Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 194/18

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 14. Kammer, Einzelrichter - vom 26. September 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 26. September 2018 ist unbegründet. Zulassungsgründe im Sinne von § 78 Abs. 3 AsylG liegen nicht vor; jedenfalls hat der Kläger die Voraussetzungen hierfür nicht ausreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).

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1. Ein Verfahrensmangel i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO ist nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger meint, dass das Urteil zwar mit Gründen versehen sei, die Entscheidung aber nicht nachvollziehbar sei, weil es an einer dezidierten Begründung mangele. Unter Verweis auf den angefochtenen Bescheid werde das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Gesundheitsministers von einem Professor Dr. „G:“ als irrelevant abgetan, obwohl klar sei, dass eine Personenidentität zum Vater des Klägers („G:A.“) vorliege. Eine Verbindung zu verneinen, sei an den Haaren herbeigezogen und das Urteil offensichtlich rechtswidrig. Das Vorgehen des Einzelrichters gegenüber Asylsuchenden aus Afghanistan sei absolut willkürlich und nicht hinzunehmen.

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Eine Verletzung des Begründungserfordernisses aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergibt sich daraus nicht. Diesem kann gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auch durch Verweisungen und Bezugnahmen entsprochen werden, etwa indem das Verwaltungsgericht ausdrücklich feststellt, dass es der Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts folgt und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (vgl. nur Beschl. des Senats v. 29.01.2020 - 4 LA 39/18 -, n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 08.05.2019 - 9 A 1619/19.A -, juris Rn. 5 ff. m.w.N.). Dass die Begründung des Verwaltungsgerichts zusammen mit den in Bezug genommenen Erwägungen keine formell ausreichende Begründung darstellt, weil den Beteiligten keine Kenntnis darüber vermittelt wird, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht, ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren in wesentlicher Hinsicht ergänzt worden und das Gericht hierauf nicht gesondert eingegangen wäre.

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Soweit der Kläger meint, das Urteil sei offensichtlich rechtswidrig, ist dies keine Frage der ausreichenden Begründung. Die damit aufgeworfenen (ernstlichen) Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind im Asylgesetz nicht als Zulassungsgrund vorgesehen.

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2. Darüber hinaus meint der Kläger, dass das Gericht in verfahrensfehlerhafter Weise „die nach § 108 VwGO gebotene Überzeugungsgewissheit nicht ausreichend ermittelt“ habe. Eine Aufklärung und eine Amtsermittlung sei nicht betrieben worden; das Gericht habe lediglich Einzelfragen gestellt, die weder zur Aufklärung des Sachverhalts noch für die Bewertung der Glaubwürdigkeit geeignet gewesen seien. Statt in Bezug auf die Tätigkeit des Vaters als Chefarzt weitere Aufklärung zu betreiben, sei den hierzu in übersetzter Form vorgelegten Dokumenten keine Beachtung geschenkt worden, da das Gericht dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers keinen Glauben geschenkt habe. Damit sei das Urteil sowohl hinsichtlich der Würdigung des gesamten Sachverhaltes zu den Vorkommnissen in Afghanistan als auch hinsichtlich der Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des Klägers schlichtweg falsch.

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Auch dieses Vorbringen kann im Ergebnis nicht zur Zulassung der Berufung führen. Dass das Urteil im Ergebnis „schlichtweg falsch“ ist, mag zutreffen, stellt aber – wie ausgeführt – im Asylrecht keinen Zulassungsgrund dar. Ob im Übrigen ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder gegen den Untersuchungsgrundsatz aus § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden soll, kann dahinstehen. Soweit der Kläger die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung beanstandet, ist diese Kritik grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen und rechtfertigt von vornherein nicht die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 78 Abs. 3 AsylG i.V.m. 138 VwGO. Sinn dieser Zulassungsmöglichkeit ist die Kontrolle des Verfahrensganges, nicht aber der Rechtsfindung, zu der wiederum auch die Würdigung des dem Gericht vorliegenden Tatsachenmaterials zählt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.08.2014 - 8 LA 60/14 -, juris Rn. 8 m.w.N.). In einem Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann zwar ausnahmsweise ein Verfahrensfehler i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 oder § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen, etwa dann, wenn die tatrichterliche Sachverhalts- oder Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 12.03.2014 - 5 B 48.13 - juris Rn. 22, Beschl. v. 29.06.2005 - 1 B 185/04 -, juris Rn. 3). Ein solcher Verstoß ist allerdings kein in § 138 VwGO aufgeführter Verfahrensmangel und kann daher - selbst wenn er vorliegt - nicht zur Berufungszulassung speziell nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG führen (VGH Mannheim, Beschl. v. 28.07.2020 - A 2 S 873/19 -, juris Rn. 19; OVG Münster, Beschl. v. 23.04.2020 - 1 A 2023/19.A -, juris Rn. 21; OVG Lüneburg a.a.O., jeweils m.w.N.; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 78 Rn. 76). Gleiches gilt für etwaige Aufklärungsmängel (OVG Münster a.a.O. Rn. 30; OVG Bautzen, Beschl. v. 19.07.2016 - 3 A 32/15.A -, juris Rn. 11; GK AsylG, Stand Dez. 2015, § 78 Rn. 68; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 78 Rn. 68).

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3. Aus den zu 1. und 2. vorgetragenen Rügen ergäbe sich nichts anderes, wenn man zugunsten des Klägers annähme, das damit zugleich eine prinzipiell berücksichtigungsfähige Verletzung des rechtlichen Gehörs i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden soll. Dass das Gericht das Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung erwogen hätte, wird nicht dargelegt. Im Übrigen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nicht, vorgebrachte Tatsachen auch so zu würdigen wie der Kläger (Funke-Kaiser in: GK-AsylG, Stand März 2019, § 78 Rn. 261). Dass nach Auffassung des Gerichts eine Verbindung des Klägers zu der im Schreiben des Gesundheitsministers genannten Person wegen des anderslautenden Namens des Vaters nicht einmal ansatzweise zu erkennen sei, diese Würdigung aufgrund der erkennbaren Ähnlichkeit und der in Afghanistan anders gehandhabten Verwendung von Vor- und Nachnamen aber nicht nachvollziehbar, möglicherweise willkürlich sein könnte, ist daher keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der Sachverhaltswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die, wie ausgeführt, im Asylrecht selbst bei Willkür nicht rügefähig wäre. Sie würde auch nicht automatisch zu einer rügefähigen Verletzung des rechtlichen Gehörs führen (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 19.07.2016 - 3 A 32/15.A -, juris Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.08.2014 - 8 LA 60/14 -, juris Rn. 9; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, Stand März 2019, § 78 Rn. 262 m.w.N.). Eine gleichzeitige Verletzung rechtlichen Gehörs könnte nur gegeben sein, wenn das Verwaltungsgericht seiner Sachverhalts- oder Beweiswürdigung einen akten- bzw. protokollwidrigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat und dementsprechend über entscheidungserhebliches Parteivorbringen hinweggegangen wäre (VGH Mannheim, Beschl. v. 28.07.2020 - A 2 S 873/19 -, juris Rn. 19 m.w.N.; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 78 Rn. 74, 263). Das Vorliegen eines solchen Hinweggehens klägerischen Vorbringens ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Soweit der VGH München die Auffassung vertritt, dass ein den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzender Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben sein kann, wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet, wird dies nicht näher begründet (vgl. nur Beschl. v. 20.02.2020 - 15 ZB 20.30194 -, juris Rn. 10, v. 22.07.2019 - 8 ZB 19.31614 -, juris Rn. 23 und v. 04.02.2019 - 21 ZB 18.30314 - juris Rn. 8) und vermag daher auch nicht zu überzeugen. Es wäre Sache des Gesetzgebers, im Asylrecht für derartige Konstellationen eine Möglichkeit zur Zulassung der Berufung zu schaffen.

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4. Schließlich ergibt sich auch aus § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG und dem diesbezüglichen Vortrag kein Grund zur Zulassung der Berufung. Soweit der Kläger meint, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gegeben seien, weil er zum Kreis der vulnerablen Personen gehöre und kein leistungsfähiger und erwachsener Mann ohne Unterhaltsverpflichtung sei, rügt er wiederum nur die Richtigkeit der einzelfallbezogenen Entscheidung, bezeichnet aber nicht, wie es für eine Zulassung wegen Divergenz erforderlich wäre, eine Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und einen darin enthaltenen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll (vgl. dazu Beschl. des Senats v. 10.07.2018 - 4 LA 41/18 -, juris Rn. 6). Davon abgesehen greift die Divergenzrüge auch deshalb nicht durch, weil sich der Kläger ausschließlich auf eine Entscheidung des VGH Mannheim vom 11. April 2018 bezieht, der VGH Mannheim aber kein divergenzfähiges Gericht i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist. Hierunter fallen nur Oberverwaltungsgerichte, die dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, übergeordnet sind (vgl. schon Beschl. des Senats v. 10.01.2020 - 4 LA 149/19 - n.v.).

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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

11

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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