Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 MR 12/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Antragsteller – wohnhaft in C-Straße, A-Stadt – wenden sich gegen die Genehmigung einer Windkraftanlage.
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Der Antragsgegner erteilte der Beigeladenen unter dem 20. Juli 2021 eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage (Gesamthöhe von 150 m) auf dem Flurstück …, Flur …, Gemarkung A-Stadt. Der Genehmigungsbescheid wurde den Antragstellern am 30. August 2021 zugestellt. Das Haus der Antragsteller liegt ca. 650 m nordöstlich von der genehmigten Windkraftanlage entfernt.
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Am 8. September 2021 legten die Antragsteller Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die eingereichten Unterlagen, insbesondere den Gutachten zu Schall- und Schattenwurfemissionen, sei dargelegt und sichergestellt, dass von den Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen würden. Das Haus der Antragsteller liege im Außenbereich. Es handele sich um eine vereinzelte Splitterbebauung ohne organische Siedlungsstruktur.
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Die Antragsteller haben am 9. Dezember 2021 Klage – 5 KS 35/21 – erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
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Die Antragsteller beantragen,
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gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Der Antragsgegner stellt keinen Antrag.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
II.
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Der Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nach § 80a
- 12
Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.10.2014 – 7 VR 4.13 –, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80a Rn. 17). Der Klage der Antragsteller kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 63 BImschG keine aufschiebende Wirkung zu.
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Die Antragsteller sind antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Sie machen geltend, die genehmigte Windkraftanlagen verursache schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG.
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Die Antragsteller mussten auch nicht zuvor einen behördlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei dem Antragsgegner stellen. Dieses generelle Erfordernis lässt sich nicht aus der Verweisung des § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO auf § 80 Abs. 6 VwGO entnehmen; denn § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO stellt eine Rechtsgrund- und keine Rechtsfolgenverweisung dar (so auch OVG Hamburg, Beschl. v. 14.03.2017 – 1 Bs 266/16 –, juris Rn. 18; VGH Mannheim, Beschl. v. 29.06.1994 – 10 S 2510/93 –, juris Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80a Rn. 21; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand: 41. EL Juli 2021, § 80a Rn. 78; a.A. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.01.2011 – 1 ME 146/10 –, juris Rn. 7).
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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Bei der in diesem Verfahren erforderlichen Interessenabwägung ist das Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen abzuwägen gegen das Interesse der Antragsteller daran, dass die Beigeladene zunächst – bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage – das Vorhaben nicht verwirklicht.
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Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Nachbarn – wie hier die Antragsteller – können sich als Dritte auch im Verfahren gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nur mit Aussicht auf Erfolg gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Wehr setzen, wenn sich diese auf die Verletzung einer Norm berufen, die gerade ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
- 18
Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. VGH München, Beschl. v. 09.06.2020 – 15 CS 20.901 –, juris Rn. 23).
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Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage der Antragsteller gegen den Genehmigungsbescheid des Antragsgegners voraussichtlich nicht wegen einer Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG erfolgreich sein.
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Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Schädliche Umwelteinwirkungen in diesem Sinne sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImschG).
- 21
Die Abwehr- und Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG besteht auch im Interesse der betroffenen Nachbarn. Insoweit entfaltet die Vorschrift drittschützende Wirkung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24. Juli 2008 – 7 B 19.08 –, juris Rn. 12). Diese erfasst sowohl den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen als auch den Schutz vor sonstigen Gefahren, erhebliche Nachteilen und erheblichen Belästigungen. Den Nachbarn werden eigene – öffentlich-rechtlich vermittelte – Abwehrrechte gegenüber derartigen Beeinträchtigungen eingeräumt. Soweit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausformung des Rücksichtnahmegebotes. Dementsprechend sind Immissionen, die sich in den Grenzen des nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Zulässigen bewegen, nicht rücksichtslos (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 96. EL September 2021, § 5 BImSchG Rn. 114).
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Das Grundstück der Antragsteller wird durch die genehmigte Windkraftanlage voraussichtlich nicht schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt.
- 23
a) Die Immissionsrichtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 1. Juni 2017 (TA Lärm) werden voraussichtlich nicht überschritten.
Die Antragsteller tragen vor, das Schalltechnische Gutachten vom 5. Mai 2020 werde nicht anerkannt. Es handele sich um ein Privatgutachten der Betreiberin; zudem sei der Immissionsort falsch bezeichnet. Sie wohnten nicht – wie in der gutachterlichen Stellungnahme angegeben – in Wittbek, … …. Die Berechnungen seien fehlerhaft. Das schalltechnische Gutachten betrachte die in Rede stehende Anlage isoliert. Im Umkreis von 360 Grad befänden sich ca. 25 Windkraftanlagen; der Lärmpegel addiere sich mit jeder weiteren Lärmquelle. Die streitgegenständliche Windkraftanlage führe dazu, dass die Immissionsrichtwert von 45 dB (A) nachts und von 60 dB (A) tagsüber weit überschritten würden. Ihr Hausgrundstück liege an einer relativ viel befahrenen Landesstraße zwischen D-Stadt und …; all dies sei einzubeziehen. Bei den vorherrschenden südwestlichen und westlichen Winden lägen sie genau im Sektor der Lärmimmissionen. Hiermit dringen sie nicht durch.
Das Wohnhaus der Antragsteller liegt im Außenbereich. Für den Außenbereich betragen die Immissionsrichtwerte in entsprechender Heranziehung der Werte für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 d) TA Lärm 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 26.03.2018 – 8 B 1291/17 –, juris Rn. 66). Diese Immissionsrichtwerte werden nach dem Schalltechnischen Gutachten vom 5. Mai 2020 (Ingenieurbüro für Akustik Busch) nicht überschritten. Hiernach (S. 19, Tabelle 3) beträgt die Gesamtbelastung am Immissionsort 2 nachts 42 dB (A).
Unschädlich ist, dass auf S. 10 des Schalltechnischen Gutachtens vom 5. Mai 2020 die Adresse für den Immissionsort 2 mit „… …, …“ angegeben wird. Aus den Anlagen 2 (Lageplan) und 7 (Isophonenkarte) zum Schalltechnischen Gutachten vom 5. Mai 2020 ergibt sich eindeutig, dass es sich bei dem Immissionsort 2 um das Grundstück der Antragsteller (C-Straße, A-Stadt) handelt.
- 24
Der Einwand der Antragsteller, es handele sich bei dem Schalltechnischen Gutachten vom 5. Mai 2020 um ein nicht verwertbares Privatgutachten, ist unzutreffend. Im Auftrag des Betreibers erstellte Immissionsprognosen sind dem Regelsystem des Bundesimmissionsschutzgesetzes immanent, da dieses u.a. die so genannte betreibereigene Überwachung von Anlagen (§§ 26 bis 29 BImSchG) vorsieht (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 10.12.2010 – 3 B 250/10 –, juris Rn. 10).
Das Schalltechnische Gutachten vom 5. Mai 2020 (S. 13 f. sowie Anlage 2 - Lageplan) ermittelt auch die immissionsrelevanten Schallleistungspegel der vorhandenen Betriebe und Anlagen nachts (Vorbelastung). Die Vorbelastung wird in der Tabelle 3 (S. 19) am Immissionsort 2 mit 41 dB (A) angegeben.
- 25
Soweit die Antragsteller rügen, in die Berechnung der Gesamtbelastung durch Lärmimmissionen sei zu Unrecht die Vorbelastung durch Verkehrslärm, insbesondere auf der … …, nicht eingeflossen, ist die Berücksichtigung einer solchen Vorbelastung in den Bestimmungen der TA Lärm nicht angelegt. Vielmehr ist, was die Berücksichtigung von Verkehrsgeräuschen angeht, Nr. 7.4 TA Lärm als abschließende Regelung anzusehen, die die Gerichte bindet und eine weitergehende Zurechnung ausschließt (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.01.2013 – 4 B 23.12 –, juris Rn. 5). Nach Nr. 7.4 Abs. 1 TA Lärm sind nur Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt, die in Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage stehen, der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen, während Absatz 2 für Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem Betriebsgrundstück unter weiteren Voraussetzungen eine Verpflichtung zur Lärmminderung „durch Maßnahmen organisatorischer Art“ vorsieht.
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Die Bildung eines Summenpegels kann nur geboten sein, wenn eine Anlage in Zusammenwirkung mit vorhandenen Vorbelastungen insgesamt zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.10.2010 – 4 BN 28.10 –, juris Rn. 3). Es ist weder von den Antragstellern substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass es durch die Summierung mit von der TA Lärm nicht erfassten Lärmquellen zu einer Überschreitung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts kommen wird (vgl. zu dieser Grenze: BVerwG, Urt. v. 15.12.2011 – 7 A 11.10 –, juris Rn. 30).
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b) Die Genehmigung ist – mit den von den Antragstellern dargelegten Gründen – auch nicht im Hinblick auf die darin enthaltenen Regelungen zum Schutz vor Schattenwurf zu beanstanden.
Die Antragsteller bringen vor, die Schattenwurfprognose vom 17. März 2020 (Ingenieurbüro für Akustik Busch) habe für ihr Wohnhaus eine mögliche Gesamtbeschattungsdauer von maximal 66 Stunden pro Jahr ausgerechnet. Damit würden die Immissionsrichtwerte bei Weitem überschritten. Eine Sicherstellung der Richtwerte mittels entsprechender Nebenbestimmungen stehe lediglich auf dem Papier. Es sei nicht möglich, die Richtwerte im Einwirkbereich durch entsprechende Abschaltmaßnahmen einzuhalten. Hiermit dringen sie nicht durch.
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Unschädlich ist, dass die Schattenwurfprognose vom 17. März 2020 die Adresse des Immissionsortes 4 mit der Adresse „… …, A-Stadt“ angibt. Aus der Anlage 2 zur Schattenwurfprognose (Lageplan) ergibt sich, dass es sich beim Immissionsort 4 um das Grundstück der Antragsteller (C-Straße, A-Stadt) handelt.
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Am Immissionsort 4 wird die zulässige Beschattungsdauer pro Tag zwar durch die streitgegenständliche Windkraftanlage – nicht bereits durch die Vorbelastung – überschritten (Tabelle 3 und S. 14 der Schattenwurfprognose vom 17. März 2020).
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Nach der Auflage Nr. 2.2.10 zum Genehmigungsbescheid vom 20. Juli 2021 hat die Beigeladene die Windkraftanlage indes so zu betreiben und zu unterhalten, dass durch Abschaltmaßnahmen erhebliche Belästigungen der Nachbarschaft durch periodischen Schattenwurf verhindert werden. Die Beschattungsdauer der Windkraftanlage, unter Berücksichtigung der Vorbelastung, darf – unter Bezugnahme auf die Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windkraftanlagen (WKA-Schattenwurfhinweise) der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) – an den im Einwirkbereich der Windkraftanlage liegenden schutzbedürftigen Räumen die Immissionsrichtwerte von maximal 30 Minuten pro Tag und maximal 8 Stunden pro 12 Monate nicht überschreiten. Die ermittelten Daten zur Sonnenscheindauer und Abschaltzeit sind von der Steuereinheit über mindestens ein Jahr zu dokumentieren; entsprechende Protokolle sind auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen. Der Sensor einer lichtgesteuerten Abschalteinrichtung ist regelmäßig im Rahmen der Servicearbeiten an der Windkraftanlage auf Verschmutzung und Beschädigungen zu kontrollieren. Verschmutzungen und Beschädigungen sind unverzüglich zu beheben. Ferner ist nach der Auflage Nr. 2.2.11 zum Genehmigungsbescheid vom 20. Juli 2021 innerhalb von vier Wochen nach der Inbetriebnahme der Windkraftanlage der zuständigen Genehmigungsbehörde die Installation einer Schattenabschaltungsautomatik schriftlich zu bestätigen. Aufgrund dieser Nebenbestimmungen ist eine stärkere Belastung mit Schattenwurf als maximal 30 Minuten pro Tag und maximal 8 Stunden pro 12 Monate am Wohnhaus der Antragsteller (Immissionsort 4) ausgeschlossen.
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Sofern der Vortrag der Antragsteller so zu verstehen sein sollte, dass eine stärkere Belastung ihrerseits durch den (zeitlich auf maximal 30 Minuten täglich begrenzten) Schattenwurf nicht ausgeschlossen werden könne, haben sie nicht dargelegt, worin eine solche stärkere Belastung liegen könnte, die im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu erwägen wäre (vgl. Beschl. d. Senats v. 01.12.2020 – 5 MB 11/20 –, juris Rn. 31).
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c) Von den genehmigten Windkraftanlage geht voraussichtlich keine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung aus.
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Eine gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoßende optisch bedrängende Wirkung einer Windkraftanlage kann gegeben sein, wenn diese wegen ihrer Höhe und Breite gegenüber dem „Nachbargrundstück“ erdrückende beziehungsweise erschlagende Wirkung hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.12.2006 – 4 B 72.06 –, juris Rn. 4; VGH Kassel, Beschl. v. 13.07.2011 – 9 A 482/11.Z –, juris Rn. 13). Ob das „Unruheelement“, das der Rotor durch seine Bewegung schafft, so störend ist, dass das Maß des Zumutbaren überschritten und das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Dabei gilt, dass die Bewegung des Rotors umso stärker spürbar wird, je geringer die Distanz zwischen der Windkraftanlage und dem Betrachter und je größer die Dimension der Bewegung ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 10). Beträgt der Abstand mindestens das Dreifache der Anlagenhöhe, wird in der Regel eine optisch bedrängende Wirkung nicht anzunehmen sein (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 22.09.2014 – 1 MB 32/14 –, juris Rn. 14; OVG Münster, Beschl. v. 20.07.2017 – 8 B 140/17 –, juris Rn. 40).
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Für eine optisch bedrängende Wirkung der genehmigten Windkraftanlagen gibt es keinerlei Anhaltspunkte; die Antragsteller tragen hierfür auch nichts Erhebliches vor. In Anbetracht der anzusetzenden Anlagenhöhe von 150 m und einem Abstand zwischen der Windkraftanlage und dem Wohnhaus der Antragsteller von ca. 650 m beträgt der Abstand mehr als das Vierfache der Anlagenhöhe. Angesichts dieser Umstände ist eine optisch bedrängende Wirkung fernliegend. Auch der nicht substantiierte Vortrag der Antragsteller, die Lage gebiete ein Abweichen vom Regelfall, da sein Anwesen im Nordosten der Windkraftanlage liege, rechtfertigt die Annahme einer unzumutbaren optisch bedrängenden Wirkung nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 36
Die Streitwertfestsetzung beruht § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (½ von 15.000 €).
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Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, weil sie einen Sachantrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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