Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 R 284/09

Gründe

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Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin (vgl. § 29 Abs. 6 Satz 2 PBefG) ist unbegründet. Der Senat macht von der ihm mit § 80 Abs. 5 VwGO eröffneten Möglichkeit, nach seinem Ermessen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anzuordnen Gebrauch, wenn nach dem Sachstand im Eilverfahren überwiegend wahrscheinlich davon auszugehen ist, dass sich die Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss als begründet erweisen wird. Davon kann indes nach dem derzeitigen Sachstand nicht ausgegangen werden. Gemäß § 28 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 1 PBefG führen erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Unter solchen Mängeln leidet der Planfeststellungsbeschluss nicht.

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1) Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den von den Antragstellern gerügten formellen Mängeln.

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a) Die Antragsgegnerin ist für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses sachlich zuständig. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die Antragsteller mit den gegen die Zuständigkeit gerichteten Rügen nicht ausgeschlossen. Zwar sind nach § 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG Einwendungen gegen den Plan, die nach dem Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen. Von diesem Einwendungsausschluss nicht erfasst werden aber Einwendungen, die sich auf die ohnehin von Amts wegen zu beachtenden rechtlichen Voraussetzungen für die Planfeststellung beziehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage, § 73 Rdnr. 84). Dazu gehört auch die Beachtung der Regelungen über die sachliche Zuständigkeit. Denn Einwände gegen die sachliche Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde sind keine Einwendungen gegen den Plan i. S. d. § 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG. Sie zielen nicht darauf ab, einen abwägungsrelevanten materiell-rechtlichen Belang gegen den Plan geltend zu machen, sondern “nur“ darauf, die Befugnis der Behörde zur Planfeststellung in Frage zu stellen. Dieses Verständnis des Einwendungsausschlusses nach § 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG folgt aus dem Zweck der Regelung. Die Behörde hat bei der Entscheidung über die Feststellung des Plans die öffentlichen und privaten Belange mit- und untereinander gerecht abzuwägen. Da die Behörde auch unter Ausnutzung der Möglichkeiten der Amtsermittlung nicht von sich aus sämtliche relevanten Belange erfassen kann, werden den Betroffenen und den Trägern öffentlicher Belange Mitwirkungslasten auferlegt, die dazu beitragen sollen, der Behörde die abwägungsrelevanten Sachverhalte zur Kenntnis zu bringen. Diese Einwendungen gegen den Plan sollen sich die Planbetroffenen nicht für ein gerichtliches Verfahren aufsparen dürfen.

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aa) Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 PBefG ist Planfeststellungsbehörde die Genehmigungsbehörde nach § 11 PBefG. Nach § 11 Abs. 1 PBefG erteilt die von der Landesregierung bestimmte Behörde die Genehmigung. Zuständig ist nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 PBefG bei einem Straßenbahnverkehr die Genehmigungsbehörde, in deren Bezirk der Verkehr ausschließlich betrieben werden soll. Zwar ist die Antragsgegnerin nicht von der Landesregierung als zuständige Behörde bestimmt worden. Denn die Zuweisung der Zuständigkeit beruht nicht auf einer Entscheidung des Ministerpräsidenten und der Minister (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 VerfLSA), sondern auf § 3 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit (im Folgenden: FSVwG LSA) vom 13. November 2003 (GVBl. LSA S. 318), geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2004 (GVBl. LSA S. 852), wonach die kreisfreien Städte zuständige Behörden nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 und § 29 PBefG sind. Das ist hier indes unschädlich. Soweit ein Bundesgesetz, wie hier § 11 Abs. 1 PBefG Landesregierungen ermächtigt, Rechtsverordnungen zu erlassen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.02.1991 – 14 S 1597/89 – Rdnr. 22 ; Fielitz/Grätz, PBefG, § 11 Rdnr. 2; ferner zu § 12 Abs. 2 Satz 1 MFG: BVerfG, Beschl. v. 10.05.1960 – 2 BvL 76/58 –, BVerfGE 11, 77 <83>), sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt (Art. 80 Abs. 4 GG).

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bb) Entgegen der Ansicht der Antragsteller regelt § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a FSVwG LSA mit der Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 Nr. 1 PBefG nicht lediglich eine Übertragung der örtlichen Zuständigkeit. Denn § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a FSVwG LSA enthält neben dem § 11 Abs. 2 Nr. 1 PBefG ausdrücklich die Bezugnahme auf die nach § 29 PBefG zuständige Behörde. Ungeachtet dessen ist der Erwähnung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 PBefG in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a FSVwG LSA ersichtlich eine andere Bedeutung beizumessen. Die Bezugnahme auf diese Regelung bezweckt erkennbar, den Landkreisen und kreisfreien Städten die Aufgaben als Genehmigungsbehörden nur insoweit zu übertragen, als der Verkehr bei einer Straßenbahn, Obusverkehr oder einem Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ausschließlich in dem Bezirk der Stadt bzw. des Landkreises betrieben werden soll. Von der Übertragung der sachlichen Zuständigkeit ausgenommen sollen damit die Angelegenheiten sein, in denen der Verkehr in den Bezirken mehrerer Genehmigungsbehörden desselben Landes (§ 11 Abs. 3 PBefG) oder in mehreren Ländern (§ 11 Abs. 4 PBefG) betrieben werden soll. Dass § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a FSVwG LSA der Übertragung der sachlichen Zuständigkeit für die Durchführung von Planfeststellungsverfahren dienen soll, folgt auch aus dem Zweck der Regelung wie sie in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes Ausdruck gefunden hat. Nach den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Entwurf eines Ersten Funktionalreformgesetzes sollten die Landkreise und kreisfreien Städte „die Zuständigkeit für die Linienkonzessionen für Straßenbahnen und Omnibusse sowie für Planfeststellungsverfahren bei Straßenbahnen nach § 28 PBefG erhalten“ (LT-Drs. 4/1686 S. 18). Der Verwaltungsvollzug bei diesen staatlichen Aufgaben sollte durch Gesetz übertragen werden (a. a. O. S. 3). Wollte man die Regelung dagegen mit den Antragstellern in der Weise verstehen, dass mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a FSVwG LSA nur die örtliche Zuständigkeit geregelt würde, so wäre die gesetzliche Regelung eines vernünftigen Zweckes beraubt, weil es keinen Sinn macht, die örtlichen Zuständigkeiten der Kommunen für Verfahren nach dem Personenbeförderungsgesetz zu regeln, wenn den Kommunen die sachliche Zuständigkeit nicht übertragen ist.

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cc) Entgegen der Auffassung der Antragsteller steht der sachlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin, die als Straßenbaulastträger hinsichtlich des Ausbaus der D-Straße zugleich Vorhabenträger ist, als Planfeststellungs- und Anhörungsbehörde das Verfahren geführt und über die Zulässigkeit des eigenen Vorhabens selbst entschieden hat.

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Zwar unterscheidet § 29 PBefG zwischen Planfeststellungsbehörde (§ 29 Abs. 1 Satz 1 PBefG) und Anhörungsbehörde (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr, 1, 2, 5 und 5 PBefG). Damit indes schreibt das Gesetz den Ländern nicht vor, im Planfeststellungsverfahren für die Anhörung der Beteiligten und für die Planfeststellung unterschiedliche Behörden zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.10.1979 – 4 N 1/79 – Rdnr. 11 ff. ).

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Die Identität von zur Planfeststellung ermächtigter Behörde und Vorhabenträger verstößt weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch führt sie zu einer unzulässigen Verkürzung des Rechtsschutzes (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.02.1992 – 7 CB 29/91 – Rdnr. 3 m. w. N. ).

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dd) Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin mit dem Planfeststellungsbeschluss nicht nur über die Zulässigkeit des Straßenbahnneubaus, sondern daneben auch über den Ausbau der D-Straße, der Landesstraße 165, entschieden hat.

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a) Treffen – wie hier – mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammen, dass für diese Vorhaben oder für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, so findet für diese Vorhaben oder für deren Teile nur ein Planfeststellungsverfahren statt (vgl. § 6 Abs. 1 VwVfG LSA). Die Antragsgegnerin hat mit dem Planfeststellungsbeschluss über die Zulässigkeit des Straßenbahnneubaus, der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 PBefG planfeststellungsbedürftig ist, und über die Zulässigkeit des Ausbaus der D-Straße entschieden. Ist der Straßenausbau mit einer wesentlichen Änderung der Linienführung der Landesstraße verbunden, ist die Veränderung nur zulässig, wenn der Plan vorher festgestellt worden ist (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA). Zuständig hierfür ist das Landesverwaltungsamt. Denn nach § 1 Abs. 7 der Verordnung zur Durchführung straßenrechtlicher Vorschriften für das Land Sachsen-Anhalt (StrVO LSA) vom 18. März 1994 (GVBl. LSA S. 493), zuletzt geändert durch Art. 13 der Verordnung vom 19. Dezember 2005 (GVBl. LSA S. 744 <752>), ist Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde vorbehaltlich des § 49 Abs. 2 StrG LSA das Landesverwaltungsamt. Zwar sind nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 StrG LSA die kommunalen Straßenbaulastträger Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde für die in ihrer Baulast stehenden Straßen. Das gilt indes nicht für Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundes-, Landes oder Kreisstraßen.

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Die beiden selbständigen planfeststellungsbedürftigen Vorhaben treffen hier derart zusammen, dass für sie nur eine einheitliche Entscheidung i. S. d. § 6 Abs. 1 VwVfG LSA möglich ist. Die Antragsgegnerin als Straßenbaulastträgerin und die Beigeladene als Trägerin des Straßenbahnverkehrs wollen gleichzeitig Verkehrsbauten errichten, die in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen. Keines der Vorhaben stellt sich als bloße Folgemaßnahme i. S. d. §§ 5 VwVfG LSA, 75 VwVfG des jeweils anderen Vorhabens dar. Denn Folgemaßnahmen im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift müssen von der Planung eines Vorhabenträgers veranlasst sein. Planen dagegen – wie hier – mehrere Vorhabenträger gleichzeitig planfeststellungsbedürftige Baumaßnahmen, liegen selbständige Vorhaben vor, die eine Anwendung des § 6 Abs. 1 VwVfG LSA nach sich ziehen, wenn diese Vorhaben nur einer einheitlichen Zulassungsentscheidung unterworfen werden können. Das ist der Fall, wenn jeder der Vorhabenträger zur sachgerechten Verwirklichung seines Planungskonzepts darauf angewiesen ist, dass über die Zulassung der zusammentreffenden Vorhaben nur in einem Verfahren entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.11.1995 – 11 VR 38/95 – Rdnr. 38 ). Bei Verkehrsbauten ist die räumliche Überschneidung von Trassen ein starkes Indiz für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 VwVfG LSA (BVerwG, a. a. O., Rdnr. 39). Das Verkehrsbauvorhaben beinhaltet im vorliegenden Fall neben dem Umbau der bestehenden Straßenbahnverbindung zwischen K-Weg und H-Weg und dem Neubau einer Straßenbahnverbindung vom H-Weg bis B-Ost den Umbau der D-Straße vom K-Weg bis zur S-Straße. In B-Ost ist eine Straßenbahnendhaltestelle mit gemeinsamer Bushaltestelle und eine Park- and Ride-Anlage vorgesehen. Der geplante Querschnitt sieht bis zum Knoten H-Weg einen zweigleisigen, östlich davon einen eingleisigen besonderen Bahnkörper in Mittellage, je eine angrenzende Richtungsfahrbahn sowie beidseitig Rad- und Gehwege vor (vgl. S. 19 des Planfeststellungsbeschlusses).

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ß) Zu Recht ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass sich Zuständigkeit und Verfahren nach den Regelungen im Personenbeförderungsgesetz bestimmen. Ist für beide Vorhaben gemäß § 6 Abs. 1 VwVfG LSA ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, so richtet sich Zuständigkeit und Verfahren nach den Rechtsvorschriften über das Planfeststellungsverfahren, das für diejenige Anlage vorgeschrieben ist, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen berührt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA). Aus der Bestimmung der Zuständigkeit nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 Satz 1 VwVfG LSA folgt dabei, auch wenn der Wortlaut der Regelung dies nahelegen könnte nicht, dass allein auf die Größe des Vorhabens oder den Raumbedarf abgestellt werden dürfte. Vielmehr ist maßgeblich das Ausmaß der von dem Vorhaben berührten öffentlichen Interessen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.11.1995 – 11 VR 38/95 – Rdnr. 43 ). Im vorliegenden Fall bildet das Projekt der Beigeladenen den Schwerpunkt des gesamten Bauvorhabens. Das folgt aus seiner verkehrspolitischen Bedeutung und den Auswirkungen der Errichtung eines besonderen Bahnkörpers in der Mittellage der Straße, welche für sich besehen und insbesondere durch die Anordnung von Straßenbahnhaltestellen für die Straßenanlieger wegen der hieran anknüpfenden Einrichtung von Richtungsfahrbahnen ein besonderes Konfliktpotenzial in sich birgt. Dies lässt das Vorhaben des Straßenausbaus der Antragsgegnerin gegenüber dem Straßenbahnneubauvorhaben der Beigeladenen zurücktreten, so dass die Durchführung der Planfeststellung nach den personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften nicht zu beanstanden ist.

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b) Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, die Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses in der Mitteldeutschen Zeitung genüge nicht den Vorgaben der §§ 29 Abs. 5 Halbs. 2 PBefG, 74 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 VwVfG.

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aa) Danach erfolgt die die Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses an andere als die Vorhabenträger, die bekannten Betroffenen und diejenigen, die Einwendungen erhoben haben, durch Auslegung des Plans, verbunden mit einer ortsüblichen Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses, der Rechtsbehelfsbelehrung und des Hinweises auf die Auslegung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und in örtlichen Tageszeitungen. Ob der in der Mitteldeutschen Zeitung vom 17. Juni 2009 veröffentlichte Text genügt, um der mit § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG bezweckten Anstoßfunktion gerecht zu werden, kann für dieses Verfahren dahinstehen. Entsprechendes gilt für die fehlerhafte Bezeichnung des Aktenzeichens in dem veröffentlichen Text. Nach § 29 Abs. 5 Halbs. 1 PBefG ist der Planfeststellungsbeschluss denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, mit Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen. Zwar hat die Antragsgegnerin in Ansehung der öffentlichen Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses von einer förmlichen Zustellung an die Antragsteller abgesehen. Lässt sich indes die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen, oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist (§§ 29 Abs. 5 Halbs. 2, 8 VwZG). Auf die Anforderung der Antragsteller ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller unter dem 02. Juli 2009 zugesandt worden (BA G, Bl. 2588).

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bb) Ob die öffentliche Bekanntmachung anderen als den Antragstellern gegenüber fehlerhaft gewesen ist, berührt nicht die Wirksamkeit der Bekanntmachung gegenüber den Antragstellern (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 74 Rdnr. 147). Soweit die Antragsteller geltend machen wollen, der Plan sei allein deshalb aufzuheben, weil die fehlerhafte Bekanntgabe Dritten gegenüber zu einem Verfahrensmangel führe, greift der Einwand nicht durch, weil sich auf einen Verfahrensmangel nur derjenige berufen kann, gegenüber dem sich der Mangel ausgewirkt hat oder haben kann. Die Antragsteller, die die Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschluss gegen sich geltend lassen müssen (s. o.), können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Bekanntgabe anderen gegenüber fehlerhaft oder nicht erfolgt sei.

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cc) Schließlich hat auch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Zwar hat die Antragsgegnerin mit der Rechtsbehelfsbelehrung dahin belehrt, dass Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss bei dem Verwaltungsgericht erhoben werden können, obwohl nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von Straßenbahnen entscheidet. Die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung führt indes nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dazu, dass anstelle der einmonatigen Klagefrist die Jahresfrist in Lauf gesetzt wird.

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2) Die von den Antragstellern geltend gemachten inhaltlichen Mängel rechtfertigen die Aufhebung des Planfeststellungsbeschluss nicht. Nach § 29 Abs. 8 Satz 1 PBefG sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Solche erheblichen Mängel bei der Abwägung führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können (§ 29 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 1 PBefG.

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a) Entgegen der Auffassung der Antragsteller verstößt die Anordnung der Straßenbahnhaltestelle „A-Straße“ auf einem gesonderten Bahnkörper in der Mittellage der Straße vor dem Grundstück der Antragsteller auf einem gesonderten Bahnkörper in der Mittellage der Straße nicht gegen § 31 Abs. 2 BOStrab. Danach müssen Zu- und Abgänge in Haltestellen sicher und bequem sein. Der Einwand, dem Gebot der sicheren Erreichbarkeit werde durch die erfolgte Anordnung der Haltestelle nicht Rechnung getragen, weil diese nicht sicher erreichbar seien, greift nicht durch. Die Antragsteller machen hierzu geltend, ihr Grundstück werde (u. a.) wöchentlich von 10 Lastzügen und 5 Sattelzügen angefahren, die auf das Grundstück nur rückwärts auffahren könnten. Da beim Rückwärtsfahren auch dann nicht zu überblickende blinde Winkel verblieben, wenn der Fahrer durch einen Beifahrer eingewiesen werde, bestehe im Bereich der Zu- und Abgänge die besondere Gefahr, dass Fahrgäste, die die Straßenbahn schnell erreichen wollten, ungenügend auf Fahrmanöver der Lastzüge achteten und verletzt würden. Dieser Vortrag der Antragsteller ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen § 31 Abs. 2 BOStrab zu begründen, weil diese Regelung sich auf die Zu- und Abgänge in Haltestellen und nicht auf die Zugänge zu bzw. Abgänge von Haltestellen bezieht. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung, der sich auf Gefahren „in“ Haltestellen und nicht auf Gefahren auf dem Weg zur Haltestelle bezieht. Das entspricht auch der Gesetzessystematik. Denn während § 31 Abs. 2 BOStrab bestimmt, wie Zu- und Abgänge in Haltestellen beschaffen sein müssen, regelt § 31 Abs. 3 BOStrab, welchen Anforderungen die Zugänge zu Haltestellen genügen müssen. Ungeachtet dessen hält der Senat die von den Antragstellern geäußerte Besorgnis, die Anordnung der Haltestelle führe wegen rückwärts auf das Grundstück der Antragsteller auffahrender Sattelzüge zu Gefahren für eilige Fahrgäste, für unbegründet, zumal sich Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so zu verhalten haben, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (vgl. § 9 Abs. 5 StVO).

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b) Soweit die Antragsteller geltend machen, die Anordnung von Richtungsfahrbahnen sei der Sache nach die Einrichtung einer durch das Zeichen 220 der StVO gekennzeichnete Einbahnstraße, in der nur in eine bestimmte Richtung gefahren werden dürfe, so dass Rückwärtsfahren nicht zulässig sei, geht diese Annahme fehl. Nur auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen ist das Rückwärtsfahren verboten (§ 18 Abs. 7 StVO). Weder in Einbahnstraßen noch bei Richtungsfahrbahnen ist es verboten, rückwärts zu fahren, um einzuparken. Das gilt auch für das Auffahren auf ein Grundstück. Allerdings hat der Fahrzeugführer sich beim Rückwärtsfahren so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen (§ 9 Abs. 5 StVO).

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c) Der Einwand der Antragsteller, die Antragsgegnerin verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie im Rahmen der Abwägung bei anderen Grundstückseigentümern, auf deren Gelände deutlich größerer Betriebe angesiedelt seien, als die auf dem Grundstück der Klägerin ansässige Firma (...), „entgegenkommender“ gewesen sei als gegenüber den Antragstellern, bleibt ohne Erfolg. Ungeachtet des Umstandes, dass die Antragsteller mit diesem Einwand ausgeschlossen sind, weil sie diesen behaupteten Mangel bei der Abwägung als Einwand gegen den Plan nicht bis zum Ablauf der Einwendungsfrist erhoben haben (§ 29 Abs. 4 Satz 1 PBefG), ist der Einwand auch in der Sache nicht begründet. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Firma „A-T“ wird regelmäßig durch Großraum- und Schwertransporter angefahren. Für diese angemeldeten Schwertransporte, die nach § 29 Abs. 3 StVO einer besonderen Genehmigung bedürfen und überwiegend während der Nacht zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr durchgeführt werden, ist eine Überfahrt des Bahnkörpers zugelassen worden. Dass die Antragsteller für eine bestimmungsgemäße Nutzung ihres Grundstücks auf eine Erreichbarkeit durch Großraum- oder Schwerlasttransporter angewiesen sind, haben sie weder geltend gemacht noch ist dies ersichtlich. Im Übrigen aber ist auch Lastzügen und Sattelschleppern, die das Gelände der „A-T“ erreichen wollen, ein Überfahren des Bahnkörpers – wie bei dem Grundstück der Antragsteller – nicht gestattet.

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d) Der Einwand, die Zufahrtsmöglichkeit werde durch die Planung unzumutbar beschränkt, greift in der Sache nicht durch. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 PBefG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Zwar führt die Anordnung der Straßenbahnhaltestelle vor dem Grundstück der Antragsteller und die Anordnung von Richtungsfahrbahnen dazu, dass das Grundstück der Antragsteller von Lastzügen und Sattelschleppern nur durch Rückwärtsauffahren erreicht werden kann. Damit wird eine bisher vorhandene vorteilhafte Verkehrsanbindung geändert. Der Anliegergebrauch i. S. d. § 14 Abs. 4 StrG LSA verschafft jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, dass eine bestimmte vorteilhafte Verkehrsanbindung unverändert aufrechterhalten bleibt (BVerwG, Urt. v. 11.11.1983 – 4 C 82/80 – Rdnr. 16 ; zur Beschränkung der Zufahrtsmöglichkeit für ein Hotel: BayVGH, Urt. v. 17.07.2009 – 22 A 08.40041 – Rdnr. 30 ). Auf die Einwendungen der Antragsteller im Anhörungsverfahren ist die Haltestellenanordnung so geändert worden, dass nunmehr eine Zu- und Abfahrt auch mittels eines Sattelzuges möglich ist (Planfeststellungsbeschluss S. 53). Die Antragsgegnerin hat das Interesse der Antragsteller an der Beibehaltung der für sie vorteilhaften Erschließungssituation in die Abwägung eingestellt. Sie hat sie entsprechend ihrem Gewicht berücksichtigt, indem sie es mit der Verschiebung der Haltestelle ermöglicht hat, dass das Grundstück auch von Sattelschleppern rückwärts auffahrend erreicht werden kann. Damit ist zwar eine Erschwerung der Zufahrt verbunden, die u. U. auch mit Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein kann. Ohne Rechtsfehler durfte die Antragsgegnerin allerdings davon ausgehen, dass die Belange der Antragsteller, das Interesse an der Beibehaltung der vorhandenen Erschließungssituation, nicht ein solches Gewicht erreichen, dass sie im Rahmen einer gerechten Abwägung nicht überwunden werden konnten (vgl. HessVGH, Urt. v. 18.03.2008 – 2 C 1092/06.T – Rdnr. 126 ).

22

e) Ohne Erfolg schließlich bleibt der Einwand der Antragsteller, die Abwägung sei fehlerhaft, weil die Antragsgegnerin hinsichtlich der Westseite des Wohngebäudes eine unzumutbare Lärmbelastung unzutreffend verneint und hinsichtlich der Ostseite eine vorhandene Terrasse unberücksichtigt gelassen habe. Mängel im Lärmschutzkonzept können grundsätzlich durch Schutzauflagen behoben werden und rechtfertigen deshalb in der Regel nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Eine Planaufhebung kommt nur in Betracht, wenn dem Fehlen notwendiger Schutzauflagen in der Weise bestimmendes Gewicht beizumessen ist, dass davon die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines wesentlichen Planungsteils betroffen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 – 9 A 28/04 – Rdnr. 17 ). Daran fehlt es hier. Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich oder geltend gemacht, der für die Annahme sprechen könnte, die Planfeststellungsbehörde hätte in Kenntnis der von den Antragstellern gerügten Defizite im Lärmschutz – deren Vorliegen unterstellt – eine andere konzeptionelle Planungsentscheidung zum Straßenausbau und Straßenbahnneubau getroffen.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig i. S. d. § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat hält es für angemessen, bei der Bemessung der Höhe in Übereinstimmung mit den Ziffern 34.2, 2.2.2. und 1.5 der Empfehlungen im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von der Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes auszugehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., Anh § 164 Rdnr. 14).

24

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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