Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 O 53/14

Gründe

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Über die Beschwerde war gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch die Berichterstatterin zu entscheiden; ein Fall des § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG liegt nicht vor.

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Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 1. Kammer - vom 6. Mai 2014 über die Streitwertfestsetzung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Streitwert wurde zu Recht gemäß §§ 40, 52 Abs. 1 GKG auf 8.204,80 Euro festgesetzt.

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Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Streitwertfestsetzung für das vorliegende Klageverfahren aus § 52 Abs. 1 GKG folgt und die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache darin liegt, seine im Rahmen eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO angefallenen außergerichtlichen Anwaltskosten von der Beklagten erstattet zu erhalten. Denn das Klagebegehren war darauf gerichtet, die Beklagte zu verpflichten, die Hinzuziehung des klägerischen Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Eine solche positive Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Kostenlastentscheidung eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheides gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG ist Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Anwaltskosten.

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Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem vorgenannten Klagebegehren nicht um ein Verfahren auf Feststellung einer Forderung handelt, deren Bestand vom Insolvenzverwalter - also hier vom Kläger - bestritten worden ist und für die die speziellen Streitwertbestimmungen der §§ 182, 185 Satz 3 InsO gelten, die als „andere Bestimmungen“ der Regelung in § 52 Abs. 1 GKG vorgehen. Denn das Klagebegehren des Klägers war nicht auf das Bestreiten des Bestandes bzw. die Anfechtung einer angemeldeten Forderung i. S. d. § 174 InsO gerichtet, sondern stellt ein Verpflichtungsbegehren dar, bei dessen Erfolg der Kläger eine Erstattung der ihm im Rahmen eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO entstandenen außergerichtlichen Kosten, welche durch die von ihm beauftragten Rechtsanwälte entstanden sind, verlangen kann. Es ist deshalb angemessen, den Streitwert nach den im Vorverfahren entstandenen, ggf. erstattungsfähigen Anwaltskosten zu bemessen. Diese Anwaltskosten berechnen sich wie folgt:

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Gemäß § 2 Abs. 1 RVG werden - soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt - die Gebühren eines Rechtsanwalts nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt sich - soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten - der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG gelten die Wertvorschriften in Satz 1 entsprechend für die (anwaltliche) Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Mit anderen Worten, der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren richtet sich nach dem gerichtlichen Streitwert, der im Falle eines Klageverfahrens anfiele.

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Die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren betraf den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2010, durch den der Zuwendungsbescheid vom 21. Juli 2000 in der Gestalt des Bescheides vom 10. Oktober 2002 vollständig für die Vergangenheit mit Wirkung vom 21. Juli 2000 widerrufen, ein Erstattungsanspruch in Höhe von 1.569.666,08 Euro festgestellt und Zinsen auf die Erstattungsforderung in Höhe von 714.757,85 Euro geltend gemacht wurden. Unter Ziff. 4 führt der „Widerrufsbescheid“ vom 3. März 2010 aus, dass der Erstattungsanspruch sowie der damit verbundene Zinsanspruch im Insolvenzverfahren ausschließlich durch eine gesonderte Forderungsanmeldung geltend gemacht werden. Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage wurde durch die vom Kläger beauftragten Anwälte Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. März 2010 eingelegt. Wäre dem Widerspruch nicht abgeholfen worden, hätte die Anfechtung des Bescheides vom 3. März 2010 auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein können, für das sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, so dass für die anwaltliche Wertfestsetzung im Vorverfahren die Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren maßgeblich sind.

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Die Gerichtsgebühren bei Anfechtung des Bescheides vom 3. März 2010 hätten sich nach dem Gerichtskostengesetz, nicht dagegen nach den spezielleren Bestimmungen der §§ 182, 185 Satz 3 InsO gerichtet, wonach sich der Streitwert nach dem Betrag richtet, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist.

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Die Aufhebung des Widerrufes in Ziff. 1 des Bescheides vom 3. März 2010 bildet einen eigenständigen Streitgegenstand, der nicht in Bestandskraft erwachsen darf, wenn der Bestand der (im Insolvenzverfahren angemeldeten) Erstattungs- und Zinsforderung nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach bestritten bzw. angefochten werden soll. Denn der Widerruf löst die gesetzliche Erstattungspflicht für bereits erbrachte Leistungen gem. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG sowie die grundsätzliche Zinspflicht gem. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG aus. Der Widerruf gem. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49 Abs. 3 VwVfG selbst stellt hingegen noch keine Forderung dar, sondern ist lediglich späterer actus contrarius zu einem erlassenen Verwaltungsakt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 49 RdNr. 5 a). Er kann Folgeansprüche auslösen, die ihrerseits zur Tabelle anmeldbare Insolvenzforderungen i. S. d. §§ 174, 38 InsO darstellen, ist aber selbst keine Insolvenzforderung und kann mithin nicht zur Tabelle angemeldet und im insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren gem. §§ 179, 180, 185 Satz 1 InsO einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden. Eine Anwendbarkeit der Streitwertregelung der §§ 182, 185 Satz 3 InsO kommt in Bezug auf den Widerruf daher nicht in Betracht. Als eigenständiger Streitgegenstand i. S. d. § 39 Abs. 1 GKG bemisst sich der Streitwert für den Widerruf nach § 52 Abs. 3 GKG. Danach ist für die Streitwertfestsetzung die Höhe des Geldbetrages maßgebend, wenn der Klageantrag eine entsprechende Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft. Ein auf eine Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt i. S. d. Bestimmung ist auch ein Verwaltungsakt, der einen eine Geldleistung zusprechenden Verwaltungsakt aufhebt. Einem solchen Verwaltungsakt kommt hinsichtlich der Streitwertfestsetzung dieselbe Bedeutung zu, wie dem aufgehobenen Verwaltungsakt (vgl. OVG LSA, Beschluss v. 30. August 2011 - 1 O 119/11 -, juris [m. w. N.]). In Anwendung dieser Grundsätze beliefe sich der Streitwert für den uneingeschränkt angegriffenen Widerrufsbescheid (gem. Ziff.1 des Bescheides vom 3. März 2010) auf den Betrag, den der aufgehobene Zuwendungsbescheid (hier vom 21. Juli 2000 und 10. Oktober 2002) der Schuldnerin und Zuwendungsempfängerin bewilligt hat, hier also auf 1.569.666,08 Euro.

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Ob Ziff. 2 und 3 des Bescheides vom 3. März 2010 (Erstattungs- und Zinsanspruch) Regelungs- oder lediglich Informationscharakter haben und ob für sie die Streitwertbestimmungen gem. §§ 182, 185 Satz 3 InsO anwendbar wären, kann auf sich beruhen, weil sie sich nicht gem. § 39 Abs. 1 GKG streitwerterhöhend auswirken würden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass es auf eine festgesetzte Erstattungsforderung wegen der (vollständigen oder teilweisen) wirtschaftlichen Identität mit dem Gegenstand des Widerrufs ebenso wenig ankommt, wie gem. § 43 Abs. 1 GKG auf die festgesetzten Zinsen (vgl. OVG LSA, Beschluss v. 30. Mai 2014 - 1 L 91/13 -, juris).

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Der Streitwert für den Widerruf bildet danach den Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren im Vorverfahren. Hiervon ausgehend kann der im erstinstanzlichen klägerischen Schriftsatz vom 24. April 2014 angegebenen Gebühren- und Auslagenberechnung gefolgt werden, die einen Gesamtbetrag in Höhe von 8.204,80 Euro ausweist.

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Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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