Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 32/15

Gründe

I.

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Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Anordnung des Antragsgegners, mit der ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben wurde, die Geräuschimmissionen zu ermitteln, die von der von ihr betriebenen Druckerei auf die benachbarte Wohnbebauung einwirken.

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Den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt:

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Der Antragsgegner habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Form begründet. Er habe darauf verwiesen, dass die Anordnung notwendig sei, um die Nachbarn vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen; insbesondere die Störung der Nachtruhe führe zu gesundheitlichen Gefahren. Es sei unerheblich, dass der Antragsgegner Verzögerungen auch selbst zu verantworten habe.

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Die auf der Grundlage des § 26 Satz 1 BImSchG ergangene Anordnung werde sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Es sei zu befürchten, dass durch die Betriebsanlagen der Antragstellerin schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 26, 3 Abs. 1 BlmSchG verursacht werden. Es gebe zahlreiche Beschwerden von Nachbarn aus den nahe gelegenen Wohngebieten, die dezidiert Störungen insbesondere zu Nachtzeiten gemeldet und auch zum Teil eigene Messungen durchgeführt hätten. Ferner habe der Antragsgegner zahlreiche Messungen durchgeführt, die dokumentierten, dass der Lärm, der auf das allgemeine Wohngebiet „Von der H-Straße“ einwirke, über dem nach der TA Lärm zulässigen Wert von 40 dB (A) in der Nacht liege. Dies gelte sowohl für die Messungen im November 2012 zwischen 21.17 und 22.48 Uhr als auch für die auf Veranlassung der Antragstellerin am 16.04.2013 um 21.47 Uhr durchgeführte Messung. Eine weitere Messung am 03.06.2014 nachmittags habe gleichfalls eine Überschreitung der zulässigen Werte für die Nacht ergeben. In den Spitzen seien sogar die für den Betrieb bei Tag zulässigen Werte überschritten worden. Schließlich lasse sich der Messung vom September 2014 durch das vom Antragsgegner beauftragte Ingenieurbüro für Schall- und Schwingungstechnik entnehmen, dass selbst beim Betrieb nur des Tischkühlers am Messpunkt „Von der H-Straße“ der Immissionsrichtwert nachts geringfügig überschritten werde. Aus diesem Gutachten ergebe sich ferner, dass Geräusche, wie von den Anwohnern geltend gemacht, stoßweise auftreten, was als die Nachtruhe besonders beeinträchtigend beschrieben werde.

5

Die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass gar nicht feststehe, ob die Immissionen von ihrem Grundstück ausgingen oder aber durch Straßenlärm verursacht würden. Allen Untersuchungen lasse sich entnehmen, dass jedenfalls auch Immissionen vom Grundstück der Antragstellerin ausgingen. Die angeordneten Messungen sollten Zweifel gerade ausräumen, Ermittlungsanordnungen zu diesem Zweck seien zulässig. Sie sollten eine Klärung darüber herbeiführen, ob der Anlagenbetreiber seinen Pflichten nachkomme.

6

Die Messanordnung sei auch hinreichend bestimmt. Aus dem Bescheid des Antragsgegners ergebe sich zweifelsfrei, welche Bestandteile der Druckerei Gegenstand von Messungen seien sollen, nämlich der Lüfter der Rückkühlanlage und die beiden Wandlüfter. Auch habe der Antragsgegner bezüglich der Immissionsorte genau festgelegt, dass in der Von der H-Straße 35 und im D-Weg 4 Messpunkte sein sollen. Weiterer Angaben zu den Messpunkten habe es nicht bedurft, weil der Antragsgegner den Messzweck in Ziffer 3 und 4 der Verfügung genau benannt habe. Auch im Hinblick auf die Zeiten, zu denen gemessen werden solle, sei die Anordnung nicht zu unbestimmt. Aus der Begründung des Bescheides ergebe sich zweifelsfrei, dass es um Messungen in der Nacht gehe. Dies könne für die Antragstellerin auch deshalb nicht zweifelhaft sein, weil das gesamte Verwaltungsverfahren die Störung der Nachtruhe zum Gegenstand gehabt habe und die Mehrzahl der orientierenden Messungen bekanntermaßen zu Nachtzeiten ab 21.00 Uhr durchgeführt worden seien. Im Übrigen könne der Betreiber ggf. auf die Hilfe der von ihm zu beauftragenden sachverständigen Stelle zurückgreifen. Es sei daher auch nicht notwendig festzulegen, dass die zugelassene Messstelle den Verkehrslärm unberücksichtigt lassen möge. Auch diese Notwendigkeit ergebe sich aus den einschlägigen Regeln der Messtechnik bzw. der TA Lärm.

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Die Messanordnung sei auch verhältnismäßig. Sie sei geeignet und erforderlich, um die im Hinblick auf den bestehenden Lärm bestehenden Zweifel aufzuklären.

II.

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A. Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

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1. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, der Antragsgegner habe ihr vor Erlass der angefochtenen Verfügung die konkreten Ergebnisse der von ihm selbst durchgeführten bzw. veranlassten Messungen vom 16.04.2013, 03.06.2014 und 25.09.2014 nicht zur Verfügung gestellt und sie bei Durchführung der Messung nicht beteiligt, so dass es an einer ordnungsgemäßen Anhörung nach § 28 VwVfG fehle. Der Antragstellerin dürfte zwar darin beizupflichten sein, dass die angefochtene Verfügung derzeit formell rechtswidrig ist, weil die Antragstellerin vor Erlass der angefochtenen Verfügung nicht ordnungsgemäß angehört wurde (dazu 1.1.). Dieser Verfahrensfehler dürfte aber nach § 46 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) unbeachtlich sein (dazu 1.2).

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1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung muss sich an einen individualisierten Adressaten richten und die beabsichtigte behördliche Maßnahme konkret benennen (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2013 – BVerwG 7 B 18.13 –, DVBl 2014, 303 [305], RdNr. 19 in juris). Damit ein Schreiben als Anhörung im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG gewertet werden kann, muss ihm entnommen werden können, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt sei (BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 – BVerwG 3 C 16.11 –, BVerwGE 142, 205 [207], RdNr. 12). Zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen gehören auch die (bisherigen) Ermittlungsergebnisse der Behörde (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 28 RdNr. 29, m.w.N.), wobei es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Entscheidungserheblichkeit auf die rechtliche Einschätzung der Behörde ankommt (BVerwG, Urt. v. 14.10.1982 – BVerwG 3 C 46.81 –, BVerwGE 66, 184 [190], RdNr. 44 ff. in juris). Akteneinsicht ist zur Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend, wenn die Tatsachen, auf die sich das rechtliche Gehör bezieht, insbesondere Ermittlungsergebnisse, in den das Verfahren betreffenden Akten enthalten sind; soweit allerdings wesentliche Ermittlungsergebnisse erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt werden oder zu den Akten gelangen, ohne dass die Beteiligten hiervon Kenntnis haben, muss die Behörde die Betroffenen besonders darauf hinwiesen (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 28 RdNr. 16, m.w.N.).

11

Gemessen daran lässt hier sich eine ordnungsgemäße Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Anordnung vom 03.11.2014 nicht feststellen. Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsgegner die Antragstellerin zu der streitigen Messanordnung mit dem Schreiben vom 11.08.2014 anhören wollte, in welchem er ankündigte, dass die Durchführung einer Messung gemäß § 26 BImSchG durch förmlichen Bescheid ggf. unter Heranziehung von Zwangsmitteln angeordnet werde, wenn sich die Antragstellerin außer Stande sehen sollte, bis zum 14.08.2014 einen Ansprechpartner zu benennen, der bei der beabsichtigten Lärmmessung durch ein vom Antragsgegner beauftragtes Ingenieurbüro mitwirken sollte. An einer ordnungsgemäßen Anhörung fehlt es jedenfalls deshalb, weil der Antragsgegner der Antragstellerin vor Erlass der Messanordnung nicht miteilte, dass am 03.06.2014 zunächst er selbst und am 14./15.09.2014 das von ihm beauftragte Ingenieurbüro (...) Lärmmessungen durchgeführt hatten und zu welchen Ergebnissen diese Messungen jeweils kamen. Die Messergebnisse vom 16.04.2013 musste der Antragsgegner der Antragstellerin hingegen nicht übermitteln, weil die Messung von der Antragstellerin selbst veranlasst wurde und sie zudem bei der ihr im November 2013 gewährten Akteneinsicht Gelegenheit hatte, die bis dahin entstandenen Verwaltungsvorgänge einzusehen.

12

Die Ergebnisse der Messungen vom 03.06.2014 und der schalltechnischen Untersuchung vom 25.09.2014 waren aus der Sicht des Antragsgegners auch (mit) entscheidungserheblich. Aufgrund der am 03.06.2014 zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr durchgeführten orientierenden Messung kam der Antragsgegner zu dem Ergebnis, dass der Nachtwert von 40 dB (A) im Bereich des angrenzenden Wohngebiets bereits bei Betrieb der Lüftung und mit Sicherheit bei Betrieb des Tischkühlers nicht eingehalten werden könne. Allerdings erschien dem Antragsgegner das Ergebnis dieser Messung nicht ausreichend, um gegenüber der Antragstellerin eine „gerichtsfeste“ Anordnung nach § 24 BImSchG zu treffen (vgl. Bl. 110 f des Verwaltungsvorgangs). Die Gutachter der daraufhin in Auftrag gegebenen schalltechnischen Untersuchung vom 25.09.2014 stellten auf Grund der am 14./15.09.2014 zwischen 23.00 Uhr und 00.30 Uhr durchgeführten Messungen fest, dass der Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete von 40 dB (A) nachts am Immissionspunkt IP 1 (Von der H-Straße 35) geringfügig – um 0,9 dB (A) – überschritten und am Immissionspunkt IP 2 (D-Weg 5) mit 32,2 dB (A) eingehalten worden sei. Die Gutachter wiesen aber auch darauf hin, dass die Geräusche der im Messzeitraum in Betrieb befindlichen Rückkühlanlage intermittierend seien, d.h. stoßweise Lärmereignisse auftreten, von denen nach heutiger Erkenntnislage Schlafstörungen herrührten, und dass die von den Nachbarn als störend empfundenen Wandlüfter im Messzeitraum nicht in Betrieb gewesen seien. Nach Erhalt der schalltechnischen Untersuchung teilte der Antragsgegner zunächst am 02.10.2014 drei der sich beschwerenden Nachbarn mit, dass nach den Messungen die Immissionsrichtwerte der TA Lärm eingehalten seien und gleichwohl als störend empfundene Geräusche bzw. individuelle Empfindlichkeiten sich der Beurteilung durch die Behörde entzögen. Nachdem die Nachbarn bemängelten, dass die am 14./15.09.2014 durchgeführten Messungen keine Aussagekraft besäßen, weil die lärmintensiven Lüfter während des Messzeitraumes gar nicht in Betrieb waren, und ein eigenes am 06.10.2014 um 23.15 Uhr festgestelltes Messergebnis von 56 dB (A) vorlegten, erließ der Antragsgegner die streitige Messanordnung.

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Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwVfG vorlagen, unter denen von der Anhörung abgesehen werden kann. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Gefahr im Verzug im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist anzunehmen, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die behördliche Maßnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen (BVerwG, Urt. v. 22.03.2012, a.a.O., RdNr. 14, m.w.N.). Aus der Parallele zur Gefahr im Verzug folgt, dass es sich bei dem öffentlichen Interesse im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG um ein damit wertungsmäßig vergleichbares öffentliches Interesse handeln muss (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 28 RdNr. 58). Ein Absehen von der Anhörung im öffentlichen Interesse nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann einmal aus der objektiven Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung, zum anderen aber auch deshalb gerechtfertigt sein, weil die Behörde aufgrund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte; so kann es vor allem dann liegen, wenn der mit der beabsichtigten Maßnahme bezweckte Erfolg durch die mit einer Anhörung verbundene Unterrichtung der Betroffenen über den bevorstehenden Eingriff oder aufgrund des durch die Anhörung bedingten Zeitverlustes selbst bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen gefährdet würde (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 – BVerwG 1 A 89.83 –, BVerwGE 80, 299 [303], RdNr. 28 in juris). Eine der vorgenannten Fallkonstellationen liegt hier ersichtlich nicht vor.

14

Der Anhörungsmangel ist nach bisherigem Sachstand auch noch nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) geheilt worden. Der Antragstellerin ist zwar aufgrund der Sachverhaltsdarstellung in der erstinstanzlichen Entscheidung nunmehr bekannt, dass am 03.06.2014 und im September 2014 Lärmmessungen durchgeführt wurden und zu welchem Ergebnis sie kamen. Eine nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG mögliche Nachholung der Anhörung hat aber durch die zuständige Behörde zu erfolgen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 RdNr. 40), wobei Uneinigkeit darüber besteht, ob dies bei Ermessensentscheidungen – wie hier – durch die Ausgangsbehörde erfolgen muss (so der 3. Senat des BVerwG, Urt. v. 14.10.1982, a.a.O., RdNr. 39 f.) oder ob eine Nachholung auch in diesen Fällen durch die Widerspruchsbehörde erfolgen kann (so der 1. Senat des BVerwG, Urt. v. 28.02.1983 – BVerwG 1 C 13.81 –, NVwZ 1984, 578 [579]). Es ist indessen nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin die Messergebnisse vom 03.06.2014 und September 2014 mittlerweile übermittelt wurden oder sie zumindest darauf hingewiesen wurde, dass sie sich durch (nochmalige) Akteneinsicht Kenntnis von diesen Messergebnissen verschaffen kann. Zudem erfordert eine ordnungsgemäße Nachholung der Anhörung, dass die zuständige Behörde ein etwaiges (neues) Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.08.1982 – BVerwG 1 C 22.81 –, BVerwGE 66, 111 [114], RdNr. 18 in juris; Beschl. v. 18.02.1991 – BVerwG 7 B 15.91 –, NVwZ-RR 1991, 337, RdNr. 4 in juris).

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1.2. Aber auch wenn der Anhörungsmangel noch nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) geheilt ist, rechtfertigt dies hier nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

16

Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und dem Interesse des Adressaten, vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, kommt es wesentlich auf die Erfolgsaussichten des Widerspruchs und einer sich ggf. anschließenden Anfechtungsklage an. Bei Berücksichtigung der schon überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bleiben Mängel, die gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sind, außer Betracht; inwieweit auch die bloße Möglichkeit, Verfahrensmängel gemäß § 45 VwVfG zu heilen, zu berücksichtigen ist, ist hingegen umstritten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 80 RdNr. 160, m.w.N.).

17

Der dem Antragsgegner unterlaufene Anhörungsmangel dürfte hier gemäß § 46 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) unbeachtlich sein. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die in § 46 VwVfG geregelten Voraussetzungen für eine Unschädlichkeit des Verfahrensfehlers sind (nur) dann erfüllt, wenn jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen ist, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte (BVerwG, Urt. v. 24.06.2010 – BVerwG 3 C 14.09 –, BVerwGE 137, 199 [212], RdNr. 40). Dabei ist bei Entscheidungen mit Ermessensspielraum – wie hier – zu prüfen, was der Betroffene bei fehlerfreier Anhörung vorgetragen hätte und ob dieser Vortrag objektiv geeignet gewesen wäre, die Sachentscheidung der Behörde zu beeinflussen (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2013, a.a.O., [S. 306], RdNr. 24, m.w.N.).

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a) Bei Kenntnis der Messergebnisse vom 03.06.2014 und der schalltechnischen Untersuchung vom 25.09.2014 hätte die Antragstellerin in dreierlei Richtung vortragen können. Sie hätte geltend machen können, dass nach der Messung des Antragsgegners vom 03.06.2014 die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete nachts nicht eingehalten werden, so dass es weiterer Messungen nicht bedürfe. Abweichend hiervon hätte sie einwenden können, dass nach der schalltechnischen Untersuchung vom 25.09.2014 die maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehalten werden und deshalb von ihrem Betrieb keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form unzumutbarer Lärmbelästigungen ausgingen. Sie hätte schließlich beanstanden können, dass die Messungen widersprüchlich oder – aus welchen Gründen auch immer – fehlerhaft seien, so dass sie keinen Aufschluss darüber geben könnten, ob die von den Wandlüftern und dem Tischkühler der Druckerei ausgehenden Geräusche zu unzumutbare Lärmimmissionen in den benachbarten Wohngebieten führen.

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b) Diese Einwände wären bei objektiver Betrachtung offensichtlich nicht geeignet gewesen, die Sachentscheidung des Antragsgegners zu beeinflussen.

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Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Satz 1 BImSchG zum Erlass der Messanordnung vorliegen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Auf Grund der im Verwaltungsvorgang dokumentierten mehrfachen und anhaltenden Beschwerden von Nachbarn sowie der orientierenden Lärmmessungen bestand der begründete Verdacht, dass durch die Wandlüfter und den Tischkühler schädliche Umwelteinwirkungen in Form unzumutbarer Lärmbelastungen für die nahe gelegenen Wohngebiete hervorgerufen werden.

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Dem steht nicht entgegen, dass nach der schalltechnischen Untersuchung vom 25.09.2014 in der Zeit, als die Messungen durchgeführt wurden, der für die Nacht geltende Immissionsrichtwert der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete von 40 dB (A) nur an einem der beiden Messpunkte geringfügig überschritten wurde; denn im Messzeitraum waren nach den Angaben der Gutachter die als besonders störend empfundenen Wandlüfter nicht in Betrieb. Darauf wiesen die betroffenen Nachbarn zu Recht hin, nachdem der Antragsgegner zunächst keinen Anlass gesehen hatte, weitere Messungen durchzuführen.

22

Auf der anderen Seite kann auch nicht davon ausgegangen werden, auf Grund der bereits vorliegenden orientierenden Messungen, insbesondere auch der Messung vom 03.06.2014, stehe schon fest, dass solche schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, so dass die Messanordnung nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig sei. Zwar liegt eine Ermessensüberschreitung vor, wenn die Durchführung von Ermittlungen angeordnet wird, die keine neuen Erkenntnisse vermitteln kann, etwa wenn gleichartige Ermittlungen bereits durchgeführt worden sind, diese zu beweiskräftigen Ergebnissen geführt haben und Anhaltspunkte für eine Änderung der Sachlage nicht gegeben sind (Hansmann/Pabst, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. III, BImSchG § 26 RdNr. 33, m.w.N.). Bereits vorliegende Ermittlungsergebnisse können aber nur dann als ausreichend angesehen werden, wenn sie geeignet sind, als Grundlage für weitere behördliche Maßnahmen zu dienen (Hansmann/Pabst, a.a.O., m.w.N.). Der Antragsgegner ist davon ausgegangen, dass die orientierenden Messungen keine „gerichtsfesten“ Ergebnisse erbracht haben. Diese Einschätzung begegnet, insbesondere was die im Zusammenhang mit der Anhörung interessierende Messung vom 03.06.2014 anbetrifft, keinen Bedenken. Diese nur der „Orientierung“ dienende Messung dürfte nicht den erforderlichen Umfang und die erforderliche Genauigkeit besitzen, um als Grundlage für ein weiteres behördliches Vorgehen gegen die Antragstellerin dienen zu können; zumal die Antragstellerin bislang – ungeachtet bereits früher vorgenommener orientierender Messungen – stets in Abrede gestellt hat, dass von den Lüftern und dem Tischkühler schädliche Umwelteinwirkungen in Form unzumutbarer Lärmimmissionen für die Wohngebiete ausgehen.

23

Bei dieser Sachlage sowie in Anbetracht der anhaltenden Nachbarbeschwerden und der fehlenden Bereitschaft der Antragstellerin, einen Mitarbeiter für das Ein- und Ausschalten der Lüftungsanlagen zu benennen, kann davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner ungeachtet einer möglichen Stellungnahme der Antragstellerin zu den Messergebnissen vom 03.06.2014 und 25.09.2014 sein Ermessen in der Weise betätigt hätte, gegenüber der Antragstellerin die streitige Messanordnung zu erlassen.

24

2. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin weiter, die Anordnung sei zu unbestimmt, weil der Antragsgegner nicht erkläre, in welcher Art und Weise und konkret durch welche Person bzw. Institution welche konkreten Messungen durchgeführt werden sollen.

25

Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA) verlangt, dass der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts für den Betroffenen aus der behördlichen Entscheidung unzweideutig erkennbar ist. Der Adressat muss in die Lage versetzt werden zu erkennen, was von ihm gefordert wird (BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 – BVerwG 4 C 41.87 –, BVerwGE 84, 335 [338], RdNr. 29 in juris). Durch den Begriff „hinreichend bestimmt“ wird klargestellt, dass es genügt, wenn der Regelungsgehalt bestimmbar ist. Welches Maß an Konkretisierung hierzu notwendig ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von der Art des Verwaltungsakts, den Umständen seines Erlasses und seinem Zweck ab, wobei sich die Maßstäbe auch aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben können (U. Stenkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. § 37 RdNr. 5, m.w.N.).

26

Eine Messanordnung nach § 26 Satz 1 BImSchG genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG, wenn das Ziel des Messauftrages klar ist, auch wenn dem Adressaten die Einsicht verschlossen ist, auf welchem Weg man zu diesem Ziel gelangt. Ist das Messziel ausreichend bestimmt, so gehört es zur sachverständigen Einschätzung der Messstelle, die zur Erreichung dieses Ziels an Ort und Stelle notwendigen Vorkehrungen zu treffen (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 27.05.1983 – BVerwG 7 C 41.80 –, NVwZ 1984, 724 [725], RdNr. 13 ff. in juris).

27

Diese Voraussetzungen erfüllt die streitgegenständliche Anordnung. Aus ihr ergibt sich für die Antragstellerin mit der erforderlichen Klarheit, dass die Geräuschimmissionen ermittelt werden sollen, die von ihrer Druckerei bei Betrieb der drei Lüfter auf die nächstgelegene Wohnbebauung einwirken.

28

Es ist insbesondere auch nicht zu beanstanden, dass die Anordnung der Antragstellerin nicht vorgibt, welche Messstelle die Messung durchführen soll. Der Betreiber darf gerade nicht verpflichtet werden, eine bestimmte Stelle zu beauftragen, vielmehr darf er bei der Beauftragung einer Messstelle unter den bekannt gegebenen Stellen frei wählen (Scheidler, in: Feldhaus, BImSchG, § 26 RdNr. 18; Hansmann/Pabst, a.a.O., § 26 RdNr. 41 ff.).

29

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner hätte zumindest eine Auswahl von in Frage kommenden Messstellen benennen müssen, weil dem Adressaten einer Messanordnung keine Erkundigungen darüber aufgebürdet werden könnten, welche Messstellen im Land Sachsen-Anhalt zugelassen und für die gewünschten Zwecke auch geeignet seien. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 der auf der Grundlage des § 29b Abs. 3 BImSchG erlassenen 41. BImSchV erfolgt die Bekanntgabe der Stellen im Sinne von § 26 BImSchG durch die zuständige Behörde des Landes, in dem der Antragsteller oder die Antragstellerin seinen oder ihren Geschäftssitz hat, und gilt für das gesamte Bundesgebiet. Nach § 12 Abs. 3 der 41. BImSchV unterrichten sich die Länder gegenseitig über Bekanntgaben, Ablehnungen von Anträgen und Widerrufe von Bekanntgaben; Bekanntgaben sind im Internet zu veröffentlichen. Den Anforderungen an die Erkennbarkeit für die potenziellen Adressaten von Anordnungen nach § 26 BImSchG wird in der Regel auch durch die Einstellung in das allgemein zugängliche Internet genügt (vgl. Hansmann/Pabst, a.a.O., § 29b RdNr. 32). Alle in Deutschland bekannt gegebenen Stellen sind im „Recherchesystem Messstellen und Sachverständige (ReSyMeSa)“ im Modul „Immissionsschutz – Bekannt gegebene Stellen“ veröffentlicht und sind im Internet unter der Adresse http://www.resymesa.de zu finden (vgl. Hansmann/Pabst, a.a.O., § 29b RdNr. 32; Scheidler, a.a.O., § 26 RdNr. 26 und § 29b RdNr. 13). Die in diesem Recherchesystem enthaltene Liste enthält derzeit 174 Stellen, von denen sich einzelne Gruppen nach Tätigkeitsbereichen herausfiltern lassen. Aufwendige Erkundigungen bezüglich der für die angeordnete Messung in Betracht kommenden Stellen musste die – anwaltlich vertretene – Antragstellerin deshalb nicht durchführen.

30

3. Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, wegen des bereits vorliegenden Gutachtens vom September 2014 sei die Anordnung einer erneuten Messung nicht erforderlich und sei das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung des Sofortvollzuges nicht erkennbar. Wie oben bereits ausgeführt, waren die Ergebnisse der schalltechnischen Untersuchung vom 25.09.2014 nicht aussagekräftig, weil im Messzeitraum nach den Angaben der Gutachter die als besonders störend empfundenen Wandlüfter nicht in Betrieb waren.

31

4. Soweit die Antragstellerin schließlich zur Begründung ihrer Beschwerde auf ihr Vorbringen in den Schriftsätzen vom 08.12.2014 und 21.01.2015 verweist, genügt dies nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, der verlangt, dass sich die Beschwerdebegründung mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Eine Wiederholung des Vorbringens im Verfahren erster Instanz genügt dieser Darlegungslast nicht (vgl. Beschl. d. Senats v. 12.09.2007 – 2 M 165/07 –, ZfBR 2008, 192 [194], RdNr. 10 in juris, m.w.N.).

32

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

33

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat schließt sich der Streitwertbemessung der Vorinstanz an.


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