Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 A 1/19

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. November 2018 – 6 K 1091/17 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

I.

Der 1991 in S geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger, Kurde und Moslem. Er reiste nach eigenen Angaben Ende 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wurde im Februar 2014 bei einer polizeilichen Kontrolle in einem Kebab-Imbiss in F aufgegriffen, wobei er bulgarische Dokumente bei sich führte und beantragte daraufhin im März 2014 politisches Asyl.

Bei einer persönlichen Anhörung im Dezember 2016 gab der Kläger unter anderem an, da sie zu Hause kurdisch gesprochen hätten, habe sie ihr Nachbar beleidigt und beschimpft. Als Kurde werde man benachteiligt. In der Schule sei gesagt worden, dass es keine kurdische Sprache gebe. Einmal seien sie von der Polizei angehalten worden und ihr Auto sei durchsucht worden. Die Polizei habe feststellen wollen, ob kurdische Musik oder andere kurdische Sachen im Auto seien. Auch beim türkischen Konsulat in München sei er vom Bearbeiter schlecht behandelt worden, als der festgestellt habe, dass er Kurde sei. Da sie in der Nähe zur syrischen Grenzen gelebt hätten und dort täglich Selbstmordattentate passiert seien, habe man nicht gewusst, ob man am nächsten Tag noch lebe oder ob eine „Rakete rübergeflogen komme“. In seiner Stadt würden Attentate organisiert und geplant. Deshalb gebe es dort viele Festnahmen. Die Stadt N, in der er gelebt habe, sei sehr unsicher gewesen. Ausgereist sei er wegen seiner Einberufung zur Armee. Er sei etwa ein bis zwei Monate vor der Ausreise gemustert worden und habe in S den Militärdienst antreten sollen. Das genaue Datum wisse er nicht mehr. Er würde im Wehrdienst schlecht behandelt werden, weil er Kurde sei. Dies habe er durch seine Freunde mitbekommen, die ihre Wehrpflicht abgeleistet hätten. Es heiße, dass man beispielsweise mit der Faust geschlagen und auf den Boden getreten werde. Die Möglichkeit, sich vom Wehrdienst befreien zu lassen, habe ihm nicht zugestanden. Voraussetzung sei, dass man auf die Schule gehe oder sich in einem Ausbildungsverhältnis befinde. Auch dann werde die Wehrpflicht aber nur verschoben. Bei einer Rückkehr in die Türkei würde er festgenommen. Danach werde ihn die Armee einziehen. Dann müsste er „nach Osten gehen“, wo seine Landsleute, die Kurden, umgebracht würden, und Menschen töten. Er wolle keine Menschen töten. In Deutschland wohne er zusammen mit seiner Ehefrau S-A., die einen unbefristeten Aufenthaltstitel besitze.

Im Juni 2017 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in die Türkei an.(vgl. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14.6.2017 – 5736578-163 –) In der Begründung heißt es unter anderem, allein die Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Kurden in der Türkei verhelfe dem Antrag nicht zum Erfolg. Die Volksgruppe der Kurden sei in der Türkei keinen landesweiten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Die Wehrpflicht als solche und die Wehrpflichtpraxis in der Türkei stellten keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung dar. Bei der Armee oder in der Jandarma würden entgegen den Behauptungen des Klägers „vom Hörensagen“ keine Unterschiede zwischen Türken, Kurden oder anderen Ethnien gemacht. Es gebe Kurden auf allen Kommandoebenen, auch im Generalstab. Eine konkrete Verfolgung durch den türkischen Staat oder eine fehlende Schutzbereitschaft des türkischen Staates mit Blick auf geplante Attentate sei nicht ersichtlich. Auch die Anforderungen für die Zuerkennung eines Subsidiären Schutzstatus oder für eine Feststellung nationaler Abschiebungsverbote lägen nicht vor.

Im Juli 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, soweit er angegeben habe, ein Lehrer habe in der Schule die Existenz der kurdischen Sprache negiert, stelle dies eine asylrelevante Diskriminierung beziehungsweise Verfolgung durch einen Repräsentanten einer staatlichen Einrichtung dar. Soweit ihn auch der Nachbar den Kläger beschimpft habe, handle es sich um ein asylrelevantes Unterlassen beziehungsweise Dulden durch den türkischen Staat, der Garantie- und Handlungspflichten mit Schutzzweck gegenüber seiner Bevölkerung besitze. Die aktuelle Situation in der Türkei, die neuen Antiterrorgesetze sowie die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe, müssten Berücksichtigung finden. Es bestehe eine konkrete Gefahr, dass er aufgrund seiner kurdischen Abstammung als PKK-Sympathisant abgestempelt würde. Soweit er angegeben habe, er wolle keine Menschen töten, verstoße dies bei einer gleichwohl erfolgenden Heranziehung zur Wehrpflicht gegen den Art. 4 Abs. 1 2 GG sowie gegen Art. 9 EMRK und begründe damit seine Flüchtlingseigenschaft. Insoweit hat der Kläger auf verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus den Jahren 2011 und 2012 verwiesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der das Anerkennungsbegehren als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt wurde, aufgrund mündlicher Verhandlung vom November 2018, an der Kläger persönlich nicht teilgenommen hat, abgewiesen. In der Begründung heißt es nach inhaltlicher Bezugnahme auf den Ablehnungsbescheid der Beklagten unter anderem, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Flüchtlingsschutz zu. Es könne nicht festgestellt werden, dass er die Türkei aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung verlassen habe. Soweit der Kläger seine unbelegt gebliebene Einziehung als Grund für seine Ausreise aus der Türkei angegeben habe, könne nicht von einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgegangen werden. Die Heranziehung zum Wehrdienst sowie die für den Fall einer Wehrdienstentziehung möglichen Sanktionen begründeten für sich genommen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Selbst wenn vorliegend für den Fall einer künftigen, erst nach der Rückkehr des Klägers in die Türkei erklärten Wehrdienstverweigerung eine Bestrafung nicht ausgeschlossen wäre, läge keine Verfolgung vor. Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG sei eine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt dann als Verfolgungshandlung zu qualifizieren, wenn der Militärdienst Handlungen umfassen würde, die sich als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden. Dabei sei es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2e der RL 2011/95/EU nicht ausreichend, dass das „Militär“, in diesem Fall die türkischen Streitkräfte, als solches (allgemein) derartige Verbrechen begingen. Vielmehr müsse der sich auf die Vorschrift berufende Flüchtling konkret nachweisen, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt habe oder durchführen werde, die unter diese Vorschrift fielen und dass er sich konkret unmittelbar an solchen Handlungen beteiligen müsste. Hieran fehle es im Fall des Klägers schon deswegen, weil er als bislang ungedienter Wehrpflichtiger noch keiner Einheit zugeteilt sei und noch eine militärische Ausbildung durchlaufen müsste. In der Türkei gebe es kein Recht zur Verweigerung des Wehrdienstes oder einen Anspruch auf Ableistung eines Ersatzdienstes. Seit einer Änderung von Art. 63 tMilStGB sei bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Besondere Umstände, aus denen sich ergäbe, dass Strafmaßnahmen wegen Wehrdienstentziehung nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten würden, seien nicht ersichtlich. Insbesondere gebe es keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen beziehungsweise persönlichen Merkmalen orientiert sei. Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung stellten indes, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgingen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienten, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen. Zwar habe der EGMR, auf den der Kläger verweise, für das türkische System, das kein Verfahren vorsehe, in dem dargelegt werden könne, ob die Voraussetzungen einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorlägen, eine Verletzung der von Art. 9 EMRK garantierten Gewissensfreiheit angenommen, weil es keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigern treffe. Eine Verletzung von Art. 9 EMRK setze aber voraus, dass der Betroffene glaubhaft machen könne, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigere. Eine solche Gewissensentscheidung setze eine sittliche Entscheidung voraus, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfahre und gegen die er nicht handeln könne, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten. Erforderlich sei eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Daran fehle es hier. Der Kläger habe beim Bundesamt angegeben, er habe seine Wehrpflicht nicht gemacht, weil bekannt sei, dass im Osten der Türkei Krieg sei, er dorthin geschickt worden wäre und er dort gegen Landsleute hätte kämpfen müssen. Er wolle keinen Menschen töten. Die getöteten Menschen seien letztlich seine Brüder. Außerdem sei es im Moment so, dass die Eingezogenen sofort nach Osten in den Krieg geschickt würden, ohne Rücksicht auf die Familie. Auf Frage, ob es noch andere Gründe gebe, warum er den Wehrdienst nicht antreten wolle, habe der Kläger angegeben, er würde auch schlecht behandelt werden, weil er Kurde sei. Unabhängig davon, dass ein offener Krieg nach derzeitiger Erkenntnislage im Osten der Türkei nicht festzustellen sei, habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigere. Eine Verletzung von Art. 9 EMRK liege daher nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass es dem Kläger in erster Linie darum gehe, den Wehrdienst überhaupt nicht leisten zu müssen, vielmehr wolle er ihn, ausgehend von seinen Angaben beim Bundesamt, nicht unter den von ihm erwarteten Umständen leisten müssen. Intrinsische Motive wie die von ihm erwähnte Gewissensentscheidung bezögen sich erkennbar auch auf die genannten äußeren Umstände und inneren Einstellungen, aber nicht tragfähig und überzeugend auf eine kategorische Ablehnung jedweder Gewaltanwendung in Krieg und Frieden. Entgegen einer in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung seiner Prozessbevollmächtigten sei es vorliegend auch nicht Sache des Bundesamtes, den Kläger bei seiner Anhörung vertiefter zu seinen Gründen zu befragen. Dem Kläger sei sowohl bei der Anhörung als auch in einem bei Antragstellung in deutscher und türkischer Sprache ein vierseitiges Informationsschreiben ("Wichtige Mitteilungen") über die Pflicht, die Asylgründe vollständig und konkret zu schildern, ausgehändigt worden. Der um Flüchtlingsschutz Nachsuchende habe die von ihm vorgetragenen Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Dies setze eine schlüssige Darlegung der Gründe mit entsprechenden Einzelheiten voraus. Die Gelegenheit, die bestehenden Zweifel an seinen Motiven insoweit auszuräumen, seine Beweggründe und deren Gewichtung zu konkretisieren, habe der Kläger durch Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen. Es sei für das Gericht nachvollziehbar, dass der Kläger den Wehrdienst in den türkischen Streitkräften ablehne und dafür individuelle Motive habe; eine absolute und nicht situationsbezogen ausfallende Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung liege darin aber nicht. Soweit der Kläger in seiner Anhörung beim Bundesamt ausführt habe, ihr Nachbar habe sie als „dreckiger Kurde“ beleidigt und beschimpft, er sei als Kurde benachteiligt worden und in der Schule habe der Lehrer gesagt, es gäbe keine kurdische Sprache, könne darin keine Verfolgung im flüchtlingsschutzrechtlichen Sinne gesehen werden. Entsprechendes gelte für die vom Kläger als schikanös empfundenen Polizeikontrollen und die Behandlung durch Konsulatsmitarbeiter. Allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden unterliege der Kläger nicht der Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, dass Kurden in der Vergangenheit keiner Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung unterlegen hätten, weil ihnen jedenfalls in den westlichen Landesteilen der Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten, grundsätzlich ein Leben ohne Verfolgung möglich sei und sie dort regelmäßig eine, wenn auch möglicherweise nur bescheidene, Existenzgrundlage finden könnten. Hieran habe sich durch die aktuellen Entwicklungen in der Türkei nichts Grundlegendes geändert. Zwar sei es in der Türkei seit der Aufkündigung des Dialogs zwischen Regierung und PKK sowie der Beendigung des Waffenstillstands im Sommer 2015 wieder verstärkt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK in grenznahen Regionen sowie wiederholt zu auch der PKK zugeschriebenen Anschlägen gekommen. Auch seien seit dem Putschversuch im Juli 2016 in der gesamten Türkei sowohl mit Blick auf die Menschenrechtslage als auch die Rechtstaatlichkeit deutlich negative Entwicklungen zu verzeichnen. Diese verschärfte Lage in der Türkei reiche aber nicht für die Annahme aus, dass ethnische Kurden oder speziell solche aus den überwiegend kurdisch besiedelten südöstlichen Landesteilen nunmehr landesweit Gefahr liefen, Opfer flüchtlingsrechtlich relevanter Rechtsgutsverletzungen in Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit zu werden. Unabhängig davon, wie die Situation in den grenznahen, überwiegend kurdisch bewohnten Orten in der Zeit der Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und staatlichen Kräften von Herbst/Winter 2015 bis Frühjahr/Frühsommer 2016, für die von massiven Menschenrechtsverletzungen seitens der staatlichen Sicherheitskräfte berichtet worden sei, rechtlich zu bewerten sei und unabhängig davon, wie sich die Situation derzeit darstelle, nachdem die bewaffneten Auseinandersetzungen abgeflaut seien und mit dem Wiederaufbau zerstörter Bausubstanz begonnen worden sei, bleibe es dabei, dass Kurden nach wie vor jedenfalls eine Ausweichmöglichkeit in westliche Landesteile der Türkei, insbesondere in die dortigen Großstädte und auch in die Tourismusgebiete an der Küste offen stehe, in denen sie vor allein an ihre Ethnie anknüpfende Verfolgungsmaßnahmen hinreichend sicher seien. Nach Auswertung der Erkenntnisquellen sei trotz des Wiederaufflammens des Konflikts mit der PKK und des Vorgehens staatlicher Kräfte in der Folge des Putschversuchs festzuhalten, dass Übergriffe, die gegen Beamte, Richter, Militärangehörige, Journalisten und allgemein gegen Oppositionelle vorkämen, aber maßgeblich auf tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der Gülen-Bewegung und der PKK zielten. Für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit vergleichbarer Maßnahmen auch gegenüber Personen, für die das nicht zutreffe, nur weil sie kurdischer Volkszugehörigkeit seien, ließen sich aus den tatsächlichen Erkenntnissen vergleichbare Anhaltspunkte nicht und keinesfalls in einem Ausmaß entnehmen, das geeignet wäre, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte zu belegen. Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage derart, dass nunmehr die Lebensbedingungen in den westlichen Landesteilen für Zuwanderer aus den Kurdengebieten generell unzumutbar schlecht wären, sei nicht erkennbar und habe der Kläger auch nicht behauptet. Im Gegenteil sei seinen Angaben zu entnehmen, dass es ihm über Jahre hinweg gelungen sei, in anderen türkischen Landesteilen eine gute Existenzgrundlage zu finden. Eine Gefährdung des Klägers aus individuellen Vorfluchtgründen scheide schon im Ansatz aus, nachdem nicht ersichtlich sei, dass er im Zeitpunkt der Ausreise im Visier der türkischen Sicherheitsbehörden gestanden habe und auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass nach seiner Ausreise ein ihm geltendes sicherheitsbehördliches Interesse entstanden sei. Trotz der in den Auskünften zum Teil berichteten Ausweitung der Einreisekontrollen sei nach den vorliegenden Erkenntnissen eine flüchtlingsrechtlich relevante Verschärfung oder Verschlechterung der Behandlung zurückkehrender Asylbewerber kurdischer Ethnie nicht festzustellen. Der Kläger könne auch nicht die hilfsweise beantragte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG beanspruchen. Dabei könne offen bleiben, wie die zwischenzeitliche, teilweise mit militärischen Mitteln geführte Auseinandersetzung zwischen kurdischen Bewaffneten und der türkischen Staatsmacht in Teilen des überwiegend kurdisch besiedelten Gebiets nahe der syrischen Grenze und in Diyarbakir von Herbst/Winter 2015 bis Frühjahr/Frühsommer 2016 rechtlich zu beurteilen gewesen sei und welche rechtlichen Konsequenzen aus der zwischenzeitlichen relativen Beruhigung der Lage gezogen werden müssten. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht aus einer solchen Region ausgereist sei, entfalle ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes jedenfalls dann, wenn dem Ausländer eine interne Schutzmöglichkeit offen stehe. Dies sei, wie zuvor dargelegt, der Fall. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots seien ebenfalls nicht gegeben. Der Kläger habe insbesondere keine Anhaltspunkte geltend gemacht, die eine ihm im Fall der Rückkehr individuell drohende konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Verständnis von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen könnten.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

Dem nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AsylG statthaften Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21.11.2018 – 6 K 1091/17 –, mit dem seine Verpflichtungsklage auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes (§ 3 AsylG) beziehungsweise des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) sowie auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG durch die Beklagte abgewiesen wurde, kann nicht entsprochen werden. Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) vom 2.1.2019 rechtfertigt die begehrte Zulassung des Rechtsmittels nicht.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ergibt sich aus diesen Darlegungen nicht. Eine Rechtssache hat nur grundsätzliche Bedeutung, wenn sie zumindest eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.(vgl. zuletzt etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.5.2019 – 2 A 184/19 –, Leitsatz Nr. 14 in der Übersicht „Spruchpraxis“ auf der Homepage des Gerichts, Seite 17, m.z.w.N.)

Der Kläger formuliert in der Antragsschrift schon keine nach seiner Ansicht vom Senat bisher nicht beantwortete Frage, sondern ist vielmehr der Ansicht, die grundsätzliche Bedeutung der Sache folge

„aus der (...) grundsätzlichen Verkennung der Begrifflichkeit und der Reichweite des Begriffs der Gewissensentscheidung“

im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens einer Verletzung des Art. 9 EMRK, nach dessen Absatz 1 jede Person das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat und dieses Recht die Freiheit umfasst, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. Der Kläger verweist insoweit insgesamt darauf, dass die Frage, ob er sich im Hinblick auf die in der Türkei bestehende Wehrpflicht und seine Einziehung zum Wehrdienst mit Erfolg „in asylrechtlich relevanter Weise auf seine Gewissenfreiheit berufen“ könne. Dieses Vorbringen rechtfertigt entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Annahme einer „grundsätzlichen Bedeutung“ des Rechtsstreits im genannten Verständnis und damit nicht die begehrte Rechtsmittelzulassung auf der Grundlage des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Das Verwaltungsgericht hat die in dem Zusammenhang in der Rechtsprechung auch supranationaler Gerichte entwickelten Grundsätze in seiner Entscheidung ganz ausführlich und unter Angabe einschlägiger Belegstellen dargelegt und dann im Rahmen der Subsumtion – abweichend von der Auffassung des Klägers – einen entsprechenden Schutzanspruch auf dieser Grundlage, etwa nach den §§ 3, 4 AsylG oder 60 Abs. 5 AufenthG in seinem Fall verneint. Das zeigt, dass die Beantwortung der Frage im Einzelfall für den Kläger für den Prozessausgang „herausgehoben bedeutsam“ sein mag, dass ihr allerdings fallübergreifend eine „grundsätzliche“ Bedeutung im zuvor beschriebenen Verständnis nicht zukommt. Das wird besonders deutlich, wenn der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe (gerade) ihn nicht zu der Gruppe der „prinzipiellen“ Kriegsdienstverweigerer gerechnet, obgleich er durch die Aussage beim Bundesamt, „keine Menschen töten zu wollen“, zum Ausdruck gebracht habe, dass er es „heute und hier allgemein ablehne, Kriegsdienst mit der Waffe zu leisten, weil ihn Erlebnisse oder Überlegungen dazu bestimmten, die nur für die augenblickliche Situation Gültigkeit besitzen, ohne dass sie notwendig zu jeder Zeit das Grundrecht weiter einschränken“. Der Kläger wendet sich insoweit offensichtlich gegen Würdigung des Sachverhalts in seinem Einzelfall, wobei er meint, dass das Verwaltungsgericht es sich hier „zu leicht gemacht“ habe. Die im gerichtlichen Asylverfahren gegenüber dem allgemeinen Berufungszulassungsrecht eingeschränkte Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG macht deutlich, dass die dem § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO für sonstige verwaltungsrechtliche Streitverfahren zugrundeliegende Frage einer Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung und damit die „Einzelfallgerechtigkeit“ im asylrechtlichen Zulassungsverfahren kein Kriterium darstellt.(vgl. dazu zuletzt OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 7.6.2019 – 2 A 194/19, und 3.6.2019 – 2 A 157/19, 2 A 161/19, 2 A 162/19, 2 A 173/19 und 2 A 179/19 –, die zuletzt genannten alle zu Zulassungsbegehren der Beklagten im Zusammenhang mit Sekundärmigration/Bulgarien) Ob das Verwaltungsgericht im Einzelfall Ansprüche des jeweiligen Asylantragstellers „zu Recht“ verneint hat oder nicht, spielt daher für die Frage der Zulassung des Rechtsmittels in dem Bereich keine Rolle.

Auch der darüber hinaus geltend gemachte grundlegende Verfahrensverstoß in Form einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Gerichtsverfahren (§§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Insoweit ist zunächst nicht entscheidend, ob der Kläger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, konkret der bei seiner persönlichen nach der Niederschrift übrigens 75 Minuten langen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Dezember 2016, vor der er – über die von ihm angeführte ausführliche schriftliche Belehrung bei der Antragstellung hinaus – erneut ausdrücklich sowie unter Hinweis darauf nochmals auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen worden ist, unter – so seine Auffassung – „Missbrauch“ dieser Rechtsvorschriften beziehungsweise unter „bewusster Zurückhaltung von Fragen“ unzureichend befragt beziehungsweise angehört wurde oder nicht, wofür es – das nur am Rande – hier übrigens keine belastbaren Anhaltspunkte gibt.

Dem Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO, 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) genügt es regelmäßig, wenn sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit dem wichtigsten, nach seiner Auffassung für die Entscheidung primär relevanten Beteiligtenvorbringen auseinandergesetzt hat. Das ist hier geschehen. Ob im Ergebnis mit zutreffender Wertung, erlangt auch insoweit sicher keine Bedeutung. Ein Verstoß gegen das Gehörsgebot und damit eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (§ 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) kann darüber hinaus erst angenommen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches, für die Entscheidung wesentliches Vorbringen eines Beteiligten vom Gericht entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Ob die Sachverhaltsbeurteilung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend ist oder nicht, ist generell keine Frage des Verfahrensrechts unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht ferner insbesondere nicht, dem Tatsachenvortrag beziehungsweise – hier – seiner (abweichenden) Bewertung durch einen Verfahrensbeteiligten zu folgen.(vgl. zuletzt etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 8.5.2019 – 2 A 166/19 –, Leitsatz Nr. 15 in der Übersicht „Spruchpraxis“ auf der Homepage des Gerichts, Seite 18) Zumindest – vorsichtig gesprochen – etwas „befremdlich“ muss es anmuten, dass gerade der Kläger, der von den ihm von der Prozessordnung in den §§ 101 Abs. 1, 103 Abs. 3 und 104 Abs. 1 VwGO eingeräumten Möglichkeiten, dem Verwaltungsgericht sein Anliegen in der mündlichen Verhandlung durch Ergänzung seines Vorbringens, gegebenenfalls auf Rückfrage, persönlich weiter zu erläutern keinen Gebrauch gemacht hat, dem Gericht insoweit eine Verletzung grundlegender Verfahrensregeln vorwirft. Das muss aber nach dem zuvor Gesagten nicht vertieft werden. Wieso, so die Meinung des Klägers, ein „solches Urteil in einem Rechtsstaat keinerlei Bestand haben kann“, erschließt sich auch von daher nicht.

Ein Zulassungsgrund liegt daher nicht vor. Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG. Der Gegenstandswert des Verfahrens folgt aus dem § 30 Abs. 1 RVG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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