Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 M 40/13

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Der Senat hat keinen Anlass, die mit der Mandatsübernahme angekündigte Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin abzuwarten, weil die Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) abgelaufen ist.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die tierschutzrechtliche Anordnung des Antragsgegners vom 30. Oktober 2012 zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass.

3

1) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht sei wegen der Anordnung zu den Kastenständen zu Unrecht davon ausgegangen, den Sauen sei es wegen der zu geringen Abstände nicht möglich, sich ungehindert hinzulegen, aufzustehen, zu liegen und sich auszustrecken. Sein Einwand, er habe bereits mit der Antragsbegründung Fotografien vorgelegt, die belegten, dass die Kastenstände ausreichend bemessen seien, greift nicht durch. Der Senat misst diesen Fotografien keinerlei Beweiswert zu. Es ist nicht erkennbar, wann die Aufnahmen gefertigt worden sein sollen. Ferner geben sie nur Aufschluss über die Haltungsbedingungen einzelner Tiere und lassen keinen Rückschluss darauf zu, ob allen Tieren genügend Platz zur Verfügung steht, um sich ungehindert hinzulegen, aufzustehen, zu liegen und sich auszustrecken. Die vom Antragsgegner anlässlich der Kontrolle vom 17. bis 19. September 2012 gefertigten Lichtbilder belegen demgegenüber, dass den Tieren in den Kastenständen nicht genügend Platz zur Verfügung gestanden hat, um sich ungehindert hinzulegen und auszustrecken, weil die Tiere liegend gegen die Kastenstände anstoßen und mit ihren Gliedmaßen unter den Gitterstäben hindurch hinausragen.

4

Soweit die Antragstellerin geltend macht, es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, die Größe des Kastenstandes nach dem Stockmaß der Tiere auszulegen, geht dies fehl. Kastenstände müssen nach § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV so beschaffen sein, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Dem genügen Kastenstände nicht, wenn sie nach Länge oder Breite so ausgelegt sind, dass die Tiere an die Kastenstände anstoßen müssen, bzw. dass ihre Gliedmaßen im Liegen über die Kastenstände hinaus in den Bereich der angrenzenden Kastenstände hineinragen, wie dies durch Mitarbeiter des Antragsgegners anlässlich der Kontrollen vom 17. bis 19. September 2012 festgestellt worden ist. Das Stockmaß eines Tieres ist eine geeignete Grundlage für die Bemessung der notwendigen Breite eines Kastenstandes, weil es gewährleistet, dass das Tier in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann, ohne über Gitter der Kastenstände hinaus in angrenzende Kastenstände hineinzuragen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unerheblich ist, ob nach veterinärmedizinischer Erfahrung statistisch nur jede fünfte Sau in einer Seitenlage ruht. Denn nach § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass jedes Schwein – nicht nur jedes fünfte Schwein – in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Ob nach den Regelungen der Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen (ABl. L 47 vom 18.02.2009, S. 5) eine geringere Fläche ausreichen kann, ist nicht von Belang, weil es sich hierbei um Mindestanforderungen handelt, für deren Einhaltung die Mitgliedstaaten zu sorgen haben. Die Vorgabe von Mindeststandards überlässt es den Mitgliedstaaten strengere Maßstäbe anzulegen und einen über die Mindeststandards hinausgehendes Schutzniveau vorzusehen. Abgesehen davon ist der von der Antragstellerin herangezogenen Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/120/EG nicht einschlägig, weil die dort vorgesehene Mindestfläche von 1,3 m² je Sau für Tiere gilt, die in Gruppenhaltung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/120/EG gehalten werden.

5

2) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, für die Anordnung, in Ställen, in denen der Boden Löcher aufweise oder die Schlitzbreite des Spaltenbodens größer als die Auftrittsfläche sei, für Trittsicherheit, beispielsweise durch das Auslegen von Matten zu sorgen, fehle es an einer Rechtsgrundlage. Nach § 22 Abs. 3 Nr. 3 TierSchNutztV muss der Boden der Haltungseinrichtung, soweit er Löcher, Spalten oder sonstige Aussparungen aufweist, so beschaffen sein, dass von ihm keine Verletzungsgefahr ausgeht. Soweit die Antragstellerin einwendet, es sei „denkbar“, dass sich das bei der Kontrolle von Mitarbeitern des Antragsgegners festgestellte Loch im Stall D 6 an einer Stelle befinde, zu der die Tiere keinen Zutritt hätten, tritt sie den an die Feststellungen des Antragsgegners anknüpfenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht substanziiert entgegen. Abgesehen davon hat der Antragsgegner mit der Beschwerdeerwiderung aufgezeigt, dass sich das Loch im Bodengitter unmittelbar vor einer Tränke befindet (Anlage 3, Bild 1 zum Schriftsatz vom 18.03.2013). Ebenfalls durch Vorlage eines Lichtbildes dokumentiert sind Schweine, die um ein weiteres Loch in einem Metallgitterboden gruppiert sind (Anlage 3 Bild 2 zum Schriftsatz vom 18.03.2013). Soweit die Antragstellerin geltend macht, erst die Auslegung von Matten führe Gefahren herbei, weil sie zur Vermeidung von Verletzungsgefahren fixiert werden müssten und sich unter fixierten Matten Kot und Urin sammeln und zu einer Gefahr für die Gesundheit der Tiere führen könne, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung, weil die Auslegung von Matten in der Verfügung des Antragsgegners als Maßnahme zur Beseitigung der durch die Löcher hervorgerufenen Verletzungsgefahr nur beispielhaft genannt ist. Abgesehen davon ist es Sache der Antragstellerin für hygienische Standards zu sorgen, die keine Gesundheitsgefahren für die Tiere begründen. Wenn die Säuberung der Ställe wegen der Verlegung von fixierten Matten mehr Aufwand mit sich bringt, so rechtfertigen es solche Erschwernisse nicht, von notwendigen Maßnahmen zur Abwehr von Verletzungsgefahren abzusehen.

6

3) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Anordnung, den Fußboden im Stall 5/Halle E regelmäßig durch tägliches manuelles Abschieben zu reinigen, sei unverhältnismäßig, weil ihr damit aufgegeben werde, auch tatsächlich nicht genutzte Bereiche täglich zu säubern. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 TierSchNutztV hat der Halter sicherzustellen, dass die Haltungseinrichtungen sauber gehalten werden, insbesondere Ausscheidungen so oft wie nötig entfernt, und Gebäudeteile, Ausrüstungen und Geräte, mit denen die Tiere in Berührung kommen, in angemessenen Abständen gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Ein hinreichend substanziiertes Vorbringen dafür, dass es im Stall 5/Halle E Bereiche gibt, die tatsächlich nicht genutzt werden, lässt auch die Beschwerdebegründung nicht erkennen. Die bei den Verwaltungsakten befindlichen Lichtbilder dokumentieren eine starke Kotverschmutzung des Bodens und eine darauf beruhende starke Verschmutzung der dort befindlichen Tiere. Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihre Mitarbeiter seien nach einer Arbeitsanweisung gehalten, die belegten Stallbereiche täglich abzuschieben, ist dies ungeeignet, die Rechtmäßigkeit der Anordnung in Frage stellen, weil es nicht darauf ankommt, welche Anweisungen zur Reinigung gegeben werden, wenn die Reinigung anweisungswidrig nicht durchgeführt wird. Der Einwand, der Stall J 7 sei seit geraumer Zeit nicht mehr belegt gewesen, ist durch das vom Antragsgegner mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegte Lichtbild (Anlage 5 zum Schriftsatz vom 18.03.2013) widerlegt, auf dem in den Buchten Schweine zu sehen sind.

7

4) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht sei zu unrecht davon ausgegangen, dass die Anordnung, Schlachttiere generell in Gruppen zu halten, rechtmäßig sei. Nach den Feststellungen der Behörde anlässlich der Kontrollen waren im Stall 10 insgesamt 35 Schlachttiere in Kastenständen untergebracht. Dass diese Tiere ausnahmsweise einzeln gehalten werden durften, weil es sich um Schweine handelte, die gegenüber anderen Schweinen nachhaltig Unverträglichkeiten zeigten oder gegen die sich ein solches Verhalten richtete (§ 26 Abs. 4 Satz 1 TierSchNutztV), hat die Antragstellerin bei der Anhörung vor Erlass der Verfügung selbst nicht geltend gemacht. Sie hat vielmehr in ihrem Schriftsatz vom 24. Oktober 2012 ausgeführt, bei diesen Tieren handele es sich nicht um Mastschweine, sondern um nichtträchtige, zur Schlachtung ausselektierte Zuchttiere. Das genügt zur Rechtfertigung einer Einzelhaltung nicht. Denn nach § 29 Abs. 1 Satz 1 TierSchNutztV sind Zuchtläufer und Mastschweine in Gruppen zu halten. Nach § 2 Nr. 18 TierSchNutztV sind Mastschweine Schweine, die zur Schlachtung bestimmt sind, vom Alter von zehn Wochen bis zur Schlachtung. Werden Schweine, die zur Zucht bestimmt sind (§ 2 Nr. 17 TierSchNutztV) nicht mehr zur Zucht verwendet, sondern zur Schlachtung bestimmt, handelt es sich um Mastschweine. Dass die Tiere nicht in Gruppenhaltung untergebracht werden können, zeigt die Antragstellerin auch mit der Beschwerdebegründung nicht auf.

8

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Anordnung sei rechtswidrig, soweit ihr aufgegeben werde, Tiere, die zur Vermeidung von Rangkämpfen von der Gruppe abgesondert gehalten werden müssten, seien so zu halten, dass sie sich jederzeit ungehindert umdrehen können. Die Anordnung beruht auf § 26 Abs. 4 Satz 2 TierSchNutztV. Der Einwand, Kastenstände mit einer Breite von mehr als 90 cm erhöhten „erfahrungsgemäß“ die Verletzungsgefahr für die Tiere erheblich, so dass eine Vergrößerung der Kastenstände aus Tierschutzgründen (!) nicht zulässig sei, erscheint abwegig. Dass es einen veterinärmedizinischen Erfahrungssatz des von der Antragstellerin behaupteten Inhalts gibt, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Die Einhaltung des Gebots, Schweine in Einzelhaltung so zu halten, dass sie sich jederzeit ungehindert umdrehen können (§ 26 Abs. 4 Satz 2 TierSchNutztV), dient dem Schutz der Tiere; nicht dessen Verletzung.

9

5) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Anordnung, sämtliche Tiere im Bestand mit Ohrmarken zu versehen, sei rechtswidrig, weil bei der Kontrolle vor Erlass des Bescheides bei einem Bestand von mehr als 50.000 Schweinen lediglich 30 Tiere ohne Ohrmarken festgestellt worden seien. Der Antragsgegner hat mit der Beschwerdeerwiderung aufgezeigt, dass bei den Kontrollen im September 2012 eine Ohrmarkenkontrolle nicht vorgesehen gewesen und gleichwohl aufgefallen sei, dass einige Tiere keine Kennzeichnung aufgewiesen hätten. Die Anordnung sei ergangen, weil Mitarbeiter der Antragstellerin auf Nachfrage eingeräumt hätten, dass dies nicht die einzigen nicht gekennzeichneten Tiere seien. Bei Nachkontrollen vom 21. bis 23. Januar 2013 und 18. Februar 2013 sei festgestellt worden, dass etwa 1.000 bzw. 3.209 Tiere nicht mit Ohrmarken versehen gewesen seien. Im Lichte dieser nachgeschobenen Erwägungen wird sich die Verfügung im Hauptsacheverfahren bei summarischer Sachprüfung nicht als fehlerhaft erweisen.

10

6) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin wegen der Anordnung zur Vergrößerung der Liegeflächen im Abferkelbereich geltend, es sei üblich, dass die Tiere übereinander an der Bauchseite der Muttersau liegen, um dort warm zu liegen und jederzeit trinken zu können. Nach § 23 Abs. 3 TierSchNutztV muss der Aufenthaltsbereich der Saugferkel so beschaffen sein, dass alle Saugferkel jeweils gleichzeitig ungehindert saugen oder sich ausruhen können. Nach § 23 Abs. 4 Satz 2 TierSchNutztV muss perforierter Boden im Liegebereich abgedeckt sein. Diesen Anforderungen war bei den Kontrollen im September 2012 nicht genügt. Das bei den Verwaltungsakten befindliche Lichtbild zeigt, dass den Saugferkeln keine Flächen zur Verfügung standen, die nicht mit Spaltenböden ausgelegt waren. Ferner macht das Lichtbild deutlich, dass die Saugferkel keine andere Möglichkeit hatten, als teilweise übereinanderliegend, bzw. mit anliegenden Gliedmaßen an die Wand anstoßend zu ruhen. Es ist nicht von Belang, ob es
– wie die Antragstellerin vorträgt – üblich ist, dass die Tiere übereinander liegen. Denn § 23 Abs. 3 TierSchNutztV verlangt, dass sich die Saugferkel jeweils gleichzeitig ausruhen oder ungehindert saugen können müssen. Hierfür stand eine Liegefläche in dem erforderlichen Umfang erkennbar nicht zur Verfügung.

11

7) Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe der Pflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, nicht genügt und das rechtliche Gehör verletzt, weil es sich mit dem Sachvortrag der Antragstellerin nicht auseinandergesetzt und seine Entscheidung nur auf die Ausführungen des Antragsgegners gestützt habe, rechtfertigt dies eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache fehlerhaft ist. Für eine solche Annahme indes bietet das Beschwerdevorbringen nach dem o. G. keinen Anlass.

12

Dem mit der Beschwerdebegründung gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens „zur Feststellung der Haltungsbedingungen“ in der Anlage der Antragstellerin nachzugehen bestand kein Anlass. Zum einen bietet auch der Sachvortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren keinen Anlass für weitere Ermittlungen in dem ohnehin nur auf eine summarische Sachprüfung angelegten Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. In diesem Verfahren ist es grundsätzlich Sache der Beteiligten, ihren Sachvortrag glaubhaft zu machen, weil sich eine förmliche Beweisaufnahme wegen der Eilbedürftigkeit regelmäßig verbietet. Abgesehen davon zeigt die Antragstellerin nicht auf, zu welchen einzelnen Tatsachen oder Tatsachenbehauptungen Beweis erhoben werden soll. Die allgemeine Bezugnahme auf die Haltungsbedingungen genügt zur substanziierten Darlegung der einzelnen Tatsachen nicht.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

14

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts verwiesen.

15

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen