Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 O 25/19

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gerichtsgebühren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

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Die Klägerin hat auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der Beschwerdebegründung keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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„Hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 81, 347, 456 f. m.w.N.) und des erkennenden Senats (vgl. Beschl. v. 02.03.2017 - 4 O 43/16 - m.w.N.) dann, wenn die Erfolgschance in der Hauptsache nicht nur eine entfernte ist. Prozesskostenhilfe ist dem gegenüber zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.

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Daran gemessen bestehen keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.04.1987 - 7 C 120/86 -, juris Rn. 10 ff.) hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss zutreffend dargelegt, dass die Schwelle für die Annahme eines „wichtigen Grundes“ i.S.d. § 3 Abs. 1 NÄG bei der begehrten Änderung des Nachnamens eines nicht-ehelichen Pflegekindes, das unter pflegeelterlicher Vormundschaft aufwächst und für das der leiblichen Mutter das Sorgerecht entzogen ist, niedriger anzusetzen sei als bei Scheidungskindern. Der Familienname des Pflegekindes sei dem Familiennamen der Pflegeeltern schon dann anzugleichen, wenn dies für das Kindeswohl förderlich sei und überwiegende Interessen an der Beibehaltung des Namens nicht entgegenstünden. Auf den Widerspruch der leiblichen Mutter komme es nicht an, wenn sie – wie hier – die Pflichtbindungen des Elternrechts nicht wahrnehme.

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Dieser rechtliche Ausgangspunkt ist nicht zu beanstanden. Ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund i.S.d. § 3 Abs. 1 NÄG ist dann gegeben, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt (BVerwG, Urt. v. 20.02.2002 - 6 C 18/01 -, juris 29). Ob ein die Namensänderung rechtfertigender Grund im Sinne von § 3 Abs. 1 NÄG vorliegt, ist durch die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Interessen zu bestimmen. Die schutzwürdigen Interessen dessen, der die Namensänderung erstrebt, müssen die schutzwürdigen Interessen Dritter und die in der sozialen Ordnungsfunktion einschließlich ihrer sicherheitspolizeilichen Belange des Namens zusammengefassten Interessen der Allgemeinheit überwiegen. Das Ergebnis der gebotenen Abwägung muss die Voraussetzungen eines die Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grundes erfüllen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche öffentlichen und privaten Belange in die Abwägung eingestellt werden dürfen und wie die zu berücksichtigenden Belange zu gewichten sind (Urt. des Senats v. 19.11.1991 - 4 L 18/91 -, juris Rn. 26).

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Für sog. „Scheidungshalbwaisen“ verlangt die Rechtsprechung in Anlehnung an die gesetzliche Regelung über die „Einbenennung“ von Stiefkindern in § 1618 BGB, dass die Namensänderung für das Kindeswohl erforderlich ist (dazu BVerwG, Urt. v. 20.02.2002 - 6 C 18/01 -, juris Rn. 36 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 06.05.2019 - 7 A 10074/19 -, juris Rn. 35 ff.). Dieser strenge Maßstab der Erforderlichkeit findet jedoch auf die hier in Rede stehende Konstellation der Pflegekinder keine Anwendung. Die familiäre Situation eines unter Vormundschaft stehenden Kindes, das in einem auf Dauer angelegten Pflegeverhältnis aufwächst, ist mit der Lage von Kindern, die in der Familie des (wieder-)verheirateten oder allein lebenden Elternteils leben und gegen den Willen des anderen Elternteils einen neuen Familiennamen erhalten sollen, nicht vergleichbar. Das namensrechtliche Band zwischen einem nichtehelichen Pflegekind und seiner leiblicher Mutter ist i.d.R. von geringerer Festigkeit, wenn die nicht sorgeberechtigte Mutter von Anfang an keine Elternverantwortung getragen hat, die Pflegeeltern dem Kind hingegen eine familiäre Geborgenheit bieten, die es zu seiner persönlichen Entwicklung benötigt (OVG Münster, Beschl. v. 31.08.2010 - 16 A 3226/08 - juris Rn. 23 ff. m.w.N.; VG Neustadt, Beschl. v. 28.02.2019 - 5 K 1521/18.NW - juris Rn. 11).

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So liegt es auch hier. Der Beigeladene ist seit seiner Geburt in die Pflegefamilie integriert und fühlt sich dieser zugehörig. Dies wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass das Pflegeverhältnis nicht von Dauer sein könnte, etwa weil der Klägerin das Sorgerecht wieder übertragen werden könnte, bestehen nicht. Die von der Klägerin im Klageschriftsatz angesprochene Möglichkeit, dass sie den Beigeladenen nach der Geburt ihres zweiten Kindes zu sich nehme, wird mit dem Schriftsatz vom 7. März 2019 wieder relativiert, indem sie vortragen lässt, nicht die Absicht zu haben, den Beigeladenen aus seiner jetzigen Umgebung zu holen und an den jetzigen Verhältnissen etwas zu ändern.

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Die Herbeiführung einer Namensidentität entspricht offenkundig dem Wunsch des Beigeladenen und dient der Dokumentation seiner Zugehörigkeit zum Familienverband der Pflegeeltern. Sowohl die ihn behandelnde Kinder- und Jugendpsychotherapeutin als auch das Jugendamt bestätigen, dass ihm die angestrebte Namensänderung wichtig und seinem Wohl förderlich ist, weil es der bestehenden Unsicherheit über seine Zugehörigkeit und den Verlustängsten entgegenwirken und sein soziales Leben wieder stabilisieren wird. Die Namensänderung ist außerdem geeignet, sich positiv auf die weitere Entwicklung des Beigeladenen auszuwirken. Mit gegenwärtig elf Jahren wird er noch einige Zeit auf eine enge familiäre Bindung angewiesen sein, bevor mit fortschreitender Pubertät eine allmähliche Verselbständigung eintritt. Dass er nicht mit seinen ihn pflegenden Großeltern, sondern eher mit seiner Mutter und deren zweiten Kind – seinem Halbbruder – „alt wird“, wie die Klägerin geltend macht, spielt keine maßgebliche Rolle. Entscheidend sind seine jetzigen Belange als Kind. Mit zunehmenden Alter wird der Beigeladene eine Namensverschiedenheit zu verbliebenen Familienangehörigen intellektuell verarbeiten können, sofern er dann zu ihnen einen Kontakt aufgebaut haben sollte.

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Die von der Beschwerde geltend gemachte Identifikation findet hier nicht über den Namen der leiblichen Mutter, sondern über den der Pflegeeltern statt, in deren Familie der Beigeladene aufwächst. Eine Namenskontinuität wäre, da der Beigeladene nie zusammen mit seiner Mutter in einer Familie gelebt hat und zu ihr auch keine besondere Beziehung aufgebaut haben wird, einer Identitätsfindung eher hinderlich als förderlich. Entsprechend ist nicht erkennbar, warum es dem Wohl des Beigeladenen schaden könnte, wenn das verwandtschaftliche Verhältnis zu seiner Mutter namensmäßig nicht länger dokumentiert würde.

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Der Umstand, dass verschiedene Familiennamen innerhalb einer Familie heutzutage häufiger vorkommen und nicht mehr als ungewöhnlich wahrgenommen werden, ist hinsichtlich der Einschätzung, dass die Namensänderung für das Wohl des Beigeladenen förderlich ist, ohne Belang. Denn die begehrte Namensänderung ist nachvollziehbar mit einer für den Beigeladenen wichtigen Stärkung seines Zugehörigkeitsgefühls zur Pflegefamilie begründet worden. Woraus die Klägerin schließt, dass es für den Beigeladenen "nicht so wichtig“ sei, welchen Familiennamen er trage, ist nicht zu erkennen und angesichts der Stellungnahmen der behandelnden Ärztin und des Jugendamtes auch nicht nachvollziehbar. Die von der Beschwerde noch einmal in den Vordergrund gerückte Option eines Doppelnamens wird dem Kindeswohl nicht förderlich sein, weil es die Zugehörigkeit und angestrebte Identifikation mit der Familie der Pflegeeltern gerade nicht optimal dokumentiert und gewährleistet. Hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen. Soweit das Jugendamt diese Option präferiert, geschieht dies offenkundig nur „auf Wunsch der Kindesmutter“ (Stellungnahme vom 06.10.2017). Hierauf kommt es, allerdings nicht an.

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Überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Familiennamens sind nicht ersichtlich. Soweit die Beigeladene behauptet, sich stets um den Beigeladenen zu bemühen und einen regelmäßigen Umgang mit ihm zu haben, kann dieser Behauptung in Anbetracht der Berichte des Jugendamtes und der Sachverhaltsdarstellung durch den Beigeladenen bezüglich der auch im Jahre 2019 häufig nicht zustande gekommenen Treffen kaum Gewicht beigemessen werden. Dessen ungeachtet kann, wie auch das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, eine Mutter, der das Sorgerecht entzogen ist, weil sie ihrer Elternverantwortung nicht gerecht wird oder sich ihrer Elternverantwortung entzieht, den Schutz des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht in Anspruch nehmen und sich nicht auf ein eigenes namensrechtliches Interesse am Fortbestand des Kindesnamens berufen.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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