Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 MR 10/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 3. März 2021 beantragte Antrags28;nderung ist nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Antragstellerin beantragt nunmehr im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO,

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§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-BekämpfVO) vom 26. Februar 2021 in der ab dem 1. März 2021 gültigen Fassung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen,

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style="margin-left:36pt">hilfsweise § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 in der ab dem 1. März 2021 gültigen Fassung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen, soweit der Betrieb von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, das im Schwerpunkt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Corona-BekämpfVO gestattete Waren umfasst, insgesamt und nicht nur beschränkt auf den Verkauf dieser Waren zulässig ist,

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höchst hilfsweise § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 in der ab dem 1. März 2021 gültigen Fassung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.

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Der Senat hält die Änderung für sachdienlich. Sie fördert die Streitbeilegung und trägt dazu bei, dass ein weiterer, sonst zu erwartender Prozess vermieden wird und § 8 Abs. 1 Corona-BekämpfVO in der Fassung vom 26. Februar 2021 (Geltungsdauer 1. bis 8. März 2021) weitgehend identisch ist mit der Fassung vom 19. Februar 2021 (Geltungsdauer 20. Februar 2021 bis 28. Februar 2021); als weitere Ausnahmen wurden in Satz 2 lediglich „Blumenläden, Gärtnereien, Gartenbaucenter einschließlich räumlich getrennter Gartenabteilungen von Baumärkten“ hinzugefügt.

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I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.

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Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 – 4 VR 5.14 –, juris Rn. 12; Beschl. d. Senats v. 09.04.2020 – 3 MR 4/20 –, juris Rn. 3). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.

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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragstellerin günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (Beschl. d. Senats v. 09.04.2020, a.a.O., Rn. 4).

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Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen m2;ssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ̵1; dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015, a. a. O., juris Rn. 12; Beschl. d. Senats v. 09.04.2020, a. a. O., Rn. 5).

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Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache – 3 KN 4/21 – sind offen.

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Die Antragstellerin wendet sich gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 sind Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr zu schließen. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 ist die Ausgabe von im Fernabsatz gekauften oder bestellten Waren zulässig, sofern die Kundinnen und Kunden hierzu geschlossene Räume nur einzeln betreten oder die Ausgabe außerhalb geschlossener Räume erfolgt (§ 8 Abs. 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021).

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Die Antragstellerin bringt vor, die nunmehr seit dem 16. Dezember 2020 fortdauernde Schließung ihrer Geschäfte verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb). Die angegriffene Regelung sei ungeeignet – es sei zumindest unklar, inwieweit Einzelhandelsschließungen im Hinblick auf den Infektionsschutz tatsächlich einen spürbaren Beitrag leisten könnten –, nicht erforderlich – mit der Öffnung des Einzelhandels unter strengen Hygieneauflagen stehe ein milderes, aber ebenso geeignetes Mittel zur Verfügung – und nicht angemessen, da die Betriebsschließungen nun schon seit deutlich über zwei Monaten andauerten und die positive Tendenz der Infektionszahlen sowie die weiter voranschreitende Abnahme der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle in der Abwägung eine zwingende Berücksichtigung erfahren müsse.

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Auch der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sei verletzt; denn es sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, dass Geschäfte mit Mischsortiment, die im Schwerpunkt Waren der Grundversorgung anböten, nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 auch sämtliche nicht privilegierte Randsortimente – darunter auch Elektronikartikel – verkaufen dürften. Darin liege eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung. Die vom Verordnungsgeber angeführte Versorgungsfunktion der geöffneten Betriebe trage als Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung nicht. Die Sicherstellung des Zugangs der Bevölkerung zu Waren der Grundversorgung könne es allenfalls rechtfertigen, den Verkauf solcher Produkte zuzulassen, die diesen Bedarf deckten. Nicht einmal ein Sortimentsausweitungsverbot habe der Verordnungsgeber – im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern – normiert. Die Ungleichbehandlung lasse sich auch nicht mit praktischen Umsetzungsschwierigkeiten rechtfertigen, die entstehen könnten, wenn den Mischbetrieben untersagt werde, nicht der Grundversorgung dienende Randsortimente anzubieten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Absperrung z.B. der Regale mit Elektroniksortiment zu einer Störung der Verkaufsabläufe in einer Weise führen könnte, dass eine infektionsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gefährdet werde. Der Verordnungsgeber möge bei einer Neuregelung darüber nachdenken, eine Ausnahme für Kleinbetriebe mit gemischtem Sortiment vorzusehen, für die sich eine Abtrennung unter Umständen räumlich nur schwierig bewerkstelligen lasse (etwa in Orientierung an dem aus dem Baurecht bekannten und auch im Rahmen der Corona-Verordnungen der Länder in beiden Shutdowns herangezogenen 800 m² Kriterium). Dass großflächige Mischbetriebe auf einem substantiellen Teil ihrer Verkaufsfläche im großen Stil Elektronikwaren anböten, während Elektronikmärkte geschlossen bleiben müssten, sei jedoch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinnehmbar. Die Bevorzugung vom Mischbetrieben laufe nicht zuletzt dem eigentlichen infektionsschutzrechtlichen Ziel der Betriebsuntersagungen diametral entgegen, da die geöffneten Geschäfte auf diese Weise zusätzliche Kaufanreize schafften und ein erhöhtes Kundenaufkommen generierten, zu dessen Vermeidung sie ̵1; die Antragstellerin – und die übrigen vom Shutdown betroffenen Einrichtungen ihre Betriebe gerade geschlossen halten müssten.

15

Diese von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen – insbesondere die Frage der Angemessenheit der seit dem 16. Dezember 2020 andauernden Schließung des Einzelhandels für den Publikumsverkehr – lassen sich während der nur kurzen Geltungsdauer der aktuellen Corona-Bekämpfungsverordnung vom 26. Februar 2021 (vom 1. bis 8. März 2021) nicht im Eilverfahren abschließend beantworten (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.03.2021 – 13 MN 9/21 –, juris Rn. 39), so dass eine Folgenabwägung durchzuführen ist.

16

Würde der Senat die Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 (i.V.m. § 8 Abs. 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnten die Antragstellerin sowie alle anderen Einzelhandelsbetriebe in Schleswig-Holstein ab sofort – angesichts des erforderlichen Vorlaufs praktisch wohl erst ab Samstag, dem 6. März 2021 – ihre Verkaufsstellen für den Publikumsverkehr öffnen. Ein nicht unerheblicher Baustein der komplexen derzeitigen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert und dies in einem Zeitpunkt eines weiterhin ernst zu nehmenden Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, geeignete und erforderliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen und so die Verbreitung von COVID-19 zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang, einzudämmen, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 53).

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Würde hingegen die Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre die Antragstellerin vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der Schutzmaßnahme verpflichtet und müssten ihre Verkaufsstellen für den Publikumsverkehr weiterhin geschlossen halten. Insbesondere der damit verbundene Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) würde weiter verfestigt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin – wie den übrigen Einzelhandelsbetrieben, deren Sortiment nicht überwiegend der Grundversorgung dient – die Berufsausübung nicht vollständig untersagt ist. Zulässig bleibt nach § 8 Abs. 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 die Ausgabe von im Fernabsatz gekauften oder bestellten Waren, sofern die Kundinnen und Kunden hierzu geschlossene Räume nur einzeln betreten oder die Ausgabe außerhalb geschlossener Räume erfolgt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.03.2021, a.a.O., Rn. 54). Hinzu kommt, dass die Schließung der Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr nur bis zum 7. März 2021 befristet ist und der Einzelhandel nach den Angaben des Antragsgegners in den Schriftsätzen vom 4. und 5. März 2021 ab dem kommenden Montag, dem 8. März 2021 aufgrund des aktuellen Inzidenzwertes in Schleswig-Holstein von unter 50 wieder für den Publikumsverkehr &#246;ffnen darf, wobei für die ersten 800 m² Verkaufsfläche ein Kunde je 10 m² bedient werden könne und ab 800 m² Fläche ein Kunde pro 20 m² einkaufen dürfe.

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Insgesamt überwiegen die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung – faktisch für einen Werktag – die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Regelung sprechenden Gründe nicht, so dass die einstweilige Anordnung nicht zu erlassen ist.

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II. Der (erste) Hilfsantrag ist unzulässig.

20

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann begehrt werden, dass eine untergesetzliche Rechtsvorschrift vorläufig außer Vollzug gesetzt wird. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist, dass nach summarischer Prüfung in der Hauptsache ein entsprechender Normenkontrollantrag zulässig wäre. Zulässig wäre der Antrag in der Hauptsache, wenn der Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit einer Norm im Sinne von § 47 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 67 LJG begehren würde. Das ist aber nicht der Fall. Zwar handelt es sich bei § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 um eine untergesetzliche Norm in Form einer Landesverordnung, § 47 Abs.239;1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 67 LJG. Die Antragstellerin begehrt jedoch nicht die vorläufige Außervollzugsetzung einer Norm, deren Unwirksamkeit er in der Hauptsache geltend machen müsste.

21

Die Beschränkung des Antrags auf die Außervollzugsetzung des § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-Bek&#228;mpfVO vom 26. Februar 2021, soweit der Betrieb von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, das im Schwerpunkt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 gestattete Waren umfasst, insgesamt und nicht nur beschränkt auf den Verkauf dieser Waren zulässig ist, führt zur Unzulässigkeit des Antrags. Zwar gilt auch für das Normenkontrollverfahren und damit auch das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO die Dispositionsmaxime, d. h. die Antragstellerin bestimmt mit ihrem Antrag grundsätzlich den Umfang der gerichtlichen Prüfung und der möglichen Nichtigerklärung von Rechtsvorschriften (BVerwG, Beschl. v. 18.07.1989 - 4 N 3.87 -, juris Rn. 26). Auch führt die Rechtswidrigkeit eines Teils einer Norm nicht zwingend zu deren Gesamtnichtigkeit; vielmehr gelten insofern die allgemeinen Grundsätze über die teilweise Nichtigkeit von Rechtsvorschriften, nach denen darauf abzustellen ist, ob der gültige Teil für sich betrachtet Bestand haben kann und vom Normgeber im Zweifel auch so beschlossen worden wäre (BVerwG, a.a.O., Rn. 20). Vorliegend fehlt es jedoch an einer Teilbarkeit der streitgegenständlichen Norm.

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§ 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 lautet:

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„Im Falle von Mischsortimenten sind die überwiegenden Sortimentsteile maßgeblich.“

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Der Antragstellerin geht es darum, dass die Verkaufsstellen mit Mischsortimenten, die im Schwerpunkt Waren der Grundversorgung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 anbieten, nicht mehr sämtliche nicht privilegierten Randsortimente verkaufen dürfen. Das Normenkontrollgericht ist jedoch nicht befugt, durch seine Entscheidung eine Norm zu schaffen, die letztlich eine Veränderung des vom Normgeber zugrunde gelegten Konzeptes bewirkt; vielmehr kann das Gericht allein eine Norm für unwirksam erklären, § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO, und hat es im Zweifel dem Normgeber zu überlassen, die von ihm als angemessen und erforderlich angesehenen neuen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1991 - 4 NB 3.91 -, juris Rn. 16). Dies führt dazu, dass das Oberverwaltungsgericht auch in Verfahren nach §; 47 Abs. 6 VwGO im Erfolgsfall lediglich die Norm als solche vorläufig außer Vollzug setzen kann, nicht jedoch nur für bestimmte, vom Normgeber nicht gesondert geregelte Fallkonstellationen. Das letztgenannte Vorgehen entspräche vielmehr der vorläufigen Regelung von nicht vom Normgeber vorgesehenen Ausnahmen. Es ist aber nicht Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts, im Falle der Unwirksamkeit der streitgegenst&#228;ndlichen Bestimmung dem Normgeber eine von mehreren Korrekturmöglichkeiten vorzugeben. Vielmehr widerspräche dies der im Gewaltenteilungsgrundsatz angelegten Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe (vgl. zum Ganzen Beschl. des Senats v. 20.11.2020 - 3 MR 73/20 -, juris Rn. 4-5 und v. 19.01.2021 - 3 MR 2/21 -, juris Rn. 6ff.; OVG Weimar, Beschl. v. 12.05.2020 - 3 EN 287/20 -, juris Rn. 6-7; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.05.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5-6; VGH München, Beschl. v. 08.06.2020 - 20 NE 20.1316 -, juris Rn. 14 jeweils m. w. N.; a. A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.07.2020 - OVG 11 S 65/​20 -, juris Tenor sowie Rn. 23, 26).

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25

III. Der weitere Hilfsantrag, der auf die vorläufige Außervollzugsetzung von § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 gerichtet ist, erweist sich zwar als zulässig, aber unbegründet.

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Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache – 3 KN 4/21 – sind auch insoweit offen.

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Würde der Senat § 8 Abs. 1 Satz 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, gäbe es vorl8;ufig keine Regelung in der Verordnung, die festlegt, wie im Falle von Mischsortimenten zu verfahren ist. Das zöge nach sich, dass § 8 Abs. 1 Satz 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 dahingehend zu verstehen sein könnte, dass Verkaufsstellen, die nur in einem sehr untergeordneten Umfang die in § 8 Abs. 1 Satz 2 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 genannten Warensortimente anbieten, vollständig von der Schließungsanordnung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 ausgenommen wären. Damit wäre – ebenso wie im Falle einer vorläufigen Außervollzugsetzung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 (siehe Gliederungspunkt I.) – ein nicht unerheblicher Baustein der komplexen derzeitigen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners in seiner Wirkung deutlich reduziert und dies in einem Zeitpunkt eines weiterhin ernst zu nehmenden Infektionsgeschehens.

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Würde hingegen die angegriffene Regelung nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wären im Falle von Mischsortimenten vorübergehend zu Unrecht weiterhin die überwiegenden Sortimentsteile maßgeblich. Damit würde sich zwar die von der Antragstellerin gerügte Ungleichbehandlung verfestigen. Allerdings darf auch der Einzelhandel, der bislang nicht unter die Privilegierung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 Corona-BekämpfVO vom 26. Februar 2021 fällt, ab dem kommenden Montag (8. März 2021) wieder öffnen (siehe Gliederungspunkt I.).

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Insgesamt überwiegen die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Regelung sprechenden Gründe derzeit nicht, so dass die einstweilige Anordnung nicht zu erlassen ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG, wobei für den Hauptantrag und die (zwei) Hilfsanträge nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG jeweils der Auffangwert von 5.000,00 € angesetzt worden ist.

31

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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