Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 MB 26/20

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 12. Kammer – vom 20. August 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2020 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, das Verfahren zur Besetzung der Stelle einer Sachgebietsleitung des Standesamtes der Verwaltungsgemeinschaft Rendsburg und Büdelsdorf (Besoldungsgruppe A11/Entgeltgruppe E10) fortzusetzen, hilfsweise festzustellen, dass der Abbruch des vorgenannten Stellenbesetzungsverfahrens rechtswidrig ist, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

3

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Auswahlverfahren abzubrechen, habe den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt, da ein hinreichender sachlicher Grund für den Abbruch vorgelegen habe. Dieser ergebe sich daraus, dass der gerichtlich festgestellte Mangel, der zum Erlass einer einstweiligen Anordnung geführt habe, zwar grundsätzlich heilbar gewesen, jedoch nicht als eher geringfügiger, einfach behebbarer Fehler zu qualifizieren gewesen sei. Der Mangel habe den Kern des Leistungsvergleichs betroffen und im Ergebnis einen ausreichenden sachlichen Abbruchgrund für die Antragsgegnerin dargestellt.

4

Das hiergegen erhobene Beschwerdevorbringen der Antragstellerin greift nicht durch.

5

Je nach Fallkonstellation unterliegt der Dienstherr bei der Entscheidung, ein bereits begonnenes Auswahlverfahren abzubrechen, unterschiedlichen rechtlichen Bindungen.

6

Entschließt sich der Dienstherr dazu, die konkrete Stelle nicht mehr wie geplant oder mit dem ursprünglichen Zuschnitt nachzubesetzen, ist er keinen strengeren Bindungen unterworfen, als sie für personalwirtschaftliche Entscheidungen darüber, ob und welche Ämter geschaffen werden und wie Dienstposten zugeschnitten werden sollen, auch ansonsten gelten. Eine solche Entscheidung unterfällt dem weiten, dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsermessen des Dienstherrn. Dieses beinhaltet, dass der Dienstherr ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit beenden darf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 –, juris, Rn. 12 m. w. N.). Die gerichtliche Kontrolle ist in diesen Fällen regelmäßig darauf beschränkt, ob die Abbruchentscheidung sich als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 –, juris, Rn. 15 ff.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 6 B 335/21 –, juris, Rn. 4, vom 2. Dezember 2020 – 6 B 840/20 –, juris, Rn. 9, vom 18. August 2020 – 6 B 319/20 –, juris, Rn. 4 und vom 26. April 2018 – 6 B 355/18 –, juris, Rn. 11 m. w. N.; Hessischer VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020 – 1 B 1552/20 –, juris, Rn. 12).

7

Anders liegt es, wenn der Dienstherr die Stelle nach dem Abbruch des Verfahrens im Rahmen eines neuen Auswahlverfahrens neu besetzen will. In diesem Fall geht es nicht mehr nur um das dem Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerte Organisationsermessen des Dienstherrn, sondern bereits um das Auswahlverfahren, für das die aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensansprüche maßgebend sind. Der vom Dienstherrn vorgebrachte Grund muss danach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2015 – 2 BvR 1686/15 –, juris, Rn. 18; BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2020 – 2 C 12.20 –, juris, Rn. 30, vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 –, juris, Rn. 17 und vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 17; Beschlüsse vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 –, juris, Rn. 13, vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 –, juris, Rn. 18, und vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, juris, Rn. 16; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 6 B 335/21 –, juris, Rn. 6 und vom 2. Dezember 2020 – 6 B 840/20 –, juris, Rn. 11; Hessischer VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020 – 1 B 1552/20 –, juris, Rn. 12).

8

Das Verwaltungsgericht hat richtig erkannt, dass die Abbruchentscheidung der Antragsgegnerin, die auf die gerichtliche einstweilige Anordnung vom 21. April 2020 (12 B 8/20) erfolgte, der zweitgenannten Fallgruppe zuzurechnen und diese Entscheidung an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen war.

9

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Das hierin zum Ausdruck kommende Leistungsprinzip eröffnet dem Einzelnen keinen Anspruch auf Beförderung bzw. auf Übertragung des begehrten Amtes, sondern gibt ihm lediglich Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei nach Maßgabe dieser Kriterien entschieden wird. Diesem hieraus resultierenden Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei der Entscheidung über den Abbruch eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen. Ein sachlicher Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens, der den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG genügt, liegt beispielsweise darin, dass kein Bewerber den Erwartungen des Dienstherrn entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 –, juris, Rn. 27) oder weil der Dienstherr erkannt hat, dass das Auswahlverfahren vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG fehlerhaft ist und womöglich nicht (mehr) zu einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung führen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 17 und vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 –, juris, Rn. 27). In der Regel ist ein Abbruch darüber hinaus auch dann sachlich gerechtfertigt, wenn dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt wird, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen. Daraus kann der Dienstherr regelmäßig den Schluss ziehen, seine bisherige Verfahrensweise begegne erheblichen Zweifeln im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG. In einer solchen Situation darf das bisherige Verfahren beendet werden, damit in einem anschließenden neuen Verfahren aufgrund eines aktualisierten Bewerberkreises eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung getroffen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 20).

10

Wie das Verwaltungsgericht unter Anwendung dieser Grundsätze zutreffend zugrunde legt, muss für eine rechtmäßige Abbruchentscheidung keinesfalls sicher feststehen, dass die gerichtlich festgestellten oder vom Dienstherr erkannten Mängel der Auswahlentscheidung im laufenden Auswahlverfahren nicht zu heilen oder zu beheben sind (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2019 – 2 MB 10/19; Sächsisches OVG, Beschluss vom 2. September 2020 – 2 B 247/20 –, juris, Rn. 20 f.). Der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, wonach – entgegen den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 29. November 2012 – zur effektiven Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs auch im Rahmen einer gerichtlichen Beanstandung nur ein nicht behebbarer Mangel den Abbruch des Auswahlverfahrens rechtfertigen könne (vgl. OVG des Landes Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 1 B 1160/17 –, juris, Rn. 25 f.), folgt der Senat nicht und verweist hierzu zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend auf die im Senatsbeschluss vom 20. November 2019 (– 2 MB 10/19) ausgeführte Begründung.

11

Es ist nicht ersichtlich, dass, wie die Antragstellerin zur Beschwerdebegründung vorträgt, das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat und nunmehr allein maßgeblich sein soll, ob das Auswahlverfahren noch fehlerfrei zu Ende geführt werden kann. Zwar führt das Bundesverwaltungsgericht in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung vom 10. Mai 2016 zu den Voraussetzungen des Abbruchs eines Stellenbesetzungsverfahrens aus, dass ein Abbruch gerechtfertigt sei, „wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann“ (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, juris, Rn. 18), woraus die Antragstellerin herleitet, dass auf die Behebbarkeit des Mangels abzustellen ist. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass das Bundesverwaltungsgericht in der gleichen Entscheidung keine ausdrückliche Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung vorgenommen, sondern sich vielmehr ausdrücklich auf sein Urteil vom 29. November 2012 –2 C 6.11 – bezogen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, juris, Rn. 18). In diesem wiederum wird – ohne, dass auf die objektive Behebbarkeit des Mangels abgestellt wird – einerseits zu den Maßstäben ausgeführt, dass der Dienstherr das Verfahren abbrechen kann, weil er erkannt hat, dass das Stellenbesetzungsverfahren fehlerbehaftet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 17) und andererseits betont, dass im Regelfall eine gerichtliche Beanstandung einen ausreichenden sachlichen Grund für den Abbruch darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 20). Aus den jüngeren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts folgt nichts anderes. Zum einen finden sich weiterhin, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist, jeweils Verweise auf das Urteil vom 29. November 2012 (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 2 C 12.20 –, juris, Rn. 30; Beschlüsse vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 –, juris, Rn. 13 und vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 –, juris, Rn. 18). Und zum anderen findet sich die von der Antragstellerin erwähnte Textstelle in den jüngeren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht als abschließendes Bewertungskriterium, sondern lediglich als Beispielaufzählung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 2 C 12.20 –, juris, Rn. 30 <„insbesondere“> und Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 –, juris, Rn. 13 <„unter anderem gegeben“>).

12

Es ist für den Senat daher nicht erkennbar, dass das Bundesverwaltungsgericht von seinen mit seiner Entscheidung vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 – aufgestellten Maßstäben abrücken wollte mit der Folge, dass diese weiterhin fortgelten (so auch Sächsisches OVG, Beschluss vom 2. September 2020 – 2 B 247/20 –, juris, Rn. 14; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 7. Mai 2018 – 5 ME 41/18 –, juris, Rn. 21; Bayerischer VGH, Beschluss vom 15. Februar 2016 – 3 CE 15.2405 –, juris, Rn. 72; aA: Hessischer VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2020 – 1 B 1552/20 –, juris, Rn. 15; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 4. Februar 2020 – 1 B 1519/19 –, juris, Rn. 13 und vom 12. Juli 2018 – 1 B 1160/17 –, juris, Rn. 27 f.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 – 3 CE 18.2608 –, juris, Rn. 27). Aus den vorgenannten Gründen bleibt der beschließende Senat daher bei seiner Auffassung, dass der Dienstherr den Abbruch eines Auswahlverfahrens in der Regel allein mit dessen gerichtlicher Beanstandung begründen kann (so auch Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 7. Mai 2018 – 5 ME 41/18 –, juris, Rn. 26 m. w. N. und vom 28. Juni 2021 – 5 ME 50/21 –, juris, Rn. 23). Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. September 2015 die gerichtliche Beanstandung als Regelfall eines sachlichen Grundes ausdrücklich ausreichen lassen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. September 2015 – 2 BvR 1686/15 –, juris, Rn. 18).

13

Zwar gibt es Fälle, in denen allein die gerichtliche Beanstandung einer Auswahlentscheidung noch keinen sachlichen Grund für einen Abbruch des Bewerbungsverfahrens darstellt, insbesondere wenn der Abbruch allein der Benachteiligung oder der Bevorzugung eines Bewerbers dient (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris, Rn. 21 und vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 –, juris, Rn. 27).

14

Eine solche Ausnahmekonstellation hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft machen können. Soweit die Antragstellerin vorträgt, es bestehe der Verdacht, dass der Abbruch des Verfahrens erfolgt sei, um sie gezielt von der Stellenbesetzung oder zumindest der damit verbundenen (späteren) Beförderung auszuschließen, bestehen hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Ausführungen der Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 21. September 2020, Herr …, in dessen Fachdienst die Stelle angesiedelt ist, solle sich nach dem Auswahlgespräch sehr dafür eingesetzt haben, dass die Mitbewerberin die Stelle bekommt, sind zur Glaubhaftmachung i. S. d. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht ausreichend, da aus diesem Vorbringen schon keine Benachteiligungsabsicht erkennbar wird und es sich darüber hinaus ohnehin lediglich um eine Mutmaßung handelt. Eine Benachteiligungsabsicht ergibt sich auch nicht aus dem Auswahlvermerk vom 27. Januar 2020. Zwar geht aus diesem hervor, dass Herr … sich „mit Nachdruck“ für die Wahl der Mitbewerberin eingesetzt hat. Es lässt sich dem Vermerk hingegen nicht entnehmen, dass dieser, wie die Antragstellerin vorträgt, massiv und lange auf die Auswahlkommission eingewirkt haben könnte, um die Mitbewerberin gegen den Widerstand der übrigen Auswahlkommissionsmitglieder durchzusetzen, zumal sich auch der Fachdienstleiter Personal und Organisation für die Mitbewerberin ausgesprochen hat. Darüber hinaus spricht gegen ein massives unlauteres Einwirken auf die Auswahlkommission auch, dass sowohl die Gleichstellungsbeauftragte und die Personalvertretung in dem Auswahlgespräch zugegen waren und – ohne Einwände gegen die Vorgehensweise zu erheben – die Auswahl der Mitbewerberin zur Kenntnis genommen bzw. dieser zugestimmt haben.

15

Dass die Antragsgegnerin nach dem Abbruch des Auswahlverfahrens geplant hatte, die Antragstellerin zeitlich befristet auf die zuvor ausgeschriebene Stelle umzusetzen, ist ebenfalls weder als Indiz für eine Benachteiligungsabsicht der Antragsgegnerin zu werten noch ist dies sonst beachtlich. Im Übrigen setzt sich die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen auch selbst in Widerspruch, wenn sie die beabsichtigte Umsetzung einerseits als Benachteiligungsabsicht wertet und andererseits vorträgt, dass die Antragsgegnerin nach einer dreimonatigen Bewährungszeit auf einem höherwertigen Dienstposten stets eine Regelbeförderung i. S. d. § 20 Abs. 2 Nr. 3 des Landesbeamtengesetzes (LBG) vollzieht. Denn hieraus ließe sich vielmehr der Schluss ziehen, dass die geplante Umsetzung der Antragstellerin auf die Stelle nach dem Abbruch des Auswahlverfahrens für die Antragstellerin nur Vorteile mit sich gebracht hätte.

16

Soweit die Antragstellerin ein weiteres Indiz für ihre Benachteiligung darin sieht, dass sie in einem weiteren Auswahlverfahren unterlegen war, so ist dieses Vorbringen für das vorliegende Verfahren ohne Relevanz. Ein Zusammenhang des dortigen Auswahlverfahrens im Bereich der Bauverwaltung zum hiesigen Verfahren ist nicht erkennbar.

17

Darüber hinaus mag es, worauf die Antragstellerin zutreffend abstellt, Fallgruppen geben, in denen der Dienstherr den ihm eingeräumten Entscheidungsspielraum überschreitet, indem er offensichtlich geringfügige und leicht behebbare Mängel als Abbruchgrund ausreichen lässt (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2019 – 2 MB 10/19). Allerdings dürfte ein solcher Ausnahmefall erst dann anzunehmen sein, wenn der Dienstherr den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum erkennbar überschreitet oder feststeht, dass sich der Fehler nicht auf die Auswahlentscheidung auswirken kann (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2019 – 2 MB 10/19). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn schon vom Gericht im vorhergehenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Mängel als noch im laufenden Auswahlverfahren heilbar eingestuft werden oder wenn sich die Geringfügigkeit aus anderen Gründen aufdrängen muss und der Dienstherr hierüber sehenden Auges hinweggeht. In diesen Fällen dürfte regelmäßig der Rückschluss auf leistungs- bzw. sachfremde Erwägungen naheliegen.

18

Anders liegt es hier. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. April 2020 (12 B 8/20) lässt sich weder entnehmen, dass das Gericht von einem noch während des Auswahlverfahrens ohne Weiteres behebbaren Mangel ausgegangen ist, noch, dass die erkannten Fehler als lediglich geringfügig einzustufen wären. Vielmehr stützt sich das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung darauf, dass das Auswahlverfahren nicht nur daran leide, dass die Beurteilung der Mitbewerberin für die streitgegenständliche Stelle nicht hinreichend aktuell gewesen sei, sondern dass es darüber hinaus auch an der Vergleichbarkeit der Beurteilungen gefehlt habe, da die Antragstellerin in die Besoldungsgruppe A10 eingestuft ist, die Mitbewerberin als Angestellte hingegen in die Entgeltgruppe 9a TVöD-VKA. Die Auswahlbehörde sei daher, so das Verwaltungsgericht, gehalten, die Beurteilungen miteinander „kompatibel“ zu machen und hierbei den Grundsatz zu beachten, dass die Antragstellerin bei gleichlautenden Gesamturteilen der (vergleichbar gemachten) Leistungen gegebenenfalls als besser beurteilt zu betrachten wäre, weil mit einem höherwertigen Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden sei, die im Allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalteten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden seien. Darüber hinaus äußerte das Verwaltungsgericht Zweifel daran, ob die Antragsgegnerin in dieser Konstellation maßgeblich auf das durchgeführte Auswahlgespräch habe abstellen dürfen, und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Antragsgegnerin die vom Verwaltungsgericht hierzu aufgeworfenen Überlegungen bei einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung der Antragstellerin nachzuholen hätte.

19

Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss angenommen hat, die Antragsgegnerin die im Rahmen des vorangegangenen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Fehler, die unmittelbar den Kern des Leistungsvergleichs und damit eines der maßgeblichen Kriterien für die Auswahl von Bewerbern für das streitgegenständliche Beförderungsamt betrafen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2019 – 2 MB 10/19 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, juris, Rn. 19 ff.), seiner Abbruchentscheidung zugrunde gelegt hat. Dem Dienstherrn obliegt in diesen Fällen vor dem Abbruch eines Auswahlverfahrens keine (möglicherweise komplexe) Prüfung, ob, wie und wann alle gerichtlich beanstandeten Mängel im bisherigen Auswahlverfahren beseitigt werden könnten (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 7. Mai 2018 – 5 ME 41/18 –, juris, Rn. 26). Der Aufgabe des Auswahlverfahrens entspricht es gerade, das bisherige Verfahren möglichst rasch zu beenden, um in einem anschließenden Verfahren aufgrund eines dann aktualisierten Bewerberkreises eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung treffen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 2 A 2.09 –, juris, Rn. 20).

20

Selbst wenn aber zugunsten der Antragstellerin unterstellt würde, dass es sich um einen behebbaren, lediglich geringfügigen Fehler im Auswahlverfahren gehandelt hätte, der als Abbruchgrund den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG nicht genügen konnte, so wäre die Beschwerde gleichwohl aus anderen Gründen entsprechend § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen, weil sich der angegriffene verwaltungsgerichtliche Beschluss aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist.

21

Denn die Antragsgegnerin hat während des laufenden Beschwerdeverfahrens mitgeteilt, dass die Stelle nicht mehr neu ausgeschrieben werden soll. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin hier die Grenzen ihres weiten Organisationsermessens überschritten hätte, das ihr im Hinblick auf die Entscheidung eröffnet ist, die streitbefangene Stelle nicht mehr zu besetzen. Durch den bloßen Umstand der Eröffnung eines Auswahlverfahrens wird das Organisationsermessen des Dienstherrn nicht eingeschränkt. Eine Ausschreibung begründet kein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen, dass sich der Dienstherr mit der Ausschreibung hinsichtlich seiner Organisationsgewalt unwiderruflich bindet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 –, juris, Rn. 16). Die Schaffung und Bewirtschaftung von Planstellen und der Zuschnitt von Dienstposten dienen allein dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 –, juris, Rn. 15; BVerwG, Urteile vom 22. Juli 1999 – 2 C 14.98 –, juris, Rn. 24 und vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 –, juris, Rn. 26). Entschließt sich der Dienstherr folglich dazu, eine Stelle nicht mehr oder so nicht mehr zu vergeben, unterfällt diese Entscheidung allein seiner Organisationsgewalt und wird nicht durch Bewerbungsverfahrensrechte eines Bewerbers beschränkt (vgl. Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 31. August 2020 – 6 CE 20.1325 –, juris, Rn. 11 und vom 4. Juni 2018 – 3 CE 18.504 –, juris, Rn. 4). Insoweit ist nur eine von einer Plausibilitätskontrolle zu unterscheidende Willkürprüfung vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 –, juris, Rn. 17). Soweit die Antragstellerin in Abrede stellt, dass die Stelle nicht erneut ausgeschrieben werden soll, ist es ihr nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass die dargelegte Organisationsentscheidung von Seiten der Antragsgegnerin nur vorgeschoben ist. Dabei ist unerheblich, ob und von wem die Stelle derzeit vertreten wird, da jedenfalls zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Leiterin des Standesamtes, deren Stelle für den Lauf der Elternzeit neu ausgeschrieben worden war, im Dezember 2021 bzw. ein oder zwei Monate später ihren Dienst wieder antreten wird. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für plausibel und nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin für den verbleibenden kurzen Zeitraum keine Nachbesetzung mehr vornehmen möchte. Dafür, dass die nachträgliche Entscheidung der Antragsgegnerin, auf eine erneute Ausschreibung der Stelle zu verzichten, im Fall der Antragstellerin in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise oder willkürlich zu ihren Lasten getroffen worden wäre, ergeben sich weder aus dem Beschwerdevorbringen noch sonst ausreichende objektive Anhaltspunkte.

22

Angemerkt sei vorsorglich, dass die Antragstellerin nicht rechtsschutzlos gestellt wäre, wenn die Antragsgegnerin gleichwohl in absehbarer Zeit eine (unveränderte) Neuausschreibung der Leitung des Standesamtes vornähme. In einem solchen Fall könnte es naheliegen, die nicht beabsichtigte Nachbesetzung der Stelle wegen der bevorstehenden Rückkehr der Stelleninhaberin als bloßen Vorwand anzusehen. Der Antragstellerin wäre dann die Möglichkeit eröffnet, ein Abänderungsverfahren analog § 80 Abs. 7 VwGO durchzuführen oder die Missbrauchs- bzw. Manipulationsabsicht im Rahmen des neuen Auswahlverfahrens geltend zu machen.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Eine Halbierung des Streitwerts scheidet ungeachtet des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aus. Denn für das Begehren auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens kommt allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht. Der Regelstreitwert ist angemessen, weil der Antrag lediglich auf die Fortsetzung des Auswahlverfahrens und nicht bereits auf die Vergabe des Dienstpostens an einen bestimmten Bewerber gerichtet ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 –, juris, Rn. 22 und vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4/18 –, juris, Rn. 23).

24

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen