Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 K 396/14

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, die eine Fahrschule in der Stadt A. betreibt, wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen einen Erlass des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, durch den die Stadt A. die Anerkennung als Prüfort in der praktischen Fahrerlaubnisprüfung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - für die Klassen D1, D1E, D und DE verloren hat.

2

Um die (fortbestehende) Erfüllung der an einen Prüfort zu stellenden Anforderungen an das Straßennetz und die Bedingungen des Straßenverkehrs zu überprüfen, fand am 19. November 2013 unter Beteiligung von Vertretern des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, der Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr beim DEKRA e.V. und des Fahrlehrerverbandes des Landes Sachsen-Anhalt e.V. eine Befahrung u. a. des innerörtlichen Bereichs der bis dahin für alle Fahrerlaubnisklassen als Prüfort anerkannten Stadt A. statt. Gestützt auf § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV nahm das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr mit Erlass vom 28. November 2013 für das Land Sachsen-Anhalt eine Neufestlegung der Prüforte in der praktischen Fahrerlaubnisprüfung vor. In der tabellarischen Aufstellung der anerkannten Prüforte in Ziffer 1 wurde dabei die für den Bereich der Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr an der Niederlassung C-Stadt erfasste Stadt A. als Prüf-ort für die Klassen AM, A1, A2, A, B, BE, C1, C, C1E und CE, nicht aber mehr für die - insbesondere das Führen von Omnibussen betreffenden - Klassen D1, D1E, D und DE ausgewiesen. Ziffer 2 des Erlasses bestimmte den Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf den 1. Januar 2014. Der Erlass wurde mit Begleitschreiben vom 28. November 2013 dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, den Fahrerlaubnisbehörden der Landkreise und Kreisfreien Städte des Landes Sachsen-Anhalt sowie der Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr zur Kenntnis gegeben; zugleich erfolgte eine nachrichtliche Übersendung an den Fahrlehrerverband des Landes Sachsen-Anhalt e.V. Ferner wurde veranlasst, den Erlass „als nicht veröffentlichte Verwaltungsvorschrift in die Verwaltungsvorschriftendatenbank des Landes“ einzustellen.

3

Am 15. Mai 2014 hat die Antragstellerin bei dem beschließenden Gericht den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt, mit dem sie die Unwirksamkeitserklärung des Erlasses anstrebt. Zur Begründung macht sie geltend:

4

Bei dem angefochtenen Erlass handele es sich um eine der Normenkontrolle unterliegende Rechtsvorschrift. Die Festlegung der Prüforte habe keinen bloß zuständigkeitsregelnden oder sonstwie innerorganisatorischen Charakter, sondern entfalte rechtliche Außenwirkung. Dies ergebe sich schon daraus, dass durch sie die Durchführung von praktischen Fahrerlaubnisprüfungen erst ermöglicht, also die verordnungsrechtliche Regelung erst vollziehbar gemacht werde. Ohne Außenwirkung hätte es zudem einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage in der Fahrerlaubnis-Verordnung nicht bedurft. Die An- oder Aberkennung der Prüforteigenschaft betreffe sowohl die Fahrerlaubnisbewerber als auch die Fahrschulen in ihren Rechtspositionen aus Art. 20 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG sowie aus Verwaltungsverfahrensrecht. Die formell-rechtliche Unwirksamkeit des Erlasses folge insbesondere aus der Mitwirkung eines ministeriellen Amtsträgers, der in Bezug auf den Prüfort A-Stadt voreingenommen gewesen sei, daneben aus einer unzulänglichen behördlichen Sachverhaltsaufklärung ohne gebotene Beteiligung der Antragstellerin, dem Verstoß gegen Auskunftspflichten, der Verzögerung und Erschwerung von Akteneinsicht und der unbefugten Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin. In materiell-rechtlicher Hinsicht fehle es an einer fehlerfreien Ausübung des in § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV eingeräumten Ermessens. Sachliche Gründe für die im April 2012 eingeleitete Überprüfung, ob die bislang anerkannten Prüforte noch in vollem Umfang den gesetzlichen Kriterien genügten, hätten nicht bestanden. Davon abgesehen beruhe die Entscheidung, der Stadt A. die Eignung als Prüfort teilweise abzusprechen, auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage. So könne sie nicht, wie geschehen, darauf gestützt werden, dass im Stadtgebiet das Befahren von Straßen mit mehreren markierten Fahrstreifen für eine Richtung, das Befahren von Kreuzungen mit dem Verkehrszeichen 206 („Stoppschild“) in der geforderten Häufigkeit und das Einfahren bzw. Einfädeln in Vorfahrtsstraßen in der geforderten Häufigkeit nicht möglich sei sowie besondere Fahrfertigkeiten, über die Busfahrer verfügen müssten, nicht geprüft werden könnten. Im Gegenteil erlaubten die in der Stadt A. vorhandenen Straßen- und Verkehrsverhältnisse nach wie vor auch für die Klassen D1, D1E, D und DE die Abnahme einer sämtlichen diesen Anforderungen entsprechenden praktischen Fahrerlaubnisprüfung. Um für den Erlass vom November 2013 nachträglich eine sachliche Rechtfertigung zu schaffen, habe der Erlassgeber zwar versucht, im Wege einer erneuten Ortsbefahrung am 1. April 2014, an der die Antragstellerin nicht habe teilnehmen dürfen, die notwendigen Feststellungen nachzuholen. Da er auch nach dieser erneuten Befahrung weiterhin von falschen Tatsachen ausgehe, sei ihm eine Behebung des Ermessensdefizits allerdings nicht gelungen. Es komme hinzu, dass die Antragstellerin auf den Fortbestand der uneingeschränkten Prüfortanerkennung für die Stadt A. habe vertrauen dürfen. Ihr sei keine ausreichende Zeit gewährt worden, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.

5

Die Antragstellerin beantragt,

6

den Erlass „Anerkannte Prüforte in der praktischen Fahrerlaubnisprüfung“ des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. November 2013 für unwirksam zu erklären.

7

Der Antragsgegner beantragt,

8

den Antrag abzulehnen.

9

Der Normenkontrollantrag sei bereits unzulässig. Werde nicht ohnehin davon ausgegangen, dass die angegriffene Prüfortfestlegung als Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG ergangen sei, so sei sie jedenfalls ein reiner innerbehördlicher Organisationsakt, der nicht Gegenstand eines Verfahrens nach § 47 Abs. 1 VwGO sein könne. Zum einen wende sich der Erlass nämlich nicht an die Fahrschulen, sondern an die Fahrerlaubnisbehörden, zum anderen diene er allein dem öffentlichen Verkehrssicherheitsinteresse. Allenfalls in Bezug auf die Fahrerlaubnisbewerber komme in Betracht, von einer auf unmittelbare Außenwirkung gerichteten Maßnahme zu sprechen, während die Unterrichtungstätigkeit der Fahrschulen gar nicht oder nur mittelbar berührt werde. Deswegen fehle der Antragstellerin zugleich auch die Antragsbefugnis.

10

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten in der Gerichtsakte verwiesen.

II.

11

Das Oberverwaltungsgericht entscheidet nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht durch Urteil, sondern - unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 4 Abs. 1 und 2 Satz 2 AGVwGO LSA) - im Beschlussweg, da es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise angehört worden; Einwände wurden hierzu nicht erhoben.

12

Die Entscheidungsform des Beschlusses soll es dem Normenkontrollgericht ermöglichen, in dafür geeigneten Fällen in vereinfachter und beschleunigter Weise über die Gültigkeit der Rechtsvorschrift zu befinden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 1988 - 7 NB 3.88 -, juris Rn. 13 m.w.N., und vom 31. März 2011 - 4 BN 18.10 -, juris Rn. 29). Darüber, ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet das Oberverwaltungsgericht, wenn - wie hier - zwingende rechtliche Vorschriften, insbesondere Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, nicht entgegenstehen, nach richterlichem Ermessen, das im Grundsatz an keine gesetzlich normierten Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2011, a.a.O. m.w.N.). Das vereinfachte Verfahren kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn ein Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 - 4 CN 9.98 -, juris Rn. 26, und Beschluss vom 6. Juni 2014 - 2 BN 1.13 -, juris Rn. 6; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 19. März 2015 - OVG 2 A 3.15 -, juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 26. August 2014 - 14 N 14.104 -, juris Rn. 7 m.w.N.). So verhält es sich hier.

13

1. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist - offensichtlich - unzulässig.

14

Das Rechtsschutzbegehren, den streitgegenständlichen Erlass des Antragsgegners vom 28. November 2013 über die Anerkennung von Prüforten in der praktischen Fahrerlaubnisprüfung für unwirksam zu erklären, ist zum einen unstatthaft, weil dieser Erlass nicht als eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift anzusehen ist, deren Überprüfung im Wege der Normenkontrolle gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 10 AGVwGO LSA das Landesrecht vorsieht. Zum anderen ist die Antragstellerin nicht im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.

15

a) Die vom Antragsgegner getroffene (Neu-)Festlegung der Prüforte für die praktische Fahrerlaubnisprüfung im Land Sachsen-Anhalt ist ihrer äußeren Form nach als Verwaltungsvorschrift und nicht förmlich als Rechtsnorm ergangen. Dafür sprechen bereits ihre Bezeichnung als „Erlass“ und der Umstand, dass der Antragsgegner mit ihr - ausweislich seines zugehörigen Begleitschreibens vom 28. November 2013 - eine Änderung der Verwaltungsvorschrift zum Fahrerlaubnisrecht des Landes Sachsen-Anhalt beabsichtigt und eine Aufnahme „als nicht veröffentlichte Verwaltungsvorschrift in die Verwaltungsvorschriftendatenbank des Landes“ veranlasst hat. Eine Bekanntmachung als Rechtsnorm ist darüber hinaus nicht erfolgt. Dass der Erlass auf § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV als Ermächtigungsgrundlage hinweist, lässt für sich genommen nicht auf einen förmlichen Normencharakter schließen, zumal diese Regelung, nach der die Prüforte (im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 3 FeV) von der zuständigen obersten Landesbehörde, der von ihr bestimmten oder der nach Landesrecht zuständigen Stelle festgelegt werden, allein zur Zuständigkeit, nicht aber zur Form der Festlegung Vorgaben macht.

16

Allerdings ist anerkannt, dass der Sinn und Zweck der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, durch eine einzige Entscheidung eine Reihe von Einzelklagen zu vermeiden und dadurch einerseits die Verwaltungsgerichte zu entlasten, andererseits den Schutz der subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers zu verbessern, ein weites Verständnis des in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO verwendeten Begriffs der Rechtsvorschrift nahelegen. Dem trägt das Bundesverwaltungsgericht unter anderem dadurch Rechnung, dass es auch Regelungen, die anhand formeller Kriterien nicht eindeutig als Rechtsnormen zu qualifizieren sind, nicht von vornherein vom Kreis der Rechtsvorschriften ausschließt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. November 1993 - 5 N 1.92 -, juris Rn. 9 und vom 25. September 2012 - 3 BN 1.12 -, juris Rn. 4 m.w.N.; s. auch OVG LSA, Urteil vom 19. Juli 2012 - 1 K 75/11 -, juris Rn. 26). Es rechnet insbesondere solche Regelungen darunter, denen eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung zukommt. Dagegen stellen allgemeine Verwaltungsvorschriften, wenn und soweit sie sich darauf beschränken, verwaltungsintern das Handeln nachgeordneter Behörden zu binden und zu steuern, keine Rechtsvorschriften im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2012, a.a.O. m.w.N.). Die im vorliegenden Fall somit maßgebliche Frage, ob der angegriffene Erlass des Antragsgegners eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfaltet und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentliche Rechte unmittelbar berührt werden, ist zu verneinen.

17

Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FeV findet die praktische Prüfung zum Erwerb der Fahrerlaubnis grundsätzlich innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften statt. Der innerörtliche Teil der praktischen Prüfung ist nach § 17 Abs. 4 Satz 3 FeV in geschlossenen Ortschaften (Zeichen 310 der Straßenverkehrs-Ordnung) durchzuführen, die auf Grund des Straßennetzes, der vorhandenen Verkehrszeichen und -einrichtungen sowie der Verkehrsdichte und -struktur die Prüfung der wesentlichen Verkehrsvorgänge ermöglichen (Prüfort). Nach § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV werden die Prüforte von der zuständigen obersten Landesbehörde, der von ihr bestimmten oder der nach Landesrecht zuständigen Stelle festgelegt. Der außerörtliche Teil der praktischen Prüfung ist nach § 17 Abs. 4 Satz 5 FeV außerhalb geschlossener Ortschaften in der Umgebung des Prüforts möglichst unter Einschluss von Autobahnen durchzuführen und muss die Prüfung aller wesentlichen Verkehrsvorgänge auch bei höheren Geschwindigkeiten ermöglichen.

18

Die Festlegung der Prüforte nach § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV ist ihrem Gegenstand nach eine gegenüber den zuständigen (nachgeordneten) Behörden - nämlich gegenüber den Fahrerlaubnisbehörden und gegenüber den bei der Prüfungsabnahme gemäß § 15 Abs. 5 FeV als sog. Beliehene hoheitlich handelnden Technischen Prüfstellen - ergehende verwaltungsorganisatorische Entscheidung für die Durchführung von praktischen Fahrerlaubnisprüfungen (vgl. zur Beleihung Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2014, § 15 FeV Rn. 14). Dem entspricht es, dass der Antragsgegner den in Rede stehenden Erlass allein an die genannten behördlichen Adressaten gerichtet und nur nachrichtlich auch dem Fahrlehrerverband des Landes Sachsen-Anhalt e.V. übermittelt hat. Er hat ausschließlich verwaltungsinternen Charakter.

19

Durch die Bestimmung der Prüforte werden entgegen der Auffassung der Antragstellerin subjektive Rechte der in den Prüforten betriebenen Fahrschulen nicht berührt.

20

Zwar kann die Entscheidung, dass eine Gemeinde nicht mehr Prüfort - gegebenenfalls beschränkt auf einzelne Fahrerlaubnisklassen - in der praktischen Fahrerlaubnisprüfung ist, dazu führen, dass Fahrschulen an diesem Ort finanzielle Einbußen insbesondere deswegen erleiden, weil Fahrschüler bei der Auswahl ihrer Fahrschule denjenigen Fahrschulen den Vorzug geben, die ihren Sitz in einem der anerkannten Prüforte haben (vgl. HessVGH, Beschluss vom 26. April 2010 - 2 A 1821/09.Z, 2 A 1821/09 -, juris Rn. 6). Eine Beeinträchtigung ihres durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vermag die Antragstellerin aus der Befürchtung derartiger Nachteile aber nicht abzuleiten. Selbst wenn unterstellt wird, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte von der Eigentumsgarantie erfasst wird, erstreckt sich dieser Schutz nach gefestigter Rechtsprechung jedenfalls nicht auf bloße Gewinn- und Umsatzchancen und tatsächliche Gegebenheiten wie die bestehenden Geschäftsverbindungen, den erworbenen Kundenstamm oder die Marktstellung; Umsatz- und Gewinnchancen und tatsächliche Gegebenheiten sind zwar für das Unternehmen von erheblicher Bedeutung, sie werden vom Grundgesetz eigentumsrechtlich jedoch nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Unternehmens zugeordnet (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Oktober 1991 - 1 BvR 314/90 -, juris Rn. 2 m.w.N., und Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 905/00 -, juris Rn. 49 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1990 - 4 B 21.90 -, juris Rn. 6 m.w.N.). Der Verlust des aus bestimmten rechtlichen Rahmenbedingungen folgenden Lagevorteils der Antragstellerin, der darin bestanden hat, dass sie ihre Fahrschule in der Vergangenheit (bis zum 31. Dezember 2013) an einem für sämtliche Fahrerlaubnisklassen anerkannten Prüfort betreiben konnte, und die mit diesem Verlust verbundenen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, zu denen auch der Aufwand für die von der Antragstellerin behauptete Notwendigkeit des Aufbaus einer Zweigstelle in C-Stadt und die von ihr als gegenwärtig nicht mehr „ökonomisch“ angesehene Nutzung des Fahrschulbusses gehören, fallen danach nicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG (ebenso HessVGH, Beschluss vom 26. April 2010, a.a.O. Rn. 8). Auch ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls im Sinne eines Vertrauenstatbestands auf das unveränderte Fortbestehen der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse auch für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 hätte verlassen und einrichten dürfen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1990, a.a.O.). Wenn - wie von der Antragstellerin vorgetragen - bereits seit dem Jahr 1998 von den damit befassten Behörden und der Technischen Prüfstelle wiederholt auf den Prüfstand gestellt worden ist, ob die Stadt A. noch uneingeschränkt als Prüfort geeignet ist, so spricht dies im Gegenteil dafür, dass für ein schutzwürdiges Vertrauen in das Fortbestehen der Prüforteigenschaft keine Basis vorhanden war.

21

Die Festlegung der Prüforte betrifft die Fahrschulen auch nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit grundsätzlich nicht vor Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Entscheidungen. In der bestehenden Wirtschaftsordnung umschließt das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs. Marktteilnehmer haben aber keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder künftige Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 905/00 -, juris Rn. 44 m.w.N.). Die Entscheidung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV ist inhaltlich nicht auf die berufliche Tätigkeit der Fahrschulen bezogen. Die Berufsfreiheit ist jedoch auch dann berührt, wenn Maßnahmen, die zwar die Berufstätigkeit selbst unberührt lassen, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2004, a.a.O. Rn. 45, und Beschluss vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 u.a. -, juris Rn. 138 m.w.N.; VGH BW, Urteil vom 29. April 2014 - 1 S 1458/12 -, juris Rn. 38). Ein derartig enger Zusammenhang zwischen der Festlegung der Prüforte für die praktische Fahrerlaubnisprüfung und der Berufstätigkeit der Fahrschulen oder gar eine berufsregelnde Tendenz der Prüfortbestimmung bestehen nicht. Die Festlegung der Prüforte kann und soll Fahrschulen nicht in irgendeiner Weise hindern, ihre Tätigkeit auszuüben, oder darauf hinwirken, dass sie ihre Tätigkeit nur an bestimmten Orten ausüben. Auch die Antragstellerin behauptet nicht, dass Fahrschulen generell ausschließlich an solchen Orten wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden könnten, die als Prüforte für sämtliche oder bestimmte Fahrerlaubnisklassen anerkannt sind. Zwar wird die fehlende Anerkennung des Sitzes einer Fahrschule als Prüfort auf die Organisation und Gestaltung des von ihr angebotenen praktischen Fahrunterrichts faktisch nicht ohne Einfluss bleiben. In der bloßen Neuausrichtung auf einen anderen Prüfort, die nur äußerlich einen begrenzten Teilausschnitt der Fahrschultätigkeit tangiert, liegt aber keine erhebliche Rückwirkung auf die Berufsausübung, die die Annahme einer mittelbaren Grundrechtsbetroffenheit rechtfertigt. Das gilt erst recht dann, wenn - wie vorliegend - die Prüfortanerkennung lediglich in ihrem Umfang reduziert, d.h. nur für einzelne Fahrerlaubnisklassen aufgehoben worden ist.

22

Auch aus § 17 Abs. 4 FeV ergibt sich kein Anspruch einer Fahrschule darauf, dass die praktischen Fahrerlaubnisprüfungen an bestimmten Orten und deren Umgebung stattfinden. Nach § 17 Abs. 4 Satz 3 FeV muss der Prüfort als geschlossene Ortschaft auf Grund des Straßennetzes, der vorhandenen Verkehrszeichen und -einrichtungen sowie der Verkehrsdichte und -struktur die Prüfung der wesentlichen Verkehrsvorgänge ermöglichen. Dieser Kriterienkatalog zeigt, dass die Auswahl und Bestimmung der Prüforte für die praktische Fahrerlaubnisprüfung ausschließlich dem Interesse der Verkehrssicherheit dienen und sich daher allein an den Notwendigkeiten von Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu orientieren haben (vgl. NdsOVG, Urteil vom 5. Juni 1969 - VI OVG A 69/68 -, DVBl. 1970, 516, 517; HessVGH, Beschluss vom 26. April 2010, a.a.O. Rn. 6; VG Gießen, Urteil vom 1. April 2009 - 8 K 2158/08.GI -, juris Rn. 24;Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 17 Rn. 6). Neben dem öffentlichen Verkehrssicherheitsinteresse bezweckt die Vorschrift dagegen nicht den Schutz des Interesses der Fahrschulen, ihren Sitz möglichst an einem Prüfort zu haben und zu behalten.

23

Es ist auch - ohne dass es darauf wegen der mangelnden Antragsbefugnis der Antragstellerin (dazu sogleich unter 1. b) entscheidungserheblich ankommt - nicht ersichtlich, dass die (teilweise) Aberkennung der Prüforteigenschaft Rechtswirkungen gegenüber den in der Stadt A. wohnenden, auszubildenden oder berufstätigen Fahrerlaubnisbewerbern auslöst. Denn ebenso wenig, wie eine Fahrschule die Durchführung der praktischen Fahrerlaubnisprüfungen an bestimmten Orten verlangen kann, können grundsätzlich die (potentiellen) Fahrerlaubnisbewerber einen bestimmten Prüfort im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 3 FeV für die Ablegung ihrer praktischen Prüfung beanspruchen, was einem Recht auf Einrichtung der Prüfungsmodalitäten nach ihren Vorstellungen gleichkäme. Daran ändert sich auch nichts im Hinblick darauf, dass der Fahrerlaubnisbewerber gemäß § 17 Abs. 3 FeV die praktische Prüfung am Ort seiner Hauptwohnung oder am Ort seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung, seines Studiums oder seiner Arbeitsstelle abzulegen hat und in dem Fall, dass diese Orte nicht Prüforte sind, die Prüfung grundsätzlich nach Bestimmung durch die Fahrerlaubnisbehörde an einem nahe gelegenen Prüfort abzulegen ist (a. A.: VG Gießen, Urteil vom 1. April 2009, a.a.O. Rn. 18). Denn auch damit wird das Interesse eines Fahrerlaubnisbewerbers auf Anerkennung eines bestimmten Orts als Prüfort rechtlich nicht geschützt. Insoweit kann auch das Fehlen von Übergangsfristen für bereits in der Ausbildung befindliche Fahrschüler unter Berücksichtigung der Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu einer anderen Betrachtungsweise führen.

24

Dem Einwand der Antragstellerin, die Festlegung der Prüforte nach § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV mache die in dieser Vorschrift getroffene Regelung erst vollziehbar, ist nicht zu folgen. Fehlte es an einem das Gesamtgebiet des Landes Sachsen-Anhalt erfassenden Erlass der hier vorliegenden Art, so wäre es vielmehr Sache der Fahrerlaubnisbehörden, dafür Sorge zu tragen, dass die praktischen Fahrerlaubnisprüfungen nur in Orten und in der Umgebung von Orten durchgeführt werden, die die Anforderungen des § 17 Abs. 4 Satz 3 FeV erfüllen. Diese Rechtsnorm bedarf zu ihrer Anwendbarkeit nicht zwingend einer landesweiten Festlegungsentscheidung nach § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV. Ebenso wenig erlaubt entgegen der Auffassung der Antragstellerin das Vorhandensein einer Ermächtigungsgrundlage in § 17 Abs. 4 Satz 4 FeV einen auf die Annahme von rechtlichen Außenwirkungen führenden Umkehrschluss. Aus dem rechtsstaatlichen Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für Eingriffe in „Freiheit und Eigentum“ folgt nicht, dass von der tatsächlichen Existenz einer Rechtsgrundlage für ein bestimmtes Verwaltungshandeln auf eine Grundrechtsbetroffenheit zu schließen ist.

25

b) Kommt dem streitgegenständlichen Erlass demnach keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung im Verhältnis zur Antragstellerin zu, fehlt dieser zugleich die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Norm in einem subjektiven Recht verletzt wird. Die Antragsbefugnis ist demgegenüber nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2013 - 4 BN 13.13 -, juris Rn. 4 m.w.N.). So liegt es hier (siehe bereits OVG LSA, Beschlüsse vom 14. Januar 2014 - 3 R 397/14 -, juris Rn. 13, und - 3 M 422/14 -, juris Rn. 11). Denn nach den obigen Ausführungen kann die Antragstellerin - auch soweit der Erlass die Prüfortanerkennung der Stadt A. zum Gegenstand hat - nur die Verletzung bloß wirtschaftlicher Interessen und die Verletzung von Rechtssätzen geltend machen, in denen der Einzelne nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, die also reine Reflexwirkungen haben. Da im Interesse der Antragstellerin gewährte Rechtspositionen bei der Prüfortfestlegung hingegen nicht zu erkennen sind, ist sie nicht im Normenkontrollverfahren antragsbefugt.

26

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

27

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

28

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

29

5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen