Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 33/15

Gründe

I.

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Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) erteilte Plangenehmigung für die Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm (Saale).

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Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im Stadtgebiet von A-Stadt (Saale) gelegenen Wohnungseigentumsanlage "(...)". Die Wohnanlage befindet sich im südlichen Teil der Peißnitzinsel. Die Peißnitzinsel wird westlich von der "Wilden Saale", östlich von der "Elisabeth-Saale" und ab dem Wehr Gimritz in Richtung Norden von der vereinigten Saale umgrenzt. Die Wohnanlage war vom Saale-Hochwasser 2013 erheblich betroffen. Der Wasserstand des Hochwassers 2013 war nur wenige Zentimeter unterhalb der Gebäudeflächen.

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Der LHW beabsichtigt, zur Verbesserung des Hochwasserschutzes für den Stadtteil Halle-Neustadt die westlich der Saale bzw. der Wilden Saale gelegenen Hochwasserschutzanlagen am Gimritzer Damm zu ertüchtigen. Geplant ist eine Ertüchtigung beginnend im Süden an der Mansfelder Straße bzw. am Sandanger auf neuer Trasse vor dem Altdeich und im weiteren Verlauf nahe der sogenannten Halle-Saale-Schleife. Die Höhe des Deiches wurde auf 79,00 m NHN geplant.

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Mit Antrag vom 10.12.2013 beantragte der LHW bei dem Antragsgegner die Plangenehmigung für das Vorhaben, die vom Antragsgegner mit Bescheid vom 19.11.2014 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung antragsgemäß erteilt wurde. Am 12.12.2014 erhob die Antragstellerin hiergegen vor dem Verwaltungsgericht Klage.

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Mit Antrag vom 16.01.2015 hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt.

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Mit Beschluss vom 03.03.2015 – 4 B 14/15 HAL – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Plangenehmigung des Antragsgegners vom 19.11.2014 für den Bau der Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm (Saale) wiederhergestellt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin habe eine ordnungsgemäße Prozessvollmacht vorgelegt. Diese sei von der (C.) mbH ((C.)) ausgestellt worden, die aufgrund eines Verwaltervertrages vom 01.07.2003 ermächtigt sei, die Antragstellerin zu vertreten. Die Antragstellerin sei als Wohnungseigentümergemeinschaft auch beteiligtenfähig, da sie aus dem gemeinschaftlichen Eigentum folgende Abwehransprüche verfolge. Die Statthaftigkeit des Antrags ergebe sich aus §§ 80a Abs. 1 und 3, 80 Abs. 5 VwGO. Die Antragstellerin sei auch antragbefugt. Es sei nicht offensichtlich und von vornherein auszuschließen, dass der Antragsgegner die Belange der Antragstellerin am Schutz ihres Eigentums in der getroffenen Abwägungsentscheidung nicht mit dem ihnen gebührenden Gewicht eingestellt habe. Es sei zumindest möglich, dass das Grundstück der Antragstellerin durch die Verlegung des Deiches in Richtung ihres Grundstücks und des Gewässers sowie die Krümmung der Trasse im Hochwasserfall durch Anstieg des Wasserspiegels und der Fließgeschwindigkeit stärker als bislang betroffen werde und sich die Eigentumsbeeinträchtigung mehr als nur geringfügig verschärfe. Der Antrag sei auch begründet. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg der Antragstellerin in der Hauptsache zu erwarten, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Plangenehmigung des Antragsgegners bestünden. Auf den von der Antragstellerin eingelegten Rechtsbehelf finde das UmwRG Anwendung, weil es sich bei der angefochtenen Plangenehmigung um eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens handele, für das nach dem UVPG die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen könne. Die Plangenehmigung sei rechtswidrig, weil die im Rahmen der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls getroffene Entscheidung des Antragsgegners, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, fehlerhaft sei und nicht den Vorgaben des § 3c UVPG entspreche. Da das Vorhaben mit einem Verlust an Rückhalteflächen im Überschwemmungsgebiet verbunden sei, die grundsätzlich zu erhalten seien, sei nicht ausgeschlossen, dass diese Umweltauswirkungen auf das Schutzgut Wasser Einfluss auf das Abwägungsergebnis, insbesondere die Trassenwahl, nehmen könnten. Der mit dem geplanten Vorhaben verbundene Verlust an Rückhalteraum werfe die Frage auf, ob im Rahmen der Abwägung eine Retentionsraumverlust vermeidende Trasse in Frage komme, etwa die in den Planungsunterlagen dargestellte und vom Antragsgegner in der Plangenehmigung abgewogene Variante 2 (Spundwand), die ebenso wie die von der Antragstellerin dargelegte Variante (Bohrpfahlwand) eine Trassenführung entlang der alten Deichtrasse vorsehe. Im Zeitpunkt der Vorprüfung des Antragsgegners habe angesichts der in Erwägung zu ziehenden Alternativen nicht festgestanden, dass Gründe des Allgemeinwohls der Erhaltung des Rückhalteraumes im Überschwemmungsgebiet entgegenstünden und der Verlust an Retentionsfläche durch das geplante Vorhaben auf das Abwägungsergebnis keinen Einfluss haben könne. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne von § 3c UVPG habe der Antragsgegner deshalb nicht verneinen dürfen. Dieser Verfahrensfehler führe gemäß § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG zur Begründetheit der Klage. Überwiegende Interessen des Antragsgegners oder des LHW an der weiteren sofortigen Vollziehung der angefochtenen Plangenehmigung trotz bestehender ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit und des überwiegend wahrscheinlichen Obsiegens der Antragstellerin in der Hauptsache bestünden nicht.

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Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde trägt der Antragsgegner vor: Das Verwaltungsgericht hätte den LHW beiladen müssen, da dieser Adressat der Plangenehmigung sei. Die unterbliebene Beiladung stelle einen Verfahrensmangel dar. Zudem weist der Antragsgegner auf die öffentliche Berichterstattung in den örtlichen Medien über die Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin der 4. Kammer an dem Beschluss des Verwaltungsgerichts hin. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei der Antrag der Antragstellerin unzulässig. Dieser fehle die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO. Im Hochwasserschutzrecht gebe es keine drittschützende Norm. Weder die Vorschriften der §§ 67 ff. WHG zum Deichbau noch die Vorschriften der §§ 72 ff. WHG zum Hochwasserschutz seien drittschützend. Die Berufung auf das Eigentum der Antragstellerin reiche nicht aus. Es sei nicht dargelegt, dass die Antragstellerin von vorhabenbedingten Auswirkungen betroffen werde. Das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung begründe keine Antragsbefugnis. Auch sei unklar, ob die Antragstellerin ordnungsgemäß durch die (C.) vertreten werde. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts sei die UVP-Vorprüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Sachverhalt sei im Rahmen der UVP-Vorprüfung ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar stamme die erste Entscheidung vom 27.08.2013. Am 31.01.2014 sei aber erneut auf der Grundlage der Planunterlagen mit Stand vom 19.12.2013 über die UVP-Pflicht entschieden worden. Die maßgebliche Planänderung mit Stand vom 19.12.2013 sei die nunmehr vorgesehene Errichtung einer Hochwasserschutzwand auf einer Länge von 840 m auf der bislang vorgesehenen Trasse anstelle eines Deiches nach DIN 19712. Die nachfolgend eingereichten Planunterlagen vom 02.07.2014 hätten nur unwesentliche Änderungen hinsichtlich der Hochwasserschutzwand vorgesehen. Vorgesehen sei nunmehr eine Bohrpfahlwand anstelle der noch mit Planungsstand 19.12.2013 vorgesehenen Spundwand. Ein Defizit in der Sachverhaltsermittlung liege vor diesem Hintergrund nicht vor. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die UVP-Vorprüfung auch in der Sache nicht fehlerhaft. Im Zeitpunkt der Vorprüfung habe hinsichtlich der Trassenwahl bereits festgestanden, welche Gründe des Allgemeinwohls der Erhaltung des Rückhalteraums im Überschwemmungsgebiet entgegenstünden. Bereits in der ersten Antragsunterlage vom 15.08.2013 sei der schlechte Zustand der bestehenden Hochwasserschutzanlage (Gasleitung, senkrechte Leitungsquerungen, starke Durchwurzelung etc.) dargestellt worden. Auch die erste Wasserspielgellagenberechnung vom 23.07.2013 habe vorgelegen, deren wesentliches Ergebnis eine maximale vorhabenbedingte Wasserstandserhöhung um 2 cm gewesen sei. Bei der ergänzenden UVP-Vorprüfung am 31.01.2014 seien dann sämtliche Planunterlagen mit Stand vom 19.12.2013 mitberücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund hätten zum Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung, die letztlich erst mit dem Planungsstand vom 02.07.2014 abgeschlossen worden sei, insbesondere auch die wesentlichen Fakten zu den untersuchten 4 Trassenvarianten vorgelegen. Bereits mit den Planungsunterlagen von Dezember 2013 habe festgestanden, dass im Interesse eines möglichst effektiven Hochwasserschutzes nur die Trassenvariante 4 in Frage komme. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass der Verlust an Retentionsflächen durch das geplante Vorhaben keinen maßgeblichen Einfluss auf das Abwägungsergebnis haben könne. Insbesondere habe aufgrund der vorliegenden Wasserspielgellagenberechnungen festgestanden, dass die negativen Folgen der Retentionsraumbeschränkung sich unterhalb der Erheblichkeitsschwelle der negativen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3c UVPG bewegen würden. Die Ertüchtigung des Altdeiches durch Neuerrichtung oder Verstärkung mittels Spundwand oder Bohrpfahlwand habe zum Zeitpunkt der UVP-Vorprüfungen nicht als umsetzbare Lösung zur Verfügung gestanden. Die Tatsache allein, dass der Schutz von Überschwemmungsgebieten nach Nr. 2.3.8 der Anlage 2 zum UVPG zu den bei der Einzelfallprüfung anzuwendenden Kriterien zähle, bewirke keine UVP-Pflicht. Auch ein Abwägungsmangel sei nicht ersichtlich. Die Bedeutung der Umweltbelange sei im Rahmen der planerischen Abwägung nicht verkannt worden. Durch das Vorhaben Gimritzer Damm werde keine Erhöhung der Hochwassergefahr herbeigeführt. Die Verbote des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG gälten nicht für den Bau von Deichen. Auch § 77 WHG sei nicht verletzt. Die Verlegung des Deiches in die Nähe des Gewässers und die dadurch bedingte Einschränkung des Überschwemmungsgebietes in seiner Funktion als Rückhaltefläche sei durch das Ziel der Maßnahme, einen möglichst effektiven Hochwasserschutz des westlich des neuen Deiches gelegenen Stadtteils zu gewährleisten, gerechtfertigt.

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Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen und trägt vor: Die Unterlassung der Beiladung des LHW sei nicht fehlerhaft, da dieser für die Neuerrichtung des Deiches nicht zuständig sei. Nicht nachvollziehbar sei, inwieweit die öffentliche Berichterstattung einen prozessualen Fehler darstellen könne. Sie werde durch die (C.) ordnungsgemäß vertreten. Sie sei auch antragsbefugt. Die Errichtung des Gimritzer Damms in der plangenehmigten Ausführungsvariante werde sich durch dessen Auswirkungen auf das Hochwasser der Saale und die Erhöhung der üblicherweise bestehenden Hochwassergefahren auf ihr Eigentum auswirken. Dies stelle einen möglichen Eingriff in ihr Eigentum dar, welcher für die Antragsbefugnis ausreichend sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Fehlerhaftigkeit der UVP-Vorprüfung festgestellt. Die UVP-Vorprüfung beruhe auf den Planunterlagen von Dezember 2013, obwohl die eigentlichen Antragsunterlagen zum Vorhaben vom 02.07.2014 stammten. Der Behörde hätten daher im Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung nicht alle relevanten Informationen vorgelegen. Die Entscheidung sei nicht nachvollziehbar, soweit die Erheblichkeit des Eingriffs abgelehnt worden sei. Auch über die Verletzung des § 3c UVPG und damit der Wahl des falschen Verfahrens hinaus sei der Antrag begründet. Die Plangenehmigung leide an mehreren wesentlichen Fehlern. Die Planrechtfertigung sei nicht gegeben, da das Schutzziel fehlerhaft bestimmt worden sei. Darüber hinaus leide die Plangenehmigung an erheblichen Abwägungsfehlern. Schließlich seien die Berechnungen zur Änderung der Wasserspiegellage infolge des Verlustes an Retentionsraum nachweisbar fehlerhaft.

II.

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A. Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

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I. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) kann entgegen der Ansicht des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren nicht gemäß § 65 VwGO beigeladen werden. Der LHW ist zwar grundsätzlich beiladungsfähig, da das Land Sachsen-Anhalt in § 8 Satz 1 AG VwGO LSA in Ausübung der Ermächtigung des § 61 Nr. 3 VwGO bestimmt hat, dass auch Landesbehörden fähig sind, am Verfahren beteiligt zu sein. Der LHW kann jedoch dann nicht nach § 65 VwGO – weder nach dessen Abs. 1 noch Abs. 2 – zu einem Verwaltungsstreitverfahren beigeladen werden, wenn darin eine andere Behörde desselben Rechtsträgers Hauptbeteiligter ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.2002 – BVerwG 9 VR 11.02 –, juris RdNr. 2; Beschl. d. Senats v. 22.06.2012 – 2 K 99/12 –). So liegt der Fall hier. Der Antragsgegner, der die angefochtene Plangenehmigung erlassen hat und gegen den sich nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Satz 2 AG VwGO LSA der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet, und der LHW, der den Antrag auf Plangenehmigung für das Vorhaben Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm (Saale) gestellt hat, gehören demselben Rechtsträger an. Beide sind Behörden des Landes Sachsen-Anhalt. Zweck der Beiladung ist es vor allem, im Interesse der Prozessökonomie durch die damit verbundene Rechtskrafterstreckung auf Dritte, die in der Sache betroffen sind, die Ergebnisse eines Rechtsstreits auch ihnen gegenüber zu sichern. Außerdem soll dem beigeladenen Dritten die Möglichkeit gegeben werden, durch die Verfahrensbeteiligung seine Interessen in den Prozess der Hauptbeteiligten einzubringen und so auch zur umfassenden Sachaufklärung beizutragen. Eine Beiladung der in der Sache auch betroffenen Behörden neben der nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO beklagten Behörde desselben Rechtsträgers ist zur Erreichung dieser Zwecke nicht geboten und auch nicht gerechtfertigt. Das gegenüber der beklagten Behörde ergangene Urteil erwächst gegenüber dem Land als dessen Rechtsträger in Rechtskraft und bindet damit auch alle seine Landesbehörden nach Maßgabe des § 121 VwGO. Es ändert nichts an dieser Reichweite der materiellen Rechtskraft, dass das Land Sachsen-Anhalt die Ermächtigungen in § 61 Nr. 3 und in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Anspruch genommen hat, wonach die Landesbehörden Beteiligte im Verwaltungsprozess sein können und Klagen gegen die Behörde selbst zu richten sind, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Der landesrechtliche Vorbehalt des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO schafft nur die Option, abweichend vom Grundsatz des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine Parteibezeichnung einzuführen, die es dem Bürger erleichtern kann, im Falle der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) die Formalien der Klageerhebung (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ordnungsgemäß zu erfüllen. Kann, wie hier, eine Behörde nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO verklagt werden, handelt sie in Prozessstandschaft für das Land, ohne selbst zum Rechtsträger zu werden. Allein das hinter der jeweils beklagten Behörde stehende Land wird aus dem rechtskräftigen Urteil berechtigt und verpflichtet. Es ist Aufgabe der Landesorganisation, im Wege der internen Koordination sicherzustellen, dass möglicherweise divergierende Interessen betroffener Behörden mit der Behörde abgestimmt werden, die im Verwaltungsstreitverfahren das Land vertritt. Dies gilt auch, wenn die drittbetroffene Behörde bei einem anderen Landesministerium ressortiert als der Antragsgegner, der den Verwaltungsrechtsstreit für das Land führt. In einem gerichtlichen Erörterungstermin oder einem Termin zur mündlichen Verhandlung ist die beklagte Behörde in prozessrechtlicher Hinsicht ohnehin nicht gehindert, zu ihrer Unterstützung Vertreter anderer Behörden, darunter auch der die Plangenehmigung beantragenden Behörde, mitzubringen. Für die Notwendigkeit und Möglichkeit der landesinternen Interessenabstimmung zwischen den verschiedenen Behörden kann in den Fällen des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, in denen die einzelne Behörde selbst zu verklagen ist, nichts anderes gelten, als dann, wenn das Land nicht von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. In diesen Fällen des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist es indes unstreitig, dass neben dem beklagten Land andere Behörden dieses Landes nicht beigeladen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1977 – BVerwG 4 C 100.74 –, juris RdNr. 32). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Behörde eines Rechtsträgers ausdrücklich durch das jeweilige Fachgesetz mit einer eigenständigen Verfahrens- oder materiellen Rechtsposition gegenüber anderen Behörden dieses Rechtsträgers oder gegenüber diesem Rechtsträger selbst ausgestattet ist und damit insoweit die Voraussetzungen eines zulässigen "In-Sich-Prozesses" vorliegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.2002 – BVerwG 9 VR 11.02 – a.a.O. RdNr. 4 ff.; Beschl. d. Senats v. 22.06.2012 – 2 K 99/12 –). Vor diesem Hintergrund ist auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Beiladung des LHW nicht angezeigt.

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II. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die vom Antragsgegner in der Beschwerdebegründung erwähnte öffentliche Berichterstattung über die Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin der 4. Kammer zu einem Verfahrensmangel geführt haben soll. Unabhängig davon würde allein ein Verfahrensmangel auch nicht die Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses rechtfertigen.

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III. Die Antragsgegnerin wird im vorliegenden Verfahren ordnungsgemäß vertreten. Sie hat dargelegt, dass ihren Prozessbevollmächtigten von der (C.)mbH ((C.)) in ihrem Namen eine Prozessvollmacht erteilt wurde. Hierzu sei diese auf Grund eines Verwaltervertrages vom 01.07.2003, einer Verwaltervollmacht vom 01.07.2003 sowie eines Beschlusses der Gesamteigentümerversammlung vom 30.12.2013 ermächtigt gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass sowohl nach dem Verwaltervertrag als auch nach der Verwaltervollmacht die (D.) mbH (D.) Verwalter sein sollte, denn diese sei mit der (C.) identisch. Die Namensänderung beruhe auf einer im März 2014 vollzogenen Umfirmierung. Gegen eine ordnungsgemäße Vertretung spreche auch nicht, dass sowohl der Verwaltervertrag als auch die Verwaltervollmacht von der S. GmbH unterschrieben worden sei, denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – 01.07.2003 – sei diese alleinige Eigentümerin der Wohnungseigentumsanlage (...) gewesen. Die weiteren Eigentümer seien erst später durch Erwerb entsprechender Anteile in die Wohnungseigentumsgemeinschaft und damit auch in den Verwaltervertrag eingetreten. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass diese Darstellung nicht den Tatsachen entspricht, sind weder von dem Antragsgegner vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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IV. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren auch analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts zumindest als möglich erscheint (OVG LSA, Beschl. v. 24.09.2013 – 1 M 97/13 –, juris RdNr. 6). Dazu muss sich der Antragsteller auf einen drittschützenden Rechtssatz des öffentlichen Rechts berufen (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 RdNr. 71). Zudem ist erforderlich, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die es denkbar und möglich erscheinen lassen, dass eine Verletzung dieses drittschützenden Rechtssatzes vorliegt. Das ist nur dann zu verneinen, wenn auf der Grundlage des Tatsachenvortrags des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die von ihm behaupteten Rechtspositionen bestehen oder ihm zustehen oder – ihr Bestehen und Zustehen unterstellt – unter keinem Gesichtspunkt verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 – BVerwG 11 A 100.95 –, juris RdNr. 34). Das ist hier nicht der Fall.

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Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist auf der Grundlage des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG gegeben. Nach dieser Vorschrift darf der Plan nur festgestellt oder genehmigt werden, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist. Diese Vorschrift gewährt nach Maßgabe der zum Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze Nachbarschutz (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.2007 – BVerwG 4 C 12.05 –, juris RdNr. 27, zu § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F.; VG Hamburg, Urt. v. 12.07.2010 – 15 K 3396/08 –, juris RdNr. 113). Zwar lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz auch für den Bereich des Wasserrechts grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter hinreichend deutlich erkennen lassen (BVerwG, Urt. v. 03.07.1987 – BVerwG 4 C 41.86 –, juris RdNr. 8 und Beschl. v. 28.07.2004 – BVerwG 7 B 61.04 –, juris RdNr. 10). Da die Wasserbehörden jedoch bei ihren Entscheidungen verpflichtet sind, auf die Belange anderer Rücksicht zu nehmen, kommt den wasserrechtlichen Vorschriften insoweit drittschützende Funktion zu (BVerwG, Urt. v. 03.07.1987 – BVerwG 4 C 41.86 – a.a.O. RdNr. 10; Beschl. v. 28.07.2004 – BVerwG 7 B 61.04 – a.a.O.). Zu den drittschützenden Vorschriften zählen hiernach auch die wasserrechtlichen Vorschriften über den Hochwasserschutz, soweit sich aus ihnen ein hochwasserrechtliches Rücksichtnahmegebot ergibt (NdsOVG, Beschl. v. 20.07.2007 – 12 ME 210/07 –, juris RdNr. 14; OVG RP, Urt. v. 02.03.2010 – 1 A 10176/09 –, juris RdNr. 28; VGH BW, Beschl. v. 18.11.2013 – 5 S 2037/13 –, juris RdNr. 6; Beschl. v. 23.09.2014 – 3 S 784/14 –, juris RdNr. 42; VG Aachen, Urt. v. 09.10.2009 – 7 K 1417/09 –, juris RdNr. 50). Das ist bei § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG der Fall. Zu dem Kreis der nach dieser Vorschrift geschützten Personen gehören diejenigen Personen, deren private Belange nach Lage der Dinge von dem Gewässerausbau betroffen werden und deren Beeinträchtigung zu vermeiden ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 09.10.2009 – 7 K 1417/09 – a.a.O. RdNr. 51). Voraussetzung eines nachbarschaftlichen Anfechtungsrechts ist, dass dem Nachbarn durch die genehmigte Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes ein nicht nur unerheblicher Nachteil droht (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 20.07.2007 – 12 ME 210/07 – a.a.O.; VGH BW, Beschl. v. 23.09.2014 – 3 S 784/14 – a.a.O.).

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Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen der Antragsbefugnis der Antragstellerin auf der Grundlage des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG vor. Ihr Grundstück liegt vor der geplanten Hochwasserschutzanlage am Gimritzer Damm und ist latent hochwassergefährdet. Auf ihre Belange ist daher in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Darüber hinaus macht sie geltend, insbesondere durch die mit der Errichtung des Deiches auf der neuen Trasse entlang der "Halle-Saale-Schleife" und der damit in Kauf genommenen Verengung des Hochwasserabflusses sei eine Erhöhung der Wasserspiegellage im Hochwasserfall verbunden, die ihr Eigentum gefährden könne. Hiermit macht sie einen nicht nur geringfügigen Nachteil durch die gewählte Trasse geltend, der nicht von vornherein und offensichtlich auszuschließen ist. Dies reicht für die Antragsbefugnis aus. Ob das Vorbringen der Antragstellerin in der Sache zutreffend ist, ist eine Frage der Begründetheit.

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Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Antragsbefugnis der Antragstellerin auch aus § 70 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 und 4 WHG folgt. Nach § 70 Abs. 1 WHG gilt für die Planfeststellung und die Plangenehmigung u.a. § 14 Abs. 3 und 4 WHG entsprechend. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 WHG darf die Bewilligung, wenn zu erwarten ist, dass die Gewässerbenutzung auf das Recht eines Dritten nachteilig einwirkt und dieser Einwendungen erhebt, nur erteilt werden, wenn die nachteiligen Wirkungen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden. Ist dies nicht möglich, so darf die Bewilligung nach § 14 Abs. 3 Satz 2 WHG gleichwohl erteilt werden, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WHG gilt § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 WHG u.a. dann entsprechend, wenn ein Dritter ohne Beeinträchtigung eines Rechts nachteilige Wirkungen dadurch zu erwarten hat, dass der Wasserabfluss, der Wasserstand oder die Wasserbeschaffenheit verändert wird. Nimmt man an, dass die durch einen Deichbau entstehende Gefahr einer Überflutung eine nachteilige Wirkung i.S.d. § 14 Abs. 4 Satz 1 WHG darstellen kann (vgl. HambOVG, Urt. v. 22.03.2000 – 5 Bf 22/96 –, juris RdNr. 47), ergäbe sich die Antragsbefugnis der Antragstellerin wegen der von ihr geltend gemachten Gefahr der Überflutung ihres Grundstücks im Hochwasserfall infolge der Errichtung des Deichs entlang der "Halle-Saale-Schleife" auch auf der Grundlage dieser Vorschriften.

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Ebenfalls keiner Vertiefung bedarf vor diesem Hintergrund die Frage, ob sich die Antragsbefugnis der Antragsteller unmittelbar aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG herleiten lässt (vgl. dazu OVG NW, Urt. v. 25.02.2015 – 8 A 959/10 –, juris RdNr. 53 ff.).

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V. Die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin, von einer sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt, weil die von ihr erhobene Klage nach derzeitigem Sach- und Streitstand voraussichtlich Erfolg haben wird.

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Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor. Wird – wie hier – von einem Dritten die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Genehmigung angegriffen, ist bei der Abwägung der kollidierenden Belange des Adressaten und des Dritten maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzustellen. Entscheidend ist daher die Frage, ob der Rechtsbehelf – hier die Klage der Antragstellerin – Erfolg haben wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.10.2008 – 1 BvR 2466/08 –, juris RdNr. 21; NdsOVG, Beschl. v. 05.03.2008 – 7 MS 115/07 –, juris RdNr. 27; OVG NW, Beschl. v. 05.09.2008 – 13 B 1013/08 –, juris RdNr. 8 ff.; OVG BBg, Beschl. v. 15.01.2009 – OVG 9 S 70.08 –, juris RdNr. 4; Beschl. d. Senats v. 21.03.2013 – 2 M 154/12 –, juris RdNr. 13; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 RdNr. 62). Demgemäß ist nach der – hier anwendbaren – Vorschrift des § 4a Abs. 3 UmwRG die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen oder wiederherzustellen, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Dem Charakter des Eilverfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wesentliches Element der Interessensabwägung treffen. Kann wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen zu gewichten (BVerwG, Beschl. v. 22.03.2010 – BVerwG 7 VR 1.10 –, juris RdNr. 13). Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 4a Abs. 3 UmwRG (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2014 – BVerwG 7 VR 1.14 –, juris RdNr. 11).

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Nach diesen Grundsätzen führt die gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung zu dem Ergebnis, dass das Aussetzungsinteresse überwiegt, da die gegen die Plangenehmigung erhobene Klage der Antragstellerin nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird.

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1. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die angefochtene Plangenehmigung rechtswidrig sein dürfte, weil die im Rahmen der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls getroffene Entscheidung des Antragsgegners, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, fehlerhaft sein dürfte.

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Gemäß § 3c Satz 1 UVPG ist, sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach Nr. 13.13 der Anlage 1 ist bei dem Bau eines Deiches oder Dammes, der den Hochwasserabfluss beeinflusst, und damit auch für Vorhaben der hier streitigen Art, eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c Satz 1 UVPG erforderlich. Eine solche Vorprüfung hat der Antragsgegner hier durchgeführt. Sie ist im Schreiben des Referats 402 vom 27.08.2013 dokumentiert und wurde – jeweils nach Vorlage überarbeiteter Antragsunterlagen – am 30.01.2014, 19.05.2014 und 27.06.2014 ergänzt. Die Durchführung der UVP-Vorprüfung dürfte jedoch nicht den Vorgaben des § 3c UVPG entsprochen haben.

23

Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist (Beschl. d. Senats v. 21.03.2013 – 2 M 154/12 –, juris RdNr. 44). Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 – BVerwG 4 A 1.13 –, juris RdNr. 32).

24

Diesen Anforderungen dürfte der Antragsgegner nicht entsprochen haben. Er dürfte bei der Prüfung der möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen nicht den richtigen rechtlichen Maßstab angelegt haben. Damit dürfte die Vorprüfung im Sinne des § 3a Satz 4 UVPG nicht entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden sein.

25

Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären und die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen, liegen nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können. Denn die Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die Abwägung in gebündelter Form eingehen. Umweltauswirkungen sind vor diesem Hintergrund bereits dann erheblich, wenn sie bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen und so gewichtig sind, dass im Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Zulassungsverfahrens nicht ausgeschlossen werden kann. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht. Dies kann dazu führen, dass auch relativ geringfügige Belange die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auslösen (BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 – BVerwG 4 A 1.13 – a.a.O. RdNr. 37; Urt. v. 25.06.2014 – BVerwG 9 A 1.13 –, juris RdNr. 21). Damit kommt es bei der allgemeinen Vorprüfung entscheidend auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der behördlichen Zulassung an. Die Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen fehlt nur dann, wenn diese bereits nach Maßgabe einer im Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung anzustellenden Vorausschau weder für die Zulassung des Vorhabens noch für das Ergebnis der Abwägung von Bedeutung und auch für die Anordnung von Nebenbestimmungen nicht relevant sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.06.2014 – BVerwG 9 A 1.13 – a.a.O. RdNr. 23; Beckmann, DVBl. 2004, 791 <796>; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, § 3c UVPG RdNr. 26 f.). Den in Anlage 2 zum UVPG enthaltenen Kriterien kommt für die Beantwortung der Frage nach der Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen keine maßgebliche Bedeutung zu (Beckmann, a.a.O., S. 797). Sie dient als "Checkliste" lediglich der systematischen und strukturierenden Zusammenstellung und Aufbereitung des Sachverhalts, der anschließend von der Behörde einer Erheblichkeitseinschätzung zu unterziehen ist (Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3c UVPG RdNr. 12). Die Aufzählung der Kriterien in Anlage 2 ist nicht abschließend, wie vor allem durch die mehrfache Verwendung des Wortes "insbesondere" deutlich wird (Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3c RdNr 13).

26

Nach diesen Grundsätzen ist die vom Antragsgegner vorgenommene UVP-Vorprüfung fehlerhaft, weil hierin der rechtliche Maßstab für die Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen, insbesondere für die hier in Rede stehende Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, verkannt worden ist. In der UVP-Vorprüfung vom 27.08.2013 wird bei der Einschätzung der Erheblichkeit der nachteiligen Umweltauswirkungen des Vorhabens im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben habe auf Grund seines Umfangs und seiner Art mit hoher Wahrscheinlichkeit keine gravierenden und dauerhaften Auswirkungen auf die Schutzgüter im untersuchten Gebiet. Für die Schutzgüter Mensch, Kultur- und Sachgüter ergäben sich unter Berücksichtigung der vorgelegten Wasserspielgellagenberechnung eindeutig positive Effekte. Der Deich werde nicht auf unberührten Naturflächen errichtet. Die anthropogene Beeinflussung des Terrains sei nicht unbeträchtlich. Der naturschutzfachlichen Sensibilität des Gebietes seien enge Grenzen gesetzt. Zwar werde es beim Bau der Hochwasserschutzanlage Eingriffe und Auswirkungen in und auf die in der Tabelle genannten geschützte Biotope geben, die jedoch keine sehr großen Flächen umfassten (wahrscheinlich < 3.000 m²). Bei den in der Tabelle genannten Biotopen handelt es sich um den Peißnitzauwald, der in nördlichen Bereich angrenzend auf ca. 160 m direkt betroffen werde. Zu beachten sei, dass ein Hochwasserschutzdeich und seine Schutzstreifen keine total versiegelten Oberflächen darstellten. In Folge des Vorhabens entstünden daher keine für die künftige natürliche Entwicklung völlig ungeeigneten Flächen. Schadstoff- und Lärmimmissionen seien nicht zu erwarten. Auswirkungen auf das Landschaftsbild und das Standortklima seien nicht relevant. Die Auswirkungen in der Bauphase seien nur vorübergehend. Die direkten Eingriffe in die Lebensräume entlang des Baugebietes seien zwar vom Prinzip her erheblich. Hier seien jedoch die Größenordnungen und die naturschutzfachliche Bedeutung der Naturräume zu berücksichtigen. Das Grund- und Oberflächenwasser werde nicht nachhaltig beeinflusst. Kultur- und Sachgüter würden nicht in Mitleidenschaft gezogen. Zusammenfassend heißt es, trotz der nur mittleren Größenordnung der Gesamtmaßnahme sei das Hochwasserschutzvorhaben ein Eingriff, von dem negative Auswirkungen auf einen Teil der Schutzgüter zu erwarten seien. Diese Auswirkungen seien jedoch bei der Neuerrichtung und Rekonstruktion von Hochwasserschutzbauten prinzipiell an jedem Standort mehr oder weniger unumgänglich. Dem gegenüber stehe die Tatsache, dass es sich um eine Gefahrenabwehrmaßnahme handele, die zur Sicherung von Schutzgütern nach § 2 UVPG unbedingt erforderlich sei. Zuvor war im Rahmen der überschlägigen Beschreibung der relevanten Merkmale des Vorhabens festgestellt worden, dass durch die Ausschwenkung der Deichtrasse nach Osten zur "Wilden Saale" ca. 114.000 m³ Wasseraufnahmevolumen und 78.400 m² (7,84 ha) Retentionsfläche für Hochwasser verloren gingen. Dieser Verlust an Retentionsraum führe jedoch nach den vom LHW vorgelegten Unterlagen zu keiner rechnerisch nachweisbaren Schlechterstellung von Unterliegern. Im Ergebnis wird festgestellt, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen im Sinne des § 3c UVPG habe und daher auf eine UVP verzichtet werden könne.

27

In der ergänzenden UVP-Vorprüfung vom 30.01.2014 wird auf diese Einschätzung vom 27.08.2013 Bezug genommen und ausgeführt, die inzwischen eingereichte Entwurfs- und Genehmigungsplanung habe keine Gesichtspunkte ergeben, die ein Abweichen von dem Ergebnis der damaligen Prüfung erforderlich mache. Im neuen Planentwurf mit der partiellen Errichtung einer Spundwand sei der Verlust des vorhandenen Retentionsraumes auf 46.800 m³ bei HQ100 gesenkt, was positiv zu vermerken sei. Mögliche Eingriffe in das Grundwasserfließgeschehen durch die Spundwände sollten durch Strömungsfenster minimiert werden. Nachteilige Beeinflussungen des Standortklimas seien von untergeordneter Bedeutung.

28

Die weiteren Stellungnahmen vom 19.05.2014 zu den Planunterlagen vom 09.05.2014 und vom 27.06.2014 zu den Planunterlagen vom 25.06.2014 nehmen auf die bereits vorliegenden UVP-Vorprüfungen Bezug und führen aus, die neuen Unterlagen wiesen hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf Schutzgüter keine maßgeblichen Änderungen zu der bisherigen Planung auf, die eine erneute Prüfung erforderlich mache. Eine neue Bewertung der UVP-Pflicht sei nicht erforderlich.

29

Hiermit hat der Antragsgegner den Maßstab der Erheblichkeit i. S. d. § 3c Satz 1 UVPG insbesondere für die mit der Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen verbundenen Umweltauswirkungen verkannt. Bei Zugrundelegung eines zutreffenden Maßstabs hätte er die Möglichkeit, dass die mit der neuen Trasse verbundenen nachteiligen Umwelteinwirkungen Einfluss auf das Ergebnis der nach § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG vorzunehmen Abwägung haben können, nicht ausschließen dürfen.

30

Nach der hier einschlägigen Vorschrift des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG darf der Plan nur festgestellt oder genehmigt werden, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift enthält – grundsätzlich – einen zwingenden Versagungsgrund (Maus, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2011, § 68 RdNr. 57; Schenk, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 68 RdNr. 20). Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift liegt eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit jedenfalls in zwei Fällen vor, nämlich entweder bei einer erheblichen und dauerhaften, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder bei einer Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern. Diese beiden Alternativen des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG haben jeweils eigenständige Bedeutung. Zwar dient die Vorschrift – in beiden Alternativen – dem Hochwasserschutz. Dennoch kommt dem in § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 WHG enthaltenen Schutz natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, eine eigenständige, über das Verbot der Erhöhung der Hochwasserrisiken gemäß § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WHG hinausgehende Bedeutung zu. Mit dieser Regelung, die bereits mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 11.11.1996 (BGBl. I S. 1690) als § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG a.F. in das Gesetz eingefügt wurde und auf einer Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 26.09.1996 (BT-Drs. 13/5641, S. 3) beruhte, sollte der besonderen Funktion natürlicher Rückhalteflächen, insbesondere von Auwäldern, im Rahmen des Hochwasserschutzes Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drs. 13/4788, S. 27, und BT-Drs. 13/5254, S. 3 f.). Die beiden Alternativen des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG unterscheiden sich dadurch, dass die Merkmale der Erheblichkeit, Dauerhaftigkeit und Nichtausgleichbarkeit nur für das Regelbeispiel der Erhöhung des Hochwasserrisikos, nicht aber für die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, gelten (a.A. BayVGH, Urt. v. 18.12.2012 – 8 B 12.431 –, juris RdNr. 49). Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen in der Regel als erheblich ansieht. § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG verlangt damit in der ersten Alternative die Prüfung, ob das Vorhaben hochwasserneutral ist, also ob keine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken vorliegt. Zusätzlich und darüber hinaus verlangt die Vorschrift in der zweiten Alternative die Prüfung, ob keine natürlichen Rückhalteflächen zerstört werden. Natürliche Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, sind also nach § 68 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 WHG, jedenfalls im Grundsatz, unbedingt zu erhalten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 07.11.2003 – 22 CS 03.2469 –, juris RdNr. 4). In Ausnahmefällen kann jedoch auch ein Gewässerausbau, der mit einer Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen verbunden ist, gemäß § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG zulassungsfähig sein. Ob ein Gewässerausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit erwarten lässt, bedarf einer umfassenden Abwägung aller im Wasserhaushaltsgesetz aufgeführten wasserwirtschaftlichen Belange. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gewässerausbau – wie hier – zum Zwecke der Herstellung bzw. der Verbesserung des Hochwasserschutzes erfolgt. In diesem Fall sind die von dem Gewässerausbau nachteilig betroffenen Belange mit den für das Vorhaben sprechenden Belangen im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen (vgl. OVG RP, Urt. v. 12.02.2009 – 1 A 10722/08 –, juris RdNr. 171; VGH BW, Urt. v. 23.09.2013 – 3 S 284/11 –, juris RdNr. 125; VG Neustadt/Weinstraße, Urt. v. 17.03.2008 – 4 K 1202/06.NW –, juris RdNr. 100; VG Hamburg, Urt. v. 12.07.2010 – 15 K 3396/08 – a.a.O. RdNr. 112; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 68 RdNr. 24; Schenk, in: Sieder/Zeitler/Dahme, a.a.O., § 68 RdNr. 24). Bei der Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen ist dabei insbesondere zu prüfen, ob ein Ausgleich für die Zerstörung möglich ist (Schenk, in: Sieder/Zeitler/Dahme, a.a.O., § 68 RdNr. 23). Die Entscheidung der Behörde stellt sich insoweit als das Ergebnis nicht einer gestaltenden, sondern einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden nachvollziehenden Abwägung dar, also als ein Vorgang der Rechtsanwendung, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt (VGH BW, Urt. v. 23.09.2013 – 3 S 284/11 – a.a.O.). Ergänzend kommt hinzu, dass gemäß § 77 Satz 1 WHG Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 WHG in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten sind. Soweit überwiegende Gründe des Allgemeinwohls dem entgegenstehen, sind gemäß § 77 Satz 2 WHG rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Auch hiernach hat eine vollständige und sachgerechte Abwägung der für die Aufgabe eines Retentionsraumes sprechenden Gründe auf der einen und der Pflicht zur Erhaltung eines Überschwemmungsgebietes nach Satz 1 auf der anderen Seite stattzufinden (Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 77 RdNr. 4; Hünnekens, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 77 WHG RdNr. 7). Soweit der Dispens vom Erhaltungsgebot wegen entgegenstehender Gründe des Allgemeinwohls eingreift, statuiert die Vorschrift stattdessen eine Ausgleichspflicht (Rossi, in: Sieder/Zeitler/Dahme, a.a.O., § 77 RdNr. 11 ff.).

31

Gemessen daran hat der Antragsgegner im Rahmen der UVP-Vorprüfung die Bedeutung der Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, die mit dem Bau der Hochwasserschutzanlage entlang der Halle-Saale-Schleife verbundenen ist, für die gemäß § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG und § 77 WHG vorzunehmenden Gesamtwürdigung der von dem Vorhaben nachteilig betroffenen Belange mit den für das Vorhaben sprechenden Belangen verkannt. Der Antragsgegner hat den Verlust an 114.000 m³ Wasseraufnahmevolumen und 78.400 m² Retentionsfläche für Hochwasser, davon ca. 3.000 m² Peißnitzauwald, für unerheblich gehalten, weil dieser Verlust an Retentionsraum nach der vom Vorhabenträger vorgelegten Wasserspiegellagenberechnung vom 23.07.2013 zu keiner rechnerisch nachweisbaren Schlechterstellung von Unterliegern führe. An dieser Bewertung hat er auch in den nachfolgenden Stellungnahmen vom 30.01.2014, 19.05.2014 und 27.06.2014 festgehalten. Ohne Belang ist, dass er in der ergänzenden UVP-Vorprüfung vom 30.01.2014 nur noch von einem Verlust von Wasseraufnahmevolumen von 46.800 m³ bei HQ100 ausgegangen ist, denn durch die Bezugnahme auf die ursprüngliche UVP-Vorprüfung hat er zum Ausdruck gebracht, dass er auch insoweit allein wegen der Hochwasserneutralität von der fehlenden Erheblichkeit ausgeht. Damit nimmt der Antragsgegner wesentliche Gesichtspunkte, die für die Bewertung der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen gemäß § 3c Satz 1 UVPG durch Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen im Sinne des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG relevant sind, nicht in den Blick.

32

Bei dem Bau der Hochwasserschutzanlage entlang der Halle-Saale-Schleife kommt es zu einer Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen. Unter natürlichen Rückhalteflächen sind Landareale zu verstehen, die aufgrund ihrer besonderen Nähe zu dem jeweiligen Gewässer dem Hochwasser durch ihre zumeist seitliche Ausdehnung über das Ufer hinaus Ausbreitungsmöglichkeiten geben und auf diese Weise einen beschleunigten Abfluss des Wassers zumeist stromabwärts verhindern (vgl. BayVGH, Urt. v. 18.12.2012 – 8 B 12.431 – a.a.O. RdNr. 48). Derartige Rückhalteflächen werden bei der Errichtung der plangenehmigten Hochwasserschutzanlage zerstört. Hiervon geht auch der Antragsgegner in der Plangenehmigung (Seite 41 f.) aus. Es bedarf keiner Vertiefung, ob überbaute oder versiegelte Flächen generell nicht unter den Begriff der natürlichen Rückhalteflächen fallen (vgl. OVG RP, Urt. v. 24.02.2000 – 1 A 11106/99 –, juris RdNr. 24), denn jedenfalls ist ein Teil der vom Antragsgegner in der UVP-Vorprüfung vom 27.08.2013 in den Blick genommenen Retentionsfläche von 78.400 m², die durch das Vorhaben verloren geht, weder überbaut noch versiegelt. Diese Fläche durfte der Antragsgegner auch nicht wegen ihrer Größe als unerheblich einstufen.

33

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage im Wasserrecht hätte sich im Rahmen der UVP-Vorprüfung die Frage aufdrängen müssen, ob der beabsichtigte Hochwasserschutz auch auf einer Trasse möglich ist, mit der die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, insbesondere von Auwäldern, vermieden wird. Dies dürfte die Notwendigkeit einschließen, die Vor- und Nachteile etwa einer Spundwand oder einer Bohrpfahlwand auf dieser Trasse umfassend zu untersuchen. Damit zusammenhängend wäre zu prüfen gewesen, ob überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Errichtung der Hochwasserschutzanlage auf der neuen Anlagentrasse – und damit die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen – gebieten, etwa weil das Interesse an einer Vermeidung der mit der Errichtung der Hochwasserschutzanlage auf der alten Deichtrasse verbundenen Nachteile das Gebot der Erhaltung von Rückhalteflächen überwiegt (vgl. § 77 Satz 2 WHG). Schließlich war zu prüfen, ob und wie ein Ausgleich für die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen möglich ist. Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Fragen zu klären und damit die erforderliche Abwägung vorzubereiten. Die Problematik der Trassenwahl und der notwendigen Ausgleichsmaßnahmen wurden jedoch überhaupt nicht in den Blick genommen. In der UVP-Vorprüfung vom 27.08.2013 heißt es vielmehr, die festgestellten Auswirkungen seien bei der Neuerrichtung und Rekonstruktion von Hochwasserschutzbauten prinzipiell an jedem Standort mehr oder weniger unumgänglich. Die Prüfung, ob die Errichtung einer Hochwasserschutzanlage auf der alten Deichtrasse und damit die vollständige Erhaltung der natürlichen Rückhalteflächen möglich sind, wurde vom Antragsgegner nicht für notwendig erachtet. Damit hat er bei der UVP-Vorprüfung einen fehlerhaften Maßstab für die Erheblichkeit der Umwelteinwirkungen angelegt. Bei Zugrundelegung eines zutreffenden Maßstabs hätte er die mögliche Ergebnisrelevanz der hier maßgeblichen nachteiligen Umweltauswirkungen – die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen – und damit ihre Erheblichkeit im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG nicht verneinen dürfen. Die UVP-Vorprüfung wurden damit nicht entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt (§ 3a Satz 4 UVPG).

34

Hiergegen kann der Antragsgegner nicht einwenden, im Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung sei sowohl der schlechte Zustand der bestehenden Hochwasserschutzanlage als auch das Ergebnis der Untersuchung der 4 Trassenvarianten bekannt gewesen. Es habe bereits festgestanden, dass dem überwiegenden Allgemeinwohlinteresse an einem möglichst effektiven Hochwasserschutz nur mit der planfestgestellten Variante 4 entsprochen werden könne, so dass bereits zum Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung klar gewesen sei, dass der Verlust von Retentionsflächen durch das geplante Vorhaben keinen maßgeblichen Einfluss auf das Abwägungsergebnis haben könne. Diese Aussage steht einerseits in Widerspruch zu dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners, der auf Seite 16 der Beschwerdebegründung (GA Bl. 290) selbst vorträgt, die Ertüchtigung des Altdeichs durch Neuerrichtung oder Verstärkung mittels Spundwand oder Bohrpfahlwand habe zum Zeitpunkt der UVP-Vorprüfungen nicht als umsetzbare Lösung zur Verfügung gestanden. Wenn das zutrifft, kann nicht zugleich das Ergebnis der Untersuchung der 4 Trassenvarianten bekannt gewesen sein. Darüber hinaus verkennt der Antragsgegner, dass im Fall der Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen regelmäßig die Anordnung von Ausgleichsmaßnahmen erforderlich ist. Jedenfalls in dieser Hinsicht war nicht auszuschließen, dass die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen für das Ergebnis der Abwägung, jedenfalls für die Entscheidung über die Aufnahme von Nebenbestimmungen, relevant ist. Darüber hinaus kommt es für die Überprüfung einer UVP-Vorprüfung durch das Gericht nach Maßgabe des § 3a Satz 4 UVPG nicht darauf an, welchen Kenntnisstand die Behörde hatte. Bei der vom Gericht gemäß § 3a Satz 4 UVPG vorzunehmenden Plausibilitätskontrolle ist vielmehr die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen. Dies bedeutet zugleich, dass nachträglich gewonnene Erkenntnisse, die die Auswirkungen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, die aber keinen Niederschlag in der Begründung der Behörde gefunden haben, für die Frage der Tragfähigkeit des Prüfergebnisses und damit der verfahrenslenkenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht maßgeblich sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.2011 – BVerwG 9 A 31.10 – a.a.O. RdNr. 29; Beschl. d. Senats v. 21.03.2013 – 2 M 154/12 – a.a.O. RdNr. 44). Die hiernach maßgebliche Begründung der UVP-Vorprüfung durch den Antragsgegner nimmt – wie ausgeführt – die Möglichkeit einer Hochwasserschutzanlage auf der alten Deichtrasse überhaupt nicht in den Blick und verkennt damit die im Rahmen des § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG bestehende Bedeutung des Verbots der Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen und damit den Maßstab für die Erheblichkeit der nachteiligen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG.

35

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kann von einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch nicht deshalb abgesehen werden, weil das Trägerverfahren selbst entsprechende Anforderungen in Verbindung mit dem Fachrecht kennt, insbesondere die nach § 68 Abs. 3 WHG bestehende zwingende Zulassungsvoraussetzung der Hochwasserneutralität. Die Umweltverträglichkeitsprüfung dient – wie bereits ausgeführt – dazu, die Umweltbelange herauszuarbeiten, auf die es nach dem einschlägigen Fachrecht ankommt, um die hiernach erforderliche Abwägung vorzubereiten. Im Fachrecht gibt es daher stets Anforderungen, die die gleichen Fragen aufwerfen, die auch Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung sind. Folglich kann daraus kein Argument gegen die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung hergeleitet werden.

36

2. Die Fehlerhaftigkeit der UVP-Vorprüfung kann von der Antragstellerin auch gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG geltend gemacht werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn – wie hier – eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflicht nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Antragstellerin entsprechend. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt, und verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG die Begründetheitsprüfung. Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 – BVerwG 4 A 1.13 – a.a.O. RdNr. 41; Beschl. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 B 37.12 –, juris RdNr. 10). Die Antragstellerin kann sich auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO auf die Fehlerhaftigkeit der UVP-Vorprüfung berufen mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 17.09.2008 – 2 M 146/08 –, juris RdNr. 17).

37

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes folgt der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.


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