ist jedoch zu beachten, dass die Beklagte ihr Ermessen unmittelbar nach dem Ergebnis der unangekündigten Nachkontrolle vom 15. Dezember 2011 betätigt (und mit Schreiben vom 17. Januar 2012 (Bl. 327f. der Gerichtsakten) eine Abmahnung ausgesprochen) hat. Ob der weitere von der Beklagten unter Punkt 1.a)cc) im Widerspruchsbescheid aufgeführte Vorgang der unangekündigten Nachkontrolle am 29. März 2012, bei dem festgestellt worden war, dass der Kläger die lichttechnischen Einrichtungen nicht ordnungsgemäß überprüft hatte, für sich genommen geeignet war, wiederum das Ermessen zu betätigen, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn jedenfalls stellt der Widerruf der Betrauung nicht das mildeste in Betracht kommende Mittel dar. Das Abmahnschreiben vom 17. Januar 2012 endet nämlich mit folgender Passage:

42

„Im Wiederholungsfall und bei jeder anderweitigen Abweichung von verordnungs-rechtlichen Vorschriften sowie bei Verstoß gegen unsere Vereinbarung hinsichtlich der Minimalprüfzeiten werden wir sofort bis zur Absolvierung angemessener Schulungs- und Korrekturmaßnahmen die Betrauung als Prüfingenieur aussetzen.“

43

Daher hätte die Beklagte ihr Ermessen allenfalls dahingehend ausüben dürfen, nunmehr die Betrauung für einen gewissen Zeitraum auszusetzen.

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Soweit die Beklagte ausgeführt hat, ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgefallen sei und die zahlreichen Abmahnungen bzw. Ermahnungen sowie die zahlreichen Qualitätsmaßnahmen zu keiner Verhaltensänderung geführt hätten, vermag dies auch angesichts der Bedeutung und Konsequenzen des Widerrufs für die Grundrechtsposition des Klägers nicht zu überzeugen. Die Tätigkeit eines Prüfingenieurs fällt - unabhängig von der Ausübung hoheitlicher Befugnisse - in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Mithin muss das ausgewählte Mittel verhältnismäßig sein. Als solches wäre bei dem aufgezeigten Gang des (Verwaltungs-)Verfahrens und der Schwere des weiteren Pflichtenverstoßes vom 29. März 2012 allenfalls die Aussetzung der Betrauung, nicht hingegen der Widerruf der Betrauung als ultima ratio, das angemessene Mittel gewesen. Soweit die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt haben, dass das Instrument der Aussetzung der Betrauung rechtlich nicht existent sei, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Maßnahme nach ihrem Qualitätssicherungssystem vorgesehen ist und daher auch zur Anwendung gelangen kann. Soweit der Zeuge M. - entgegen den im Protokoll des Qualitätsgesprächs vom 30. November 2011 enthaltenen Feststellungen - den Kläger darauf hingewiesen haben will, dass die Möglichkeit des Widerrufs der Betrauung bestehe, ist diese Aussage in Anbetracht der gegen den Kläger „ausgesprochenen“ Abmahnung nicht geeignet, eine andere rechtliche Bewertung zuzulassen. Denn der Zeuge M. hatte diese Möglichkeit lediglich in Aussicht gestellt; die Beklagte hatte mit der Abmahnung jedoch eine rechtlich verbindliche Entscheidung getroffen. Daher lag eine Ermessensreduzierung auf Null dergestalt, dass kein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung in Betracht kam, gerade nicht vor. Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung, das Abmahnschreiben vom 17. Januar 2012 sei für die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs rechtlich ohne Bedeutung, folgt der Senat nach alledem ausdrücklich nicht.

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Klarstellend weist der Senat abschließend darauf hin, dass das (vorherige) Ergehen eines Abmahnschreibens nicht zwingend ist, um auf festgestellte Pflichtverstöße zu reagieren und bei weiteren Verstößen härtere Sanktionen ergreifen zu können. Geht die Überwachungsorganisation indes wie hier vor und kommt es in der Folgezeit nicht zu gravierenden Pflichtverstößen, stellt sich jedenfalls der als ultima ratio in Betracht kommende Widerruf der Betrauung als unverhältnismäßige Maßnahme dar.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher abzuändern mit der Folge, dass der streitige Widerrufsbescheid vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 aufzuheben war.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO vorliegt.


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