Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 KN 12/20

Tenor

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Veränderungssperre der Antragsgegnerin für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 7 „Windvorranggebiet“.

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Am 9. Dezember 2019 beantragte der Antragsteller beim Kreis Schleswig-Flensburg eine Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren für die Errichtung einer Kleinwindkraftanlage vom Typ Easy Wind 6AC mit einer Gesamthöhe von 22,40 m und einer Nennleistung von 6 kW in der südöstlichen Ecke des in seinem Eigentum stehenden Flurstücks ... der Flur ..., Gemarkung Wallsbüll, im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin.

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In ihrer Sitzung am 28. Januar 2020 beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin eine Änderung des geltenden Flächennutzungsplans und die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 7 „Windvorranggebiet“. Zur Begründung führte sie aus, dass in dem für die Regionalplanung vorgesehenen Vorranggebiet für Windenergieanlagen unter anderem die Standorte und die zulässigen Höhen für die Windenergieanlagen festgesetzt werden sollten. In derselben Sitzung beschloss die Gemeindevertretung eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 7 „Windvorranggebiet“ südlich der Landesstraße 192, nördlich der „Ellunder Straße“ und östlich der „Wallsbek“ auf den Flurstücken 1, 5, 15, 2, 3, 13 der Flur 1, Gemarkung Wallsbüll, und den Flurstücken 8/1, 9/1, 10 und 17 der Flur 2, Gemarkung Wallsbüll. § 2 der Satzung enthält unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 BauGB die Regelung, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. § 3 der Satzung trifft Regelungen zum Inkrafttreten und zum Außerkrafttreten. Der im Originalvorgang als Blatt 10 folgende Lageplan ist mit „Anlage Veränderungssperre Satzung Wallsbüll“ überschrieben. Er weist die in § 1 der Satzung genannten Flurstücke gelb unterlegt aus. Sämtliche Flurstücke ragen in eine hellgrün unterlegte, mit einer wellenförmigen Linie umfasste Fläche hinein, die nach ihrer äußeren Form dem im Regionalplan für den Planungsraum I dargestellten Windvorranggebiet entspricht, soweit es im Gebiet der Antragsgegnerin liegt. Außerhalb der gelb unterlegten Fläche befindet sich ein schwarzumrandetes Kästchen mit dem Text Geltungsbereich: - 8. Änderung Flächennutzungsplan, - Bebauungsplan Nr. 7 „Windvorranggebiet“, - Satzung über die Veränderungssperre für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen B-Plan Nr. 7 „Windvorranggebiet“. Von diesem führt ein schwarzer Strich in die hellgrün unterlegte Fläche.

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Die in diesem Lageplan hellgrün unterlegte Fläche umfasst u. a. die südöstliche Ecke des im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstücks 1 der Flur 1, Gemarkung Wallsbüll, d. h. den vom ihm geplanten Standort für die Kleinwindkraftanlage.

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Die Aufstellungsbeschlüsse des Bebauungsplans Nr. 7 und der 8. Änderung des Flächennutzungsplans sowie die Satzung über die Veränderungssperre wurden am 31. Januar 2020 im Mitteilungsblatt für das Amt Schafflund bekannt gemacht.

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Nachdem die Antragsgegnerin mit einer am 17. Februar 2020 beim Kreis Schleswig-Flensburg eingegangenen Stellungnahme ihr Einvernehmen zu der vom Antragsteller beantragten Baugenehmigung unter Hinweis auf die Veränderungssperre versagt hatte, lehnte der Kreis den Bauantrag mit Bescheid vom 11. März 2020 ebenfalls unter Hinweis auf die Veränderungssperre ab. Entgegen der Auffassung des Antragstellers, der im Rahmen der Anhörung geltend gemacht hatte, dass die Veränderungssperre sich nachhaltig auf die Aufstellung von Großwindanlagen richte, die aber ohnehin im Zuständigkeitsbereich des LLUR lägen, während seine Kleinwindanlage vom zuständigen Bauamt beschieden werden könne, sei sein Bauvorhaben unabhängig von Höhe und produzierter Energiemenge von § 29 BauGB erfasst. Der Zulassung einer Ausnahme stünden öffentliche Belange, nämlich die Wahrung der gemeindlichen Planungshoheit entgegen. Mit dem Bebauungsplan sollten Standorte und zulässige Höhen für Windenergieanlagen festgesetzt werden. Demgegenüber sei das private Interesse des Antragstellers, der geltend gemacht hatte, die von ihm geplante Anlage diene lediglich der Speicherung und Betankung seines Elektrofahrzeugs, überwiegend finanzieller und ökologischer Natur. Zudem habe die Gemeinde das nach § 36 BauGB erforderliche Einvernehmen mit Hinweis auf die Veränderungssperre versagt. Über den hiergegen am 24. März 2020 eingelegten Widerspruch wurde noch nicht entschieden.

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In der Sitzung der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin vom 19. Januar 2022 wurde beschlossen, die Geltungsdauer der am 28. Januar 2020 beschlossenen Veränderungssperre um ein Jahr zu verlängern. Nach § 3 der Verlängerungssatzung soll sie am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Amtlichen Mitteilungsblatt des Amtes Schafflund in Kraft und nach Ablauf eines Jahres außer Kraft treten. Die Bekanntmachung der Satzung über die Veränderungssperre erfolgte am 21. Januar 2022 im Mitteilungsblatt für das Amt Schafflund.

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Der Antragsteller hat am 26. März 2020 den vorliegenden Antrag auf Normenkontrolle gestellt. Er macht geltend, dass der Antrag zulässig sei. Ohne die Veränderungssperre habe er eine reale Chance, sein eigentliches Ziel, nämlich die Errichtung seiner bereits beschafften, landwirtschaftlich privilegierten kleinen Windenergieanlage zu erreichen. In der Sache fehle es schon am Planerfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB, da Bauleitpläne gemäß § 1 Abs. 4 BauGB ohnehin den Zielen der Raumordnung anzupassen seien. Eine auf § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO gestützte Höhenbeschränkung für Windenergieanlagen könne zu einer rechtswidrigen Zielabweichung von der Regionalplanung führen. Zudem sei die beabsichtigte Bauleitplanung der Antragsgegnerin entgegen § 1 Abs. 3 BauGB von städtebaulich sachfremden Erwägungen geprägt, nämlich der offensichtlichen Bevorzugung einer bestimmten Gesellschaftsform, hier eines Bürgerwindparks. In einem an die Landeigentümer in der Windeignungsfläche Wallsbüll/Ellund gerichteten Schreiben vom 19. Januar 2020 habe der Bürgermeister der Antragsgegnerin unter anderem ausgeführt, dass die Gemeindevertretung die Entwicklung dieser Windeignungsfläche „sicherlich nur als 100%iger Bürgerwindpark mit Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger aus den betroffenen Gemeinden“ begleiten wolle.

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Die Antragsgegnerin wolle die vorgesehenen Flächen ausschließlich für den Bürgerwindpark gesichert haben und habe deshalb die Veränderungssperre erlassen. Jedenfalls habe eine Bürgerwindparkgesellschaft Bürgerwindpark ... den betroffenen Grundstückseigentümern, d. h. auch ihm, Nutzungsverträge vorgelegt, die sie hätten unterzeichnen sollen, damit dort vier Windenergieanlagen errichtet werden könnten. Der Gesellschaftszweck dieser Gesellschaft laute laut Handelsregister: Gegenstand des Unternehmens ist die Planung und Errichtung von Windenergieanlagen im Windeignungsgebiet PR1_SLF_ 012 der Gemeinde Wallsbüll, das Betreiben dieser Anlagen sowie die Einspeisung und Vermarktung der erzeugten Energie. Auch wenn die Regionalpläne in allen drei Planungsräumen angefochten seien, seien sie zunächst zu beachten. Die Verlängerung der Veränderungssperre sei schon deshalb unwirksam, weil „Umstände“ im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB nicht dargelegt worden seien und die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nicht vorlägen.

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Der Antragsteller beantragt,

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die Veränderungssperre der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2020 in der Fassung der 1. Verlängerung vom 19. Januar 2022 für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 7 „Windvorranggebiet“ südlich der Landesstraße 192, nördlich der „Ellunder Straße“ und östlich der „Wallsbek“ für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzulehnen.

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Sie macht geltend, dass der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei. Ein solches folge nicht aus der Absicht des Antragstellers, eine Kleinwindkraftanlage vom Typ Easy Wind mit einer Gesamthöhe von 22,40 m zu errichten. Der Erfolg seines Normenkontrollantrags würde seine Rechtsstellung nicht verbessern, denn im Falle der Unwirksamkeit der Veränderungssperre würde sich die Zulässigkeit, da der Bebauungsplan Nr. 7 noch nicht in Kraft sei und noch nicht den Stand nach § 33 BauGB erreicht habe, nach § 35 BauGB richten. Die Kleinwindkraftanlage sei weder privilegiert noch sonst zulässig. Sie diene nicht einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Der Antragsteller habe lediglich mitgeteilt, dass er an der Anlage sein Elektrofahrzeug aufladen wolle. Er sei auch nicht in der Nähe des Standorts der Kleinwindkraftanlage betriebsansässig, sondern lebe etwa 90 Fahrkilometer entfernt in Wöhrden. Die in seinem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen am Vorhabenstandort seien verpachtet und nicht Teil seines Betriebs. Die in etwa 480, 550 und 820 m Entfernung vom Vorhabenstandort gelegenen Hofstellen gehörten ihm nicht. Auch liege der Vorhabenstandort mitten in der Feldmark und nicht etwa nahe an einer Hofstelle. Das Vorhaben sei also auch keine bloße Nebenanlage.

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Das Vorhaben diene auch nicht der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Denn es sei nicht überwiegend zur Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz vorgesehen, sondern nur zum Laden eines Elektrofahrzeugs.

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Es fehle auch an der gemäß § 35 BauGB erforderlichen Nachhaltigkeit. Dafür sei eine allgemeine Sinnhaftigkeit des Vorhabens erforderlich, die hier fehle. Die Inanspruchnahme des Außenbereichs sei nicht objektiv verhältnismäßig. Weder sei bekannt, ob der Antragsteller ein Elektrofahrzeug besitze, noch sei er am Vorhabenstandort oder in dessen Nähe wohnhaft oder betriebsansässig. Die landwirtschaftlichen Flächen am Vorhabenstandort seien verpachtet. Die Kleinwindkraftanlage solle mitten in der freien Feldmark entstehen. Einen Netzanschluss gebe es dort nicht. Einen solchen nur für die Kleinwindkraftanlage über hunderte Meter zu verlegen, sei ersichtlich nicht sinnvoll. Es sei auch nicht vorstellbar, wie die Kleinwindkraftanlage unmittelbar und ohne Netzanschluss zum Aufladen eines Elektrofahrzeugs genutzt werden solle. Die Erstellung einer wassergebundenen Zuwegung zum Vorhaben sei nicht sinnvoll. Die Gestaltung wäre in jeder Form „hochgradig kurios“.

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Der Nutzen der Kleinwindkraftanlage für den Antragsteller dürfe vielmehr nur darin liegen, dass sie der Entstehung eines Windparks im Vorranggebiet für die Windkraftnutzung entgegenstehen könnte. Der Antragsteller habe deshalb schon bei der Vorhabenträgerin jenes Windparks auf die Zahlung von Geld für seinen Verzicht auf die Kleinwindkraftanlage hingewirkt. Andere (zumal objektive) Zwecke der Windkraftanlage seien nicht erkennbar. Der Zweck, durch den Verzicht auf eine Verhinderung des größeren Windparks Geld einzunehmen, sei baurechtlich nicht berücksichtigungsfähig, wenn die Kleinwindkraftanlage, wie hier, sonst sinnlos sei.

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Der Antrag sei auch unbegründet. Die Veränderungssperre sei wirksam.

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Der Veränderungssperre liege mit dem Ziel, dass u. a. die Standorte und die zulässigen Höhen für die Windenergieanlagen festgesetzt werden sollen, eine ausreichend konkretisierte Planung zugrunde. Bereits aus dem Aufstellungsbeschluss ergebe sich, dass 1. mit dem Bebauungsplan die Festsetzung eines entsprechenden Sondergebiets (§ 11 Abs. 2 BauNVO) ins Auge gefasst sei, dass 2. Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (zulässige Höhen) und 3. Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen (Standorte) getroffen werden sollten. Die Klärung weiterer Detailfragen, etwa die Lösung von Nutzungskonflikten, sei erst Aufgabe der im Aufstellungsverfahren vorzunehmenden planerischen Abwägung.

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Es fehle auch nicht am Planerfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass nicht eine antizipierte Normenkontrolle hinsichtlich des noch aufzustellenden Bebauungsplans stattfinde, sondern zu prüfen sei, ob die Veränderungssperre eine offensichtlich unzulässige Bebauungsplanung sicherstellen solle. Das sei vorliegend nicht der Fall.

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Unzutreffend sei ferner, dass es der beabsichtigten bauleiterplanerischen Festsetzungen neben den raumordnerischen Festlegungen überhaupt nicht bedürfe. Zwar seien Ziele der Raumordnung verbindlich und im Rahmen der Bauleitplanung zu beachten. Diese Verbindlichkeit gehe jedoch nur so weit, wie eine abschließende Abwägung - auch hinsichtlich der gemeindlichen Belange - bereits bei der Raumplanung stattgefunden habe. In diesem Rahmen bleibe der Gemeinde Raum für eine Konkretisierung mit bauleitplanerischen Mitteln. Ihr sei es zwar untersagt, von der Konzentrationsflächenplanung im Regionalplan durch Ausweisung von Windenergieflächen an anderer Stelle abzuweichen oder eine starke flächenmäßige Einschränkung gegenüber den raumordnerischen Festlegungen oder eine „Wegplanung“ vorzunehmen, die Gemeinde dürfe aber die Errichtung von Windenergieanlagen in den Konzentrationszonen durch einen Bebauungsplan einer Feinsteuerung unterziehen. Das Fehlen eines Überplanungsverbots ergebe sich auch ausdrücklich aus dem Textteil des Regionalplans für den Planungsraum I in Schleswig-Holstein, Kapitel 5.8 (Windenergie an Land). Von diesem Planungsspielraum mache sie, die Antragsgegnerin, Gebrauch. Die geplanten Festsetzungen seien städtebaulich begründet. Es bestehe ein Bedürfnis, die betroffenen Nutzungsinteressen in diesem Bereich aufeinander abzustimmen, gerade auch um der Windenergienutzung bestmöglich Raum zu verschaffen. Es sei sicherzustellen, dass die nach den raumordnerischen Festlegungen vorgesehene Windenergienutzung nicht durch andere Nutzungen und insbesondere die Errichtung anderer baulicher Anlagen und die hierdurch entstehenden Konflikte beeinträchtigt werde. So bestehe beispielsweise im Falle der Errichtung einer kleinen Windkraftanlage die Gefahr, dass hierdurch die Errichtung einer großen, raumbedeutsamen Windenergieanlage, die ausschließlich innerhalb des Windvorranggebiets zulässig sei, an einem bestimmten Standort im Windvorranggebiet deshalb nicht genehmigt werden könne, weil sie die Standsicherheit der kleinen Anlage gefährde. Um derartige potenzielle Konflikte zu vermeiden, bedürfe es einer Vorfestlegung der Standorte durch entsprechende Festsetzung in einem Bebauungsplan.

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Auch sei die Festsetzung von maximal zulässigen Höhen für Windenergieanlagen in einem Bebauungsplan nicht unzulässig. Der Regionalplan sehe nur vor, dass auf landesplanerischer Ebene und in den Regionalplänen keine Höhenbegrenzungen festzulegen seien.

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Unzutreffend sei, dass sie städtebaufremde, also nicht mit der baulichen Nutzung von Boden zusammenhängende Ziele verfolge. Eine planerische Einheimischenklausel sei gerade nicht vorgesehen. Die Aussage zu einem 100-%igen Bürgerwindpark im Schreiben des Bürgermeisters vom 19. Januar 2020 habe keinerlei Bezug zu ihrer Bauleitplanung. Hintergrund dieses Schreibens an die Eigentümer sei gewesen, dass der Bürgermeister nach Bekanntwerden der Ausweisung des Windvorranggebiets Anrufe von Bürgern erhalten habe, die sich für die Schaffung eines solchen Bürgerwindparks ausgesprochen hätten. Das vorliegende Planaufstellungsverfahren sei mit dem der Entscheidung des Senats vom 4. April 2013 - 1 LB 7/12 -, Rn 43, juris, zugrundeliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Dort sei ausdrücklich ein Bürgerwindpark festgesetzt worden, während die vorliegend vorgesehenen Festsetzungen dem Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB entnommen seien.

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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass ihre Gemeindevertretung am 8. August 2022 die 8. Änderung des Flächennutzungsplans und den Bebauungsplan Nr. 7 „Windvorranggebiet“, dessen Bekanntgabe nach der noch ausstehenden Genehmigung des Flächennutzungsplans erfolgen werde, beschlossen habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.)

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I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift einen Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht stellen. Der Antragsteller ist als Eigentümer eines Grundstücks in dem von der Veränderungssperre erfassten Gebiet, dessen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Kleinwindkraftanlage unter Hinweis auf die Veränderungssperre abgelehnt worden ist, antragsbefugt. Der am 26. März 2020 gestellte Normenkontrollantrag wahrt angesichts der Bekanntmachung im „Mitteilungsblatt für das Amt Schafflund“ vom 31. Januar 2020 die Jahresfrist.

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Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Eine obsiegende Entscheidung kann die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern, da die von ihm beantragte Baugenehmigung unter Hinweis auf die Veränderungssperre abgelehnt worden ist. Der Antrag ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragsgegnerin zulässig. Einer abschließenden Klärung der Frage, ob das Vorhaben des Antragstellers im Falle der Unwirksamkeit der Veränderungssperre nach § 35 BauGB zulässig ist, bedarf es für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht (vgl. Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 30.09.2021 - 1 MR 2/21 -, Rn. 18, juris). Nur ergänzend verweist der Senat deshalb darauf, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin von der Privilegierung der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nicht nur solche Windkraftanlagen erfasst werden, die überwiegend zur Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz vorgesehen sind (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 35 Rn. 58b; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl., § 35 Rn. 71, ausdrücklich gegen Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 3. Aufl. 2019, Rn. 34). Anders als in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB hat der Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen, dass das Vorhaben der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität dient.

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Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht deshalb, weil § 3 der Satzung über die Veränderungssperre vom 28. Januar 2020 bestimmt, dass diese am Tage ihrer Bekanntmachung in Kraft und spätestens nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft tritt. Das Normenkontrollverfahren hat sich dadurch nicht durch Zeitablauf erledigt, da die Antragsgegnerin die Geltungsdauer der Veränderungssperre verlängert hat. Es handelt sich bei dieser Verlängerung nicht um eine selbstständige Veränderungssperre, sondern nur um die Verlängerung der Geltungsdauer der ursprünglichen Veränderungssperre. Diese bleibt als Gegenstand des Normenkontrollverfahrens erhalten. Materiell und prozessual sind die ursprüngliche Veränderungssperre und ihre Verlängerung als Einheit anzusehen (Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 22.11.2021 - 1 KN 20/19 -, Rn. 27, juris; Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 02.12.2015 - 1 KN 21/14 -, Rn. 24, juris; BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16.03 -, Rn. 16, juris). Die Satzung über die 1. Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre ist auch rechtzeitig vor Ablauf der Zweijahresfrist in Kraft getreten. Die Veränderungssperre vom 28. Januar 2020 ist nach den Regelungen der Bekanntmachungsverordnung am 1. Februar 2020 wirksam geworden und am 31. Januar 2022 außer Kraft getreten. Die örtliche Bekanntmachung ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 BekanntVO im Falle des Abdrucks im amtlichen Bekanntmachungsblatt mit Ablauf des Erscheinungstages bewirkt. Bei Erscheinen des Mitteilungsblatts am 31. Januar 2020 war die Veränderungssperre vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Januar 2022 wirksam. Die Satzung über die 1. Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre vom 19. Januar 2022 ist bei Erscheinen am 21. Januar 2022 mit Ablauf des 21. Januar 2022 rechtzeitig vor Ablauf der Zweijahresfrist in Kraft getreten. Da § 1 der Satzung vom 19. Januar 2022 ausdrücklich bestimmt, dass die Veränderungssperre um ein Jahr verlängert wird, tritt sie trotz der missverständlichen Formulierung in § 3 der Satzung vom 19. Januar 2022, wonach die Veränderungssperre „nach Ablauf eines Jahres außer Kraft“ tritt, nicht ein Jahr nach der Bekanntmachung am 21. Januar 2022, sondern ein Jahr nach Außerkrafttreten der Ausgangsveränderungssperre, d. h. am 31. Januar 2023 außer Kraft.

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Dem Rechtsschutzbedürfnis steht auch nicht entgegen, dass die Satzung vom 19. Januar 2022 nach ihrem § 3 Satz 3, der insoweit § 17 Abs. 5 BauGB entspricht, in jedem Fall außer Kraft tritt, sobald und soweit für ihren Geltungsbereich der Bebauungsplan Nr. 7 Rechtsverbindlichkeit erlangt. Denn Rechtsverbindlichkeit erlangt ein Bebauungsplan nicht bereits mit der Beschlussfassung durch die Gemeinde, sondern erst mit der – hier noch ausstehenden – Bekanntmachung (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB).

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II. Der Antrag ist nicht begründet. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 VwGO begründet, wenn die Satzung ungültig ist, d. h. wenn sie an einem formellen oder materiellen Fehler leidet, der nach den §§ 214, 215 BauGB vom Gericht beachtet werden muss. Das ist hier nicht der Fall.

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Gemäß § 14 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass 1. Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen; 2. erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen. Die Veränderungssperre wird von der Gemeinde als Satzung beschlossen (§ 16 Abs. 1 BauGB).

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1. Die Veränderungssperre und ihre Verlängerung sind formell rechtmäßig. Formelle Fehler der Satzung über die Veränderungssperre und ihrer Verlängerung sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

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2. Die Veränderungssperre ist materiell rechtmäßig.

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a) Die allgemeinen Voraussetzungen einer Veränderungssperre (§ 14 Abs. 1 BauGB) sind erfüllt. Die Veränderungssperre hat ausweislich § 2 der Satzung vom 28. Januar 2020 den in § 14 BauGB vorgesehenen Inhalt und zwar beschränkt auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB, den Ausschluss von Vorhaben nach § 29 BauGB. In derselben Sitzung der Gemeindevertretung ist zuvor ein Planaufstellungsbeschluss gefasst worden (§ 14 Abs. 1 Halbs. 1 BauGB). Fehler hinsichtlich des Beschlussverfahrens sind nicht geltend gemacht worden und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Aufstellungsbeschluss ist wirksam ortsüblich bekannt gemacht worden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Gemäß § 10 Abs. 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin erfolgen „andere gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachungen“, soweit nichts anderes bestimmt ist, ebenfalls in der Form des Absatzes 1, d. h. durch Bekanntmachung im „Mitteilungsblatt für das Amt Schafflund“. Ein Ausdruck des nur digital erscheinenden Mitteilungsblatts ist vorgelegt worden.

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b) Der Planaufstellungsbeschluss erfüllt auch das Erfordernis einer zu sichernden Planung. Die Anforderungen, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre an die Konkretisierung der planerischen Vorstellungen der Gemeinde zu stellen sind, sind mit Rücksicht auf die gemeindliche Planungshoheit gering. Der von der Veränderungssperre flankierte Aufstellungsbeschluss muss lediglich ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Gegenstand und Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans bzw. der zu erwartenden Bebauungsplanänderung ist und muss erkennen lassen, welchen Inhalt die neue Planung haben soll. Die Gemeinde muss bereits positive planerische Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans so weit entwickelt haben, dass diese geeignet sind, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu steuern (Bay. VGH, Urteil vom 19.12.2019 - 1 N 17.1236 -, Rn. 20, juris, m. w. N.). Insofern muss sie zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzen, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp nach der Baunutzungsverordnung, sei es, dass sie bestimmte nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen im Blick hat (BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16.03 -, Rn. 28, juris; Urteil vom 30.08.2012 - 4 C 1.11 -, Rn. 12, juris). Denn sofern positive Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Beschluss vom 05.02.1990 - 4 B 191.89 -, Rn. 2, juris). Solche Vorstellungen müssen sich allerdings nicht allein aus der Niederschrift der Sitzung der Gemeindevertretung ergeben. Zulässig ist darüber hinaus der Rückgriff auf alle erkennbaren Unterlagen und Umstände. Hierzu kann beispielsweise auch die anderen Akten zu entnehmende oder bekannte Vorgeschichte gehören (BVerwG, Beschluss vom 01.10.2009 - 4 BN 34.09 -, Rn. 9, juris). Die gerichtliche Überprüfung einer Veränderungssperre darf indes nicht die Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu sichernden Bauleitplanung noch vor deren Zustandekommen vorwegnehmen. Insofern verlangt sie nicht die Prüfung, ob der – noch nicht beschlossene Bebauungsplan – in seinen einzelnen Festsetzungen von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung aller betroffenen Belange (vgl. § 1 Abs. 6 und Abs. 7 BauGB) getragen sein wird (BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, Rn. 2, juris). Als Sicherungsmittel ist die Veränderungssperre allerdings ungeeignet, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behoben werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2005 - 4 BN 61.05 -, Rn. 3, juris; Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, Rn. 3, juris). Insofern ist insbesondere anerkannt, dass eine reine „Negativplanung“ als Grundlage für den Erlass einer Veränderungssperre nicht ausreicht. Eine solche liegt aber nicht schon dann vor, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Bauplanerische Festsetzungen sind vielmehr insbesondere dann unzulässig, wenn sich die Planung darin erschöpft bzw. das Konzept einer künftigen Planung sich darauf beschränkt, einzelne Vorhaben auszuschließen. Die Gemeinde darf mit den Mitteln, die ihr insbesondere das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung zur Verfügung stellen – und unter Beachtung ihrer Grenzen – grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen (vgl. Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 05.10.2016 - 1 KN 20/15 -, Rn. 44, juris). Ferner ist eine unzulässige „Verhinderungsplanung“ auch dann gegeben, wenn die planerischen Festsetzungen nicht dem wirklichen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern bzw. einen Bauwunsch zu durchkreuzen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, Rn. 47, juris; Beschluss vom 27.01.1999 - 4 B 129.98 -, Rn. 9, juris; vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 20.01.2011 - 1 C 10801/10 -, Rn. 27, juris). Für eine derartige Planung besteht kein Sicherungsbedürfnis im Sinne einer Veränderungssperre (vgl. zum Ganzen Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 22.11.2021 - 1 KN 20/19 -, Rn. 48, juris, m. w. N.)

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Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Inhalt der zu sichernden Planung zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre und auch noch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die erste Verlängerung hinreichend konkret erkennbar. Nach dem Aufstellungsbeschluss sollen durch den Bebauungsplan Nr. 7 „Windvorranggebiet“ in dem durch die Regionalplanung vorgesehenen Vorranggebiet für Windenergieanlagen u. a. die Standorte und die zulässigen Höhen für die Windenergieanlagen festgesetzt werden. Aus dieser Formulierung ergeben sich hinreichend konkrete Vorstellungen hinsichtlich der Art der im künftigen Bebauungsplan festzusetzenden Nutzung im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Gemeinde hat zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses bezüglich der Art der künftigen baulichen Nutzung einen bestimmten Baugebietstyp nach der Baunutzungsverordnung, jedenfalls aber bestimmte nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen im Blick gehabt. Das ergibt sich im Ausgangspunkt schon aus der für den aufzustellenden Bebauungsplan gewählten Bezeichnung „Windvorranggebiet“. Es ergibt sich ferner aus der zur Begründung angeführten Absicht, unter anderem die Standorte und die zulässigen Höhen für die Windenergieanlagen im Windvorranggebiet festzusetzen. Dies kann insbesondere durch die Festsetzung eines sonstigen Sondergebiets geschehen, das im Abschnitt „Art der baulichen Nutzung“ der Baunutzungsverordnung und dort in § 11 Abs. 2 BauNVO insbesondere für Gebiete für Anlagen, die u. a. der Nutzung erneuerbarer Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, dienen, vorgesehen ist. In Betracht kommt ferner die Realisierung von Windenergieanlagen durch die Festsetzung von Versorgungsflächen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB, hier von Anlagen zur dezentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien (vgl. OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 12.12.2002 - 2 K 259/01 -, Rn. 46, juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2021, § 9 Rn. 110b). Zu dem für die Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung mussten weitergehende Vorstellungen zu Standort und Höhe nicht vorliegen. Das hieße, etwas zu fordern, was überhaupt erst am Ende der Planung steht. Das Konkretisierungserfordernis darf aber nicht überspannt werden, weil sonst die praktische Tauglichkeit der Veränderungssperre verloren gehen würde. Zudem wird sich die Gemeinde im allgemeinen nicht bereits zu Beginn des Aufstellungsverfahrens auf ein bestimmtes Planungsergebnis festlegen können; es ist gerade der Sinn der Vorschriften über die Planaufstellung, dass der Bebauungsplan innerhalb des Planungsverfahrens – insbesondere unter Beachtung des Abwägungsgebots – erst erarbeitet wird (BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16.03 -, Rn. 31, juris). Aus der vom Antragsteller insoweit angeführten Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25.01.2022 - 1 B 276/21 -, juris, mit Anmerkung Zeissler, jurisPR-ÖffBauR 4/2022 Anm. 3) folgt nichts anderes. Sie betrifft eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Ausweislich der Ausführungen in Randnummer 49 wird in dieser Entscheidung eine hinreichend verdichtete Planung insoweit bejaht, als in den Grenzen des durch einen Regionalplan ausgewiesenen Vorrang- und Eignungsgebiets Windenergienutzung die Ausweisung eines Sondergebiets für Anlagen, die der Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie dienen (§ 11 Abs. 2 BauNVO), beabsichtigt ist. Das Fehlen einer konkreten Planung und die unzulässige bloße „Absicht zu planen“ wird – mit der Folge einer vorläufigen Außervollzugsetzung der Satzung insgesamt – nur insoweit angenommen, als hinsichtlich der weiteren, insgesamt etwa ebenso großen Flächen des Plangebiets noch keine konkrete Planung vorlag. Im vorliegend zu entscheidenden Fall geht das Plangebiet nicht über das Windvorranggebiet hinaus.

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c) Aus der aktenkundigen Vorgeschichte ergibt sich auch nicht, dass es sich um eine bloße Negativ- oder Verhinderungsplanung handelt. Negative Zielvorstellungen sind allerdings nicht von vorneherein illegitim. Sie können sogar den Hauptzweck einer konkreten Planung bilden. Die Gemeinde darf mit Mitteln, die ihr insbesondere das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung zur Verfügung stellen, grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die selbst auf eine vollständige Veränderung der vorhandenen Situation abzielen und damit den (künftigen) Ausschluss bislang zulässiger Nutzungen nach sich ziehen. Letztlich ist der Gegensatz von positiven oder negativen Planungszielen wenig hilfreich zur Beantwortung der Frage, wann eine unzulässige Verhinderungsplanung vorliegt (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, Rn. 15, juris). Vielmehr ist eine solche erst dann anzunehmen, wenn die konkrete Planung nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entspricht, sondern nur vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern bzw. einen Bauwunsch zu durchkreuzen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, Rn. 47, juris; Beschluss vom 27.01.1999 - 4 B 129/98 -, Rn. 9, juris; Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 05.10.2016 - 1 KN 20/15 -, Rn. 44, juris; Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 21.10.2020 - 1 KN 2/19 -, Rn. 35, juris).

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Allein der zeitliche Kontext von Bauantragstellung und eingeleiteter Bauleitplanung nebst Erlass der Veränderungssperre führt hier aber nicht zur Annahme einer Verhinderungsplanung. Es ist in der Rechtsprechung auch des Senats (vgl. Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 21.10.2020 - 1 KN 2/19 -, Rn. 36, juris; Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 05.10.2016 - 1 KN 20/15 -, Rn. 45, juris) anerkannt, dass eine Bauleitplanung ihren Ausgang in einem Bauantrag betroffener Grundstückseigentümer nehmen kann und die Antragsgegnerin als planende Gemeinde einen solchen zum Anlass nehmen darf, um ihre städtebaulichen und planerischen Vorstellungen in Bebauungsplänen festzuschreiben. Eine zunächst nur auf die Verhinderung einer – aus der Sicht der Gemeinde – Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8/90 -, Rn. 16, juris). Die Überlegung, das gemäß § 36 BauGB erforderliche Einvernehmen zu der beantragten Kleinwindkraftanlage nicht zu erteilen, sondern zunächst hinsichtlich des im Regionalplan für den Planungsraum I ausgewiesenen Windvorranggebiets konkretisierende Regelungen hinsichtlich des Standorts und der zulässigen Höhen von Windkraftanlagen zu treffen, ist nicht willkürlich, sondern plausibel.

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d) Dem angedachten Bebauungsplan fehlt es auch nicht an der nach § 1 Abs. 3 BauGB erforderlichen Planrechtfertigung. Danach haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Das kann zu verneinen sein, wenn von vornherein feststeht, dass die Planung nicht umsetzbar, d. h. der Bebauungsplan vollzugsunfähig ist (OVG Schleswig, Urteil vom 15.03.2018 - 1 KN 4/15 -, Rn. 45, juris; Bay. VGH, Urteil vom 18.01.2017 - 15 M 14.2033 -, Rn. 31, juris; OVG Saarl., Urteil vom 28.01.1997 - 2 M 2/96 -, Rn. 25 f., juris). Anhaltspunkte dafür bestehen nicht. Insbesondere ist die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Antragstellers berechtigt, Darstellungen oder Festsetzungen zu treffen, die die vom Raumordnungsplan zugelassene Errichtung von Windkraftanlagen konkretisieren.

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Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Ziele der Raumordnung zwar in der Bauleitplanung als verbindliche Vorgaben hinzunehmen sind und deshalb nicht im Wege der Abwägung überwunden werden können, dass sie aber je nach dem Grad ihrer Aussageschärfe konkretisierungsfähig sind (BVerwG, Beschluss vom 21.12.2017 - 4 BN 3/17 -, Rn. 4, juris), dass eine „Feinsteuerung“ zum innergebietlichen Interessenausgleich der Windenergieprojekte, aber auch gegenüber anderen Nutzungen innerhalb und außerhalb des Plangebiets möglich ist (BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16/03 -, Rn. 21 juris), und zwar insbesondere zur Begrenzung der Anlagenhöhe oder der Festlegung der Standorte der einzelnen Anlagen (BVerwG, Beschluss vom 25.11.2003 - 4 BN 60/03 -, Rn. 8 f., juris). Entsprechende Festsetzungen im Wege der Bauleitplanung sind hier grundsätzlich zulässig, weil der Regionalplan für den Planungsraum I jedenfalls für das Windvorranggebiet Wallsbüll insoweit, wovon auch der Antragsteller ausgeht, gerade keine Regelungen trifft. Dass eine Höhenbegrenzung ein Konfliktpotenzial auslösen kann, macht diese nicht von vornherein unzulässig. Davon geht auch Gatz in seinen insoweit vom Antragsteller herangezogenen Ausführungen nicht aus (Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 3. Aufl. 2019, Rn. 196).

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e) Nicht maßgeblich ist zum derzeitigen Zeitpunkt, ob die zu sichernde Planung abwägungsfehlerfrei möglich sein wird. Dem Erlass der Veränderungssperre liegt noch keine Abwägungsentscheidung im eigentlichen Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB zugrunde. Die Antizipation des Abwägungsergebnisses eines erst noch zu beschließenden Bebauungsplans und seine Einordnung bereits jetzt als ersichtlich abwägungsdefizitär ist nicht möglich und damit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Prüfprogramms (BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, Rn. 2, juris).

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f) Aus dem Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Wallsbüll vom 19. Januar 2020 folgt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, dass der ins Auge gefassten Planung sachfremde Erwägungen zugrunde liegen oder unzulässige Festsetzungen geplant sind. Zum einen betraf das vom Antragsteller insoweit herangezogene Urteil des Senats (04.04.2013 - 1 LB 7/12 -, Rn. 40 ff., juris) einen Fall, in dem, anders als vorliegend, der Aufstellungsbeschluss als Art der Nutzung einen angesichts der fehlenden bodenrechtlichen und damit städtebaulichen Relevanz nicht vom Typenzwang des § 9 BauGB erfassten Bürgerwindpark und folglich eine unzulässige Festsetzung vorsah. Zum anderen kann aus dem Schreiben des Bürgermeisters nicht der Schluss gezogen werden, dass die für die Beschlussfassung über den Bebauungsplan zuständige Gemeindevertretung der Antragsgegnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre beabsichtigte, gegebenenfalls entgegen gefestigter Rechtsprechung unzulässige Festsetzungen zu treffen. Ferner sprechen die weiteren Ausführungen des Schreibens, die ersichtlich zum Ziel haben, voreilige Unterschriften unter Verträge mit Planungsbüros zu verhindern oder deren Folgen rückgängig zu machen, und auch der Schlusssatz, nach dem im nächsten Schritt beabsichtigt ist, die Gemeindevertreter und die Landeigentümer einzuladen, um gemeinsam zu besprechen, ob und wie diese Fläche entwickelt werden soll, dafür, dass die Planung zu dem Zeitpunkt noch ganz am Anfang stand.

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g) Offenbleiben kann, ob die Bauleitplanung seit Januar 2020 keinen nach außen sichtbaren Fortgang genommen hat. Dies folgt im Umkehrschluss aus der Regelung der ersten Verlängerung in § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Danach kann die Frist von zwei Jahren, nach der die Veränderungssperre außer Kraft tritt, um ein Jahr verlängert werden. Über die Anforderungen an den erstmaligen Erlass einer Veränderungssperre hinausgehende materiell-rechtliche Anforderungen an die erste Verlängerung einer Veränderungssperre sieht das Gesetz nicht vor. Erst für die weitere Verlängerung ist gemäß § 17 Abs. 2 BauGB Voraussetzung, dass besondere Umstände die Verlängerung erfordern. Für die erste Verlängerung ist unerheblich, ob es im Bebauungsplanverfahren zu Verzögerungen gekommen ist und ob die Gemeinde solche Verzögerungen zu verantworten hat. Eine erste Verlängerung ist selbst dann grundsätzlich zulässig, wenn die Bauleitplanung innerhalb der Laufzeit der verlängerten Veränderungssperre voraussichtlich nicht abgeschlossen werden kann. Es ist die offensichtliche Absicht des Gesetzgebers, die Gemeinde innerhalb von drei Jahren, für welche eine Veränderungssperre und eine erste Verlängerung beschlossen werden kann, nicht unter den Zwang zu stellen, ihre Arbeitsweise nach Zeit und Intensität näher rechtfertigen zu müssen; der Gesetzgeber hat den mittelbaren Zwang als ausreichend angesehen, dass bei einer erneuten Veränderung besondere Umstände im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB wegen einer sachwidrigen Verzögerung im Planaufstellungsverfahren fehlen können (BVerwG, Beschluss vom 08.01.1993 - 4 B 258.92 -, Rn. 8 f., juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat in der vorgenannten Entscheidung offengelassen, ob der Gemeinde im Einzelfall eine missbräuchliche Ausnutzung der ihr eingeräumten Möglichkeiten vorgehalten werden kann und welche Rechtsfolgen dies haben kann. Anhaltspunkte für eine solche missbräuchliche Ausnutzung liegen nicht vor, erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass im August 2022 der Satzungsbeschluss nunmehr gefasst wurde.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

46

Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht zuzulassen.


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