Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 D 155/19

Tenor

Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren versagenden Ausspruch im Tenor des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2019 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 2294/17 - wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Kläger, ein inzwischen im Ruhestand befindlicher Polizeibeamter, begehrt die Anerkennung eines näher bezeichneten Ereignisses als Dienstunfall. In der mündlichen Verhandlung vom 26.3.2019 vor dem Verwaltungsgericht hat er Prozesskostenhilfe beantragt und die Nachreichung der Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse angekündigt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch aufgrund dieser mündlichen Verhandlung ergangenes Urteil abgewiesen und gleichzeitig die Gewährung von Prozesskostenhilfe aus Sachgründen abgelehnt.

Am 1.4.2019 hat die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die elektronische Übermittlung dieser Entscheidung unter Beifügung eines EGVP-Empfangsbekenntnisses veranlasst. Das elektronisch zurückübermittelte Empfangsbekenntnis weist als Zustellungsdatum den 2.4.2019 aus.

Am 18.4.2019 ist die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Auf entsprechenden Hinweis der Berichterstatterin anlässlich der Eingangsverfügung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 3.6.2019 schriftsätzlich mitgeteilt, die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung sei zwar am 2.4.2019 zugestellt worden, er selbst sei jedoch am 2. und 3.4.2019 krankheitsbedingt daran gehindert gewesen, die Entscheidung tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen. Dies sei erst am 4.4.2019 geschehen, was er anwaltlich versichere.

Am 18.6.2019 hat der Kläger die am 3.6.2019 unterzeichnete Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (1), aber unbegründet (2).

1. Die am 18.4.2019, einem Donnerstag, bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Beschwerde ist trotz der durch § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgegebenen Beschwerdefrist von zwei Wochen und des anwaltlich bescheinigten Zustellungsdatums 2.4.2019, einem Dienstag, nicht verfristet.

Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers In Anwendung der §§ 56 Abs. 2 VwGO, 174 Abs. 3 und Abs. 4 Sätze 2 bis 4, 130 a Abs. 3 2.Alt, Abs. 4 Nr. 2 ZPO über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach elektronisch zugestellt worden und der Prozessbevollmächtigte hat das Empfangsbekenntnis elektronisch zurückgesandt.

Das elektronisch zurückgesandte Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der §§ 371 a Abs. 1, 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis(vgl. zu letzterem z.B. BGH, Beschluss vom 11.9.2018 - XI ZB 4/17 -, juris Rdnr. 5) Beweis sowohl für die Entgegennahme des in ihm bezeichneten Schriftstücks, hier des unter anderem Prozesskostenhilfe versagenden Urteils vom 26.3.2019, als auch für den Zeitpunkt von dessen Empfang. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat durch die Rückübermittlung des mit dem Zustellungsdatum 2.4.2019 versehenen Empfangsbekenntnis bescheinigt, dass er unter diesem Datum Kenntnis vom Zugang des Urteils erlangt hat. Damit ist nach § 174 Abs. 4 ZPO der Nachweis der Zustellung unter diesem Datum geführt und demzufolge ist die erst am 18.4.2019 bei dem Verwaltungsgericht eingereichte Beschwerde nach Ablauf der an dieses Zustellungsdatum anknüpfenden Beschwerdefrist eingelegt worden.

Allerdings kann die Beweiswirkung des ausgewiesenen Zustellungsdatums unter bestimmten Voraussetzungen entkräftet werden. Hinsichtlich eines nach Maßgabe des § 174 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ZPO durch ein auf dem Postweg oder durch Telekopie übermittelten und zurückgesandten Empfangsbekenntnis gemäß § 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 ZPO geführten Nachweises der Zustellung ist anerkannt, dass der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zulässig ist. Erforderlich ist, dass die Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis nicht nur erschüttert, sondern die Möglichkeit, die Angaben könnten richtig sein, ausgeschlossen ist.(aus neuerer Zeit: BGH, Beschlüsse vom 11.9.2018, a.a.O., und vom 25.9.2018 - XI ZB 6/17 -, juris jew. m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 12.6.2019 - 11 C 19.233 -, juris Ls. 4 und Rdnr. 15 m.w.N.) Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses erfordert, dass dessen Beweiswirkung zur Überzeugung des Gerichts vollständig entkräftet wird.(BFH, Beschluss vom 22.9.2015 - V B 20/15 -, juris Ls. 2 und Rdnr.8 m.w.N.) Nichts anderes kann für eine elektronische Zustellung gelten. Auch insoweit muss der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses unter den aufgezeigten strengen Anforderungen möglich sein.

Für die Wirksamkeit der Zustellung per Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt ist entscheidend, dass dieser selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat.(BVerwG, Beschluss vom 27.7.2015 - 9 B 33/15 -, juris Rdnr. 5) Dabei erbringt - wie bereits ausgeführt - das ausgefüllte Empfangsbekenntnis grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass der Prozessbevollmächtigte an dem von ihm angegebenen Tag tatsächlich Kenntnis vom Zugang des Schriftstücks erlangt hat. Unter den vorliegend relevanten Umständen steht indes zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beweiswirkung des elektronisch zurückübermittelten Empfangsbekenntnisses hinsichtlich des in diesem benannten Zeitpunkts des Empfangs des erstinstanzlichen Urteils vollständig entkräftet ist.

Diese Überzeugung basiert zum Teil auf der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, er sei am ausgewiesenen Zustellungstag und am Folgetag krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, den Zugang des ihm elektronisch übermittelten Urteils des Verwaltungsgerichts zur Kenntnis zu nehmen. Einer solchen anwaltlichen Versicherung ist durchaus eine die Beweiswirkung des von ihm selbst - elektronisch - unterzeichneten Empfangsbekenntnisses jedenfalls erschütternde Wirkung beizumessen. Hinzu tritt, dass nur der Anwalt selbst als Postfachinhaber, nicht hingegen seine Kanzleikräfte, über seine Zertifizierung in der Lage ist, eine elektronische Rücksendung des Empfangsbekenntnisses zu veranlassen, sowie dass sich vorliegend aus dem der Rückübermittlung des Empfangsbekenntnisses zugehörigen elektronisch verfügbaren Prüfprotokoll ergibt, dass das Empfangsbekenntnis erst am 5.4.2019 auf dem Server des Gerichts eingegangen ist, was bei einer bereits am 2.4.2019 veranlassten Bestätigung der Zustellung durch den Prozessbevollmächtigten ausgeschlossen wäre. Dies spricht mit Gewicht dafür, dass der Rechtsanwalt des Klägers zu dem Zeitpunkt, zu dem er bestätigen wollte, dass ihm das Urteil elektronisch zugegangen ist, infolge versäumt hat, das wohl von seinem System vorgegebene Datum des Eingangs auf seinem Server zu berichtigen und durch das Datum, zu dem er tatsächlich Kenntnis von dem Zugang des Urteils erlangt hat, zu ersetzen. Da es im gegebenen Zusammenhang allein darum geht, ob die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses vollständig entkräftet ist oder nicht, bleibt letztlich ohne Relevanz, dass der Prozessbevollmächtigte bei der von ihm zu erwartenden Sorgfalt vor der Rücksendung gehalten gewesen wäre, die Richtigkeit des Datums zu überprüfen und dieses zu korrigieren.

2. Die Versagung von Prozesskostenhilfe ist der Sache nach, ohne dass es auf die vom Verwaltungsgericht verneinte Frage hinreichender Erfolgsaussichten ankäme, mit Blick auf die inzwischen offen gelegten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht zu beanstanden.

Im Hinblick auf das hiernach vorhandene Grundvermögen des Klägers bedarf keiner Erörterung, ob der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bereits entgegensteht, dass Bewilligungsreife frühestens zum Zeitpunkt der Vorlage der Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten sein kann, die erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens erfolgt ist.(vgl. hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 166 Rdnr. 14)

Nach den §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115 Abs. 3 ZPO setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe neben hinreichenden Erfolgsaussichten und mangelnder Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung voraus, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wobei sie nicht nur ihr Einkommen (§ 115 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO), sondern gemäß § 115 Abs. 3 ZPO auch ihr Vermögen einzusetzen hat, soweit dies unter Berücksichtigung der entsprechend geltenden Vorgaben des § 90 SGB XII zumutbar ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, weil ihm aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zuzumuten ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Der Staat gewährt Prozesskostenhilfe nur mittellosen Beteiligten, die aus wirtschaftlichen Gründen daran gehindert werden, ihr Recht vor Gericht zu suchen. Prozesskostenhilfe ist eine spezielle Art der Sozialhilfe, die nachrangig gegenüber möglicher und zumutbarer Selbsthilfe gewährt wird.(BayVGH, Beschluss vom 27.7.2017 - 15 C 14.2047 -, juris Rdnr. 11) Sie dient nicht dazu, die finanziellen Belastungen, die mit einem Prozess einhergehen können, von einem Beteiligten fernzuhalten, um diesen nicht in der Verwirklichung seiner Pläne zur Vermögensbildung bzw. Vermögenserhaltung zu behindern.

Der Kläger ist Alleineigentümer eines Mehrfamilienhauses mit sieben Mietwohnungen und - seinen Angaben zufolge - einem Verkehrswert von 250.000 Euro sowie Miteigentümer eines weiteren Mehrfamilienhauses zu ein halb mit einem Verkehrswert von 230.000 Euro. Dort bewohnen er selbst und der Miteigentümer jeweils eine Wohnung, weitere drei Wohnungen sind vermietet. Inwieweit sein Vorbringen, aus den beiden Immobilien - zu seinen Versorgungsbezügen hinzutretende - Einkünfte aus Vermietung (§ 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO) infolge von Darlehensverpflichtungen und anderen diesen Immobilien zuzuordnenden Belastungen nur in Höhe von monatlich rund 300 Euro zu erzielen, im Rahmen einer allein einkommensbezogenen Betrachtung von Relevanz wäre, kann offen bleiben. Denn der Kläger ist kraft Gesetzes nicht nur zum Einsatz seines Einkommens, sondern in den Grenzen der Zumutbarkeit auch seines Vermögens verpflichtet.

Hausanwesen gehören nach Maßgabe des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII zum Schonvermögen, soweit sie selbst bewohnt werden und eine angemessene Größe nicht überschreiten. Diese entsprechend anzuwendende Vorschrift verfolgt die Intention, eine Obdachlosigkeit der leistungsberechtigten Person aufgrund des notwendigen Sozialhilfebezugs und einer zuvor verlangten Verwertung einer selbst bewohnten Immobilie zu vermeiden(Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 61. UPD August 2019, § 90 SGB XII Rdnr. 34); dem Hilfebedürftigen soll die eigene Wohnung erhalten bleiben.(Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Aufl. 2018, § 115 Rdnr. 53)

Mithin muss der Kläger zwar die von ihm selbst genutzte Wohnung nicht zur Finanzierung eines Rechtsstreits einsetzen, dies gilt indes nicht für seinen umfänglichen weiteren Grundbesitz, der unter Berücksichtigung des Zumutbarkeitserfordernisses zu dem einzusetzenden Vermögen zählt. Einzusetzendes Vermögen ist zu veräußern oder dessen Wert im Wege der Kreditaufnahme flüssig zu machen.(Zöller, a.a.O., § 115 Rdnrn. 58, 63)

Unter diesen Gegebenheiten scheidet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 5502 KostVO der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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