Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 MR 1/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller zu 1) trägt 16 %, der Antragsteller zu 2) trägt 19 % und die Antragstellerin zu 3) trägt 65 % der Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 45.925,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellenden wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 24. Februar 2020 zur „Errichtung einer Hochwasserschutzanlage an der G.- Au zum Schutz vor (Binnen-)Hochwasser bei Starkregenereignissen in der Gemeinde …“. Sie sind Eigentümer von Grundstücken in der Ortslage A..

2

Teile der Ortslage der zum Kreisgebiet des Antragsgegners gehörenden Gemeinde A. liegen im natürlichen Überflutungsgebiet der G.- Au. Innerhalb der Ortslage nimmt die Au aus verschiedenen Verbandsgewässern und einem Regenwasserkanal zusätzliches Wasser auf. Sie verläuft in nordwestliche Richtung und ist über ca. 430 m verrohrt (Dorfleitung DN 1100). Die Verrohrung beginnt im Bereich der Unterquerung der N.-Straße (B xyz). Bei Starkregenereignissen ist die Verrohrung überlastet, sodass Wasser aus den Schächten tritt und über die Straßen in tiefer gelegene Bereiche fließt. Nach dem letzten Hochwasserereignis im September 2011 legte der als Vorhabenträger beigeladene Wasser- und Bodenverband im Dezember 2015 einen Plan vor für die Herstellung einer Polderfläche auf landwirtschaftlichen Flächen (Wiesen) – südlich der Ortslage und hier östlich der Straße S. – durch Errichtung eines ca. 1.000 m langen Damms zur Bildung einer Hochwasserschutzanlage mit Abflusssteuerung sowie der teilweisen Verlegung der G.- Au. Das von der Au herangeführte Wasser soll bei Erreichen eines kritischen Wasserstandes vor Eintritt in die Dorfleitung DN 1100 abgefangen und im Polder aufgestaut werden, um es dann kontrolliert in diese Dorfleitung abzuführen. Die vorhandenen Entwässerungen werden durch den Damm unterbrochen und auf der Außenseite des Dammes am geplanten Binnenentwässerungsgraben angeschlossen. Die Position des Steuerungswerkes bedingt eine Verlegung der Au innerhalb des Polders. Der Altarm dient weiterhin der Vorflut für die Verbandsleitung 45 sowie der geordneten Abführung überschüssigen Oberflächenwassers über eine Entlastungsschwelle.

3

Der Plan wurde mehrfach ausgelegt, zuletzt im September 2018 (…). Mit den Einwendungen wurde vielfach geltend gemacht, dass eine Verlegung der G.- Au als östliche Umgehung vorzugswürdig sei und hierfür ein Entwurfsplan vorgelegt. Die Einwendungen wurden mehrfach erörtert, zuletzt am 13. November 2018. Im Anschluss forderte der Antragsgegner den Beigeladenen auf, hinsichtlich der Auswirkungen des Vorhabens Gutachten einzuholen.

4

Nach der Feststellung, dass die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei, wurden die erhobenen Einwendungen durch den Planfeststellungsbeschluss vom 24. Februar 2020 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung des Beschlusses angeordnet (PFB S. 97). Die Zustellung an die Einwenderinnen und Einwender erfolgte am 26./27. Februar 2020. Zusätzlich wurde der Beschluss nebst Anlagen und Anhang nach vorheriger örtlicher Bekanntmachung in der Zeit vom 9. bis zum 23. März 2020 in der Amtsverwaltung ausgelegt.

5

Am 26. März 2020 haben die Antragstellenden gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben und Akteneinsicht beantragt (Az. …). Weiterer Vortrag sowie ein gesonderter Antrag wegen der angeordneten sofortigen Vollziehung des Beschlusses wurde angekündigt. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

6

Mit ihrem am 27. März 2020 gestellten Eilantrag machen die Antragstellenden geltend, dass angesichts der seit dem letzten Hochwasserereignis verstrichenen Zeit und der Verfahrensdauer ein Eilbedarf nicht gegeben sei. Der Antragsgegner stütze seine Entscheidung auf Unterlagen, die ihnen nicht bekannt seien, da sie erst nach der letzten Anhörung gefertigt worden seien. Zudem sei der Planfeststellungsbeschluss nicht ordnungsgemäß ausgelegt worden. Materiell-rechtlich verstoße der Planfeststellungsbeschluss gegen das nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu beachtende Verbesserungsgebot und enthalte darüber hinaus ein schweres Abwägungsdefizit. Zudem fehle es an einer zureichenden Entschädigungsgrundentscheidung und zugunsten der Antragstellerin zu 3) an einer Schutzauflage.

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Die Antragstellenden beantragen,

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die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er meint, dass die Klage, deren aufschiebende Wirkung begehrt werde, schon deshalb keinen Erfolg haben könne, weil ihr zulässiges Vorbringen nach Ablauf der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG auf den Inhalt der Klageschrift vom 26. März 2020 beschränkt sei. Im Übrigen verteidigt er den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss einschließlich der Anordnung des Sofortvollzuges.

12

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

II.

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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.

14

A. Er ist in Bezug auf den Antragsteller zu 2) und die Antragstellerin zu 3) zulässig, im Übrigen aber unzulässig.

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I. Das Oberverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig für die Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 24. Februar 2020 gerichteten Klage der Antragstellenden. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 VwGO, der Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Küsten- oder Hochwasserschutzes erstinstanzlich den Oberverwaltungsgerichten zuweist (eingefügt durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes v. 30.06.2017, BGBl I S. 2193 mit Wirkung vom 06.07.2017 - Hochwasserschutzgesetz II -). Der Begriff „Maßnahmen des öffentlichen Hochwasserschutzes“ erfasst nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern jede gewässerverändernde Maßnahme mit Auswirkungen des Ablaufs der Hochwasserwelle. Zu den Maßnahmen gehören u.a. Deich- und Dammbauten sowie gesteuerte Flutpolder (BT-Drs. 18/10879 S. 34).

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II. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft. Der gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 24. Februar 2020 gerichteten Klage kommt nach der gesetzlichen Grundkonzeption aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Sie ist wirksam und rechtzeitig (§ 74 VwGO) erhoben worden. Ob bzw. inwieweit die Klagebegründungsfrist aus § 6 UmwRG eingehalten wurde, ist demgegenüber keine Frage der Zulässigkeit (BVerwG, Urt. v. 27.11.2018 - 9 A 8.17 -, BVerwGE 163, 380 ff., juris Rn. 15 m.w.N.).

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III. Eine Antragsbefugnis ist gegeben für den Antragsteller zu 2) und die Antragstellerin zu 3), nicht aber für den Antragsteller zu 1).

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Die Antragsbefugnis folgt der Klagebefugnis (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 12.08.2009 - 4 MR 5/09 - n.v., S. 4 des Beschlussabdrucks). Sie ist analog § 42 Abs. 2 VwGO gegeben, wenn die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts zumindest als möglich erscheint. Wird jemand als Dritter durch das Vorhaben nur mittelbar betroffen, kann sich eine Rechtsverletzung aus der Betroffenheit in einem eigenen abwägungserheblichen Belang ergeben oder aus einer einfachgesetzlichen Vorschrift, die dem Schutz eines vom Gewässerausbau betroffenen Dritten zu dienen bestimmt ist (Spieth in: BeckOK Umweltrecht, 55. Ed. Juli 2020, § 68 WHG Rn. 29 m.w.N.). In die Abwägung einzustellen sind alle schutzwürdigen Interessen, die von der Planung betroffen sind; diese beschränken sich nicht auf verfassungsrechtlich geschützte Rechte (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 70 Rn. 38 m.w.N.). Einzelpersonen können jedoch nur die fehlerhafte Abwägung ihrer eigenen geschützten Belange rügen, aber keine in jeder, auch objektiver Hinsicht fehlerfreie Abwägung und Planung verlangen (BVerwG, Vorlagebeschl. v. 25.04.2018 - 9 A 16.16 -, juris Rn. 54).

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Eine drittschützende Vorschrift kann vorliegen, wenn darin ein Dritter genannt wird oder der Gedanke der Rücksichtnahme auf die Belange anderer zum Ausdruck kommt (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 6 Rn. 36 m.w.N.). Ein für die wasserrechtliche Planfeststellung relevantes drittschützendes Rücksichtnahmegebot wird in § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WHG sowie in § 70 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 bis 6 und § 13 Abs. 1 WHG gesehen (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.05.2020 - 2 R 24/20 - juris Rn. 21 f. m.w.N.). Es verlangt jedoch, dass Dritte in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind. Dafür muss die Situation eines Dritten im Verhältnis zur Allgemeinheit durch eine irgendwie geartete Besonderheit gekennzeichnet sein (BVerwG, Urt. v. 12.04.2018 - 3 A 16.15 -, BVerwGE 161, 356 ff., juris Rn. 19, 21 m.w.N; Spieth in: BeckOK Umweltrecht, 55. Ed. Juli 2020, § 68 WHG Rn. 29 m.w.N.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 70 Rn. 13, § 14 Rn. 38, § 13 Rn. 42 f., beide m.w.N.).

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1. Der Antragsteller zu 2) wird von der angegriffenen Maßnahme sowohl unmittelbar als auch mittelbar betroffen. Er ist Eigentümer des nördlich der B xyz liegenden Gutes A., bestehend aus Herrenhaus und Gutspark sowie dazugehöriger landwirtschaftlicher Flächen. Unmittelbar in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG betroffen ist er von dem Plan, soweit eine Teilfläche seines Flurstücks abc dauerhaft durch den Damm selbst in Anspruch genommen werden soll (PFB S. 7, Anhang 1). Ob bzw. inwieweit dem aus der festgestellten Zulässigkeit der Enteignung folgenden Anspruch auf vollständige Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses Grenzen gesetzt sind, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners eine Frage der Begründetheit (vgl. OVG Schleswig, Urt. des Senats v. 27.02.2020 - 4 KS 2/16 - juris Rn. 42). Darüber hinaus bewirkt das Vorhaben eine mittelbare Betroffenheit des Antragstellers zu 2) u.a. deshalb, weil der ca. 250 m vom Dammbau entfernt liegende Gutspark, der zusammen mit dem Herrenhaus als Kulturdenkmal gilt und in die Verbandsleitung 45 entwässert, bei einem Aufstau des Polders ebenfalls von einem Aufstau in gleicher Höhe betroffen wäre. Die maximalen Wasserstände und das Einstauvolumen würden sich im Vergleich zum Ist-Zustand zwar verringern, die jeweilige Einstaudauer aber länger werden (PFB S. 55). Aufgrund dieser Auswirkungen auf den Gutspark ist eine Betroffenheit in einem abwägungserheblichen Belang – anders als im Fall des vom Antragsgegner zitierten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 05.03.2019 - 7 B 3.18 - juris Rn. 10) – gegeben, da eine erhebliche Beeinträchtigung der Denkmaleigenschaft und der dem Denkmaleigentümer auferlegten Erhaltungspflicht jedenfalls möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.01.2016 - 4 BN 11.15 - juris Rn. 9 f.).

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2. Eine ausreichende mittelbare Betroffenheit besteht auch für die Antragstellerin zu 3), deren Gärtnereibetrieb, bestehend aus den Flurstücken …, …, … und …, Flur … Gemarkung A., unmittelbar an den geplanten Damm und den dahinterliegenden Polder angrenzt. Sie macht geltend, dass sich die Produktionsbedingungen ihres Gärtnereibetriebs durch gesteigerte Kaltlufteinflüsse verschlechtern könnten. Auch hier ist eine erhebliche Beeinträchtigung möglich und deshalb zu berücksichtigen.

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3. Der Antragsteller zu 1), dessen Flurstücke … und …, Flur … Gemarkung A., nördlich des Vorhabens und erst auf der Höhe der Verrohrung liegen, kann ebenfalls nur als mittelbar Betroffener angesehen werden. Für ihn ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich, woraus sich eine Betroffenheit in einem eigenen abwägungserheblichen Belang bzw. in qualifizierter und individualisierter Weise ergeben sollte. Eine Berufung auf die Verletzung des Verbesserungsgebotes aus § 27 WHG kommt nicht in Betracht.

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Ob sich einzelne Drittbetroffene auf Verstöße gegen die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG berufen können, ist im Detail noch nicht abschließend geklärt, kann für das vorliegende Verfahren aber mit einem ausreichenden Grad an Gewissheit verneint werden. § 27 WHG, der die europarechtlichen Umwelt- und Bewirtschaftungsziele, namentlich das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot aus Art. 4 Abs. 1a) Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG - Wasserrahmenrichtlinie - WRRL - (ABl. L 327 S. 1 in der Fassung der Richtlinie 2013/39/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013, ABl. L 226 S. 1) in nationales Recht transformiert, bietet insoweit keine hinreichend klaren Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen Willen des Gesetzgebers (BVerwG, Urt. v. 28.11.2017 - 7 A 1.17 -, juris Rn. 42; dem folgend OVG Münster, Urt. v. 11.09.2018 - 20 D 79/17.AK -, juris Rn. 174; so schon VGH Kassel, Urt. v. 01.09.2011 - 7 A 1736/10 -, juris Rn. 92 f. m.w.N.). An dieser Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht auch in seinem Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 festgehalten, in welchem es (unter 4.) um die Frage ging, ob Art. 4 WRRL so auszulegen ist, dass alle Mitglieder der von einem Vorhaben betroffenen Öffentlichkeit befugt sind, Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot gerichtlich geltend zu machen. Die Vorlage bezog sich auf das Ziel des Art. 4 Abs. 1b) WRRL, einen „guten Zustand“ des Grundwassers zu erreichen. Nach nationalem Recht, so das Bundesverwaltungsgericht, seien einzelne (nicht in ihrem Grundeigentum betroffene) Kläger grundsätzlich nicht befugt, den Verstoß gegen dieses Ziel geltend zu machen, da die Bewirtschaftungsziele für Gewässer generell und ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienten und keine subjektiven Rechte verleihen würden (Vorlagebeschl. v. 25.04.2018 - 9 A 16.16 -, DVBl 2018, 1418 ff., juris Rn. 57). Der Europäische Gerichtshof hat die ihm vorgelegte Frage teilweise bejaht. Er hält all diejenigen Mitglieder der Öffentlichkeit von der Verletzung der Pflichten aus Art. 4 Abs. 1b) WRRL für unmittelbar betroffen, die das fragliche Grundwasser rechtmäßig nutzen, auch wenn sie von der geplanten Maßnahme nicht in ihrem Grundeigentum betroffen sind (Urt. v. 22.05.2020 - C-535/18 - NVwZ 2020, 1177 ff. und in juris, Rn. 120-134). Vor dem Hintergrund des vom Gerichtshof angeführten spezifischen Zwecks der WRRL, das Grundwasser auch als Ressource für die menschliche Nutzung zu schützen, dürfte eine erhebliche Stärkung der Individualklagerechte damit allerdings nicht verbunden sein (vgl. Dingemann, Urteilsanm. in NVwZ 2020, 1184, 1186). Dies zeigt sich auch vorliegend. Für den Antragsteller zu 1) ergibt sich aus dem Urteilsspruch schon deshalb keine Verbesserung seiner Klage- und Antragsbefugnis, weil es hier um die Bewirtschaftung eines Oberflächengewässers i.S.d. Art. 4 Abs. 1a) WRRL geht. Diesem kommt keine dem Grundwasser vergleichbare Bedeutung für die menschliche Nutzung zu, die es geböte, von der dargestellten Rechtsprechung zum nationalen Recht abzurücken, solange die Verstöße von einzelnen Personen und nicht von anerkannten Umweltvereinigungen (dazu §§ 1 und 2 UmwRG) gerügt werden.

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B. Soweit der Antrag zulässig ist, bleibt er allerdings unbegründet.

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I. Die gebotene Interessenabwägung geht vorliegend zulasten des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3) aus.

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1. Die Entscheidung über den Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten. Wird – wie hier – von einem Dritten die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Genehmigung angegriffen, steht als besonderes Vollzugsinteresse in einem solchen Dreiecksverhältnis nicht das besondere öffentliche Interesse der Verwaltung am Vollzug des Verwaltungsakts im Vordergrund. Vielmehr ist – wie sich schon dem Wortlaut von § 80 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 VwGO entnehmen lässt – auf das „überwiegende Interesse eines Beteiligten“ abzustellen. Vorrangiger Maßstab für die Interessenabwägung bei dreiseitigen Rechtsverhältnissen ist deshalb der voraussichtliche Erfolg des Hauptsacheverfahrens (BVerfG, Beschl. v. 01.10.2008 - 1 BvR 2466/08 -, NVwZ 2009, 240 ff., juris Rn. 21; so schon OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 09.02.1995 - 4 M 87/94 -, juris Rn. 32, v. 22.02.1995 - 4 M 115/94 -, juris Rn. 2, v. 07.08.2000 - 4 M 58/00 - NordÖR 2000, 380 ff., juris Rn. 2 und v. 21.10.2005 - 4 MB101/05 - NordÖR 2005, 533 ff., juris Rn. 2; dem folgend der 1. Senat: Beschl. v. 28.04.2010 - 1 MR 6/10 -, juris Rn. 3 und v. 14.03.2011 - 1 MR 19/10 -, juris Rn. 49 f.; OVG Magdeburg, Beschl. v. 18.05.2015 - 2 M 33/15 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Bestehen allerdings im Einzelfall neben den Interessen des Adressaten und des Dritten auch öffentliche Interessen und weisen diese in dieselbe Richtung wie die eines der Beteiligten, können sie dessen Position verstärken (Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, VwGO § 80a Rn. 25 m.w.N., Rn. 28). Dabei kann das Gericht dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wesentliches Element der Interessensabwägung treffen. Kann wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 - 7 VR 5.14 -, juris Rn. 9).

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Das geltend gemachte Aufschubinteresse steht dem Vollzugsinteresse des Beigeladenen gegenüber. Letzteres wird durch das zugleich bestehende öffentliche Interesse an der Verwirklichung des geplanten Vorhabens verstärkt. Der Gesetzgeber geht bei planfestgestellten Vorhaben des Hochwasserschutzes davon aus, dass das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient (vgl. § 71 Abs. 2 WHG; BT-Drs. 18/10879 S. 26). Zudem handelt es sich bei dem Vorhabenträger, dem beigeladenen Wasser- und Bodenverband, um eine nicht nur dem Nutzen seiner Mitglieder, sondern auch dem öffentlichen Interesse dienende öffentlich-rechtliche Körperschaft, § 1 Abs. 2 Satz 1 WVG. Das konkrete Vorhaben führt er im Rahmen der sogenannten Eigenvorsorge-Verpflichtung aus § 5 Abs. 2 WHG bzw. § 57 Abs. 1 LWG (dazu Kollmann/Mohr in PdK, LWG SH, Stand Febr. 2020, § 57 Anm. 1) für die Hochwasserbetroffenen und zugleich im Interesse der gesamten Gemeinde aus.

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Das so definierte Vollzugsinteresse des Beigeladenen überwiegt das Aufschubinteresse des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3). Ihre gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobene Anfechtungsklage hat nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Sie erscheint zwar zulässig, unter Würdigung der vorgebrachten Tatsachen aber unbegründet. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand verstößt der Planfeststellungsbeschluss gegen keine Rechtsvorschriften, deren Verletzung zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens führen würde.

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2. Der Prüfungsumfang für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ergibt sich aus § 6 UmwRG, der den klagenden Beteiligten eine Frist von zehn Wochen setzt, innerhalb derer sie die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben müssen. Diese Frist gilt auch hier, da sich die Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) UmwRG wendet. Bei dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss nach §§ 67, 68 Abs. 1 WHG handelt es sich um eine Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG für ein Vorhaben, für das nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1, Ziffer 13.13 (Bau eines Deiches oder Dammes, der den Hochwasserabfluss beeinflusst) und § 7 Abs. 1 UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Unbeschadet der sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebenden Aufklärungspflicht erfolgt die gerichtliche Überprüfung nur im Rahmen der klägerseitig rechtzeitig angegebenen Tatsachen.

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Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist außerdem die Sach- und Rechtslage bei Erlass desselben (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.2017 - 7 A 2.15 u.a. -, juris Rn. 21 m. w. N.; Senat, Urt. v. 27.02.2020 - 4 KS 2/16 -, juris Rn. 40 m.w.N.; Schenk in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, 53. EL Aug. 2019, § 68 WHG Rn. 20, 25).

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3. Rechtsgrundlage des Planfeststellungsbeschlusses vom 24. Februar 2020 sind die §§ 67, 68 WHG i. V. m. § 83 des Landeswassergesetzes (in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zum Neuerlass des Wassergesetzes und zur Änderung anderer wasserrechtlicher Vorschriften v. 13.11.2019, GVOBl. S. 425, gültig ab dem 01.01.2020 - LWG -). Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich gemäß §§ 67 Abs. 2 Satz 3, 68 Abs. 1 WHG, § 83 Abs. 1 Nr. 2 LWG um einen planfeststellungsbedürftigen Gewässerausbau.

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4. Die Rüge formeller Fehler bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bleibt ohne Erfolg. Die in § 70 Abs. 1 Halbs. 2 WHG vorgeschriebene Anwendung der §§ 72-78 VwVfG tritt gemäß landesrechtlicher Regelung in § 84 Abs. 1 LWG zurück; es gelten die §§ 139-145 LVwG unter Beachtung von Einzelvorschriften des Landeswassergesetzes. Die Zuständigkeit des Antragsgegners als untere Wasserbehörde folgt aus § 101 Abs. 1 Nr. 3 LWG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der Wasser- und Küstenschutzbehörden v. 04.12.2019, GVOBl. S. 638, gültig ab dem 01.01.2020 - WaKüVO -).

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Verfahrensfehler bei der Entscheidungsfindung und Veröffentlichung des festgestellten Plans, die zum Erfolg der Anfechtungsklage führen würden, ergeben sich nicht.

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a. Dies gilt zunächst für den Vortrag, der Antragsgegner habe seine Entscheidung auf Unterlagen gestützt (PFB S. 8 Nr. 7.-9.), die den Antragstellenden zuvor nicht bekannt gewesen seien, da sie erst nach der letzten Anhörung gefertigt worden seien. Diese Behauptung trifft für den „Landschaftspflegerischen Begleitplan inkl. artenschutzrechtlicher Bewertung, aufgestellt vom Planungsbüro GFN, …, Stand 14.03.2016, Kapitel 1 bis 4 und 7 bis 9“ (PFB S. 8 Nr. 7) schon nicht zu, da dieser sowohl im September 2016 als auch im Mai 2017 in vollständiger Form mit auslag (s. …) und die letzte Erörterung deutlich danach, nämlich am 13. November 2018 erfolgte.

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In Bezug auf die beiden anderen erwähnten Unterlagen – „Wasserstände im Bereich der Einmündung der Verbandsrohrleitung Nr. 45 (Entwässerung Englischer Garten), Ingenieurgemeinschaft R. + W. / BWS, August 2019“ (PFB S. 8 Nr. 8; BA H Bl. 2313 ff. = BA I Bl. 2759) und die „Vegetationsökologische Beurteilung für den Standort „Gutspark Schloss A.“ der Unteren Naturschutzbehörde vom 03. September 2019“ (PFB S. 8 Nr. 9; …) – wird im Übrigen nicht dargelegt, gegen welche Verfahrensvorschrift insoweit verstoßen worden sein soll. Dass eine erneute Auslegung dieser Unterlagen erforderlich gewesen wäre (§ 140 Abs. 3 LVwG), wird nicht geltend gemacht. Dies wäre mit Blick auf die mit der Planauslegung verfolgte Anstoßfunktion (dazu etwa Neumann/Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 73 Rn. 47) auch nicht zu verlangen. Seine mögliche Betroffenheit als Eigentümer und denkmalschutzrechtlich für den Gutspark Verantwortlicher hatte der Antragsteller zu 2) schon ohne Kenntnis der Unterlagen erkannt und geltend gemacht. Eine Änderung des Gesamtkonzepts der Planung oder ein grundlegend anderes Beurteilungsergebnis (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 - 9 A 9.15 -, BVerwGE 155, 91 ff., juris 33 m.w.N.) ergab sich aus den nachträglich eingeholten Auskünften / Beurteilungen nicht. Sie dienten lediglich der vertieften Prüfung der vom Antragsteller zu 2) erhobenen Einwendungen. Entsprechend wurden sie nachrichtlich und zwecks Vervollständigung der Datengrundlage im Planfeststellungsbeschluss aufgeführt, um die Rechtmäßigkeit der Planung umfassend darzutun. Auch ein Verstoß gegen die Mitteilungs- und Anhörungspflicht nach § 140 Abs. 8 LVwG scheidet aus. Der ausgelegte Plan sollte nicht geändert werden, so dass auch eine erstmalige oder stärkere Belastung der Belange des Antragstellers zu 2) nicht im Raum stand.

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Im Übrigen führt ein Verfahrensfehler nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zu einem ergänzenden Verfahren, wenn die konkrete Möglichkeit erkennbar ist, dass der Planfeststellungsbeschluss bei einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Beteiligung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.2004 - 9 A 11.03 -, BVerwGE 121, 72 ff., juris Rn. 48). Dem Vortrag des Antragstellers zu 2) sind jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, welche ergänzenden Tatsachen oder Rechtsausführungen er in Kenntnis der bezeichneten Unterlagen hätte vorbringen wollen und dass deshalb ein anderes Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses zu erwarten gewesen wäre.

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b. Verfahrensmängel in Bezug auf die Zustellung und Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses sind nicht festzustellen. Soweit die Antragstellenden darauf hinweisen, dass sich die individuellen Zustellungen mit der Übersendung des Beschlusstextes begnügt hätten, ist dies nicht zu beanstanden. Nach § 141 Abs. 4 Satz 1 LVwG ist denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, lediglich der Planfeststellungsbeschluss zuzustellen. Dieser besteht aus dem Tenor der Entscheidung einschließlich der Anordnung von Schutzmaßnahmen und Ausgleichszahlungen gemäß Abs. 2 Satz 2 und 3, der Begründung und der Rechtsmittelbelehrung. Nicht zuzustellen sind der festgestellte Plan und weitere von der Feststellung erfasste Unterlagen (vgl. Neumann/Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 206). Auf etwaige Mängel im Rahmen der nach § 141 Abs. 4 Satz 2 LVwG vorgesehenen Auslegung einer Ausfertigung des Beschlusses nebst Ausfertigung des festgestellten Planes können sich die Antragstellenden darüber hinaus nicht berufen. Wie sich aus § 141 Abs. 4 Satz 4 LVwG ergibt, dient die Auslegung allein dem Zweck, auch gegenüber Betroffenen und Vereinigungen, die keine Einwendungen erhoben und keine Stellungnahmen abgegeben haben, eine Wirksamkeit und Bestandskraft herbeizuführen. Entsprechend gilt § 141 Abs. 4 Satz 2 LVwG auch nur für die übrigen Betroffenen. Selbst ein etwaiger Zustellungsmangel gegenüber denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, wäre damit nicht heilbar (vgl. Neumann/Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 210-213 m.w.N.). Ob „die nachträglich gefertigten Unterlagen“ dem „möglicherweise“ beigefügt waren und ob die Antragstellenden aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise nicht in der Lage waren, sich hiervon zu überzeugen bzw. diese zur Kenntnis zu nehmen, ist daher ebenso unerheblich wie die offen gebliebene Frage, welcher konkrete Verfahrensverstoß für den einen oder anderen Fall geltend gemacht werden soll.

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5. Die materielle Rechtmäßigkeit wird durch die vorgebrachte Begründung nicht in Frage gestellt.

39

a. Die anzustellende Interessenabwägung fällt nicht schon deshalb zu Lasten der Antragstellenden aus, weil diese es innerhalb der Begründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG versäumt hätten, den Prozessstoff zu fixieren. Die Vorschrift ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut zwar nur auf Hauptsacheverfahren anzuwenden, wirkt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jedoch mittelbar aus auf die zu treffende Interessenabwägung, wenn sich diese – wie hier (s. B. I. 1.) – an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert und eine dortige Präklusion nach § 6 UmwRG zu berücksichtigen wäre (vgl. BayVGH, Beschl. v. 18.10.2019 - 8 AS 19.40016 -, juris Rn. 49; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 90. EL Febr. 2020, § 6 UmwRG Rn. 26; Marquardt, NVwZ 2019, 1162, 1164).

40

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners wurde ein relevanter Prozessstoff innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG festgelegt. Dies ergibt sich aus § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Möglichkeit, den maßgeblichen Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln, ist u.a. dann mit geringem Aufwand möglich, wenn parallel zur Klage ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und dieser inhaltlich begründet wird (Marquardt, NVwZ 2019, 1162, 1166; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.11.2018 - 1 KN 29/17 -, juris Rn. 31). So liegt es hier. Der aus Sicht der Klägerseite maßgebliche Prozessstoff lässt sich ohne weiteres ermitteln, indem man den Inhalt des innerhalb der Klagebegründungsfrist am 27. März 2020 eingegangenen und hier zur Entscheidung stehenden Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinzuzieht. Es kann ohne weiteres angenommen werden, dass der Planfeststellungsbeschluss zumindest mit den insoweit bezeichneten tatsächlichen Gesichtspunkten auch im Hauptsacheverfahren angegriffen werden soll, auch wenn die Klageschrift hierauf keinen Bezug nimmt.

41

b. Die rechtzeitig vorgebrachten Einwände legen eine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses allerdings nicht dar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller zu 2) wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung einen Anspruch auf umfassende gerichtliche Überprüfung im Hinblick auf die objektive Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses hat (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Die enteignungsrechtliche Vorwirkung tritt vorliegend gemäß § 71 Abs. 2 WHG schon kraft Gesetzes ein (Schenk in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, 53. EL Aug. 2019, WHG § 71 Rn. 17 m.w.N.). Bei dem Vorhaben handelt es sich, wie bereits unter A. I. ausgeführt, um eine Maßnahme des Hochwasserschutzes. Der Vollüberprüfungsanspruch reicht allerdings nur so weit, wie die im Rahmen der Anfechtungsklage geltend gemachten Rechtsfehler für die Inanspruchnahme des Eigentums erheblich, insbesondere kausal sind. Daran würde es etwa dann fehlen, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde (BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1075.04 - juris Rn. 511, Urt. v. 28.04.2016 - 9 A 14.15 -, juris Rn. 15 f., Vorlagebeschl. v. 25.04.2018 - 9 A 16.16 -, juris Rn. 55).

42

aa. Eine Planrechtfertigung ist gegeben. Die Planung von Deich- und Dammbauten i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom WHG verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht. Das ist nicht erst bei der Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.05.2020 - 2 R 24/20 - juris Rn. 32; VGH München, Beschl. v. 18.01.2005 - 8 Cs 04.1724 -, juris Rn. 38). Gemessen daran fehlt es vorliegend nicht an der Planrechtfertigung. Die Errichtung von Hochwasserschutzanlagen und Dämmen zum Schutz vor Hochwasser ist ein vom Wasserhaushaltsgesetz verfolgtes Ziel (vgl. §§ 67 ff. WHG), was insbesondere seit Inkrafttreten des Hochwasserschutzgesetzes II (v. 30.06.2017, BGBl I S. 2193) zum Ausdruck kommt. Das streitgegenständliche Vorhaben entspricht diesem gesetzlichen Planungsziel und ist vernünftigerweise geboten. Die geplante Hochwasserschutzmaßnahme soll die Ortslage A. zukünftig effektiv vor weiteren Hochwasserereignissen schützen. Dass dies nach dem letzten Hochwasserereignis von September 2011 vernünftigerweise geboten ist, wird im Planfeststellungsbeschluss (S. 27 ff.) überzeugend dargelegt und nicht in Frage gestellt.

43

bb. Verstöße gegen zwingendes Recht ergeben sich nicht.

44

(1) Insbesondere beeinträchtigt die planfestgestellte Hochwasserschutzmaßnahme nicht das Wohl der Allgemeinheit i.S.d. § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG. Denn das Vorhaben führt zu einer Minderung der Hochwassergefahr und zerstört keine natürlichen Rückhalteflächen. Eine mit dem Ausbau verbundene lokale Erhöhung der Stau-, Grund- und Druckwassergefahren stellt im Übrigen keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit dar, solange der Gewässerausbau insgesamt zu einer Verringerung der Hochwassergefahr führt. Derartige Folgeprobleme einer Hochwasserschutzmaßnahme sind im Planfeststellungsverfahren insbesondere durch die Anordnung von Schutzmaßnahmen zu bewältigen (BVerwG, Urt. v. 22.10.2015 - 7 C 15.13 -, juris Rn. 41). Soweit die Antragstellenden sich mit ihrem Vortrag gegen die Variantenauswahl wenden, ist dies keine Frage der Allgemeinwohlbeeinträchtigung, sondern ein Problem, das im Rahmen der Abwägung zu behandeln ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 18.01.2005 - 8 Cs 04.1724 -, juris Rn. 39).

45

(2) Das als verletzt gerügte Verbesserungsgebot aus § 27 WHG, Art. 4 Abs. 1a) Ziff. ii und iii WRRL stellt demgegenüber einen zwingenden materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab für die Zulassung von Vorhaben dar und ist einer planerischen Abwägung nicht zugänglich (BVerwG, Urt. v. 10.11.2016 - 9 A 18.15 -, BVerwGE 156, 215 ff., juris Rn. 96; Hinweisbeschl. v. 25.04.2018 - 9 A 16.16 -, juris Rn. 46; Schenk in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, 53. EL Aug. 2019, WHG § 68 Rn. 26). Dies ist durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - geklärt. Aus dem verbindlichen Charakter folgt, dass die Zulassungsbehörde eine gewässerkörperbezogene Prüfung durchführen muss und die Genehmigung eines konkreten Vorhabens zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächengewässers verursachen kann oder wenn es die Erhaltung bzw. Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet. Für die Gefährdung ist auf den allgemeinen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab abzustellen (BVerwG, Urt. v. 02.11.2017 - 7 C 25.15 -, juris Rn. 58, Vorlagebeschl. v. 25.04.2018 - 9 A 16.16 -, juris Rn. 31, 36, Urt. v. 27.11.2018 - 9 A 8.17 -, BVerwGE 163, 380 ff., juris Rn. 22). Eine solche Gefährdung lässt sich bei summarischer Prüfung und auf der Grundlage des Klage- bzw. Antragsvorbringens nicht feststellen.

46

Eine gewässerkörperbezogene Prüfung der Bewirtschaftungsziele aus § 27 Abs. 2 WHG wurde durchgeführt (PFB unter 3.2.6, S. 39 ff.). Sie bezieht sich allerdings vorrangig auf den allein im Bewirtschaftungsplan aufgenommenen und hier als „erheblich verändert“ eingestuften Oberflächenwasserkörper „ff_11 S.- Au“ und geht davon aus, dass etwaige vorhabenbedingte Belastungen der G.- Au als „nicht berichtspflichtiges Nebengewässer“ nur insoweit zu berücksichtigen sind, wie sie sich auf die S.- Au auswirken können. Die Prüfung endet mit der Feststellung, dass das Vorhaben dem Erreichen eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands nicht entgegensteht, da es auf die Zielerreichung ohne relevanten Einfluss sei. Die Einstufung der G.- Au als nicht berichtspflichtiges Nebengewässer und deren Nichtaufnahme in den Bewirtschaftungsplan (Stand 22. Dezember 2015, 2. Bewirtschaftungszeitraum 2016-2021, herausgegeben vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, siehe https://www.schleswig-holstein.de/....) wiederum wird von dem Antrag nicht in Frage gestellt. Sie erscheint nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch nicht sachwidrig (zu diesem Maßstab: BVerwG, Urt. v. 10.11.2016 - 9 A 18.15 -, BVerwGE 156, 215 ff., juris Rn. 106).

47

Ebenso wenig steht die weitere Vorgehensweise in Frage, die vorhabenbedingten Belastungen der G.- Au nur insoweit zu berücksichtigen, wie sie sich auf die S.- Au auswirken können. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass dieses Vorgehen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bewirtschaftungsziele für alle Oberflächengewässer oder nur für solche ab einer bestimmten Größe des Einzugsgebietes gelten (BVerwG, a.a.O. Rn. 100 ff., Urt. v. 27.11.2018 - 9 A 8.17 -, BVerwGE 163, 380 ff., juris Rn. 43 f.).

48

Vorhabenbedingte und im vorliegenden Zusammenhang relevante Belastungen der G.- Au, namentlich eine Gefährdung der in § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG vorgegebenen Ziele werden von den Antragstellenden nicht benannt. Gerügt wird lediglich die Perpetuierung eines „ungenügenden ökologischen Zustand(s) der 1100’er Dorfleitung“ durch Investition in den Polder. Allein die Perpetuierung eines bestehenden Zustands der G.- Au führt aber weder zu einer Verschlechterung noch zu einer Gefährdung des Ziels, den Zustand der S.- Au zu verbessern. Ob die von den Antragstellenden präferierte Lösung – ein offenes Umleitungsgewässer (Umgehungsgerinne) östlich der Ortslage – „besser“ wäre als die planfestgestellte Lösung, ist keine Frage des Verbesserungsgebotes im vorstehend erläuterten Sinn, sondern tatsächlich nur eine Frage der Variantenauswahl und damit der Abwägung.

49

cc. Eine unzureichende „Entschädigungsgrundentscheidung“ in Bezug auf möglicherweise vorzunehmende Enteignungen besteht nicht. Den insoweit maßgeblichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG, wonach eine dem Allgemeinwohl dienende Enteignung nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, ist Genüge getan. Maßgeblich ist insoweit nicht (mehr) § 71 Abs. 1 Satz 1 WHG, sondern der mit dem Hochwasserschutzgesetz II (v. 30.06.2017, BGBl I S. 2193) zum 5. Januar 2018 eingeführte § 71 Abs. 2 WHG. Mit dieser Regelung wird kraft Gesetzes bestimmt, dass eine Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist, soweit sie zur Durchführung eines festgestellten oder genehmigten Plans notwendig ist, der dem Küsten- oder Hochwasserschutz dient. Der Enteignungszweck des § 71 Abs. 2 Satz 1 WHG knüpft an die Regelung des § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG an. Zu den Maßnahmen des Hochwasserschutzes gehören, wie bereits ausgeführt, auch Deich- und Dammbauten sowie gesteuerte Flutpolder. Dieser Zweck rechtfertigt eine Enteignung, wenn der Hochwasserschutz als Maßnahme des Gewässerausbaus planfeststellungsbedürftig ist (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 71 Rn. 14 f.). § 71 Abs. 2 Satz 2 WHG stellt klar, dass es in diesem Fall bei der Feststellung des Plans abweichend von Absatz 1 Satz 1 keiner Bestimmung über die Zulässigkeit der Enteignung bedarf (Schenk in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, 53. EL Aug. 2019, § 71 WHG Rn. 17). Soweit der vorliegende Planfeststellungsbeschluss die Enteignung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 WHG ausdrücklich für zulässig erklärt, wäre also selbst dies nicht notwendig gewesen. Im Übrigen wurde auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 WHG bejaht (s. PFB S. 51).

50

Weitergehende Anforderungen sind an den Planfeststellungsbeschluss nicht zu stellen. Die verfassungsrechtlich gebotene Entschädigungsklausel (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) kommt mit dem Verweis in § 71 Abs. 4 WHG auf das im Übrigen geltende Enteignungsgesetz des Landes ausreichend zum Ausdruck (Schenk in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, 53. EL Aug. 2019, § 71 WHG Rn. 18; Spieth in: BeckOK Umweltrecht, 55. Ed. Juli 2020, § 71 Rn. 6). Dabei enthält Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG eine Entschädigungsverpflichtung dem Grunde nach, die der Gesetzgeber nach Art und Ausmaß unter Beachtung der Richtlinien des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG konkretisieren muss. Inhalt und Umfang des einklagbaren Entschädigungsanspruchs werden durch das die Entschädigung regelnde Gesetz bestimmt. Ob die Entschädigung in Geld oder anderen Werten (z.B. Rechte, Ersatzland) bestehen soll und welche Bewertungsgrundlagen sowie welche Maßstäbe entscheidend sein sollen, hat nicht die Verwaltung, sondern der Gesetzgeber zu entscheiden (Burghart in: Leibholz/Rinck, GG, 79. Lfg. Okt. 2019, Art. 14 Rn. 1161, 1186 ff.). Entsprechend bildet das Wasserhaushaltsgesetz gemeinsam mit dem hier einschlägigen Landesgesetz über die Enteignung von Grundeigentum (als solches bekanntgemacht gemäß Zweiten Gesetzes über die Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts v. 05.04.1971 [GVOBl. S. 182], zuletzt geändert durch Art. 18 LVO v. 16.01.2019 [GVOBl. S. 30] - LEnteignG -) die von der Verfassung geforderte Rechtsgrundlage und die Ermächtigung zum Zugriff auf das Eigentum der Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.1977 - 1 BvR 514/68 -, BVerfGE 45, 297 ff., juris Rn. 87; Kollmann/Mohr in: PdK, LWG SH, Stand Febr. 2020, § 85 Anm. 3).

51

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nach summarischer Prüfung nicht. Das von den Antragstellenden benannte Preußische Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum ist vom Landesgesetzgeber nach Inkrafttreten des Grundgesetzes in seinen Willen aufgenommen und bestätigt worden (zum Bestätigungswillen bei vorkonstitutionellen Gesetzen vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.06.1985 - 1 BvL 14/84 -, juris Rn. 15). Es wurde durch das Zweite Gesetz über den Abschluss der Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts (v. 13.12.1973 [GVOBl. S. 414]) als Landesenteignungsgesetz übernommen und später mehrfach im Zusammenhang geändert. § 2 LEnteignG überlässt die Bestimmung über die Zulässigkeit der Enteignung zwar noch einem Beschluss der Landesregierung, doch ist dies ohne praktische Bedeutung, da die entsprechende Bestimmung heute auf der Grundlage fachgesetzlicher Regelungen erfolgt. Im Übrigen werden die wesentlichen Kriterien des Grundgesetzes zum Schutz des Eigentums erfüllt. Die zum Teil knappen Formulierungen sind einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. So lässt sich für alle Fälle der Administrativenteignung sicherstellen, dass die Enteignung nur als letzte Möglichkeit zulässig ist, nachdem alle anderen Versuche einer einvernehmlichen Regelung, um ein Grundstück zur Erfüllung einer zum öffentlichen Wohl erforderlichen Aufgabe zu erwerben oder zu belasten, zu keinem Erfolg geführt haben (vgl. Bald/Bliese in: PdK, LEnteignG SH, Stand Febr. 2017, Vorbemerkung). Unschädlich ist deshalb auch, dass das (vormals) vorkonstitutionelle Gesetz noch von dem enteignungsrechtlichen Planfeststellungsverfahren als Regelverfahren ausgeht, weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch keine Planfeststellungsverfahren aufgrund von Fachgesetzen existierten.

52

Werden die Eigentumseingriffe fehlerfrei erkannt und abgewogen, erschöpft sich die rechtliche Regelung des Planfeststellungsbeschlusses bei Enteignungsbetroffenen tatsächlich darin, die benötigten Flächen zu bezeichnen und den Rechtsentzug zuzulassen bzw. dessen Voraussetzungen festzustellen. Im Übrigen kann auf das Enteignungsverfahren verwiesen werden, dem der Rechtsentzug selbst und die Entscheidung über die damit verbundenen Entschädigungsfragen vorbehalten sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.07.2004 - 9 A 21.03 -, juris Rn. 21; OVG Schleswig, Urt. des Senats vom 27.02.2020 - 4 KS 2/16 -, juris Rn. 77 zu § 19 Abs. 5 FStrG). Danach bleibt auch die Ermittlung der Nutzungsart und der Beeinträchtigung der einzelnen Flächen dem Enteignungsverfahren vorbehalten.

53

Hiervon ausgehend verfängt der Verweis auf den Aufsatz von Grages (RdL 2016, 58 ff.) nicht. Dieser stellt zutreffend heraus, dass ein für notwendig erachteter Eingriff in das Eigentumsrecht durch Enteignung schon im Planfeststellungsverfahren zu beachten und sorgsam abzuwägen ist. Ihm ist aber nicht zu entnehmen, dass der Planfeststellungsbeschluss insoweit eine „Entschädigungsgrundentscheidung“ enthalten muss. Die zitierte Vorschrift des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, die unter den genannten Voraussetzungen „bereits einen planungsrechtlichen Entschädigungsanspruch“ begründet, bezieht sich nicht auf enteignungsbetroffenes Eigentum, sondern auf nur mittelbar betroffene Rechtspositionen.

54

Inwieweit sich aus dem zitierten Urteil des EGMR (v. 19.01.2017 - 32377/12 -, juris) bzw. den vorausgehenden bundesgerichtlichen Entscheidungen Abweichendes ergeben soll, erhellt sich nicht. In dem tatbestandlich erwähnten Klageverfahren vor dem BVerwG war es offenbar nicht zu einem Urteil gekommen, das Verfahren wurde vielmehr eingestellt (EGMR a.a.O. Rn. 11), ohne dass nähere Umstände bekannt wären. Der im nachfolgenden Entschädigungsverfahren angerufene BGH hat keine „Entschädigungsgrundentscheidung“ in das Planfeststellungsverfahren verwiesen, sondern nur einen (für eine Bergbauberechtigung eventuell bestehenden) Anspruch auf Vornahme einer Enteignung (BGH, Urt. v. 14.04.2011 - III ZR 30/10 -, BGHZ 189, 231 ff. juris Rn. 31).

55

c. Entscheidungserhebliche Abwägungsmängel sind nach summarischer Prüfung weder überzeugend dargelegt noch ersichtlich.

56

Ein auf § 68 Abs. 3 WHG gestützter Planfeststellungsbeschluss setzt eine planerische Abwägung voraus, in deren Rahmen die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht mit dem Ziel abzuwägen sind, eine inhaltlich in sich abgewogene Planung zu erreichen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.05.2020 - 2 R 24/20 - juris Rn. 40 m.w.N.). Diese Anforderungen beziehen sich sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch auf das im Plan zum Ausdruck kommende Abwägungsergebnis (OVG Schleswig, Urt. des Senats v. 24.06.2008 - 4 LB 15/06 -, juris Rn. 82). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr des BVerwG, vgl. Urt. v. 14.03.2018 - 4 A 5.17 - juris Rn. 73 m.w.N.). Die damit einhergehende Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung einer getroffenen Entscheidung ist der planerischen Gestaltungsfreiheit der Fachplanungsbehörde geschuldet. Das Gericht ist nicht befugt, die Planfeststellungsbehörde auf bestimmte Planungsergebnisse festzulegen (OVG Schleswig, Urt. des Senats v. 27.02.2020 - 4 KS 2/16 -, juris Rn. 68 m.w.N.).

57

aa. Der Sache nach – wenn auch im Zusammenhang mit dem zwingend zu beachtenden Verbesserungsgebot (s.o. B. I. 5., b., bb. (2.)) – wird die Auswahl der Polderlösung statt des von den Antragstellenden bevorzugten östlichen Umgehungsgewässers gerügt. Die so verstandene Rüge greift allerdings nicht durch. Die Variantenauswahl ist für die Inanspruchnahme bzw. Betroffenheit der Flächen des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3) zwar kausal, gerichtlicherseits aber nicht zu beanstanden; dies gilt sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis.

58

Die Auswahl unter verschiedenen Planungsvarianten ist ungeachtet rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung und unterliegt ebenfalls nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Varianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese andere Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr des BVerwG, vgl. Urt. v. 14.03.2018 - 4 A 5.17 -, BVerwGE 161, 263 ff., juris Rn. 82, Urt. v. 26.06.2019 - 4 A 5.18 - juris Rn. 61).

59

Der Antragsgegner hat die von den Antragstellenden bevorzugte Variante eines Umleitungsgewässers östlich der Ortslage (Variante 3 optimiert) nicht als weniger geeignet frühzeitig ausgeschieden, sondern sie als einzig ernsthaft in Betracht kommende Alternative zur Polderlösung (Variante 1 optimiert) berücksichtigt. Beide Varianten könnten alle vier angenommenen Lastfälle bewältigen, böten ein hohes Potenzial an Sicherung der Ortslage gegen Überflutungen und enthielten Maßnahmen zum Schutz für den S. sowie für den N.. Diese beiden Varianten wurden anhand von fünf verschiedenen Kriterien einer vergleichenden Prüfung unterzogen, aufgrund derer sich der Antragsgegner für die Polderlösung entschied. Bei drei Kriterien schnitten die Varianten etwa gleich gut ab (Eignung zur Erreichung der Planungsziele, Betroffenheit von Eigentum / gewerblicher Betriebe und der Gärtnerei). Ausschlaggebend war danach die optimale Ausnutzung möglicher Retentionsräume und das umweltfachlich bessere Abschneiden der Variante 1, die sich zudem auch als deutlich wirtschaftlicher darstellte als die Variante 3 (PFB unter 4.4.4 S. 61 ff., 73). Hiervon ausgehend hätte sich die Variante 3 keinesfalls als Lösung aufdrängen müssen. Dass der Antragsgegner bei der Abwägung einzelner Belange fehlerhaft ermittelt, bewertet oder gewichtet hätte, ist ebenfalls nicht dargelegt. Die Kriterienauswahl als solche wird nicht angegriffen.

60

Nach Ablauf der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG wurde weiter geltend gemacht, dass das streitige Vorhaben – die Variante 1 – „in den tatsächlichen Mangel hinein“ geplant worden sei und der festgestellte Plan seine Funktion nicht erfüllen könne, weil die Schöpfleistung des nördlich gelegenen Schöpfwerkes Gr. zu klein sei. In welchem tatsächlichen Zusammenhang dieser Vortrag erfolgt, wird nicht erläutert. Nimmt man ungeachtet einer denkbaren Präklusion nach § 6 UmwRG an, dass sich die Antragstellenden damit auf die Variantenauswahl beziehen und ein Argument gegen eine Gleichwertigkeit der Variante 1 gegenüber der Variante 3 vorbringen wollen, so verhilft auch dies dem Vortrag nicht zu Erfolg. Insoweit hätte es einer näheren Auseinandersetzung mit dem im Planfeststellungsbeschluss dargestellten Werdegang bei Auswahl und Optimierung der Varianten bedurft. Eine Ertüchtigung des Schöpfwerkes als eigenständiger Lösungsansatz wurde frühzeitig ausgeschieden. Die sodann angestellte Überlegung, die Ertüchtigung als ergänzende Maßnahme hinzuzuziehen, um auch für den Fall zweier gleichzeitig auftretender Hochwasserereignisse, nämlich eines Hochwassers aus dem Binnenland und lang anhaltender, hoher Ostseewasserstände gerüstet zu sein, konnte nach Optimierung der Variante 1 jedoch ebenfalls ausgeschieden werden, da die Polderlösung nach den letzten Berechnungen auch den Lastfall 4 (erhöhter Ostseewasserstand) ausreichend bewältigt (PFB S. 57 ff.). Warum der festgestellte Plan seine Funktion dennoch nicht erfüllen können soll, wird im Antrag nicht erläutert.

61

Im Übrigen äußert sich der Antrag zur Variantenauswahl nur indirekt, indem er ausführt, dass die festgestellten Nachteile der Variante 3 – höhere Kosten, Belastung teilweise anderer Eigentümer – wegen der Geltung des wasserrechtlichen Verbesserungsgebotes (§ 27 WHG, Art. 4 WRRL) hinzunehmen seien. Denn eine Verbesserung des ökologischen Zustands sei in der Örtlichkeit nur durch ein Umgehungsgerinne östlich der Ortslage zu erreichen. Nur der offene Gewässerverlauf, nicht aber eine Rohrleitung wie die 1100’er Dorfleitung lasse das Gewässer in eine vielfältige Wechselwirkung mit der Umgebung treten. Dabei wird zutreffend ausgeführt, dass das Verbesserungsgebot einen zwingenden materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab für die Zulassung von Vorhaben darstellt und einer planerischen Abwägung nicht zugänglich ist. Dies hat der Antragsgegner berücksichtigt.

62

Die vorgetragene Auffassung, dass aus einer „Pflicht zur aktiven Verbesserung“ zugleich eine „Pflicht zur Wahl der den Gewässerzustand verbessernden Maßnahmenalternative“ folge, vermag aus den vorgenannten Gründen nicht zu überzeugen, kann aber auch dahinstehen. Denn es ist nicht erkennbar, dass durch die Variante 3 eine Verbesserung des hier maßgeblichen Oberflächenkörpers „ff_11 S.- Au“ zu erwarten wäre. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Erreichung der Bewirtschaftungsziele im Rahmen der Abwägung zwischen verschiedenen Varianten außer Betracht gelassen und insbesondere unter Berücksichtigung der Betroffenheit umweltfachlicher Schutzgüter (PFB S. 68) zu dem Schluss gekommen ist, dass die planfestgestellte Lösung deutlich weniger eingriffsintensiv und damit „besser“ ist als ein offenes Umleitungsgewässer östlich der Ortslage.

63

bb. Die vom Antragsteller zu 2) geltend gemachten schutzwürdigen Interessen in Bezug auf seinen unter Denkmalschutz stehenden Gutspark sind fehlerfrei erkannt und bewertet worden. Ob der aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleitete Vollüberprüfungsanspruch die diesbezügliche Rüge umfasst, kann dahinstehen, da der Antragsteller zu 2) insoweit als zugleich mittelbar Betroffener die Berücksichtigung eines abwägungserheblichen Belanges geltend macht.

64

Nach summarischer Prüfung fehlt es allerdings schon an einem beachtlichen privaten Belang. Auch der angeführte Schutz des Denkmals gebietet keine andere als die getroffene Entscheidung. Nachvollziehbar ist der Antragsgegner unter Beachtung der denkmalrechtlichen Vorgaben zu dem Schluss gekommen, dass der Gutspark als Denkmalbereich durch das planfestgestellte Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt wird (PFB unter 4.3, S. 54 ff.).

65

Die denkmalrechtlichen Vorgaben waren nach der in § 84 Abs. 1 Satz 1 LWG i.V.m. § 142 Abs. 1 LVwG vorgesehenen Konzentrationswirkung vom Antragsgegner eigenverantwortlich und anstelle der Denkmalschutzbehörde zu prüfen. Genehmigungen oder Zustimmungen anderer Fachbehörden werden durch den festgestellten Plan ersetzt. Dabei hat die Planfeststellungsbehörde dasjenige materielle Recht anzuwenden, das für die nicht mehr erforderlichen Entscheidungen gilt. Strikte Gebote oder Verbote, die sich aus diesem Recht ergeben, kommen auch in der Planfeststellung zur Geltung und lassen sich nicht zu bloßen Abwägungsposten abschmelzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 ff., juris Rn. 448 zu § 9 Abs. 1 LuftVG; Kämper in: BeckOK VwVfG, 48. Ed. 01.07.2020, § 75 Rn. 5). Die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, werden stattdessen im Anhörungsverfahren beteiligt (§ 140 Abs. 2, 3a, 6 LVwG). Ihre Stellungnahmen binden die Planfeststellungsbehörde jedoch nicht. Diese hat die den Fachbehörden zukommende Sachkompetenz zwar zu berücksichtigen, bleibt aber zur eigenverantwortlichen Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts verpflichtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.05.1988 - 4 C 11.85 und 12.85 -, juris Rn. 21; Kämper in: BeckOK VwVfG, 48. Ed. 01.07.2020, § 73 Rn. 17, 23 m.w.N.).

66

Ein Verstoß gegen das „einfachgesetzliche Entscheidungsprogramm“ ist entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 2) nicht erkennbar. Maßgeblich zu klären ist nach § 12 Abs. 2 DSchG, ob das Vorhaben einer denkmalrechtlichen Genehmigung bedurft hätte, weil es geeignet ist, den Gutspark als Denkmalbereich „wesentlich zu beeinträchtigen“. Dass der Antragsgegner bereits das Vorliegen einer solchen wesentlichen Beeinträchtigung verneinte und es deshalb einer Abwägung entsprechend § 13 Abs. 2 DSchG nicht mehr bedurfte, begegnet keinen Bedenken. Insbesondere wurden sowohl die im Planfeststellungsbeschluss bestätigten Folgen einer längeren Einstaudauer für den Denkmalwert und für die Erhaltungsverantwortung des Antragstellers zu 2) als auch die durch Stellungnahmen eingebrachte Sachkompetenz des an sich zuständigen Landesamtes für Denkmalpflege (§ 3 Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 2 DSchG) ausreichend berücksichtigt.

67

Das Landesamt stellte auf das denkmalpflegerische Ziel der Erhaltung des historischen Parks mit teilweise uraltem Baumbestand ab und empfahl die Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob der Baumbestand gefährdet sei. Empfohlen wurde eine sachverständige Person oder Stelle für Wasserbau und gartendenkmalpflegerische Fragen (Stgn. v. 20.10.2016, BA C Bl. 677, v. 29.06.2017, BA E Bl. 1245 ff., BA F Bl. 1658 und v. 26.10.2018, BA G Bl. 2067). Die Anhörungsbehörde schloss sich dieser Empfehlung an (Protokoll des Erörterungstermins vom 08.11.2017, BA F Bl. 1602), woraufhin die Planfeststellungsbehörde entsprechende Maßnahmen veranlasste. Das LLUR als Untere Forstbehörde führte eine Bestandserfassung im Gutspark durch (lehnte die Erstellung eines weitergehenden Gutachtens aber ab, Schreiben v. 18.10.2018, …). Der Beigeladene erhielt eine Gutachtenanforderung, wonach anhand prognostizierter Veränderungen der Wasserstände hinsichtlich Zeit und Dauer ermittelt werden sollte, ob diese Veränderungen geeignet seien, den Bewuchs in der historischen Parkanlage durch Staunässe zu schädigen (…). Nach Erhalt der hydraulischen Berechnungen durch das Ingenieurbüro R. + W. / BWS vom 22./27. August 2019 (…) holte die Planfeststellungsbehörde eine „Vegetationsökologische Beurteilung“ des hauseigenen Fachdienstes Naturschutz und Strategische Umweltplanung vom 3. September 2019 ein, welches zu dem Ergebnis kam, dass die Bedenken zum Erhalt des Altbaumbestandes aus vegetationsökologischer Sicht unbegründet seien (…). Hierauf ist die angegriffene Entscheidung maßgeblich gestützt.

68

Die vom Antragsteller zu 2) erhobenen Bedenken gegen dieses Vorgehen vermögen nicht zu überzeugen. Soweit er meint, die Vegetationsökologische Beurteilung sei „schon vom Ansatz her ungeeignet“, etwaige Beeinträchtigungen des Denkmalwertes angemessen abzuhandeln, übersieht er, dass das Landesamt für Denkmalpflege die Frage einer Beeinträchtigung der historischen Parkanlage gerade von der Beurteilung abhängig gemacht hat, ob der Baumbestand der Parkanlage gefährdet sei, wenn er tagelang im Stauwasserbereich stehe, zumal gerade Parkbäume eine sehr niedrige Toleranz hätten. Da das Landesamt selbst keine seinen Anforderungen entsprechende Person oder Stelle für ein derartiges Gutachten zu vermitteln vermochte, wurde die Begutachtung – wie dargestellt – in mehrere Schritte aufgeteilt. Auch wenn es am Ende um die Frage geht, ob die Vernässung des Gutsparkes dessen denkmalpflegerischen Wert (wesentlich) beeinträchtigt, ist dies doch eine von der Planfeststellungsbehörde zu beantwortende Rechtsfrage, die ihrerseits von den fachlich prognostizierten Veränderungen der Wasserstände und der fachlichen Einschätzung zur Toleranz der verschiedenen Baumarten und deren Standorte im Gutspark abhängt. Laut LLUR hätten die näheren Informationen zu den Standortanforderungen einzelner Baumarten auch in der Literatur recherchiert werden können. Warum die fachliche Einschätzung unter diesen Umständen nicht durch einen im Fachdienst Naturschutz tätigen Dipl.-Ing. (FH) für Landschaftsnutzung und Naturschutz abgegeben werden kann (gestützt auf eine eigene Ortsbegehung, ein Höhenschichtmodell, die Biotopkartierung und die Standortansprüche der vorhandenen Vegetation mit anschließender Konfliktanalyse), erläutert der Antragsteller zu 2) nicht. Auch mit den Inhalten der Vegetationsökologischen Beurteilung setzt er sich nicht substantiiert auseinander, sondern stört sich mehr an der Tatsache, dass die Beurteilung aus dem Hause des Antragsgegners kommt. Dies allein vermag die fachliche Qualität der Vegetationsökologischen Beurteilung jedoch nicht in Frage zu stellen.

69

Eine wesentliche Beeinträchtigung des hier in Rede stehenden Denkmalbereichs lässt sich nach alledem nicht feststellen. Dies ergibt sich schon aus der Lage der vom LLUR und vom Gutachter beschriebenen Areale im Gutspark, der in zwei abzugrenzende Bereiche unterteilt ist:

70

(1) Das Herrenhaus im Nordwesten ist von einer Graben- und Wallanlage umgeben, die ebenso wie der südlich angrenzende Englische Garten auf höherem Geländeniveau (ca. 3-4 mNN) liegt. Der Englische Garten weist laut LLUR eine parkartige Gestaltung mit Wegeführung, Rasenflächen, baulichen Anlagen und altem Baumbestand auf, der laubbaumdominiert ist (Rot-Buche, Stiel-Eiche, Berg-Ahorn, Gingko); auch finden sich hier einige Tannen. Auch Baumarten mit geringerer Überflutungstoleranz (Rot-Buche, Fichte) ertrügen aber kurzzeitige Überschwemmungen schadlos. Die Vegetationsökologische Beurteilung kommt zu dem Schluss, dass hier schon wegen der Höhenlage mit einer Betroffenheit von zukünftig möglichen Überflutungen nicht zu rechnen sei. Zudem weise der mittelalterliche Schlossgraben mit 2,65 mNN eine höhere Mindesteinstauhöhe auf als die zukünftigen maximalen Wasserstände von 1,62 mNN (bei HQ5) bzw. 1,81 mNN (bei HQSept.2011), ohne dass von Beeinträchtigungen berichtet worden wäre, die für die Zukunft befürchtet werden.

71

(2) Im südwestlichen und östlichen Teil erfolgte 1986 eine Biotopkartierung, die zu 80% den Biotoptyp „Bruchwald“ und zu 20% den Biotoptyp „Wald, mesophil“ umfasst. Der Erlenbruchwald ist von Erhebungen ähnlicher Höhenschichten wie der Gutspark umgeben, liegt selbst aber im Bereich mit den geringsten Geländehöhen und könnte daher am stärksten von Überflutungen betroffen sein. Laut Definition des LLUR steht ein solcher Bruchwald auf feuchten und nassen Böden mit mindestens 10 cm mächtigem organischen Oberboden. Hier besteht er aus Schwarzerlen sowie einer bruchwaldtypischen Bodenvegetation mit Sumpf-Seggen und Schwert-Lilien. Dieser Bereich stellt laut LLUR bereits eine Akklimatisierung an die herrschenden Standortverhältnisse dar. Die vorhandenen Baumarten seien an die nassen Bodenverhältnisse angepasst und reagierten tolerant auch auf länger andauernde Überschwemmungen. Als sog. Nässezeiger soll gerade die Schwarzerle sehr gut an nasse Standorte und wiederkehrende Überflutungen angepasst sein. Laut Biotopkartierung ist der Erlenbruchwald mit Pappeln und Fichten durchsetzt und von alten Eichen, Buchen und Eschen sowie einzelnen exotischen Nadelbäumen umgeben. Das LLUR berichtet von sich vereinzelt findenden Eschen, Stiel-Eichen, Moorbirken, Pappeln und Ulmen, die ebenfalls eine gewisse Toleranz gegenüber Überflutungen aufwiesen. Das bestätige auch die hohe Vitalität der Bäume trotz der in der jüngeren Vergangenheit aufgetretenen und länger andauernden Überschwemmungen. In den umgebenden höheren Bereichen fänden sich Rot-Buchen, Stiel-Eichen, Fichten, Ulmen, Berg-Ahorn und Stechpalme. Der Baumbestand sei vital. Von den genannten Baumarten könnten insbesondere Rot-Buche, Berg-Ahorn und Fichte empfindlich auf längere Überstauungen und Staunässe im Boden reagieren.

72

Auf dieser Grundlage weist die Vegetationsökologische Beurteilung unter Hinzuziehung weiterer Quellen darauf hin, dass Stiel-Eichen und Eschen typische Vertreter der Hartholzaue seien und 2-3 m hoch überstaut werden könnten. Sie verkrafteten eine Überstauung mit Wasser bis zu 100 Tage/Jahr (S. 6). Berg-Ahorn, Buche und Fichte könnten kurzzeitige Überschwemmungen relativ unproblematisch ertragen, kritisch werde es speziell bei Rot-Buchen und Berg-Ahorn nach ca. 8 bzw. 20 Tagen (S. 7). Die Überflutungstoleranz von Fichten betrage mehr als 8 Tage (S. 9). Demgegenüber sei bei Realisierung des Polders mit Hochwasserspitzen von 3 Tagen (bei HQ5) bzw. 8,5 Tagen (bei HQSept.2011 - an 1,5 Tagen mit dem Maximalwasserstand von 1,81 mNN und im Übrigen von 1,50 mNN -) zu rechnen. Im Übrigen hatte der Antragsteller zu 2) während des Ortstermins selbst darauf hingewiesen, dass die Rot-Buchen nur auf den Anhöhen stünden und nicht überflutungsgefährdet seien (S. 7). Nach seiner Ansicht verblieben eine Fichte (verortet bei 2,17 m), einzelne Rhododendrenbüsche (2,11 / 2,41 m), zwei Tulpenbäume (2,41 m) und zwei Deutzien (2,14 m), die in tieferen Lagen stünden und gegenüber einer Überflutung empfindlicher seien. Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass sowohl die Deutzien als auch die Tulpenbäume das Hochwasser von 2011 unbeschadet überstanden hätten und insbesondere das hohe Alter der Tulpenbäume eine gewisse Überflutungstoleranz begründen könne. Rhododendron sei gegenüber stehender Nässe zwar empfindlich und könne absterben, doch sei die Standortauswahl der Anpflanzung ungeeignet und eine Einordnung eines repräsentativen Vorkommens anhand der Einzelgehölze nicht repräsentativ.

73

(3) Im Übergang zum östlichem Teil des Parks findet sich eine Allee aus Kopflinden. Gen Osten schließt sich laut LLUR eine kleine Wiese an, welche von dichtem Baumbestand umgeben sei. Dieses Areal von ca. 3,2 ha Größe lasse in weiten Teilen keine parktypische Gestaltung mehr erkennen. Zwar seien vereinzelt nichtheimische Gehölze wie Sumpf-Zypresse, Sitka-Fichte und Rhododendron vorhanden, vorherrschend seien jedoch einheimische Waldbaumarten. Eine Wegeführung sei nicht erkennbar. Ähnlich führt die Vegetationsökologische Beurteilung hierzu aus, dass sich die Vegetationsstruktur an dieser Stelle von einem Parkcharakter zu einem Naturwaldcharakter ändere, wo eine gärtnerische Ordnung nicht mehr zu erkennen sei und von einer signifikanten gartenbaulichen Bedeutsamkeit nicht gesprochen werden könne, dafür aber eine höhere naturschutzfachliche Wertigkeit gegeben sei. Insgesamt habe der Ortstermin vom 28. Juni 2019 ergeben, dass sämtliche verorteten Standorte über 2 m lägen und schon deshalb von den ermittelten Hochwasserspitzen von 1,62 mNN bzw. 1,81 mNN selbst bei einem längeren Einstau nicht betroffen würden, so dass die Bedenken zum Erhalt des Altbaumbestandes aus vegetationsökologischer Sicht unbegründet seien (S. 11, 12). Auch nach Einschätzung des LLUR weist der vorhandene Baumbestand bis auf einige Rhododendrensträucher in der östlichen Parkhälfte und eine umgefallene Linde am Rand der Wiese keine erwähnenswerten Absterbeerscheinungen auf.

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(4) Eine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmalwertes lässt sich bei diesem Befund nicht feststellen. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass die festgestellten Beeinträchtigungen zu geringfügig wären, als das eine rechtsbeeinträchtigende Auswirkung auf das Denkmal eintreten könnte, zumal diese Beeinträchtigungen nicht im Englischen Garten, sondern östlich davon in einem Bereich mit Naturwaldcharakter zu erwarten wären. Weder das Landesamt für Denkmalpflege noch der Antragsteller zu 2) gehen auf diese für den Denkmalwert relevante Differenzierung ein. Ein gegenüber dem Gutachter angekündigtes eigenes Gutachten, welches in Zusammenarbeit mit dem Landesamt erstellt werden sollte, liegt dem Gericht nicht vor.

75

cc. Die Inanspruchnahme von Teilflächen des im Eigentum des Antragstellers zu 2) stehenden Flurstücks abc, welches derzeit landwirtschaftlich genutzt wird, ist sowohl durch die notwendigen Bauarbeiten zwecks Errichtung des geplanten Damms als auch durch das Dammbauwerk selbst in seinem Verlauf nachvollziehbar begründet und gerechtfertigt. Die daraus resultierenden eigentumsbezogenen Belange wurden erkannt und beanstandungsfrei abgewogen. Es wird dargelegt, dass das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient und eine weitergehende Reduzierung des Flächenbedarfs oder ein Verzicht auf die Fläche nicht möglich sei, ohne die mit dem Polderbau verfolgten Ziele zu verfehlen (PFB S. 52 f.). Diesbezügliche Abwägungsmängel macht der Antragsteller zu 2) nicht geltend. Seine Bereitschaft, die erforderlichen Flächen für die „Polder-Lösung“ zur Verfügung zu stellen, scheitert offenbar allein daran, dass er eine andere Planungsvariante bevorzugt. Wie in der Antragsschrift bestätigt, ist er laut Erklärung vom 26. Juli 2017 bereit, das erforderliche Land für die Umgehungsvariante zur Verfügung zu stellen (…).

76

d. Ist ein geplantes Vorhaben nur durch Festsetzungen zu verwirklichen, die z.B. Nachbarrechte beeinträchtigen oder Nachteile tatsächlicher Art i.S.d. (§ 70 Abs. 1 Hs. 1 i.V.m.) § 14 WHG verursachen, so ist das Abwägungsgebot verletzt, wenn der Plan festgestellt wird, ohne dass gleichzeitig die entsprechenden Schutzvorkehrungen bzw. die ersatzweise Entschädigung angeordnet wird. Der Planfeststellungsbeschluss kann dann aufzuheben oder zu ergänzen sein (Kollmann/Mohr in PdK, LWG SH, Stand Febr. 2020, Vorb. §§ 83, 84 Anm. 3.2).

77

Soweit im Hauptsacheverfahren über die Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses hinaus die Verpflichtung des Beklagten auf Erlass von Nebenbestimmungen begehrt wird, vermögen die Anträge und die dazu gemachten Ausführungen von vornherein nicht zu der hier beantragten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu führen. Das Vorbringen hierzu führt, selbst wenn es in der Sache begründet wäre, in der Hauptsache nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auch nur zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit.

78

aa. Zum einen geht es um die Verpflichtung des Beklagten, den Planfeststellungsbeschluss „mit einer Nebenbestimmung zu versehen, nach der die Kläger zu 1.-3. einen Anspruch gegen den Vorhabenträger haben, für die Inanspruchnahme ihres jeweiligen Eigentums, im Falle des Klägers zu 2., seines landwirtschaftlichen Betriebes, und im Falle der Klägerin zu 3. ihres gartenbaulichen Betriebes durch Nutzung, Inbesitznahme, Enteignung oder sonstige erhebliche Belastung in Land oder in Geld entschädigt zu werden“. Dass es im Falle einer notwendig werdenden Enteignung einer solchen Entschädigungsgrundentscheidung nicht bedarf, wurde bereits ausgeführt (s.o. B., I., 5., b., cc.).

79

Ob die Rüge einer unzureichenden und deshalb nachträglich aufzunehmenden Entschädigungsgrundentscheidung bezogen auf mittelbare Einwirkungen des Vorhabens auf das Eigentumsrecht oder auf sonstige nachteilige Wirkungen zu einem erheblichen Abwägungsfehler i.S.d. § 84 Abs. 1 Satz 1 LWG i.V.m. § 142 Abs. 1a) Satz 2 LVwG führt, kann dahinstehen. Derartige Beeinträchtigungen bestimmen unabhängig von ihrer Intensität lediglich Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und führen nicht zum vollständigen oder teilweisen Entzug des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.05.2005 - 4 VR 2000.05 -, juris Rn. 8, Urt. v. 07.07.2004 - 9 A 21.03 -, juris Rn. 21; OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.05.2020 - 2 R 24/20 - juris Rn. 34). Maßgeblich sind insoweit die §§ 96 ff. WHG zu beachten, die sich speziell auf die im WHG normierten Entschädigungsfälle beziehen (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 96 Rn. 3 ff.). Ergäbe sich aus den hier einschlägigen Regelungen des § 70 Abs. 1 Hs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 und 4 WHG wegen absehbarer Beeinträchtigungen ein Entschädigungsanspruch, wäre dieser dem Grunde nach im Planfeststellungsbeschluss festzustellen und die Bemessungsgrundlagen wären für die Höhe anzugeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.07.2012 - 7 A 11.11 -, juris Rn. 70 m.w.N.). Fehlt es daran, würde dies nach der Fehlerfolgenregelung des § 84 Abs. 1 LWG i.V.m. § 142 Abs. 1a) Satz 2 LVwG in der Hauptsache allerdings nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern nur auf eine im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgende Planergänzung führen.

80

Die Vorschrift des § 142 Abs. 1a) Satz 2 LVwG dient ebenso wie die bundesrechtliche Vorschrift des § 75 Abs. 1a) Satz 2 VwVfG der Verfahrensökonomie und dem damit verbundenen Grundsatz der Planerhaltung, wonach stets nur die am wenigsten in das planfestgestellte Vorhaben eingreifende Rechtsfolge zu rechtfertigen ist, die aber dennoch eine ausreichende Fehlerbehebung sicherstellt. Betrifft der Fehler nicht die Ausgewogenheit der Gesamtplanung, ist seine isolierte Behebung durchsetzbar und kann mit der Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses bereits zuvor ohne Verletzung der Rechte Dritter begonnen werden, reicht es aus, der Planfeststellungsbehörde Gelegenheit zu geben, den Plan um eine Schutzauflage zu ergänzen. In diesem Fall käme im Hauptsacheverfahren auch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses – als Minus zum Anfechtungsbegehren – nicht in Betracht (stRspr des BVerwG, vgl. Urt. v. 09.06.2004 - 9 A 11.03 -, BVerwGE 121, 72 ff. juris Rn. 110-112 zu § 17 Abs. 6c FStrG a.F. m.w.N.). Für ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, welches an die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage anknüpft, hat dies zur Konsequenz, dass ein etwaiger Anspruch auf Planergänzung eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag, solange die Sicherung des Planergänzungsanspruchs es nicht erfordert, die Ausführung des Vorhabens bis zur Planergänzung zu unterbinden. Dies wiederum könnte nur angenommen werden, wenn der Fortgang der Planausführung die Durchsetzung ergänzender Schutzvorkehrungen vereiteln würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.05.2005 - 4 VR 2000/05 -, juris Rn. 35 zur Lärmvorsorge). Dabei ist auch die Frage nach einer möglichen Entschädigung der Thematik der Planergänzungsansprüche zuzuordnen (OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.05.2020 - 2 R 24/20 - juris Rn. 51 f.; vgl. auch VGH München, Beschl. v. 21.03.2012 - 8 CS 11.2989 -, juris Rn. 7).

81

Vorliegend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die begehrte Planergänzung in Form einer die „Inanspruchnahme“ von Eigentum ausgleichenden Nebenbestimmung die Grundzüge der Planung berührt. Eine Planaufhebung und damit vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO kämen allenfalls dann in Betracht, wenn die von den Antragstellenden beklagten Defizite so gravierend wären, dass sie die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage stellen würden (BVerwG, Beschl. v. 19.05.2005 - 4 VR 2000/05 -, juris Rn. 36). Dafür ist jedoch nichts vorgetragen. Gerügt wird eine unzureichende Entschädigungsregelung letztlich um ihrer selbst willen, ohne dass ein Bezug zu materiell-rechtlich relevanten Beeinträchtigungen und deren Relevanz für die Gesamtplanung hergestellt würde. Insoweit besteht die Gefahr einer Verkürzung des Rechtsschutzes nicht; durch den vorläufigen Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses können vollendete Tatsachen nicht geschaffen werden, weil der Beschluss auch nachträglich um (weitere) Schutzauflagen ergänzt werden kann.

82

bb. Gleiches gilt für die hilfsweise geltend gemachte Verpflichtung des Beklagten, den Planfeststellungsbeschluss „mit einer Nebenbestimmung zu versehen, nach der der Vorhabenträger verpflichtet ist, den Bewuchs entlang der Süd- und Ostgrenze der Grundstücke der Klägerin zu 3. zum Schutze des Betriebsgeländes vor Kaltlufteinflüssen dauerhaft zu erhalten“.

83

Die Rüge einer fehlenden Schutzanordnung zugunsten des Gärtnereibetriebs der Antragstellerin zu 3) wird damit begründet, dass sich aufgrund der Lage des Betriebsgrundstücks unmittelbar am geplanten Damm und dem dahinterliegenden Polder die Produktionsbedingungen der Gärtnerei durch gesteigerte Kaltlufteinflüsse verschlechtern würden, falls der im Grenzbereich befindliche Bewuchs entfernt würde. Mittels einer Schutzauflage sei deshalb sicherzustellen, dass der Bewuchs durch den Beigeladenen dauerhaft erhalten werde. Ob mit einer solchen Verschlechterung tatsächlich zu rechnen ist und sich daraus ein Anspruch auf der Grundlage des § 70 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 und 4 WHG ergibt, bleibt ebenfalls der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

84

II. Schließlich ist auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu beanstanden. Sie erfolgte durch den Antragsgegner ausweislich der Begründung nicht auf Antrag und im Interesse des Beigeladenen, wie es § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO ermöglicht, sondern offenbar von Amts und vorrangig im öffentlichen Interesse gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Zwar erwähnt § 80a Abs. 1 VwGO, dass die Behörde auf Antrag handelt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie bei entsprechendem öffentlichem Interesse nicht auch von Amts wegen tätig werden darf. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 80a VwGO bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung die Handlungsmöglichkeiten der Behörde einschränken wollte gegenüber ihren Befugnissen bei Verwaltungsakten im zweiseitigen Rechtsverhältnis, wo sie auch von Amts wegen tätig werden kann (Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 9).

85

1. Die Anordnung genügt noch den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Begründung ist einzelfallbezogen und nicht formelhaft. Sie geht über die Begründung des Beschlusses selbst hinaus, indem sie, wenn auch in knapper Form, auf die besondere Dringlichkeit eines wirksamen Hochwasserschutzes in der Ortslage A. verweist, indem sie annimmt, dass ein Hochwasserereignis wie im Jahre 2011 jederzeit wieder auftreten könne. Zum Schutze der Ortschaft und ihrer Bevölkerung müsse deshalb mit der Umsetzung der Maßnahme so zeitnah wie möglich begonnen werden. Da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO allein verfahrensrechtliche Anforderungen stellt, kommt es an dieser Stelle nicht darauf an, ob die Begründung den Sofortvollzug in der Sache zu tragen vermag. Insoweit führt das Gericht eine eigene Interessenabwägung durch (vgl. OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 23.01.2017 - 4 MB 2/17 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Aus einer als unzutreffend erachteten Begründung ergäbe sich im Übrigen auch nicht, dass sie nur formelhaft erfolgte und den Einzelfall nicht ausreichend würdigt (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 05.06.2019 - 4 MB 42/19 -, juris Rn. 6).

86

2. Auch aus Sicht des Senates überwiegt das Vollzugsinteresse des Beigeladenen, das nach den obigen Feststellungen gleichzeitig im öffentlichen Interesse liegt, gegenüber dem Aufschubinteresse des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3), deren Klage nach Vorstehendem keine hinreichende Erfolgschance beigemessen werden kann.

87

Den besonderen Rang, den der Hochwasserschutz insbesondere auch im Rahmen der Bauleitplanung einnimmt, wird vom Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben: „Der Hochwasserschutz ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang. Sie rechtfertigt einschränkende Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.“ (Urt. v. 22.07.2004 - 7 CN 1.04 -, BVerwGE 121, 283 ff., juris Rn. 22). Eine zunehmende Bedeutung und Dringlichkeit wird dem Hochwasserschutz wegen des voranschreitenden Klimawandels beigemessen. Der Gesetzgeber etwa hat auf die Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre reagiert und mit dem bereits mehrfach zitierten Hochwasserschutzgesetz II Regelungen geschaffen, die u.a. die Verfahren für die Planung und den Bau von Hochwasserschutzanlagen so weit wie möglich und sinnvoll erleichtern und beschleunigen sollen (vgl. BT-Drs. 18/10879 S. 16). Eine solche zunehmende Bedeutung und Dringlichkeit ist auch hier gegeben. Dass das letzte Hochwasser in A. mittlerweile neun Jahre zurückliegt und das vorliegende Verwaltungsverfahren fünf Jahre gedauert hat, ändert daran nichts. Denn wann und mit welcher Mächtigkeit das nächste Hochwasser eintritt, ist nicht vorhersehbar. Die Dauer des Verfahrens gibt auch keinen Anlass zu der Annahme, dass der Beigeladene oder der Antragsgegner die Dringlichkeit der Maßnahme nicht erkannt hätten oder sogar verneinten; die Dauer ist vielmehr der Komplexität der Materie geschuldet (vgl. VGH München, Beschl. v. 18.10.2019 - 8 AS 19.40016 -, juris Rn. 42).

88

Unwidersprochen weist der Antragsgegner im Übrigen darauf hin, dass es um den Schutz von mehr als 100 Wohn- und Gewerbegrundstücken geht. Zudem wäre auch die örtliche Infrastruktur öffentlicher Einrichtungen durch ein neuerliches Hochwasser gefährdet. Berechtigte Interessen des Antragstellers zu 2) und der Antragstellerin zu 3), die durch den sofortigen Baubeginn nennenswert beeinträchtigt werden könnten, sind unter Berücksichtigung der fehlenden Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage nicht ersichtlich. Insbesondere steht eine Minderung des Denkmalwertes des Gutes nicht zu befürchten. Die Umsetzung des präferierten Konzeptes eines Umgehungsgerinnes würde, selbst wenn es als gleichwertige Option in Frage gekommen wäre, nochmals Jahre dauern und zahlreiche Grundstücke über viele Jahre weiter gefährden. Eine damit einhergehende Verzögerung der genehmigten Maßnahme wäre dem Beigeladenen nicht zuzumuten und würde dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen. Anhaltspunkte dafür, dass etwaige Hindernisse für die Realisierung des Vorhabens bestehen, werden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

89

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 und 2 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO.

90

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39, 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Streitwertkatalog Ziffer 34.

91

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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