Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 D 333/10

Tenor

Unter entsprechender teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. November 2010 – 1 L 1135/10.NC – wird dem Antragsteller für das erstinstanzliche Antragsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; eine Kostenerstattung erfolgt nicht.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nach näherer Maßgabe des Entscheidungstenors teilweise erfolgreich.

Nach den §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die beiden letztgenannten Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind vorliegend erfüllt, da der Ausgang des mit Antragsschrift vom 28.9.2010 eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahrens mit dem Ziel der vorläufigen Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2010/2011 im ersten Fachsemester nach Maßgabe des Ergebnisses eines vom Gericht anzuordnenden Auswahlverfahrens nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen nur überschlägigen Würdigung der Sach- und Rechtslage derzeit nicht verlässlich abschätzbar ist. Im Rahmen der hier nur eingeschränkt möglichen Nachprüfung ist kein Raum für die zur abschließenden Beurteilung des Begehrens des Antragstellers wohl erforderlichen schon vertieften Auseinandersetzung mit der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin. Davon, dass der vom Antragsteller erhobene Anordnungsanspruch offenkundig nicht bestehe, kann nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht ausgegangen werden. Das gilt im Weiteren hinsichtlich der Frage, ob der Antragsteller, der ausweislich der von ihm vorgelegten Wehrsoldbescheinigungen seinen Wehrdienst zum 1.7.2010 angetreten hat, sein Studium zum Wintersemester 2010/2011 überhaupt hätte beginnen können und sich mit Erfolg auf einen Anordnungsgrund berufen kann. Im Übrigen bestehen keine Umstände, die Anlass zu der Annahme bieten, die Rechtsverfolgung könnte mutwillig sein.

Der Antragsteller erfüllt ferner die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Er erzielt nach eigenem glaubhaftem Bekunden derzeit aus nichtselbstständiger Tätigkeit monatliche Einnahmen in Höhe von Euro (Wehrsold). Dieser Betrag liegt unter der Summe von 575,-- Euro, die sich ergibt, wenn für ihn die (Frei-)Beträge gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b (180,-- Euro) und Nr. 2 a ZPO (395,-- Euro) zum Ansatz gebracht werden (vgl. Bekanntmachung zu § 115 der ZPO – Prozesskostenhilfe Bekanntmachung – 2010 vom 10.6.2010 – BGBl. I 2010, 795 -).

Ebenso wenig wie danach aus seinem Einkommen hat der Antragsteller die Kosten der Prozessführung aus seinem Vermögen aufzubringen, das er in seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit (Sparguthaben in Höhe von) insgesamt Euro beziffert hat. Dieser Betrag liegt unter dem gemäß den §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB-XII, 1 DurchführungsVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB – XII außer Ansatz zu lassenden Schonvermögen, das im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b DurchführungsVO 2.600,-- Euro beträgt.

Ist danach der Antragsteller nach seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung ganz oder teilweise oder in Raten aufzubringen, so ist nach dem Ergebnis des Prozesskostenhilfeverfahrens im Weiteren davon auszugehen, dass ihm auch gegen seine Eltern kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss zusteht, der als Vermögen zu werten und dessen Einsatz im Verständnis der §§ 166 VwGO, 115 Abs. 3 ZPO zumutbar wäre.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Eltern in entsprechender Anwendung von § 1360 a Abs. 4 BGB auch ihren volljährigen Kindern einen Vorschuss für die Kosten eines Rechtsstreits in persönlichen Angelegenheiten zu gewähren haben, wenn die Kinder wegen der Fortdauer ihrer Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung erreicht haben

vgl. zum Beispiel BGH, Beschluss vom 23.3.2005 – XII ZB 13/05 – NJW 2005, 1722.

Ein solcher Sachverhalt ist hier prinzipiell gegeben. Der Antragsteller hat die Hochschulzulassungsberechtigung erworben; er leistet zurzeit Wehrdienst und erstrebt mit seinem Eilrechtsschutzverfahren die vorläufige Zulassung zum Medizinstudium als Voraussetzung für die Erlangung eines berufsqualifizierenden Abschlusses als Arzt.

Allerdings besteht ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß § 1360 a Abs. 4 BGB analog nur, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Voraussetzung hierfür ist zum einen, wovon vorliegend auszugehen ist, dass der Anspruchsberechtigte nicht in der Lage ist, die Prozesskosten selbst zu tragen. Zum anderen muss auch die Belastung des Unterhaltsschuldners mit den Prozesskosten der Billigkeit entsprechen. Das ist zu verneinen, wenn er selbst nicht hinreichend leistungsfähig ist. In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass der Unterhaltspflichtige jedenfalls dann selbst nicht leistungsfähig ist, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen für ein ihn selbst betreffendes Gerichtsverfahren gleichen Streitwerts einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung hätte

vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 29.1.2009 – 3 D 426/08 – m.w.N..

Hiervon ausgehend scheidet zunächst eine Verpflichtung des Vaters des Antragstellers zur Übernahme der Verfahrenskosten im Wege des Unterhaltsvorschusses aus. Ausweislich der durch entsprechende Verdienstbescheinigungen belegten Angaben in seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erzielt der Vater des Antragstellers ein monatliches Einkommen in Höhe von Euro, von dem gemäß den §§ 166 VwGO, 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i.V.m § 82 Abs. 2 SGB – XII Steuern (Euro), Sozialversicherungsbeiträge ( Euro), sonstige Versicherungsbeiträge ( Euro) und Werbungskosten ( Euro), das heißt insgesamt Euro und Kosten der Unterkunft gemäß den §§ 166 VwGO, 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO in Höhe von Euro zum Abzug zu bringen sind. Danach verbleibt ein Betrag von Euro, der durch die anzuerkennenden Freibeträge gemäß den §§ 166 VwGO, 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b (180,-- Euro), Nr. 2 a (395,-- Euro) sowie – da für ein weiteres Kind Unterhalt geleistet wird – Nr. 2 b ZPO (276,-- Euro) mehr als „aufgezehrt“ wird.

Aber auch gegen seine Mutter steht dem Antragsteller kein Anspruch auf vollständige oder teilweise oder ratenweise Übernahme der Prozesskosten in Form eines Unterhaltsvorschusses zu. Nach ihren durch Vorlage entsprechender Belege glaubhaft gemachten Angaben in ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erzielt die Mutter des Antragstellers, die außerdem noch einem weiteren Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, monatliche Einnahmen in Höhe von Euro, die sich aus Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin ( Euro), Kindergeld ( Euro) und Unterhaltsleistungen ( Euro plus Euro) zusammensetzen. Diesen Einnahmen stehen monatliche Ausgaben für Steuern ( Euro), Rechtsanwaltsversorgung und Krankenversicherung ( Euro), Hausrats- und Haftpflichtversicherung ( Euro), Kosten der Unterkunft ( Euro) sowie sonstige Versicherungen - Krankenkostenzusatzversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und Lebensversicherung – (nach Umrechnung auf Monatsbeiträge: Euro) und die in der Regel ausgeschöpfte Selbstbeteiligung an Krankheitskosten ( Euro monatlich) im Umfang von insgesamt Euro gegenüber. Auch wenn zweifelhaft erscheint, ob sich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung mit Euro noch innerhalb des nach näherer Maßgabe von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO berücksichtigungsfähigen Umfangs bewegen, würde auch eine Kürzung dieses Ansatzes nicht zu dem Ergebnis führen, dass der Mutter des Antragstellers ein Einkommen verbliebe, von dem sie die Kosten seines Verfahrens im Wege des Prozesskostenvorschusses zu bestreiten hätte. Denn die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben ergibt ein verbleibendes Einkommen in Höhe von ( Euro - Euro =) Euro, dem die Freibeträge gemäß den §§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b sowie Nr. 2 a und Nr. 2 b ZPO in Höhe von mindestens 851,-- Euro gegenüber zu stellen wären, so dass auch eine hier in Betracht zu ziehende Kürzung des Ansatzes für Unterkunft und Heizung um Euro nicht zu einem verbleibenden für die Bestreitung der Verfahrenskosten einzusetzenden Einkommen führte. Die durch die Angaben der Mutter des Antragstellers über Einkommen und Ausgaben aufgeworfene Frage, wovon der (eigentliche) Lebensbedarf für sie und die Tochter bestritten werde, hat sie auf entsprechende Anfrage des Gerichts hin glaubhaft dahingehend beantwortet, dass sie derzeit die an sich für die zu zahlenden Steuern zu bildenden Rücklagen aufbrauche und im Übrigen einen mittlerweile Euro ausmachenden Bankkredit in Anspruch nehme.

Ist danach davon auszugehen, dass der Antragsteller einen Prozesskostenvorschuss nicht aus dem Einkommen seiner Mutter beanspruchen kann, so gilt Gleiches mit Blick auf das Vermögen der Mutter, dass sich ausweislich ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf einen Hausanteil im geschätzten Wert von Euro beläuft. Dieses Haus steht nach ihren glaubhaften Angaben im gemeinsamen Eigentum mit ihrem Ehemann, von dem sie derzeit getrennt lebt. Das Scheidungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Vermögenswert nicht kurzfristig durch Verwertung des Gebäudes realisiert und der Erlös dem Antragsteller - teilweise – zum Bestreiten seiner Verfahrenskosten zur Verfügung gestellt werden könnte. Insoweit fehlt es an „bereiten Mitteln“. Ebenso wenig kann im Rahmen der hier gebotenen Billigkeits- (§ 1360 a Abs. 4 BGB) beziehungsweise Zumutbarkeitsbeurteilung (§ 115 Abs. 3 ZPO) eine Teilverwertung des Hausanteils durch entsprechende Beleihung gefordert werden. Einmal abgesehen davon, ob dies ohne Mitwirkung des Miteigentümers möglich und – im Hinblick darauf, dass es um einen „Bagatellbetrag“ geht, – überhaupt realisierbar wäre

vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 9.2.2009 - 9 WF 352/08 -, sowie Beschluss vom 6.1.2000 - 8 W 606/99 - beide zitiert nach Juris,

liefe das im Ergebnis darauf hinaus, dass die Mutter des Antragstellers die Mittel zur Rückzahlung des durch Beleihung des Hausanteils abgesicherten Darlehens bis zum derzeit nicht absehbaren Zeitpunkt der Veräußerung des Gebäudes aus ihren für einen Prozesskostenvorschuss nicht ausreichenden Einnahmen bestreiten müsste. Der Antragsteller kann daher auch insoweit nicht auf einen Prozesskostenvorschuss von seiner Mutter verwiesen werden.

Ist dem Antragsteller danach ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zuzubilligen, so sieht der Senat auf der anderen Seite keine Veranlassung, dem Antragsteller seine Mutter gemäß den §§ 166 VwGO, 121 Abs. 2 ZPO als Prozessbevollmächtigte für das erstinstanzliche Verfahren beizuordnen. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass der Antragsteller nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um den Kapazitätsprozess selbst sachgerecht zu führen, so kann er hierzu auf die Hilfe seiner Mutter zurückgreifen, die Rechtsanwältin ist und die sich für ihn im erstinstanzlichen Verfahren, in dem im Übrigen kein Anwaltszwang besteht, auch bestellt hat und ihm gegenüber, wenn auch nicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses, so doch auf der Grundlage von § 1618 a BGB zum Beistand verpflichtet ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mutter des Antragstellers diesem für ihre Unterstützung in dem eingeleiteten Eilrechtsschutzverfahren ein Honorar in Rechnung stellen würde. Ein solches Verhalten wäre auch in Fällen, in denen keine Prozesskostenhilfebedürftigkeit besteht, nicht zuletzt mit Blick auf § 1618 a BGB ungewöhnlich und kann von daher nicht für Fallgestaltungen unterstellt werden, in denen die Kosten der Prozessführung wegen Hilfebedürftigkeit der Partei von der Allgemeinheit getragen werden. Der Senat hält daher die Beiordnung der Mutter des Antragstellers als Prozessbevollmächtigte nicht für erforderlich im Verständnis von § 121 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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