Beschluss vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 L 51/19
Gründe
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I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 6. Kammer - vom 27. November 2018 ist bereits unzulässig und war daher zu verwerfen.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz (AsylG) ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen, § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Darüber wurde der Kläger in der angefochtenen Entscheidung auch ordnungsgemäß belehrt.
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Der Kläger hat den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 117 GA) ist dem früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtes am 3. Januar 2019 zugestellt worden, so dass die Monatsfrist mit Ablauf des 4. Februar 2019, einem Montag, endete. Zwar ist ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht per Fax am 4. Februar 2019 eingegangen. Dieser Antrag war jedoch nicht durch den Prozessbevollmächtigten unterschrieben, so dass dem Schriftformerfordernis nach §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO im vorliegenden Fall nicht genügt wurde.
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Für den Antrag auf Zulassung der Berufung ist die Schriftform verbindlich. Diese ist zwar auch bei Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift gewahrt, wenn sich aus den sonstigen Umständen feststellen lässt, dass der Schriftsatz mit Willen des Betreffenden in den Verkehr gelangt ist und die Verhältnisse so eindeutig sind, dass es keiner Beweisaufnahme bedarf (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 21 ZB 18.30733 -, juris Rn. 3 [m. w. N.]). Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch weder aus dem bestimmenden Schriftsatz noch in Verbindung mit den ihn begleitenden Umständen hinreichend sicher die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr bringen zu wollen. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann dabei nur auf die dem
Gericht bei Eingang des Schriftsatzes erkennbaren oder bis zum Ablauf der (Rechtsmittel-)Frist bekannt gewordenen Umstände abgestellt werden (OVG NRW, Beschluss vom 16. August 2007 - 18 E 787/07 -, juris Rn. 4 [m. w. N.]). Allein die der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten zugeordnete Absendenummer des Faxes, mit dem der Zulassungsantrag an das Verwaltungsgericht gesandt worden ist, beseitigt dessen zweifelhafte Urheberschaft nicht (vgl. OVG NRW, a. a. O., Rn. 6). Der Antragsschrift waren auch keine Anlagen beigefügt, aus denen sich gegebenenfalls die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr bringen zu wollen, ableiten ließe (vgl. hierzu: VGH BW, Beschluss vom 13. August 2018 - 12 S 1476/18 -, juris Rn. 7) . Überdies war der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren noch durch einen anderen Prozessbevollmächtigten vertreten, ohne dass der nunmehrige Prozessbevollmächtigte durch Vorlage einer legitimierenden Vollmacht seine Bevollmächtigung nachgewiesen hätte. Letzterem käme - insbesondere angesichts des Anwaltswechsels - maßgebende Bedeutung zu (vgl. OVG NRW, a. a. O., Rn. 6). Das (unvollständige) Fax allein, auch wenn es den Briefkopf der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten trägt, bietet weder ausreichende Gewähr für die Urheberschaft des Schriftstückes noch für den Willen, das Rechtsmittel ergreifen zu wollen (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 5 A 955/17 -, juris Rn. 3), zumal es u. a. mit Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand überschrieben ist, obgleich ein Fristversäumnis (noch) nicht im Raum stand.
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2. Dem Kläger ist auch nicht auf seinen rechtzeitig beim Oberverwaltungsgericht gestellten Antrag hin die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren.
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Der Kläger hat die versäumte Rechtshandlung, einen formgerechten Zulassungsantrag beim zuständigen Gericht zu stellen, entgegen § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO nicht nachgeholt. Zwar kann im Wege der Auslegung in einem Antrag auf Wiedereinsetzung auch die Nachholung der versäumten Handlung gesehen werden. Etwas anderes gilt jedoch, wenn für die nachzuholende Handlung besondere Erfordernisse gelten. Die formgerechte Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist des
§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist zwingend. Folglich genügt der schlichte Wiedereinsetzungsantrag regelmäßig dann, wenn die versäumte Prozesshandlung nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist vorgenommen wurde. Dies ist der Fall, wenn die versäumte Prozesshandlung lediglich nicht fristgerecht erfolgte. Denn die „Nachholung“ einer Prozesshandlung kommt sinnvollerweise dann nicht in Betracht, wenn sie - wenn auch verspätet - bereits vorgenommen wurde (vgl. u. a. von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. 2018, § 60 Rn. 38, 42; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, § 60 Rn. 123). Etwas anderes muss jedoch gelten, wenn es - wie hier - mangels Unterschrift des per Fax und im Original übersandten Schriftsatzes an einer formgerechten Stellung des Zulassungsantrages fehlt und das Gericht, das über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet, nicht identisch mit dem Gericht ist, bei dem die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist. Denn nach § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG ist der (ordnungsgemäße) Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht zu stellen (vgl. von Albedyll, a. a. O. § 60 Rn. 41).
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Ungeachtet dessen hat der Kläger auch nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, die Antragsfrist nach § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG unverschuldet versäumt zu haben.
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Eine Wiedereinsetzung setzt nach § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war. Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
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Zwar ist das Verschulden einer Hilfsperson des Prozessbevollmächtigten dem Beteiligten nicht zuzurechnen. Allerdings kann dem Prozessbevollmächtigten ein eigenes Verschulden treffen, wenn die Organisation mangelhaft ist, oder er die Hilfsperson nicht mit der erforderlichen Sorgfalt auswählt, überwacht oder anleitet (vgl. von Albedyll, a. a. O., § 60 Rn. 11 [m. w. N.]; Krausnick, in: Gärdnitz, Verwaltungsgerichtsordnung mit Nebengesetzen, 2. Aufl. 2019, § 60 VwGO Rn. 57 f.). Liegt - wie hier angesichts
der ungeprüften Absendung der nicht unterzeichneten Rechtsmittelschrift nebst Abschriften - ein Verschulden einer Hilfsperson vor, muss folglich weiter geprüft werden, ob über dieses Verschulden hinaus ein Organisationsverschulden des Rechtsanwaltes zum Fristversäumnis beigetragen hat (vgl. Hoppe, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15., überarbeite Aufl. 2019, § 60 Rn. 18). Durch eine vom Prozessbevollmächtigten selbst verantwortete Büroorganisation muss die sorgfältige Überwachung des Personals ebenso sichergestellt werden wie ein weitergehendes Ausschalten abstrakt-generell zu erkennender Fehlerquellen. Eine hinreichende Überwachung muss kontinuierlich und mindestens stichprobenartig - auch bei langjährigen, bislang beanstandungsfrei arbeitenden Mitarbeitern - erfolgen (vgl. Hoppe, a. a. O., § 60 Rn. 2 [m. w. N.]).
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Hierzu verhält sich das Wiedereinsetzungsgesuch schon nicht. Der Prozessbevollmächtigte beschränkt sich unter anwaltlicher Versicherung darauf, den regelmäßigen Umgang mit Schriftsätzen aller Art zu schildern und vorzutragen, dass der Mitarbeiter die Arbeiten in der Vergangenheit immer sorgfältig erledigt habe und es bislang nicht vorgekommen sei, dass ein Schriftsatz ohne Unterschrift des Unterzeichners an das Gericht oder an die Gegenseite versandt worden sei. Auch die eidesstattliche Versicherung des betroffenen Mitarbeiters gibt keinen Anhalt dafür, ob und wie in der Büroorganisation für fristgebundene Schriftsätze eine hinreichende Überwachung durch den Prozessbevollmächtigten geregelt ist.
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Abgesehen davon kann zwar die abschließende Überprüfung, ob ein eiliger, per Fax zu übersendender Schriftsatz - wie hier - unterschrieben worden ist, auch bei einer unmissverständlichen generellen Anordnung durch den Prozessbevollmächtigten auf Hilfspersonal delegiert werden (vgl. Hoppe, a. a. O., § 60 Rn. 19 [m. w. N.]; BayVGH, Beschluss vom 11. Juni 2013 - 22 ZB 13.1068 -, juris Rn. 10). Voraussetzung hierfür ist jedoch auch, dass die Arbeit auf ausgebildetes - nicht bloß angelerntes - Hilfspersonal übertragen wird, das hinreichend geschult ist und sich bereits als zuverlässig erwiesen hat (vgl. Hoppe, a. a. O., § 60 Rn. 18 [m. w. N.]). Auch hierzu verhält sich der Antrag auf Wiedereinsetzung nicht. Der Prozessbevollmächtigte benennt die handelnde Person ausschließlich als Mitarbeiter, ohne den Berufsstand zu bezeichnen und zeigt auch nicht auf, seit wann der Mitarbeiter bei ihm beschäftigt ist bzw. welche Berufserfahrung dieser aufweist. Der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters kann dergleichen auch nicht entnommen werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11. Juni 2013, a. a. O., Rn. 11).
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Eine Wiedereinsetzung kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil nicht nur ein einmaliges entschuldbares Versehen vorliegt. Vielmehr hat der Mitarbeiter mehrfach fehlerhaft gehandelt, weil er sowohl beim Auflegen des Schriftsatzes auf das Faxgerät hätte sehen müssen, dass die erforderliche Unterschrift fehlt, als auch beim Versenden des Originals. Denn auch die Originalantragsschrift, die am 7. Februar 2019 beim Verwaltungsgericht eingegangen ist, trägt keine Unterschrift des Bevollmächtigten (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. November 2011 - 10 BV 11.2045 -, juris Rn. 10). Im Übrigen setzt eine wirksame Ausgangskontrolle, welche ein schuldhaftes Fristversäumnis des Anwalts im Sinne von § 60 VwGO ausschließt, u. a. voraus, dass die Organisation des Betriebsablaufes so gestaltet ist, dass eine Fristversäumung infolge Absendung nicht unterschriebener Schriftsätze in allen - auch in außergewöhnlichen, aber voraussehbaren - Fällen vermieden wird (vgl. OVG MP, Beschluss vom 17. April 2001 - 1 L 218/00 -, juris Rn. 19 [m. w. N.]; BayVGH, Beschluss vom 8. November 2011, a. a. O., Rn. 10 [m. w. N.]). Der Vorgang der Ausgangskontrolle wird vorliegend schon nicht beschrieben.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.
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III. Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren konnte nach alledem mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Antrages auf Zulassung der Berufung nicht entsprochen werden (§§ 114 ZPO, 166 VwGO).
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IV. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 78 Abs. 5 Satz 2, 80 AsylG, 152 Abs. 1 VwGO).
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Referenzen
- 1 L 218/00 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 114 1x
- §§ 78 Abs. 5 Satz 2, 80 AsylG, 152 Abs. 1 VwGO 2x (nicht zugeordnet)
- 5 A 955/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 125 1x
- 12 S 1476/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 81 1x
- ZPO § 85 Wirkung der Prozessvollmacht 1x
- 18 E 787/07 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x
- VwGO § 173 1x
- VwGO § 60 6x