Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 KN 3/18

Tenor

Der Bebauungsplan „Groß Tarup K8“ (Nr. 272) der Antragsgegnerin vom 17. März 2016, nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens erneut beschlossen am 30. März 2017, wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan „Groß Tarup K8“ (Nr. 272) der Antragsgegnerin.

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Gegenstand dieses Bebauungsplans ist der Weiterbau der Kreisstraße 8 (im Folgenden: K8) in ihrem vierten Bauabschnitt. Die drei vorangegangenen Bauabschnitte der K8 waren Gegenstand der Bebauungspläne Nr. 236 und 255 der Antragsgegnerin. Auf dieser Grundlage wurde Planrecht für die Streckenabschnitte bis zum Tastruper Weg geschaffen. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans Nr. 272 erfolgte in diesem Ausbaustadium in provisorischer Form zunächst die Anbindung an den Tastruper Weg (S. 7 der Begründung).

3

Vorausgegangen war – u. a. zur Sicherung des Trassenverlaufs der K8 über die „Hochfelder Landstraße“ hinaus (vgl. Ziffer 5 der Begründung der 36. Änderung des Flächennutzungsplans, Bl. 305 Gerichtsakte) – das Verfahren zur 36. Änderung des Flächennutzungsplans, aufgestellt durch Aufstellungsbeschluss der Ratsversammlung der Antragsgegnerin vom 3. November 2005. Der Beschluss über die 36. Änderung des Flächennutzungsplans und die 22. Änderung des Landschaftsplans („Groß-Tarup / Tastrup-Nord“) erfolgte in der Sitzung der Ratsversammlung der Antragsgegnerin am 15. November 2007 (Bl. 338 f. Gerichtsakte). Der geänderte Flächennutzungsplan sieht im Bereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans Wohnbaufläche, Verkehrsfläche (K8), Grünfläche und landwirtschaftliche Fläche vor (vgl. Abdruck in der Planbegründung, S. 5).

4

Zur Realisierung des hier gegenständlichen vierten Bauabschnitts benötigt die Antragsgegnerin Flächen, die im Alleineigentum des Antragstellers stehen. Im Einzelnen handelt es sich um die Flurstücke … mit einer Größe von 32.960 m² (benötigt werden 27.377 m²), … mit einer Größe von 70.840 m² (benötigt werden 16.686 m²) und … mit einer Größe von 53.064 m² (benötigt werden 10.194 m²), allesamt Flur … der Gemarkung …. Für das Flurstück … ist im Grundbuch von …, Blatt …, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Altenteil) für Frau …. eingetragen, die Flurstücke … und … sind verpachtet. Die o. g. Teilbereiche liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Groß Tarup K8“ (Nr.272):

5

Planzeichnung …

6

In der Planbegründung heißt es zu den Gründen der Planaufstellung:

7

„Die Planung zeigt die „Ortsumgehung Tarup“ für den Bereich Groß Tarup / Tastrup Nord. Mit der vorliegenden Planung wird die sogenannte Kreisstraße K8 weitergeführt. Die K8 entlastet die Wohnbereiche entlang der Ortsdurchfahrt Tarup und auch entlang der Straße „Adelbylund“ bis zum Hafermarkt vom Durchgangsverkehr und von der damit verbundenen Lärmeinwirkung und Schadstoffbelastung. Die Trasse ist bereits in Teilen mit Hilfe der Bebauungspläne Hochfeld und Tarup Süd-Ost umgesetzt. Im Rahmen des B-Planes wird die bereits im Flächennutzungsplan dargestellte Trasse sowie deren Lärmschutzmaßnahmen planungsrechtlich gesichert.“
(Begründung S. 7).

8

Der Aufstellungsbeschluss für den hier angegriffenen Bebauungsplan erfolgte am 10. Mai 2012, die ortsübliche Bekanntmachung dieses Beschlusses am 18. Mai 2012. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgte im Wege einer öffentlichen Bürgerversammlung am 2. Mai 2012. Der Ausschuss für Umwelt, Planung und Stadtentwicklung der Antragsgegnerin beschloss den Entwurf des Bebauungsplans und die Begründung am 11. November 2014 und bestimmte diese zur Auslegung. Der Entwurf des Bebauungsplans und die Begründung lagen in der Zeit vom 24. November 2014 bis zum 2. Januar 2015 öffentlich aus; dies wurde ortsüblich bekannt gemacht. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, die von der Planung berührt sein könnten, wurden mit Schreiben vom 14. November 2014 zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. In ihrer Sitzung am 17. März 2016 beschloss die Ratsversammlung der Antragsgegnerin den Bebauungsplan, bestehend aus Planzeichnung (Teil A) und Text (Teil B), als Satzung und billigte die Begründung; der Beschluss wurde durch Abdruck am 26. März 2016 in den Flensburger Tageszeitungen „Flensburger Tagesblatt“ und „Flensborg Avis“ ortsüblich bekannt gemacht.

9

Am 19. August 2016 beantragte die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Flächen des Antragstellers bei der Enteignungsbehörde des Ministeriums für Inneres, Ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein die Einleitung eines Enteignungsverfahrens und eine vorzeitige Besitzeinweisung. Im Verwaltungsvorgang findet sich sodann eine E-Mail der Enteignungsbehörde an die Antragsgegnerin, in der es auszugsweise heißt: „Im Übrigen sind mir – abgesehen von der Abwägung – keine weiteren Problempunkte der Satzung ins Auge gesprungen, die im ergänzenden Verfahren gleich mit behoben werden sollten.“ Im Anschluss findet sich eine E-Mail der Rechtsabteilung, in welcher die Ergänzung der Abwägung vorgeschlagen und textlich ausgearbeitet wird.

10

Daraufhin beschloss die Ratsversammlung der Antragsgegnerin am 30. März 2017 (mit 22 Ja-Stimmen und 9 Nein-Stimmen):

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1. Die Bewertung der Umweltauswirkungen erfolgt entsprechend der Umweltprüfung im Umweltbericht zu Nr. 3.

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2. Die Stellungnahmen zu dem Auslegungsentwurf werden wie in der Anlage vorgeschlagen berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt.

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3. Gemäß § 214 Abs. 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BauGB wird der Bebauungsplan „Groß Tarup – K8“ (Nr. 272) […] in der Fassung vom 15. Februar 2016 bestehend aus der Planzeichnung (Teil A) und dem Text (Teil B) als Satzung beschlossen. Die Begründung in der Fassung vom 22. Februar 2017 wird gebilligt.

14

Die ortsübliche Bekanntmachung dieses Beschlusses erfolgte wiederum durch Abdruck am 7. April 2017 in den Flensburger Tageszeitungen „Flensburger Tagesblatt“ und „Flensborg Avis“.

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Mit Schreiben vom 15. Juni 2017 beantragte die Antragsgegnerin erneut im Hinblick auf die Flächen des Antragstellers bei der Enteignungsbehörde des Ministeriums für Inneres, Ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein die Einleitung eines Enteignungsverfahrens und eine vorzeitige Besitzeinweisung. Mit Beschluss vom 11. September 2017 wurde die Antragsgegnerin mit Wirkung zum 9. Oktober 2017 zum Zwecke des Baus der K8 gemäß den Festsetzungen des Bebauungsplans „Groß Tarup K8“ (Nr. 272) vorzeitig in den Besitz der o. g. Teilflächen des im Grundbuch von …, Blatt …, eingetragenen Grundstücks des Antragstellers eingewiesen. Gegen diesen Besitzeinweisungsbeschluss ersuchte der Antragsteller beim Landgericht Kiel – Kammer für Baulandsachen – um vorläufigen Rechtsschutz, der mit Beschluss vom 20. November 2017 abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht – Senat für Baulandsachen – mit Beschluss vom 22. Januar 2018 zurück. Das Enteignungsverfahren ist nach den unbestrittenen Darlegungen des Antragstellers noch bei der Enteignungsbehörde anhängig.

16

Der Antragsteller hat sich im Aufstellungsverfahren des streitgegenständlichen Bebauungsplans nicht geäußert. Er hat am 30. Januar 2018 den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt und mit Schriftsatz vom 9. Mai 2019 begründet. Seinen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung dieses Bebauungsplans, den er mit Schriftsatz vom 19. Februar 2018 begründet hatte (Gerichtsakte zum Az. 1 MR 1/18), hat der Senat mit Beschluss vom 20. März 2018 abgelehnt. Zur Begründung seines Normenkontrollantrags macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, eine Kreisstraße könne nicht Gegenstand eines Bebauungsplans sein. Bei der K8 handele es sich um eine Kreisstraße, welche sich gemäß § 11 StrWG grundsätzlich in der Trägerschaft des Kreises befinde. Gemäß § 40 Abs. 2 StrWG sei für den Bau oder die Änderung von Kreisstraßen ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, wenn – wie vorliegend – ein Enteignungsverfahren notwendig sei. Weiterhin sei in § 40b Abs. 2 Satz 2 StrWG unmissverständlich geregelt, dass im Falle einer notwendigen Ergänzung des Bebauungsplans insoweit zusätzlich ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen sei. § 40b Abs. 2 Satz 1 StrWG, wonach Bebauungspläne nach § 9 des Baugesetzbuchs die Planfeststellung nach § 40 StrWG ersetzen könnten, gelte nicht, soweit der Antragsgegnerin die Planungshoheit für die Kreisstraße nicht obliege und darüber hinaus die Regelung des § 40b Abs. 2 Satz 2 StrWG einschlägig sei. Zudem leide der Bebauungsplan an Abwägungsfehlern. So seien seine Rechte nicht in ausreichendem Umfang ermittelt und in die Abwägung eingestellt worden. Die Umsetzung des Bebauungsplans setze seine Enteignung voraus, da die in dem Geltungsbereich befindlichen Flächen nicht im Eigentum der Antragsgegnerin stünden. Der Enteignung stünden das grundrechtlich in Art. 14 GG geschützte Recht auf Eigentum sowie sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entgegen. Trotz der Tatsache, dass er derzeit einen Großteil seiner landwirtschaftlichen Flächen verpachtet habe und selbst nur einen kleinen Teil bewirtschafte, sei er als Vollerwerbslandwirt tätig. Er habe die Bewirtschaftungsflächen des Hofes in den vergangenen Jahren von rund 20 auf 64 ha steigern können und schließe auch nicht aus, die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der gesamten Flächen wieder eigenhändig vorzunehmen. Dies habe er aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend reduzieren müssen. Derzeit halte er 22 Rinder, davon zwei Milchkühe zum Melken für die Kälber. Er baue auf rund neun Hektar seines Ackerlandes Futterrüben, Grassilage und Getreide an. Die landwirtschaftlichen Flächen hätten von seinem Hof aus bisher einheitlich bewirtschaftet werden können. Dabei habe die von ihm selbst bewirtschaftete Hofkoppel eine besonders große Bedeutung gehabt, da sie die am wirtschaftlichsten zu bearbeitende Fläche darstelle. Die Hofkoppel bedinge die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes maßgeblich. Nunmehr würden seine Flächen einschließlich seiner Hofkoppel jedoch durch den Straßenzug des 4. Bauabschnitts der K8 durchschnitten. Hierdurch sei die Existenz des Hofes erheblich bedroht. Alternative Flächen stellten sich mit zunehmender Distanz zu dem Hof keineswegs als gleichwertig dar, sondern seien vielmehr nur unter erheblichen Mehrkosten zu bewirtschaften, was sich für ihn als finanziell nicht tragbar darstelle, zumal die mit der Hofkoppel erwirtschafteten Überschüsse weggefallen seien. Zudem sei die Planung aufgrund von Planungsalternativen und infolge der bereits ohne Realisierung des vierten Bauabschnitts eingetretenen Entlastungseffekte nicht erforderlich. Er habe die Antragsgegnerin spätestens im Jahr 2013 auf den Bau einer sogenannten „modifizierten Nordtrasse“ auf Höhe des ostwestlichen Verlaufs des Schwingsinger Weges verwiesen. Seit dem Jahr 2006 sei im Hause der Antragsgegnerin zudem die Planung einer sogenannten „südlich-mittleren Trasse“ der K8 erwogen worden. Eine ernsthafte Abwägung von alternativen Planungsvarianten als milderes Mittel im Rahmen der Enteignungsentscheidung habe die Antragsgegnerin jedoch nicht vorgenommen, obwohl hierfür zweifelsfrei ausreichend Zeit und Raum zur Verfügung gestanden habe und eine solche Abwägung von der Antragsgegnerin auch habe verlangt werden können. Schließlich seien die Belange der Landwirtschaft und des Umweltschutzes nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Die faunistische Bestandsdatenerfassung sei veraltet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 19. Februar 2018 (Az. 1 MR 1/18) und vom 9. Mai 2019 Bezug genommen.

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Der Antragsteller beantragt,

18

den Bebauungsplan „Groß Tarup K8“ (Nr. 272) der Antragsgegnerin vom 17. März 2016, nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens erneut beschlossen am 30. März 2017, für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

21

Zum Sachverhalt sei zu ergänzen, dass die Planung mittlerweile umgesetzt worden sei. Lediglich im nordöstlichen Bereich sei der Abzweiger von der Taruper Hauptstraße Richtung Norden „Herrweglück“ nicht errichtet worden. Die Straße sei gewidmet worden und stehe im Bereich des 1. bis 3. Bauabschnitts in ihrem Eigentum. Der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens habe es nicht bedurft. Sie sei weiterhin der Ansicht, dass die Einstellung der Belange des Antragstellers in die Abwägung zutreffend erfolgt sei. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers hätten das LG Kiel in der Entscheidung 28 O 4/17 und das OLG Schleswig in der Entscheidung 52 U 1/18 die Auffassung vertreten, dass diese nicht von der Nutzung der von der Planung betroffenen Flächen abhänge, zumal die Einnahmen des Antragstellers überwiegend aus der Verpachtung von Flächen herrührten. Daran habe sich nach ihrer Kenntnis bislang nichts geändert. Der Verweis auf die Viehhaltung des Antragstellers führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Umfang der Viehhaltung und seine wirtschaftliche Bedeutung blieben erheblich hinter den Pachteinnahmen zurück.

22

Dass die Abwägung der wirtschaftlichen Belange des Antragstellers zutreffend gewesen sei, ergebe sich auch aus dem Gutachten über die Ermittlung sonstiger zu berücksichtigender und entschädigungsfähiger Vermögensnachteile vom 8. Juni 2021, welches im Rahmen des Enteignungsverfahrens durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Flensburg beauftragt worden sei. Darin stelle der Gutachter in Zusammenhang mit der Darstellung der Vorgehensweise zur Ermittlung der Vermögensnachteile fest, dass eine Grünlandnutzung und Rinderhaltung nicht angenommen werden könnten. Die Anforderungen an Festmistlagerung würden einer amtlichen Kontrolle voraussichtlich nicht standhalten. Gleiches gelte für die Vorschriften der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (z. B. Belichtungs-/ Belüftungserfordernisse) im Stall. Nach Ansicht des Gutachters sei wegen der geringen Produktivität und hohen Kosten im Fall einer Modernisierung spätestens beim Generationenwechsel von einer Einstellung der Rinderhaltung auszugehen (vgl. Gutachten vom 8. Juni 2021, S. 16 und 17). Die ausweislich der Ziffer 5.1.2 der Begründung des Bebauungsplans eingestellten Belange seien somit umfassend. Die Bedeutung der Planung für den Antragsteller sei durch sie nicht verkannt worden, da sie auch den Fall einer Wiederaufnahme der unmittelbaren Bewirtschaftung der verpachteten Flächen berücksichtigt habe. Diese Belange seien mit dem öffentlichen Interesse an der Umsetzung der Planung abgewogen worden.

23

Zu Unrecht behaupte der Antragsteller, bei der Abwägung der öffentlichen Belange seien alternative Trassenführungen nicht hinreichend berücksichtigt worden und es sei lediglich behauptet worden, dass die gewählte Trasse die aus Umweltsicht verträglichste Variante darstelle. Die Begründung zum Bebauungsplan verweise hinsichtlich der Untersuchung der Auswirkungen der Trassenvarianten auf die Begründung zur 36. Änderung des Flächennutzungsplans und die 22. Änderung des Landschaftsplans. Dort werde auf Seite 12 (Brutvögel, Amphibien), 13 (Gewässer), 14 (Landschaftsraum) dargelegt, dass die nördliche Variante vorzugswürdig sei. Der Kurvenverlauf stehe einer alternativen Trassenführung zwar nicht grundsätzlich entgegen. Der Verkehrswert verringere sich allerdings, da mit einer Kurve eine Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verbunden wäre, also höhere Reisezeiten für MIV und ÖPNV, und zudem eine größere Inanspruchnahme von Flächen, verbunden mit zusätzlichen Eingriffen in die Umwelt, z. B. zusätzliche Beseitigung von Knicks, notwendig wären. Zudem wären auch in diesem Fall Flächen in fremdem Eigentum betroffen gewesen.

24

Der Antragsteller sei zu Unrecht der Ansicht, dass ein Abwägungsfehler darin bestehe, dass sie verkannt habe, dass die Entlastungsfunktion ebenso gut durch den Tastruper Weg erfolgen könne. Sie habe die Möglichkeit einer Verkehrsführung über den Tastruper Weg erkannt und in die Abwägung eingestellt. Diese sei nicht gleichermaßen geeignet, da der Tastruper Weg nicht ausgebaut sei. Selbst bei einem Ausbau würde weiterhin unmittelbar Wohnbebauung angrenzen, die entsprechend belastet werde. Ein Ausbau in diesem Bereich sei wegen der vorhandenen Bebauung, gerade im Bereich der Kurve vor der L 21, kaum möglich. Der Zweck der Gesamtmaßnahme würde verfehlt, da zum einen die Entlastungswirkung mit Umsetzung des 4. Bauabschnitts stärker ausfalle und die Führung über den Tastruper Weg zu höheren Gefährdungen führe, und für die Anwohner zusätzliche und wegen der örtlichen Verhältnisse unvermeidbare Belastungen erzeugen würde. Der Tastruper Weg habe daher zu Recht als nicht gleich geeignete Wegeführung in der Abwägung zurückgestellt werden können.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verfahrensvorgänge der Antragsgegnerin, die vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die ursprüngliche Satzung über den Bebauungsplan Nr. 272 zusammen mit der im Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB geänderten Satzung (Stock, in: E/Z/B/K, Stand: August 2021, BauGB § 214 Rn. 264a). Die ursprüngliche Satzung erlangt zusammen mit dem geänderten Bebauungsplan insgesamt als ein Bebauungsplan Wirksamkeit; er setzt sich lediglich aus zwei Teilnormgebungsakten zusammen (BVerwG, Urteil vom 24.03.2010 – 4 CN 3.09 –, Rn. 15, juris). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Gemeinde beim ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB das von ihr ursprünglich eingeleitete Verfahren an der Stelle fort, an der ihr der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist; der Plangeber wird hierdurch in das Verfahren des Bebauungsplanentwurfs zurückversetzt. Das ergänzende Verfahren wird mit einem neuen – ggf. im Vergleich zum Ursprungsbebauungsplan sogar inhaltsgleichen – Satzungsbeschluss abgeschlossen. Mit einem solchen Satzungsbeschluss entsteht ein neuer Plan, der Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein kann (BVerwG, Beschluss vom 12.07.2017 – 4 BN 7.17 –, Rn. 7, juris; Beschluss vom 04.03.2021 – 4 B 40.20 –, Rn. 4, juris).

27

Hiervon ausgehend ist der Normenkontrollantrag zulässig (dazu A.) und begründet (dazu B.).

28

A. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

29

I. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthafte Antrag ist am 30. Januar 2018 und damit innerhalb der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 VwGO, d. h. innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplans am 7. April 2017 gestellt worden. Die Jahresfrist beginnt erneut, wenn der zweiten Bekanntmachung – wie vorliegend – eine erneute Abwägungsentscheidung vorausgeht (Stock, in: E/Z/B/K, Stand: August 2021, BauGB § 214 Rn. 264c). Die erneute Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin betraf auch gerade die den Antragsteller belastenden Festsetzungen, mit denen sein Grundeigentum in Anspruch genommen werden soll. Seine Eigentumsbelange waren in der ursprünglichen Planung nicht berücksichtigt worden, wie die Antragsgegnerin in der Beschlussvorlage vom 23. Februar 2017 auch selbst einräumt, wenn es dort heißt: „Um die Ankaufverhandlungen insgesamt nicht zu belasten und weil im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hierzu keine entsprechende Stellungnahme vorlag, ist dieser Aspekt im Zusammenhang mit dem Satzungsbeschluss nicht thematisiert und abgewogen worden.“ Danach kommt der Neubekanntmachung auch keine bloß deklaratorische Bedeutung zu.

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II. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine die Antragsbefugnis begründende subjektive Rechtsposition ist zuvörderst das im Plangebiet befindliche Grundeigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die planerischen Festsetzungen eines Bebauungsplans unmittelbar und rechtssatzmäßig bestimmt und ausgestaltet werden, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerwG, Urteil vom 16.06.2011 – 4 CN 1.10 –, Rn. 12 f., juris). Der Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans erstreckt sich auf im Eigentum des Antragstellers stehende Flächen, wobei es sich im Einzelnen um die Flurstücke … mit einer Größe von 32.960 m² (benötigt werden 27.377 m²), … mit einer Größe von 70.840 m² (benötigt werden 16.686 m²) und … mit einer Größe von 53.064 m² (benötigt werden 10.194 m²), allesamt Flur … der Gemarkung …, handelt.

31

III. Dem Antrag fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei Normenkontrollanträgen gegen Bebauungspläne geklärt. Danach ist bei bestehender Antragsbefugnis regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll nur verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Es ist aber nicht erforderlich, dass die begehrte Erklärung einer Norm als unwirksam unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt. Ist ein Bebauungsplan durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird der Antragsteller allerdings in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können. Insofern kommt eine das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende Verwirklichung einer angegriffenen Festsetzung aber allenfalls dann in Betracht, wenn die Festsetzung im Baugebiet auch räumlich "vollständig verwirklicht" ist. Vor diesem Hintergrund kann es zur Wahrung des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Normenkontrollantrag erforderlich sein, im Wege des verwaltungsprozessualen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen vorzugehen, die – bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag – zur vollständigen oder nahezu vollständigen Umsetzung des angefochtenen Bebauungsplans führen können (BVerwG, Beschluss vom 29.01.2019 – 4 BN 15.18 –, Rn. 5, juris m. w. N.).

32

Hiervon ausgehend fehlt es nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. Zwar ist die K8 mittlerweile – infolge der vorläufigen Besitzeinweisung – u. a. auf den im Eigentum des Antragstellers stehenden Flächen errichtet worden. Dies ist auch auf den entsprechenden Luftbildern im DigitalenAtlasNord zu erkennen:

33

Flurstück …:

 Flurstück …:

 Flurstück …:

                          

Bild   

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Allein aus diesem Grund kann dem Antragsteller indes ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Ist nämlich eine durch einen Bebauungsplan festgesetzte Straße bereits vollendet und gewidmet, so kann gleichwohl noch für den durch die Straße nachteilig Betroffenen ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan – etwa im Hinblick auf einen möglichen Folgenbeseitigungsanspruch – bestehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.09.1992 – 4 NB 22.92 – Rn. 10 f., juris). Ein Folgenbeseitigungsanspruch kommt in Betracht, wenn eine Straße auf der Grundlage eines unwirksamen Bebauungsplans hergestellt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.1993 – 4 C 24.91 – juris; OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 25.11.2021 – 2 K 34/20 –, Rn. 39, juris). In dem tatsächlichen Schaffen der K8 und den dadurch ermöglichten Auswirkungen auf die tatsächliche Nutzbarkeit des Grundstücks des Antragstellers liegt ein hoheitlicher Eingriff. Ein Grundeigentümer, dessen Grundstück an einer öffentlichen Straße liegt, muss Beeinträchtigungen, die eine Straße durch ihre bestimmungsgemäße Nutzung auslöst, indes nur dann hinnehmen, wenn für die Herstellung der Straße und die bestimmungsgemäße Nutzung eine ausreichende Rechtsgrundlage gegeben ist (BVerwG, Urteil vom 26.08.1993 – 4 C 24.91 –, Rn. 26, juris). Letztlich steht dem Antragsteller vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis zudem auch deshalb zur Seite, weil das Enteignungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

35

IV. Der Antrag ist nicht gemäß § 47 Abs. 2a VwGO a. F. unzulässig, auch wenn der Antragsteller im Aufstellungsverfahren keine Einwendungen erhoben hat, da die Norm durch Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) mit Wirkung zum 2. Juni 2017 aufgehoben worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.2021 – 4 CN 6.19 –, Rn. 12, juris).

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B. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

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I. Der Bebauungsplan Nr. 272 der Antragsgegnerin leidet bereits unter durchgreifenden formellen Fehlern.

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1. Zwar ist entgegen den Ausführungen des Antragstellers das Verfahren zur Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplans nicht zu beanstanden; die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens war nicht erforderlich. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB können aus städtebaulichen Gründen Verkehrsflächen Inhalt der Festsetzung in einem Bebauungsplan sein. Das bedeutet zwar nicht, dass das Mittel des Bebauungsplans für die Planung jedweder Art von Straße unbeschränkt zur Verfügung steht. Eine gemeindliche Straßenplanung kann an rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen scheitern. Ohne Probleme einsetzbar ist das bauplanungsrechtliche Instrumentarium indes bei Straßen, bei denen die Gemeinde nicht nur Planungsträger, sondern auch Träger der Straßenbaulast sein wird (BVerwG, Urteil vom 28.01.1999 – 4 CN 5.98 –, Rn. 16, juris; vgl. zur Zulässigkeit einer isolierten Straßenplanung durch Bebauungsplan bereits: BVerwG, Urteil vom 03.06.1971 – IV C 64.70 –, Rn. 22, juris). So liegt es hier. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Antragsgegnerin als kreisfreie Stadt sowohl Planungsträgerin als auch Trägerin der Straßenbaulast der vorliegend gegenständlichen Kreisstraße K8 (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 10, § 11 Abs. 1 b) Alt. 2 StrWG).

39

Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass das Landesrecht in § 40 Abs. 2 Satz 1 StrWG für den Bau von Kreisstraßen ein Planfeststellungsverfahren vorsieht, wenn – wie vorliegend – ein Enteignungsverfahren notwendig ist. Allerdings sieht § 40b Abs. 2 Satz 1 StrWG auch insoweit vor, dass ein Bebauungsplan eine erforderliche Planfeststellung ersetzen kann (vgl. Urteil des Senats vom 02.12.2015 – 1 KN 6/15 –, Rn. 28, juris). Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für das Normverständnis des Antragstellers, wonach diese Vorschrift im Falle einer erforderlichen Enteignung nicht gelten solle. Vielmehr nimmt der Wortlaut von § 40b Abs. 2 Satz 1 StrWG die Regelung in § 40 StrWG vollständig in Bezug und umfasst damit gerade auch den Anwendungsbereich von dessen Absatz 2 Satz 1. Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung ergeben sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Regelung. § 40 StrWG unterscheidet die in Absatz 1 vorgesehene – unbedingte – Planfeststellungsbedürftigkeit von Landesstraßen von dem in Absatz 2 vorgesehenen Planfeststellungserfordernis für Kreis- und Gemeindestraßen, das von weiteren Bedingungen abhängig ist. Hierzu zählt neben der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens und der Möglichkeit des Straßenbaulastträgers, die Planfeststellung zu beantragen, eben die Notwendigkeit eines Enteignungsverfahrens. Dafür, gerade diese Fallgruppe vom Anwendungsbereich der Regelung in § 40b Abs. 2 Satz 1 StrWG auszunehmen, ist nichts ersichtlich, zumal den grundrechtlichen Eigentumsbetroffenheiten auch im Rahmen des bauleitplanerischen Abwägungsgebots sowie in einem etwaig anschließenden Enteignungsverfahren Rechnung getragen werden kann.

40

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Sicht des Antragstellers auch nicht aus der Regelung in § 40b Abs. 2 Satz 2 StrWG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ersetzen Bebauungspläne nach § 9 BauGB die Planfeststellung nach § 40 StrWG. Wird – nach Satz 2 – eine Ergänzung notwendig oder soll von Festsetzungen des Bebauungsplans abgewichen werden, ist die Planfeststellung insoweit zusätzlich durchzuführen. Der Fall einer – hier von vornherein allein in Betracht kommenden – Ergänzung des Bebauungsplans ist nicht gegeben; das hier durchgeführte ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB erfüllt diesen Tatbestand nicht. Die landesrechtliche Regelung, die ursprünglich in § 40 Abs. 8 StrWG – und später in Absatz 7 dieser Vorschrift – enthalten war, sollte ausweislich der Gesetzesmaterialien eine redaktionelle Angleichung an die zum damaligen Zeitpunkt entsprechende Regelung in § 17 Abs. 3 FStrG bewirken (vgl. LT-Drs. 13/2745 vom 15. Mai 1995, S. 17, 38). Diese Regelung, die sich heute in § 17b Abs. 2 FStrG findet, trägt dem Umstand Rechnung, dass bestimmte Festsetzungen oder Regelungen im Bebauungsplan nicht möglich sind und insoweit ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird, mit der Folge, dass der Planfeststellungsbeschluss neben die Festsetzungen im Bebauungsplan tritt und diese vervollständigt (vgl. Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Aufl. 2012, § 17b Rn. 68). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Antragsgegnerin hat keine die Bauleitplanung ergänzenden Regelungen getroffen. Sie hat das ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB vielmehr durchgeführt, um einen Abwägungsfehler zu heilen; sie hatte die Eigentumsbelange des Antragstellers zuvor nicht berücksichtigt. Die erneute Abwägungsentscheidung unter Einbeziehung der Belange des Antragstellers hatte indes auf den Bebauungsplan selbst keine Auswirkungen; der Plan ist unverändert geblieben. Insbesondere ist keine zusätzliche Flächeninanspruchnahme erfolgt.

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2. Auch ist die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB nicht zu beanstanden. Denn ein ergänzendes Verfahren nach dieser Vorschrift ist zur Heilung von Verstößen grundsätzlich möglich. Hierfür bedarf es nur der Wiederholung der Verfahrensschritte bzw. der Erfüllung jener inhaltlichen Voraussetzungen, deren Fehlen die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Rechtsaktes begründet hatte. Von einem ergänzenden Verfahren sind deshalb nur solche Nachbesserungen ausgenommen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept infrage zu stellen. Dies ist der Fall, wenn sich die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass die Satzung inzwischen insgesamt einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist (Sächs. OVG, Urteil vom 16.11.2015 – 1 C 15/14 –, Rn. 35, juris m. w. N.).

42

Vorliegend ist durch die erfolgte Fehlerheilung das planerische Gesamtkonzept nicht infrage gestellt worden. Wie bereits ausgeführt, geht die Durchführung des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB auf den Umstand zurück, dass die Abwägungsentscheidung ursprünglich die Eigentumsbelange des Antragstellers überhaupt nicht berücksichtigt hatte. Insoweit handelte es sich um einen teilweisen Abwägungsausfall, weil die Eigentumsbetroffenheit des Antragstellers vorliegend ins Auge springt; sie musste seitens der Antragsgegnerin, die Verkehrsflächen auf den im Eigentum des Antragstellers stehenden Teilflächen festgesetzt hat, auch unabhängig von – hier nicht erhobenen – konkreten Einwendungen berücksichtigt werden. Dies hat die Antragsgegnerin im ergänzenden Verfahren nachgeholt. Den Plan selbst hat sie hierbei nicht verändert, Trassenführung und Flächeninanspruchnahme sind mit der ursprünglichen Planung identisch. Lediglich die Betroffenheit des Antragstellers durch die Planung ist herausgearbeitet und in die Abwägung eingestellt worden. Materielle Änderungen resultieren hieraus aber nicht.

43

3. Allerdings liegt ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift in § 2 Abs. 3 BauGB vor. Gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist für die Rechtswirksamkeit der Satzungen nach diesem Gesetzbuch beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Der Antragsteller macht insoweit geltend, die von der Planung berührten Belange seien nicht vollständig ermittelt und bewertet worden, insbesondere vor dem Hintergrund der erforderlichen Enteignung seiner Flächen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er als Vollerwerbslandwirt tätig sei und die Planung zu einem Existenzverlust führe. Zudem seien Umweltbelange nicht hinreichend aktuell und zum Teil unvollständig ermittelt worden. Es sei keine Prüfung erfolgt, ob Ausgleichsmaßnahmen auch auf gemeindlichen Flächen zu realisieren gewesen sein könnten.

44

a) Die entsprechenden Rügen sind nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB – die Antragsgegnerin hat auf diese Rechtsfolge bei Inkraftsetzung des Bebauungsplans in der Schlussbekanntmachung (Flensburger Tageblatt und Flensborg Avis am 07.04.2017) hingewiesen – unbeachtlich geworden, weil sie der Antragsteller innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans am 7. April 2017 schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht hat. Dies kann nämlich auch im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegenüber der Gemeinde erfolgen. Die Frist wird gewahrt, wenn das Vorbringen rechtzeitig bei der Gemeinde eingegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.06.2012 – 4 CN 5.10 –, Rn. 27, juris). Hierfür genügte der Schriftsatz im gerichtlichen Eilverfahren 1 MR 1/18, der am 21. Februar 2018 bei Gericht und – laut Empfangsbestätigung – am 22. Februar 2018 und damit vor Ablauf der Jahresfrist bei der Antragsgegnerin eingegangen ist. Unerheblich ist danach, dass der Begründungsschriftsatz im Hauptsacheverfahren erst am 9. Mai 2019 und damit nach Ablauf der Jahresfrist eingegangen ist.

45

b) Der gegenständliche Bebauungsplan genügt auch nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens nicht den Anforderungen von § 2 Abs. 3 BauGB. Danach sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus. Zu ermitteln, zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Nicht abwägungsbeachtlich sind allerdings geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (BVerwG, Beschluss vom 12.06.2018 – 4 B 71.17 –, Rn. 5, juris m. w. N.).

46

Ebenso wie dem Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB kommt damit bereits den vorgelagerten Ermittlungs- und Bewertungspflichten nach § 2 Abs. 3 BauGB besondere Bedeutung im Rahmen der inhaltsbestimmenden Funktion der Bauleitplanung i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG zu. Auszugehen ist davon, dass der Bebauungsplan unmittelbar das Eigentum gestaltet, indem er die Zulässigkeit der baulichen und sonstigen Nutzung auf den Grundstücken regelt. Der Bebauungsplan verleiht dem Eigentum im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine neue Qualität.

47

Der durch das Inkrafttreten des Bebauungsplans unmittelbar bewirkte Wegfall der Bebaubarkeit eines Grundstücks, seine Inanspruchnahme für öffentliche Grünflächen oder Bauvorhaben, die Einschränkung von Zufahrtsmöglichkeiten und die Änderung der baulichen Nutzbarkeit von Nachbargrundstücken sind Maßnahmen, die direkte Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Eigentümers haben (BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 2 BvR 397/82 –, Rn. 55, juris). Die Anforderungen des Art. 14 GG an eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums werden in der Bauleitplanung regelmäßig durch das Abwägungsgebot erfüllt. Hiernach muss und kann das Abwägungsgebot der grundgesetzlich gewährleisteten Rechtsstellung des Eigentümers und den Anforderungen an eine sozial gerechte Eigentumsordnung einerseits und den öffentlichen Belangen andererseits grundsätzlich wie auch konkret entsprechen. Dabei müssen die städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange umso gewichtiger sein, je stärker Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder gar Grundstücke von der Privatnützigkeit gänzlich ausschließen. Dies bedeutet auf der Ebene der vorgelagerten Pflichten nach § 2 Abs. 3 BauGB, dass die planende Gemeinde vor Erlass eines Bebauungsplans die Betroffenheit von Eigentümern, deren Flächen für übergeordnete Erschließungsanlagen in Anspruch genommen werden sollen, umfassend und gründlich zu ermitteln und zu bewerten hat. Dies betrifft zunächst den Umfang und die Verteilung der Flächeninanspruchnahme, sodann die Auswirkungen auf den Zuschnitt und die Nutzung der verbleibenden Grundstücke sowie deren etwaige Wertminderungen. Darüber hinaus bleibt zu prüfen, welche baulichen Veränderungen (z. B. Rückbauten) und sonstigen Maßnahmen auf den betroffenen Grundstücken erforderlich wären und welche Ausgleichsmaßnahmen gegebenenfalls hieraus resultieren könnten. Die Notwendigkeit künftiger Enteignungen ist bei der Ermittlung ebenso in den Blick zu nehmen wie die Auswirkungen veränderter Verkehrsführungen auf die betroffenen Anlieger (zum Ganzen: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 31.07.2008 – 1 C 10193/08 –, Rn. 33 ff., juris).

48

Dem genügt die vorliegende Planung nicht. Von der Planung berührte Belange werden in wesentlichen Punkten nicht ermittelt. Wesentlich im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB sind Mängel bei der Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials nicht erst, wenn es sich um gravierende Fehleinschätzungen in für die Planung wesentlichen Fragen handelt. Von der Planung berührte, durch die Gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertete Belange betreffen bereits dann "wesentliche Punkte", wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren (BVerwG, Urteil vom 09.04.2008 – 4 CN 1.07 –, Rn. 19, juris). So liegt es hier.

49

aa) Voranzustellen ist insoweit zwar, dass die Antragsgegnerin nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB überhaupt die Eigentumsbetroffenheit des Antragstellers in ihre Abwägungsentscheidung einbezogen hat. Allerdings hat die erfolgte Ermittlung nicht in der gebotenen Tiefe stattgefunden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass vorliegend der Begründung zum Bebauungsplan eine besondere Bedeutung zukommt, denn die erneut zugrunde gelegte Abwägungstabelle der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2016 verhält sich nicht zu den Eigentumsbelangen und scheidet bereits aus diesem Grund im Hinblick auf die Sammlung des Abwägungsmaterials aus. Die Begründung zum Bauleitplan muss klar und präzise benennen, welche Belange die Gemeinde gegenüber den zurückgestellten für vorzugswürdig hält. Je gravierender der konkrete Eingriff und je gewichtiger der zurückgestellte Belang sind, desto intensiver und dichter hat die Begründung dafür auszufallen, warum sich die Gemeinde in der konkreten Situation für die Planung entschieden hat (Dirnberger, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand: August 2021, BauGB § 1 Rn. 178). In der Planbegründung heißt es insoweit indes allein:

50

„Alle im Rahmen der Flächennutzungsplanung untersuchten Trassenvarianten und für den letzten Bauabschnitt in Frage kommenden Ausbauplanungen verlaufen ausschließlich über private Eigentums- bzw. Pachtflächen in für die Region typischer landwirtschaftlicher Nutzung (Grün- und Ackerland). Flächen im städtischen Grundbesitz sind in diesem Bereich nicht vorhanden.

51

Zum Teil handelt es sich um Flächen, die insbesondere einer Hoflage räumlich besonders nahe zugeordnet und daher von besonderem Interesse für die gesicherte Nutzung sind. Zwar sind diese Flächen gegenwärtig verpachtet, allerdings würde sich die Erschwernis bei einer nicht auszuschließenden Wiederaufnahme der unmittelbaren Bewirtschaftung auswirken. Zudem wird die Erreichbarkeit weiterer bewirtschafteter Flächen durch die Errichtung der Umgehungsstraße erschwert, da eine Überquerung nur an den dafür bestimmten Übergängen möglich ist und so zusätzliche Fahrtzeiten entstehen.

52

Durch den Bau der Umgehungsstraße würde die bisherige Nutzung dauerhaft unmöglich, sodass damit ein Eingriff in das Eigentum und die Ertragslage der Flächen bewirtschaftenden Betriebe zu berücksichtigen ist. Die Stadt Flensburg verfolgt grundsätzlich vorrangig das Ziel eines einvernehmlichen Erwerbs der erforderlichen Flächen, auch durch Beteiligung der Landgesellschaft Schleswig-Holstein und das Angebot von geeigneten Tauschflächen zur Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes. Falls erforderlich können enteignende Maßnahmen gem. §§ 85 ff. BauGB erforderlich werden, um die Umsetzung der Planung zu ermöglichen.“

53

(S. 8 der Begründung, Stand: 22. Februar 2017).

54

Diese Ausführungen sind vage und allgemein gehalten und genügen vor dem Hintergrund von Art. 14 Abs. 1 GG nicht den Anforderungen von § 2 Abs. 3 BauGB; die spezifischen Gegebenheiten im Plangebiet werden nicht ausreichend ermittelt:

55

Aus dem in den Planunterlagen enthaltenen Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 8. November 2013 ergibt sich, dass – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – im Wesentlichen die Flächen von drei Grundeigentümern von der Straßenplanung betroffen waren, von denen der Antragsteller einer ist. Die im Einzelnen benötigten Flächen ergeben sich, aufgegliedert nach solchen für den Straßenbau, für die Entwässerung und für den Ausgleich, aus dem Grunderwerbsplan – Vorentwurf – vom 18. Dezember 2012. Bei verständiger Lesart kann wohl noch davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Begründung auf die Hoflage des Antragstellers bezieht („Zum Teil handelt es sich um Flächen, die insbesondere einer Hoflage räumlich besonders nahe zugeordnet und daher von besonderem Interesse für die gesicherte Nutzung sind (…)“.), auch wenn schon dieser Aspekt nicht eindeutig erkennbar ist.

56

Allerdings fehlt es sodann an der Ermittlung und Beschreibung der konkreten Nutzung der betroffenen Flächen. Es wird lediglich ausgeführt, diese seien gegenwärtig verpachtet. Dabei bezieht sich „diese“ aber offenbar nur auf einen Teil der Flächen, nämlich diejenigen in Hofnähe, wie sich aus der Formulierung „Zum Teil“ ergibt.

57

Damit fehlt es in Bezug auf den anderen Teil der Flächen aber gänzlich an einer Nutzungsermittlung. Es finden sich keinerlei Ausführungen im Abwägungsmaterial zu den vom Kläger gehaltenen Tieren oder der von ihm nach eigenen Angaben bewirtschafteten Hofkoppel, geschweige denn eine Bewertung des Umfangs dieser Tierhaltung – der Antragsteller macht geltend, er sei nicht lediglich Hobbylandwirt. Er sei praktizierender Landwirt, der keine anderweitige Tätigkeit ausübe. Er bewirtschafte einen Teil seiner Flächen selbst und zahle jährlich Beiträge an die Berufsgenossenschaft. Er betreibe Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung. Das Futter für seine Milchkühe baue er auf seinen Flächen, insbesondere seiner Hofkoppel an (S. 21 f. des Schriftsatzes vom 09.05.2019). Ausweislich des Abwägungsmaterials konnte sich die Ratsversammlung der Antragsgegnerin hiervon jedenfalls im Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung kein eigenes Bild machen; es fehlt hierzu an jeglichen Ermittlungen. Dass die Antragsgegnerin im Nachhinein – mit Schriftsatz vom 4. April 2022 – ausführt, die Belange seien zutreffend bewertet worden und sich hierfür auf die Entscheidungen des Landgerichts Kiel (Az. 28 O 4/17) und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Az. 52 U 1/18) im Besitzeinweisungsverfahren beruft bzw. auf das Gutachten über die Ermittlung sonstiger zu berücksichtigender und entschädigungsfähiger Vermögensnachteile vom 8. Juni 2021, welches im Rahmen des Enteignungsverfahrens durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Flensburg erstellt wurde, ändert hieran nichts. Auch wenn es zutreffen sollte, dass der Antragsteller lediglich Hobbylandwirt ist – hierfür sprechen die Erwägungen in dem beauftragten Gutachten – so wäre jedenfalls das Interesse an der Beibehaltung der Hobbytierhaltung zu würdigen und zu berücksichtigen gewesen (vgl. Hess. VGH., Urteil vom 12.11.2007 – 4 N 3204/05 –, Rn. 47, juris).

58

Im Hinblick auf den verpachteten Teil ist diese Ermittlung jedenfalls nur sehr oberflächlich erfolgt. Es ist etwa nicht einmal ersichtlich, ob hier Ackerbau oder Viehwirtschaft betrieben wird oder welche Qualität die betreffenden Teilflächen aufweisen. Die konkreten Auswirkungen auf den Zuschnitt und die Nutzung der verbleibenden Grundstücke sowie deren etwaige Wertminderungen werden ebenfalls nicht untersucht. So fehlt es an Darlegungen, wie groß die Gesamtflächen des Antragstellers im Plangebiet sind und Flächen in welcher Größenordnung ihm nach der gegenständlichen Überplanung verbleiben. Es wird auch nicht betrachtet, welche wirtschaftlichen Folgen aus einer Überplanung dieses Flächenanteils mit Verkehrsflächen und Ausgleichsflächen bei einer Wiederaufnahme der unmittelbaren Bewirtschaftung resultieren würden, insbesondere, ob ein wirtschaftlich rentabler Betrieb überhaupt noch möglich wäre. Dies wäre vor dem Hintergrund der durch den Antragsteller ins Feld geführten Existenzbedrohung angezeigt gewesen. Auch die Zerschneidungs- und Durchschneidungwirkungen werden in diesem Zusammenhang nicht ermittelt. Sie werden zwar pauschal als Problem benannt, jedoch nicht weiter untersucht. Es werden keine Ermittlungen zu Wegstreckenverlängerungen infolge der nunmehr notwendigen Querung der K8 angestellt.

59

Vollständig außer Acht gelassen wird zudem, dass vorliegend eine Überplanung nicht lediglich mit Verkehrsflächen, sondern auch mit Ausgleichsflächen vorgesehen ist. Vor diesem Hintergrund wäre es aber angesichts des unterschiedlichen Gewichts dieser beiden öffentlichen Belange erforderlich, die Nutzung der jeweils betroffenen Eigentumsflächen entsprechend zu spezifizieren.

60

Die Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten im Plangebiet erfolgt insgesamt zu wenig detailliert; die Formulierungen in der Begründung erscheinen oberflächlich und im Wesentlichen austauschbar. Eine sachgerechte Einschätzung des Gewichts der berührten Belange (als „Bewertung“ i.S. von § 2 Abs. 3 BauGB) setzt indes ein vollständiges und zutreffendes Bild von den voraussichtlichen Auswirkungen der Planung voraus (Bay. VGH, Urteil vom 18.01.2017 – 15 N 14.2033 –, Rn. 50, juris).

61

bb) Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Ermittlungsfehlers nach § 2 Abs. 3, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB zu würdigen ist der Sache nach zudem die Rüge des Antragstellers, die artenschutzrechtliche Prüfung sei veraltet und daher im Hinblick auf abwägungserhebliche artenschutzrechtliche Belange fehlerbehaftet (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.11.2019 – 8 S 2792/17 –, Rn. 37, juris; vgl. auch Hamb. OVG, Urteil vom 11.04.2019 – 2 E 8/17.N –, Rn. 67, juris). Denn unabhängig von der im Einzelfall möglichen fehlenden Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB bei der Einschlägigkeit artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände rechnen die Auswirkungen einer Bauleitplanung in Bezug auf § 44 BNatSchG zu den gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a BauGB abwägungserheblichen naturschutzfachlichen Belangen, sodass diesbezüglich neben dem Abwägungsgebot auch – auf Verfahrensebene vorverlagert – das Gebot der ordnungsmäßigen Ermittlung und Bewertung gemäß § 2 Abs. 3 BauGB gilt (Bay. VGH, Urteil vom 17.07.2020 – 15 N 19.1377 –, Rn. 31, juris m.w.N.). Auch der so verstandene Einwand greift durch. Der Antragsteller macht insoweit geltend, dass in der faunistischen und floristischen Untersuchung des Biologenbüros GGV aus den Jahren 2005/2006 darauf hingewiesen werde, dass die im Geltungsbereich vorhandenen Arten nach fünf Jahren Bestands-änderungen aufweisen könnten; die Plausibilitätskontrolle habe im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses aber bereits circa sechs Jahre zurückgelegen (S. 13 des Schriftsatzes vom 19.02.2018 im Verfahren 1 MR 1/18).

62

Auch wenn nicht die Planung selbst, sondern erst ihr Vollzug zu einem Verstoß gegen die besonderen artenschutzrechtlichen Verbote führen kann, hat die Gemeinde schon im Planaufstellungsverfahren vorausschauend zu ermitteln und zu beurteilen, ob die vorgesehenen Festsetzungen auf unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse stoßen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Gemeinde bereits auf der Planungsebene zwingend eine umfassende spezielle artenschutzrechtliche Prüfung vorzunehmen hat. Ihre Ermittlungspflicht beschränkt sich im Planaufstellungserfahren vielmehr ausschließlich auf die Frage, ob die Umsetzung des Bebauungsplans zwangsläufig an artenschutzrechtlichen Hindernissen scheitern muss. Insofern setzt die Prüfung, ob einem Planvorhaben naturschutzrechtliche Verbote, insbesondere Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG entgegenstehen, zunächst eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Planbereich vorhandenen Tierarten und ihrer Lebensräume voraus, die es zulässt, die Einwirkungen der Planung zu bestimmen und zu bewerten. Dies verpflichtet die planende Gemeinde keineswegs dazu, ein lückenloses Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchungstiefe hängt vielmehr maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Dabei kommen als Erkenntnisquellen Bestandserfassungen vor Ort und die Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur in Betracht, die sich wechselseitig ergänzen können. Die Anforderungen namentlich an speziell auf die aktuelle Planung bezogene Erfassungen – etwa durch spezielle Begehungen – sind jedoch nicht zu überspannen. Untersuchungen quasi „ins Blaue hinein“ sind nicht veranlasst. Auch ist nicht zu vernachlässigen, dass Bestandsaufnahmen vor Ort, so umfassend sie auch sein mögen, nur eine Momentaufnahme und aktuelle Abschätzung der Situation von Fauna und Flora darstellen und den „wahren“ Bestand nie vollständig abbilden können. Deshalb sind Erkenntnisse aus langjährigen Beobachtungen und aus früheren Untersuchungen oder aus der allgemeinen ökologischen Literatur eine nicht gering zu schätzende Erkenntnisquelle. Die artenschutzrechtliche Prüfung hat bei der Erfassung wie bei der Bewertung möglicher Betroffenheiten nach ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien zu erfolgen. Dabei erfordern die insoweit maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen, z. B. ob eine „erhebliche Störung“ einer Art vorliegt (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG), ökologische Bewertungen und Einschätzungen, für die nähere normkonkretisierende Maßstäbe fehlen; diese unterliegen daher einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative. Aus diesem Grunde ist eine naturschutzfachliche Meinung einer anderen Einschätzung nicht bereits deshalb überlegen oder ihr vorzugswürdig, weil sie umfangreichere oder aufwendigere Ermittlungen oder strengere Anforderungen für richtig hält (Urteil des Senats vom 27.08.2020 – 1 KN 10/17 –, Rn. 60, juris m. w. N.).

63

Dem genügt die vorliegende Planung nicht. Zwar hat die Antragsgegnerin zunächst unter Zugrundelegung der zutreffenden Ermittlungs- und Prüfungsmaßstäbe den „Fachbeitrag zum Artenschutz nach BNatSchG“ durch das Biologenbüro … vom 15. Juli 2011 erstellen lassen. Auch hat sie einen „Landschaftspflegerischen Fachbeitrag“ durch das Büro … Partner unter dem 1. Dezember 2014 erarbeiten lassen, der u.a. dezidierte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ausarbeitet. Indes verweist der Fachbeitrag zum Artenschutz unter Ziffer 2 („Methode“) auf den Umstand, dass die zugrunde gelegten faunistischen Bestandsdaten 2006 in einer systematisch durchgeführten Untersuchung im Plangebiet erhoben worden seien. Am 4. April 2011 und am 12. Juli 2011 seien erneute Geländebegehungen und faunistische Nachkartierungen sowie eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt worden, da die faunistischen Daten fünf Jahre alt gewesen seien. Hierzu sei das gesamte Plangebiet begangen und es seien alle Biotope aufgesucht worden. Es seien 2011 faunistische Daten erhoben worden, soweit möglich, insbesondere seien Vögel wie Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn gesucht worden, da diese potenziell unsteten Arten möglicherweise nach fünf Jahren hätten Bestandsänderungen aufweisen können. Dies sei nicht der Fall gewesen. Alle drei Vogelarten seien am 4. April 2011 im Gelände in etwa der gleichen Bestandsdichte wie 2005 nachgewiesen worden. Die Datenlage werde damit auch für die übrigen Artenvorkommen als aktuell eingestuft. Am 12. Juli 2011 sei eine Nachkartierung zum aktuellen Vorkommen des Kammmolchs im Wirkbereich erfolgt (S. 7).

64

Diese methodische Herangehensweise zugrunde gelegt, waren die 2006 erhobenen und im April bzw. Juli 2011 plausibilisierten faunistischen Daten im Zeitpunkt der – erneuten – Beschlussfassung über den Bebauungsplan am 30. März 2017 nicht mehr hinreichend aktuell, um zu ermitteln und zu beurteilen, ob die vorgesehenen Festsetzungen auf unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse stoßen. Die Ersteller des Fachbeitrages zum Artenschutz gingen selbst davon aus, dass im Plangebiet potenziell unstete Arten vorhanden seien, die nach fünf Jahren Bestandsänderungen aufweisen könnten. Aus diesem Grund führten sie in Bezug auf die bereits 2006 erhobenen Bestandsdaten im Jahr 2011 – neben erneuter Geländebegehung und Nachkartierung – eine Plausibilitätskontrolle dergestalt durch, dass alle im Plangebiet vorhandenen Biotope erneut aufgesucht wurden (vgl. S. 7). Es ist nicht ersichtlich oder dargelegt, dass diese Situation im Jahr der Beschlussfassung anders gewesen sein könnte. Vielmehr hätte – das methodische Vorgehen der Gutachter zugrunde gelegt – im Jahr 2016 wiederum eine Überprüfung der Aktualität der erhobenen Daten erfolgen müssen. Ob insoweit eine erneute – zweite – Plausibilisierung der bereits 2006 erhobenen und damit zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alten Daten überhaupt möglich gewesen wäre oder ob es zu diesem Zeitpunkt einer vollständigen Neuerhebung bedurfte hätte, kann der Senat offen lassen.

65

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die gutachterliche Herangehensweise einer Plausibilisierung der erhobenen Grunddaten nach fünf Jahren nicht methodengerecht sein könnte. Dieses Vorgehen orientiert sich ersichtlich an der entsprechenden Methodik in Straßenplanfeststellungsverfahren, wie sich nicht zuletzt aus der Anwendung der „Erläuterungen zur Beachtung des Artenschutzrechtes bei der Planfeststellung, hier Aktualisierung der Rundverfügung vom 23. Juni 2008, Stand: 25. Februar 2009 des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr“ (vgl. S. 6 f., S. 43 des Fachbeitrags zum Artenschutz) ergibt. Darin heißt es u. a.:

66

„Hinsichtlich der Aktualität von Kartierungen ist der in der Rechtsprechung verankerte Grundsatz zu berücksichtigen, dass Erfassungen, die im Rahmen von Planfeststellungen herangezogen werden, nicht älter als 5 Jahre sein dürfen. Da in der Regel zwischen den faunistischen Kartierungen für ein Straßenbauvorhaben und seiner Zulassung größere Zeiträume liegen, wird dieser Zeitraum im Laufe des Planungsprozesses häufig überschritten. In diesen Fällen ist eine Plausibilitätskontrolle (insbesondere durch Überprüfung der Habitatstrukturen und -bezüge) durchzuführen, auf deren Grundlage im Einzelfall eine Entscheidung über die Notwendigkeit einer erneuten Kartierung getroffen werden muss.“

(S. 7).

67

An diesem Rahmen konnte sich der Gutachter – und mit ihm gerade vor dem Hintergrund ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative auch die Antragsgegnerin – methodenfehlerfrei orientieren. Zwar neigt der Senat – wie bereits ausgeführt – grundsätzlich nicht dazu, die in Teilen deutlich strengeren Anforderungen aus dem Planfeststellungsrecht auf die Bauleitplanung zu übertragen. Allerdings ist es einem Vorhabenträger nicht verwehrt, sich gewissermaßen freiwillig diesen Vorgaben zu unterwerfen. Gerade im Bereich isolierter Straßenplanungen mittels Bauleitplanung ist diese Herangehensweise sogar in besonderem Maße nachvollziehbar. Denn der die Planfeststellung ersetzende Bebauungsplan nähert sich in seiner Wirkweise zumindest deshalb einem Planfeststellungsbeschluss an, weil bei Bebauungsplänen, die einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss (als unmittelbare Baugenehmigung) ersetzen, das Steuerungs- und Korrekturinstrumentarium des Baugenehmigungs- oder eines vergleichbaren Zulassungsverfahrens nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.05.1995 – 4 NB 30.94 –, Rn. 17, juris).

68

c) Die aufgezeigten Mängel sind auch beachtlich, denn sie erweisen sich als offensichtlich und sind auch auf das Ergebnis von Einfluss gewesen. Ein Mangel ist in diesem Sinne offensichtlich, wenn er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Mitglieder des Rates über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist, und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 4 CN 1.11 –, Rn. 16, juris), wenn sich also anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (BVerwG, Urteil vom 09.04.2008 – 4 CN 1.07 –, Rn. 22, juris).

69

So liegt es hier. Die unvollständige Ermittlung der Eigentumsbetroffenheit des Antragstellers ergibt sich objektiv aus den Planunterlagen. Die Durchführung des ersten Enteignungsverfahrens ist abgebrochen worden, weil die Planung nach Auffassung des Enteignungskommissars ein entsprechendes Defizit aufwies. Daraufhin erstellte das Rechtsamt der Antragsgegnerin einen Abwägungsvorschlag, der im Planungsvorgang enthalten ist und der in Teilen in die Begründung übernommen wurde. Die Frage der Eigentumsbetroffenheit war zudem Gegenstand der Beratung in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Planung und Stadtentwicklung der Antragsgegnerin am 7. März 2017. Hier wurde u. a. diskutiert, ob ggf. ein Planfeststellungsverfahren angesichts der voraussichtlich notwendigen Enteignung erforderlich sein würde bzw. ob ein ergänzendes Verfahren überhaupt die bislang unzureichende Beachtung der Eigentumsbetroffenheit heilen könne. Zumindest im Hinblick auf die Dimensionierung und die Standortwahl der Ausgleichsflächen bestand auch die konkrete Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin bei vollumfänglicher Berücksichtigung der Eigentumsbelange des Antragstellers eine andere – das Eigentum des Antragstellers schonendere – Planungsalternative ergriffen hätte. Gegenteiliges hat sie auch nicht vorgetragen.

70

Nicht anders verhält es sich in Bezug auf das aufgezeigte artenschutzrechtliche Ermittlungsdefizit. Bereits aus der eigenen Methodik des Fachbeitrags zum Artenschutz heraus ergibt sich, dass die Antragsgegnerin mit nicht hinreichend aktuellen Daten geplant hat. Dass das Ergebnis der Planung bei Zugrundelegung aktueller Daten hätte anders ausfallen können, ergibt sich ebenfalls aus dem Studium des Fachbeitrags. Denn dieser führt aus, dass im Plangebiet u. a. die potenziell unsteten Arten Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn vorhanden (gewesen) seien, die nach fünf Jahren Bestandsänderungen hätten aufweisen können. In Bezug auf diese Arten schlägt der Fachbeitrag geeignete CEF-Maßnahmen vor (vgl. S. 33 f.). Diese Maßnahmen werden sodann im Landschaftspflegerischen Fachbeitrag im Einzelnen erarbeitet. Aus dem Übersichtsplan 3.1 ist ersichtlich, dass auf den im Eigentum des Antragstellers stehenden Flächen u.a. die Maßnahmen 1.1 A/E, 1.2 A und 1.3 A verwirklicht werden sollen. Ausweislich der entsprechenden Maßnahmeblätter verfolgen sie u. a. das Ziel des Ausgleichs bzw. Ersatzes des mit der Herstellung der Straße verbundenen Verlusts von Tier- und Pflanzenlebensräumen. Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass die Dimensionierung der entsprechenden Maßnahmen bei veränderten Bestandsdaten anders ausfallen könnte, ggf. würden sogar einzelne Maßnahmen wegfallen, falls eine Art im Plangebiet nicht mehr vorkäme, womit eine geringere Flächeninanspruchnahme bei dem Antragsteller einherginge. Andersherum könnte ein höherer Bestand größer dimensionierte Maßnahmen zur Folge haben.

71

4. Weitere beachtliche formelle Fehler sind innerhalb der Frist von § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht geltend gemacht worden. Insbesondere hat sich der Antragsteller nicht substantiiert gegen die gutachterlicherseits ermittelten Belange des Schallschutzes und die entsprechend dimensionierten Maßnahmen gewendet. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Bauleitplanung basiere auf veralteten Verkehrsdaten, kann dies zwar als Ermittlungsdefizit verstanden werden. Allerdings ist insoweit nicht erkennbar, dass ein wesentlicher Mangel vorliegt. Aus dem schalltechnischen Gutachten vom 4. September 2014 ergibt sich, dass der Gutachter mit den ihm zur Verfügung gestellten Verkehrszahlen die Berechnung vorgenommen hat; diese legen einen Prognosezeitraum bis 2030 zugrunde (S. 11 des Gutachtens). Dies ist nicht zu beanstanden. Die Beschlussvorlage der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2017 geht von einer Entlastung von 5.000 Kfz/Tag laut Verkehrsmengenkarte 2010 aus. Soweit der Antragsteller meint, diese Zahlen seien überholt, vermag der Senat seinen Vortrag nicht nachzuvollziehen. Aus der insoweit eingereichten Anlage ASt 4 ist dies jedenfalls nicht zu entnehmen.

72

II. Der Bebauungsplans Nr. 272 der Antragsgegnerin leidet zudem unter materiellen Fehlern.

73

1. Zwar fehlt es dem Bebauungsplan entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht bereits an der städtebaulichen Erforderlichkeit. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind demgegenüber in aller Regel nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung lediglich eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich, das im Hinblick auf gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden (Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 15.03.2018 – 1 KN 4/15 –, Rn. 45, juris, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 27.03.2013 – 4 CN 7.11 –, Rn. 10, juris).

74

Es ist für den Senat nicht zweifelhaft, dass der angegriffene Bebauungsplan Ausdruck eines städtebaulich motivierten Konzepts ist. § 1 Abs. 3 BauGB eröffnet den Gemeinden die Möglichkeit, im Rahmen der Selbstverwaltung das Festsetzungsinstrumentarium des § 9 BauGB für eine eigene "Verkehrspolitik" zu nutzen (BVerwG, Urteil vom 28.01.1999 – 4 CN 5.98 –, Rn. 18, juris). Bereits im Rahmen der 36. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin waren Planungsziele u.a. die Sicherung des Trassenverlaufs der Verlängerung der K8 über die „Hochfelder Landstraße“ hinaus, die Verbesserung der Verkehrssituation in der Ortsdurchfahrt Tarup und die Verbesserung der Verkehrsanbindung der Gemeinde Tastrup an das örtliche Straßensystem Flensburgs und das überörtliche Straßensystem (Bl. 305 Gerichtsakte). Weiterhin führte die Begründung aus:

75

„Die bestehende Ortsdurchfahrt Tarup der Landstraße L 21 ist durch zwei Engstellen stark eingeschränkt. Eine Verkehrsuntersuchung des Planungsbüros U-I-C hat gezeigt, dass durch eine Ortsumgehung eine spürbare Verkehrsentlastung erreicht werden kann. Eine Verbreiterung des vorhandenen Straßenprofils würde zulasten der vorhandenen Bausubstanz gehen und das alte ensemblegeschützte Ortsbild Tarups nachhaltig stören. Weiterhin wäre eine Verbreiterung bzw. Neubau der Bahnunterführung notwendig, wobei von Seiten der DB-AG zurzeit kein Handlungsbedarf besteht.

76

Verkehrsplanerisches und städtebauliches Ziel ist es vielmehr, durch Herausnahme des Verkehrs aus der Ortslage Tarups städtebauliche und gestalterische Möglichkeiten zur Sicherung dieses Wohnstandortes zu gewinnen.“

77

(S. 8 der Begründung der 36. Änderung des Flächennutzungsplans, Bl. 307 Gerichtsakte).

78

Aus der Begründung des Bebauungsplans Nr. 272 ergibt sich hiermit korrespondierend, dass mit der vorliegenden Planung die sogenannte Kreisstraße K8 weitergeführt werde. Die K8 entlaste die Wohnbereiche entlang der Ortsdurchfahrt Tarup und auch entlang der Straße „Adelbylund“ bis zum Hafermarkt vom Durchgangsverkehr und von der damit verbundenen Lärmeinwirkung und Schadstoffbelastung. Die Trasse sei bereits in Teilen mit Hilfe der Bebauungspläne Hochfeld und Tarup Süd-Ost umgesetzt. Im Rahmen des Bebauungsplans werde die bereits im Flächennutzungsplan dargestellte Trasse sowie deren Lärmschutzmaßnahmen planungsrechtlich gesichert. Planungsziel sei es, die verlängerte K8 als Umgehung für den Stadtteil Tarup als zweispurige Hauptverkehrsstraße mit einseitigen, kombinierten Geh-/ Radweg auf der Nordseite fertig zu stellen. Der letzte Bauabschnitt der verlängerten K8 werde im Osten (gemeint sein dürfte: Westen) an den vorherigen Bauabschnitt und den Tastruper Weg angeschlossen. Im Westen (gemeint sein dürfte: Osten) schließe die L 21 an (S. 7 der Begründung). Hieraus ergibt sich zwanglos eine Planrechtfertigung.

79

Der Erforderlichkeit der Planung steht entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht entgegen, dass der Zweck, die Verkehrssituation in Tarup zu entlasten, auch ohne Verwirklichung des 4. Bauabschnitts zu erreichen sei; ausweislich der Verkehrszahlen sei die besagte Entlastung schon eingetreten. Dies lässt die Planrechtfertigung nicht entfallen. Der Antragsteller setzt durch diesen Vortrag vielmehr seine eigene Einschätzung an die Stelle der planerischen Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin. Zum einen besteht die planerische Zielsetzung jedenfalls ausweislich der Beschlussvorlage der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2017 nicht lediglich in der Verbesserung der Verkehrssituation, sondern zugleich in der Verbesserung der Verkehrsanbindung Flensburgs mit dem östlichen Umland (Bl. 53 Gerichtsakte 1 MR 1/18). Darüber hinaus bezieht die Antragsgegnerin in ihre Planung durchaus ein, dass es aufgrund der bereits realisierten Bauabschnitte zu einer Annahme der Umgehungsstraße gekommen sei und damit verbunden zu einer gewissen Entlastung. Gleichwohl handele es sich bei der so entstandenen Situation – Inanspruchnahme des Tastruper Weges – um ein Provisorium, das schon aufgrund möglicher Gefährdungssituationen auf dem unbeleuchteten Abschnitt baldmöglichst zu beenden sei (Ziffer 5.1.1 der Begründung.) Weiterhin wird ausgeführt, dass sich nach den Fertigstellungen der bisherigen drei Bauabschnitte bereits eine negative Verdichtung des Verkehrs an für solche Verkehrszahlen nicht ausgelegten Straßen zeige (Ziffer 5.1.3).

80

Demgegenüber lässt der Senat offen, ob der Bebauungsplan deshalb nicht erforderlich ist, weil seine Umsetzung im Zeitpunkt der Beschlussfassung zwangsläufig an artenschutzrechtlichen Hindernissen scheitern musste. In Ermangelung einer aktualisierten faunistischen Bestandserfassung konnte eine entsprechende Beurteilung durch die Ratsversammlung jedenfalls nicht getroffen werden. Die Dimensionierung und Funktionalität der vorgesehenen Maßnahmen hängt von dem im Plangebiet vorgefundenen Artinventar ab.

81

2. Der Bebauungsplan ist den Vorgaben des § 8 Abs. 2 BauGB entsprechend aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Die 36. Flächennutzungsplanänderung stellt die Hochfelder Landstraße als „sonstige überörtliche und örtliche Hauptverkehrsstraße“ dar. Die im Bebauungsplan ausgewiesene Trassenführung hält sich innerhalb des im Rahmen des Flächennutzungsplans vorgesehenen Korridors. Der Flächennutzungsplan lässt auch keine relevanten, seine Unwirksamkeit bedingenden Abwägungsfehler hervortreten (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.12.2009 – 7 D 124/07.NE –, Rn. 131 ff., juris m. w. N.).

82

3. Die Antragsgegnerin hat aber gegen die materiellen Anforderungen des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 7 BauGB verstoßen. Danach sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die Abwägung ist fehlerhaft, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot jedoch genügt, wenn sich die Gemeinde im Widerspruch verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. Die Grenzen des Gestaltungsspielraums werden erst überschritten, wenn einer der beteiligten Belange in unvertretbarer Weise zu kurz kommt (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 05.07.1974 – IV C 50.72 –, Rn. 45, 60, juris). Gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend.

83

a) Voranzustellen ist indes, dass ein Abwägungsfehler – entgegen den Darlegungen des Antragstellers – nicht bereits daraus resultiert, dass die Antragsgegnerin die Voraussetzungen einer Enteignung bereits auf Ebene der Bauleitplanung hätte prüfen müssen; dies trifft nicht zu. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Bebauungsplan eine enteignungsrechtliche Vorwirkung, die an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen wäre, nicht entfaltet; denn der Bebauungsplan trifft keine verbindliche Aussage über die Zulässigkeit einer Enteignung. Für Bebauungspläne, die sich wie der hier angegriffene Bebauungsplan darauf beschränken, öffentliche Verkehrsflächen für den fließenden und ruhenden Straßenverkehr festzusetzen, gilt nichts anderes. Auch ein solcher Bebauungsplan entfaltet keine Rechtsbindung für ein sich anschließendes Enteignungsverfahren, da sich das Recht der Bauleitplanung einer hierauf gerichteten gesetzlichen Regelung gerade enthält (vgl. demgegenüber § 169 Abs. 3 Satz 1 BauGB sowie zum Fachplanungsrecht etwa § 19 Abs. 1 Satz 3 FStrG). Allerdings sind (auch) bei der Aufstellung eines Bebauungsplans, der sich auf die Festsetzung einer Straße beschränkt (sog. isolierte Straßenplanung), alle betroffenen und schutzwürdigen privaten Interessen, insbesondere soweit sie sich aus dem Eigentum und seiner Nutzung herleiten lassen, zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 6 BauGB). Der planerische Zugriff der Gemeinde auf im privaten Eigentum stehende Grundstücke bedeutet aber nicht, dass etwa öffentliche Verkehrsflächen nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG festgesetzt werden dürfen. Dass das Grundeigentum an den im Plangebiet liegenden Flächen durch einen Bebauungsplan inhaltlich bestimmt und gestaltet wird (Art. 14 Abs. 1 GG) und dass in der Realität der Bauleitplanung eine eigentumsverteilende Wirkung zukommen kann, hat nicht zur Folge, dass schon für den Bebauungsplan die Enteignungsvoraussetzungen (pauschal) zu prüfen sind (BVerwG, Beschluss vom 11.03.1998 – 4 BN 6.98 –, Rn. 4, juris).

84

b) Die Antragsgegnerin hat indes die Eigentumsbelange des Antragstellers abwägungsfehlerhaft behandelt. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass sie das Gewicht dieses Belangs aufgrund der unvollständigen Ermittlung der Betroffenheit des Antragstellers nicht zutreffend in die Abwägung einstellen konnte. Zum anderen hat sie aber auch bereits auf der Ebene der Alternativenprüfung den Eigentumsbelang des Antragstellers vollkommen unberücksichtigt gelassen.

85

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 24. April 2009 (Az. 9 B 10.09, juris) die für das Fachplanungsrecht geltenden Anforderungen an eine Alternativenprüfung wie folgt zusammengefasst:

86

"Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Fachplanungsrecht, dass sich die Anforderungen des Abwägungsgebots auch und gerade an das Berücksichtigen von planerischen Alternativen richten. Ernsthaft sich anbietende Alternativlösungen müssen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden. Zu diesen in das Verfahren einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören neben den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Verfahrens vorgeschlagen werden. Die Planfeststellungsbehörde ist indes nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Auch im Bereich der Planungsalternativen braucht sie den Sachverhalt nur so zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Sie ist befugt, Alternativen, die sich aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden. Stellt sich im Rahmen einer solchen Vorprüfung heraus, dass das mit der Planung zulässigerweise verfolgte Konzept bei Verwirklichung der Alternativtrasse nicht erreicht werden kann und daher die Variante in Wirklichkeit auf ein anderes Projekt hinausliefe, so kann die Planfeststellungsbehörde diese Variante ohne weitere Untersuchungen als ungeeignet ausscheiden.

87

Über die Fälle der fehlenden Eignung zur Zielverwirklichung hinaus ist die Planfeststellungsbehörde befugt, Alternativen bereits in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden, die sich nach den in diesem Stadium des Planungsprozesses angestellten Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich der berührten öffentlichen und privaten Belange als weniger geeignet erweisen als andere Trassenvarianten. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Planfeststellungsbehörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenvarianten im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und in ihre Überlegungen ebenso einbeziehen wie die von ihr favorisierte Trasse. Insoweit ist die Ermittlung des Sachverhalts und der berührten öffentlichen und privaten Belange relativ zur jeweiligen Problemstellung und der erreichten Planungsphase. Der Planfeststellungsbehörde ist bei der Trassenprüfung ein gestuftes Verfahren gestattet, bei dem sich die Anforderungen an den Umfang der Sachverhaltsermittlung und -bewertung jeweils nach dem erreichten Planungsstand und den bereits im Laufe des Verfahrens gewonnenen Erkenntnissen richten.

88

Neben diesen in erster Linie die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials betreffenden Vorgaben ist zu berücksichtigen, dass die eigentliche planerische Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Trassenvarianten nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 24.04.2009 – 9 B 10.09 –, Rn. 5 ff., juris)."

89

Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats auf planfeststellungsersetzende Bebauungspläne entsprechend anzuwenden (so auch: OVG Lüneburg, Urteil vom 25.11.2009 – 1 KN 141/07 –, Rn. 151 ff., juris). Dem genügt die vorliegende Planung nicht. Die Antragsgegnerin hat sich zwar mit der Frage der Alternativenprüfung gründlich auseinandergesetzt und sich insoweit auch – in Übereinstimmung mit den aufgezeigten Maßstäben – zulässigerweise eines gestuften Verfahrens bedient. Sie hat indes die Eigentumsbelange des Antragstellers im Rahmen der Abwägung von Planungsvarianten nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt.

90

Ob sie hierzu bereits auf den der Bauleitplanung vorausgegangenen Planungsebenen verpflichtet gewesen ist, kann an dieser Stelle offenbleiben. Da insoweit tatsächlich keine Abwägung von Eigentumsbetroffenheiten stattgefunden hat (dazu: aa)), wäre die Antragsgegnerin jedenfalls auf Ebene der Bauleitplanung hierzu verpflichtet gewesen; dem ist sie nicht nachgekommen (dazu: bb)).

91

aa) Im Verfahren zur 36. Änderung des Flächennutzungsplans sind Eigentumsbelange nicht berücksichtigt worden. Insoweit hat die Antragsgegnerin bereits im Jahr 2006 durch das Ingenieurbüro „…“ (…) eine Verkehrsuntersuchung erstellen lassen, welche die Aufgabe hatte, die verkehrlichen Entlastungseffekte aufzuzeigen und die künftigen Verkehrsstärken auf der neuen Entlastungsstraße festzulegen. Hierbei wurden vier denkbare Varianten untersucht (Bl. 155 ff. Gerichtsakte). Alle Varianten beginnen am Knotenpunkt Osttangente/Munketoft und unterqueren anschließend die Bahnstrecke in Richtung Osten. Dort erfolgt dann die Erschließung des neuen Wohn- und Gewerbegebietes Hochfeld (Bebauungsplan Nr. 236). Ab der Ringstraße (K18) sind drei Varianten bis zur Taruper Hauptstraße (L 21) denkbar:

92

Hinsichtlich der Variante 1 führt die Trasse in Richtung Norden dicht an die bestehende Bahnlinie heran. Anschließend verläuft sie dicht am Stadtteil Tarup vorbei bis zur Taruper Hauptstraße. Die Entlastungsstraße wird von 6420 Kfz/d (Westen) bis 3540 Kfz/d (Osten) befahren. Die Verkehrsstärken in der Ortsdurchfahrt von Tarup nehmen um -53,5% ab, da die Mehrzahl der Fahrzeuge die Entlastungsstraße benutzt. Demzufolge nehmen die Verkehrsstärken im mittleren Bereich der Osttangente ab. Die entlastende Wirkung für die Straße Adelbylund und die Kappelner Straße ist gering (-8,6%).

93

Hinsichtlich der Variante 2 führt die Trasse im direkten Verlauf in Richtung Osten zur Taruper Hauptstraße. Die Entlastungsstraße wird von 6430 Kfz/d (Westen) bis 3550 Kfz/d (Osten) befahren. Die Verkehrsstärken in der Ortsdurchfahrt von Tarup nehmen um -51,9% ab, da die Mehrzahl der Fahrzeuge die Entlastungsstraße benutzt. Demzufolge nehmen die Verkehrsstärken im mittleren Bereich der Osttangente ab. Die entlastende Wirkung für die Straße Adelbylund und die Kappelner Straße ist gering (-8,6%).

94

In Bezug auf die Variante 3 führt die Trasse in einem weiten südlichen Bogen um den Stadtteil Tarup herum und endet an der Taruper Hauptstraße. Die Entlastungsstraße wird von 6280 Kfz/d (Westen) bis 3430 Kfz/d (Osten) befahren. Die Verkehrsstärken in der Ortsdurchfahrt von Tarup nehmen um -50,0% ab, da die Mehrzahl der Fahrzeuge die Entlastungsstraße benutzt. Demzufolge nehmen die Verkehrsstärken im mittleren Bereich der Osttangente ab. Die entlastende Wirkung für die Straße Adelbylund und die Kappelner Straße ist gering (-8,6%).

95

Bei der Variante 4 wird auf die Entlastungsstraße vom Knotenpunkt Osttangente/Munketoft bis zur Taruper Hauptstraße verzichtet. Die Erschließung der Gewerbe- und der Wohngebiete erfolgt nur über die Ringstraße und den Tastruper Weg. Eine entlastende Wirkung für die Taruper Hauptstraße kann sich somit nicht ergeben. Eine Entlastung des Straßenzuges Adelbylund/Kappelner Straße soll durch eine Bevorzugung der Fahrbeziehung Osttangente/Taruper Hauptstraße am zugehörigen Knotenpunkt erreicht werden. Die Effizienz dieser Maßnahme hängt natürlich von der jeweiligen Maßnahme ab. Die Berechnung zeigt aber, dass für diesen Straßenzug etwa die gleiche Entlastung erreicht werden kann wie bei den vorausgehenden Varianten 1 bis 3. Die entlastende Wirkung für die Straße Adelbylund und die Kappelner Straße beträgt -6,7%. Die Verkehrsstärken im Straßenzug Munketoft/Bahnhofstraße nehmen im entsprechenden Umfang zu.

96

Das Gutachten führt anschließend eine Verträglichkeitsanalyse durch und führt insoweit aus:

97

„Aus der Gegenüberstellung der Empfindlichkeiten eines Untersuchungsabschnittes und der dort auftretenden bewerteten Belastung ergibt sich die Verträglichkeit. Die Analyse der Verträglichkeit wurde im Untersuchungsgebiet für die innerörtlichen Bereiche von Flensburg, Tarup, Tastrup sowie Kleintastrup durchgeführt.

98

Im Bereich der Taruper Hauptstraße wurde eine bedingte Verträglichkeit bzw. in Abschnitten eine Unverträglichkeit mit den Verkehrsstärken des Prognosejahres 2020 bei der Variante 0 festgestellt. Die Variante 4 mit einer verbesserten Anbindung an die Osttangente ergibt in diesen Abschnitten keine spürbare Verbesserung. Der Bau einer Entlastungsstraße führt zu einer deutlichen Verbesserung der Verträglichkeit. Bei allen drei Varianten wird die Verträglichkeitsstufe verträglich erreicht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Varianten 1 – 3 ist dabei nicht feststellbar.

99

Für die im bebauten Bereich der Kappelner Straße und Adelbylund gelegenen Abschnitte ergibt sich bei der Variante 0 eine Unverträglichkeit im westlichen Teil sogar eine starke Unverträglichkeit. Sowie durch eine verbesserte Anbindung der Taruper Hauptstraße an die Osttangente (Variante 4), als auch durch den Bau einer Entlastungsstraße (Varianten 1 – 3) lässt sich in diesen Bereichen eine Verträglichkeitsverbesserung erzielen. Diese Verbesserung fällt bei den Varianten 1 – 3 höher aus als bei der Variante 4. Der Verlauf dieser Entlastungsstraße in den vorgegebenen Varianten nimmt auf die Verbesserung der Verträglichkeit im Bereich der Kappelner Hauptstraße nahezu keinen Einfluss.

100

In den Bereichen Am Mühlendamm und Munketoft ergibt sich bei der Variante 0 eine Verträglichkeit bzw. eine bedingte Verträglichkeit. Durch eine Umlagerung eines Teils der Fahrzeuge von der Kappelner Straße / Adelbylund auf diese Abschnitte nimmt die Verträglichkeit hier um ein geringes Maß ab. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den einzelnen Varianten einer Entlastungsstraße aber auch zwischen einer Entlastungsstraße und einer verbesserten Anbindung der Taruper Hauptstraße an die Osttangente ist hier ebenfalls nicht feststellbar.

101

Die Verkehrssituation im Bereich Tastrup und Kleintastrup ist bei der Variante 0 verträglich bis bedingt verträglich. Die Variante 4 bringt hier keine Veränderung. Der Bau einer Entlastungsstraße erhöht die Verträglichkeit in diesen Bereichen auf eine zum Teil sogar gut verträgliche Qualität. Der genaue Verlauf dieser Straße übt darauf jedoch keinen Einfluss aus.“

(S. 34)

102

Hierauf basiert die anschließende Variantenempfehlung des Gutachters:

103

„Die Belastungssituation im Untersuchungsgebiet bei einer Beibehaltung des Verkehrsnetzes der Variante 0 ist in einigen Abschnitten im Prognosejahr zum Teil sehr unverträglich, es ist also die Umsetzung einer der Varianten 1 – 4 zu empfehlen.

104

Für einige Teilabschnitte ist kein wesentlicher Unterschied zwischen den Varianten 1 – 3 und der Variante 4 feststellbar. Eine deutliche Verbesserung der Belastungssituation im Bereich der Taruper Hauptstraße ist jedoch nicht durch eine verbesserte Anbindung der Taruper Hauptstraße an die Osttangente (Variante 4) zu erreichen. Dieser Effekt ist in diesen Abschnitten nur durch den Bau einer Entlastungsstraße zu erzielen. Die Untersuchungen zeigen, dass der Grad der Verbesserung hierbei nur unwesentlich von der Trassenführung einer solchen Entlastungsstraße abhängig ist.

105

Eine konkrete Empfehlung einer der drei Varianten (1 – 3) kann auf der Grundlage dieser Untersuchung nicht erfolgen. Eine Festlegung der Trassenführung kann unter Berücksichtigung des ökologisch und wirtschaftlich günstigsten Verlaufes, sowie der städtebaulichen Planung erfolgen.“

(S. 35)

106

Innerhalb der so getroffenen Variantenwahl (Varianten 1 – 3) hat sich die Antragsgegnerin auf der Planungsebene der 36. Änderung des Flächennutzungsplans für die im nördlichen Bereich verlaufende Trasse entschieden. Hierfür hat sie eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt. Auszugsweise heißt es darin:

107

„[…] Mit der Wahl der aus Umweltsicht favorisierten Nordvariante können wesentliche in den o. g. Planungen enthaltene Ziele berücksichtigt werden:

108

– Freihaltung der Landschaftsachse Holländerhof / Tastrup

109

– Freihaltung und Entwicklung der Niederung der Adelbybek zu einem hochwertigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

110

– Die Erhaltung und Erlebbarkeit des baulich-landschaftlichen Ensembles der Ortslage Groß-Tarup und Klein-Tarup können nur für den nördlichen Ortsrand verwirklicht und einbezogen werden.“

111

(S. 10)
„Alle drei Trassenvarianten verlaufen in bisher landwirtschaftlich geprägten mäßig bedeutenden Erholungsräumen. Der Schmingsieger Weg südöstlich der Ortslage Groß-Tarup wird derzeit als Feldweg genutzt und von allen drei Trassenvarianten zerschnitten. Zukünftig soll dieser Weg als Spazierweg und als Redder erhalten bleiben. Die Niederung der Adelbybek wird zwar durch die Trassenvarianten gekreuzt, er wird jedoch auch zukünftig über den vorgenannten Redder als Erholungsraum mit einem entsprechenden Potential weiterhin genutzt werden können.“

112

(S. 11)
„Die Variante Nord erscheint im Hinblick auf den Fortbestand der Brutvogelvorkommen am günstigsten. Dieses beruht auf der weiträumigen Erhaltung der Adelbybek-Niederung mit dem vorhandenen Knicksystem und dem östlich flankierenden Redder in einem räumlich-funktionalen Biotopkomplex.

113

Die Kleingewässer sind sehr gut von Amphibien besiedelt. Die Vorkommen von Kamm- und Teichmolch, Erdkröte, Gras- und Teichfrosch konnten nachgewiesen werden. Hierbei spielt jedoch der nordöstlich des Geltungsbereiches liegende Wald einen wesentlichen Besiedelungs- und Ausgangspunkt für Grasfrosch und Kammmolch.

114

Auch hier ergibt sich durch die nördliche Variante auf den Fortbestand der Amphibien die günstigste Voraussetzung. Die nunmehr ausgewählte Verkehrstrasse mit den Wohnbauflächen ergibt voraussichtlich eine wesentliche Beeinträchtigung dieser Populationen. Entscheidend wird bei den konkreten verbindlichen Planungen die Erhaltung und Förderung der Niederung der Adelbybek im vorgenannten Biotopkomplex sein.“

115

(S. 12)
„Aus landschaftsräumlicher Sicht ist die Nordvariante die Vorzugsvariante, da hier der neue Ortsrand durch Wohnbebauung gebildet wird und nicht wie bei den anderen Varianten durch eine Straßentrasse. Der Übergang von der Bebauung zur Landschaft lässt sich durch die Wahl der Geschossigkeit, durch private Grünräume sowie durch öffentliche Grüngürtel behutsam und landschaftsgerecht gestalten.“

116

(S. 15)
„Die Variante Nord stellt ein durchgezogenes Siedlungsband am südlichen Ortsrand dar, das direkt an den Dorfrand anschließt. Somit erhält auch aus dieser Sicht die Nordvariante den Vorzug.“

117

(S. 16)
„Anderweitige Planungsmöglichkeiten

118

Im Vorfeld der vorliegenden Planänderung wurde vom Büro UIC, Kiel (2006) eine Verkehrsuntersuchung zur Verlängerung der K8 durchgeführt mit dem Ziel, Varianten zur Entlastung des verkehrlich stark belasteten Stadtteiles Tarup aufzuzeigen. Neben 3 Trassenvarianten für eine Umgehungstrasse im Südosten von Flensburg wurde eine vierte Variante untersucht, die durch Verkehrslenkungsmaßnahmen im Bestand verkehrliche Entlastungseffekte erbringen soll. Diese so genannte vierte Variante wurde jedoch aufgrund geringer Wirkungsergebnisse im Hinblick auf eine verkehrliche Entlastung von Tarup nicht weiter verfolgt.

119

Die Varianten 1 – 3 (nördliche, mittlere und südliche Trasse) unterscheiden sich grundsätzlich in den Wirkungsergebnissen nur unwesentlich. Festzuhalten ist hier, dass sich bei diesen Trassenvarianten eine erhebliche Verkehrsverlagerung auf die Südumgehung von Tarup ergibt. Neben den Verkehrsmengen (50 %) sind damit auch Entlastungseffekte über Emissionen im vorhandenen und alten Ortsteil Tarup möglich. Eine berechnete Entlastung des Weiteren westlichen Straßenzuges in Richtung Innenstadt über Adelbylund / Kappelner Straße ergab nur eine geringere (6,7 %) Entlastung. Hier ist zu resümieren, dass die Verkehrsfrequenz in den Straßenzügen Adelbylund und Kappelner Straße durch den so genannten Ziel- und Quellverkehr entstehen und nicht über den so genannten Durchgangsverkehr.

120

Da die Verkehrsvarianten 1 – 3 aus verkehrlicher Sicht identisch sind, erfolgte die Trassenentscheidung aus ökologischen und städtebaulichen Gründen.

121

Geplante Wohnbauflächen sind in der flächenhaften Ausdehnung bei allen Varianten identisch. Das planerische Ziel ist, in den zukünftigen Wohnbauflächen ca. 300 Wohneinheiten unterzubringen.

122

Da im weiteren Stadtgebiet zurzeit keine großflächigen Wohneinheiten über Neuausweisung unterzubringen sind, kommt der Entwicklung im Südosten des Stadtgebietes eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig damit wird über die ausgewählte Trasse auch das Baugebiet Hochfeld, das derzeit im 1. Bauabschnitt erschlossen wird, an das örtliche und regionale Straßennetz verkehrsgünstig angebunden.“
(S. 18)

123

Zwar verhält es sich danach so, dass entgegen der Auffassung des Antragstellers (vgl. S. 10 des Schriftsatzes vom 09.05.2019) durchaus näher dargelegt worden ist, aus welchen naturschutzfachlichen Gründen der Nordvariante vorliegend der Vorzug gegeben worden ist; mit dem entsprechenden Abwägungsmaterial setzt sich das Vorbringen des Antragstellers auch nicht auseinander, sondern er setzt wiederum lediglich seine eigene Einschätzung derjenigen der planenden Gemeinde entgegen, wenn er behauptet, die „modifizierte Nordtrasse“ würde vorhandene Knicks erhalten (vgl. S. 11 des Schriftsatzes vom 09.05.2019). Allerdings setzen sich sämtliche im Verfahren vorgelegten Untersuchungen auf der vorgelagerten Planungsebene nicht mit den Eigentumsbetroffenheiten des Antragstellers auseinander. Dessen Mutter hatte im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zur 36. Änderung des Flächennutzungsplans bereits eingewandt, dass die landwirtschaftlichen Flächen ihres Betriebes zerschnitten würden, sodass keine landwirtschaftliche Flächennutzung mehr möglich sein werde und die Lebensgrundlage ihres Sohnes – des Antragstellers – zerstört werden würde (Schreiben vom 16.08.2007, Bl. 347 Gerichtsakte). Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 hatte auch die Landwirtschaftskammer darauf hingewiesen, dass im nördlichen Planungsbereich die zwei landwirtschaftlichen Betriebe mit Milchviehhaltung der Familie … und des Herrn ... lägen. Beide Betriebe seien für ihre Milchviehhaltung auf die hofnahen, arrondierten Flächen angewiesen. Durch die geplante Umgehungsstraße und die Ausweisung von Wohnbauflächen würden diese Flächen überplant und zerschnitten, sodass den Betrieben durch die o. a. Planungen die Wirtschaftsgrundlage an diesem Standort entzogen werde. Es hätten laut Auskunft der Betriebsleiter Gespräche mit der Antragsgegnerin und der Landgesellschaft über eine mögliche Umsiedlung stattgefunden. Beide Betriebsleiter seien verhandlungsbereit und für Gespräche offen. Bei Überplanung der Flächen im gegenseitigen Einvernehmen mit den Betriebsleitern bestünden keine Bedenken. Bei Nichtbeachtung der betrieblichen Belange und Interessen würden hingegen erhebliche Bedenken seitens der Landwirtschaftskammer gegenüber o. a. Bauleitplanung erhoben (S. 351 Gerichtsakte). Auch ein weiterer von der Planung betroffener Landwirt hatte sich mit Schreiben vom 27. September 2006 geäußert (Bl. 354 Gerichtsakte). Die im Verfahren zur 36. Änderung des Flächennutzungsplans erstellte Abwägungstabelle der Antragsgegnerin vom 1. Oktober 2007 geht darauf indes nicht konkret ein. Sie verhält sich lediglich knapp zu dem Aspekt „Landwirtschaft“, gibt jedoch die erhobenen Einwendungen schon unvollständig wieder und führt sodann allein aus:

124

„Mit den betroffenen Landwirten im Ortsteil Tarup werden individuelle Lösungen angestrebt, die auf freiwilliger Basis umgesetzt werden können. Hierzu gibt es bereits Gespräche mit den betroffenen Eigentümern und weiteren Dienststellen. Die Landgesellschaft Schleswig-Holstein ist in den Prozess eingebunden.“

125

(S. 323 Gerichtsakte).

126

bb) Es fehlt auch auf der Ebene der Bauleitplanung an dezidierten Abwägungen der Eigentumsbetroffenheiten. Jedenfalls auf dieser Ebene hätte vor dem Hintergrund von Art. 14 Abs. 1 GG einbezogen werden müssen, ob und in welchem Umfang die zuvor betrachteten Trassenvarianten schonender mit den Eigentumsbelangen des Antragstellers umgehen würden. In diesem Zusammenhang heißt es in Ziffer 5.1.2 der Planbegründung lediglich:

127

„Alle im Rahmen der Flächennutzungsplanung untersuchten Trassenvarianten und für den letzten Bauabschnitt infrage kommenden Ausbauplanungen verlaufen ausschließlich über private Eigentums- bzw. Pachtflächen in für die Region typischer landwirtschaftlicher Nutzung (Grün- und Ackerland). Flächen im städtischen Grundbesitz sind in diesem Bereich nicht vorhanden.“
(S. 8 der Begründung).

128

Das genügt den Anforderungen von § 1 Abs. 7 BauGB nicht. Es wird beispielsweise nicht untersucht, inwieweit andere Trassenvarianten möglicherweise verschiedene Grundeigentümer betreffen und damit eine andere Lastengleichheit herzustellen geeignet sind. Auch fehlt es an Darlegungen, ob die Inanspruchnahme dieser Flächen sich auf die jeweiligen Eigentümer geringer ausgewirkt hätte, als auf den Antragsteller; vorher und nachher vorhandene Gesamtflächen werden in diesem Zusammenhang ebenso wenig betrachtet wie Zerschneidungswirkungen. Der Antragsteller ist insoweit der Auffassung, eine modifizierte Nordtrasse hätte alle Eigentümer zu gleichen Teilen be- und entlastet. Die gewählte Variante führe infolge der Durchschneidung der Hauskoppel des Hofes zu einer einseitigen Verlagerung der Belastung zu seinen Lasten. Hiermit hat sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt.

129

Keine Berücksichtigung findet zudem der Umstand, dass die Flächen des Antragstellers vorliegend nicht allein für eine Überplanung mit Verkehrsflächen, sondern auch mit Ersatz- und Ausgleichsflächen in Anspruch genommen werden. Bei der Inanspruchnahme von Grundeigentum ist – wie bereits ausgeführt – dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs als Element des Verhältnismäßigkeitsprinzips Geltung zu verschaffen. Es muss also stets geprüft werden, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet. Als milderes Mittel ist es anzusehen, wenn das Planvorhaben gleich gut auch auf Grundstücken der öffentlichen Hand verwirklicht werden kann. In der Abwägung hat das Eigentum der öffentlichen Hand nämlich ein geringeres Gewicht als das Eigentum Privater, weil Hoheitsträger angesichts des personalen Schutzzwecks der Eigentumsgarantie nicht Inhaber des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG sind. Mit dem stärkeren Schutz des Privateigentums im Rahmen der Abwägung wird auch der Gleichklang mit § 90 Abs. 1 Nr. 2 BauGB hergestellt, wonach Grundstücke Privater zur Beschaffung von Ersatzland nur enteignet werden dürfen, wenn die öffentliche Hand über geeignetes Ersatzland nicht verfügt (OVG NRW, Urteil vom 28.10.2005 – 7 D 17/04.NE –, Rn. 33, juris). Insoweit fehlt es aber auch im Rahmen der Alternativenprüfung an Ausführungen dazu, ob dieser Ausgleich an anderer, das Eigentum schonenderer, Stelle hätte verwirklich werden können, insbesondere, ob insoweit gemeindeeigene Flächen zur Verfügung gestanden hätten. Die Abwägung in der Begründung verhält sich zu dieser Frage nicht, sondern führt nur aus, dass Flächen im städtischen Grundbesitz „in diesem Bereich nicht vorhanden“ seien (S. 8 der Begründung zum Bebauungsplan). Es ist aber keinesfalls dargelegt oder ersichtlich, dass erwogen wurde, die im Plangebiet auf Flächen des Antragstellers vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf anderen Flächen zu realisieren. Dies wäre vor dem Hintergrund, dass ein Teil der Ausgleichsmaßnahmen durchaus nicht innerhalb des Plangebiets erfolgt (vgl. S. 20 der Begründung zum Bebauungsplan) – außerhalb des Plangebiets kommen Maßnahmeflächen im „Scherrebektal“ sowie im Bereich des „Weesrieser Gehölzes“ hinzu – in die Abwägung einzustellen gewesen. Dies gilt umso mehr, als die auf den Flächen des Antragstellers im Wesentlichen vorgesehenen Maßnahmen 1.1 A/E, 1.2 A und 1.3 A offenbar keine CEF-Maßnahmen sind, die regelmäßig ortsnah realisiert werden müssen, da es insoweit bereits an der dann erforderlichen vorgezogenen Realisierung fehlen würde; alle drei Maßnahmen sollen nämlich erst unmittelbar nach Abschluss der Straßenbaumaßnahme durchgeführt werden.

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Insgesamt hat die Antragsgegnerin zwar die betreffenden Umweltbelange dezidiert betrachtet, indes die Eigentumsbetroffenheiten nicht substanziiert in ihre Variantenwahl eingestellt.

131

Auf die weiteren, seitens des Antragstellers angesprochenen Aspekte kommt es danach nicht mehr an.

132

Die Entscheidungsformel – Satz 1 des Tenors dieses Urteils – ist von der Antragsgegnerin ebenso zu veröffentlichen wie der Bebauungsplan bekanntzumachen ist (§ 47 Abs. 5 Satz 2, 2. Hs. VwGO).

133

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.

134

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


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