Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 R 47/15

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/5.

Der Streitwert wird auf 37.500,00 € festgesetzt.

Der Antrag der Antragsteller zu 1., 2. und 4. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der B 79 Ortsumgehung Halberstadt – Harsleben.

2

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 22.12.2014 stellte der Antragsgegner den Plan für den Neubau der B 79 Ortsumgehung Halberstadt – Harsleben in den Gemarkungen Halberstadt, Harsleben, Wegeleben und Deesdorf, Landkreis Harz, fest. In der Zeit vom 09.03.2015 bis zum 23.03.2015 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Stadt Halberstadt sowie der Verbandsgemeinde Vorharz in Harsleben zur allgemeinen Einsichtnahme ausgelegt.

3

Am 23.04.2015 haben die Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

4

Die Antragsteller tragen vor, sie seien Eigentümer und Bewohner von Grundstücken in A-Stadt in einem Abstand von ca. 150 m zu der geplanten Trasse der Ortsumgehungsstraße. Sie würden infolge der neuen Ortsumgehung erheblichen Lärmimmissionen ausgesetzt. Nach § 2 der 16. BImSchV gelte für sie ein Immissionsgrenzwert von 59 dB(A) am Tag und 49 dB(A) in der Nacht. Der Antragsgegner habe den künftig aufkommenden Fahrzeugverkehr fehlerhaft ermittelt, insbesondere die Zunahme des Fahrzeugverkehrs unterschätzt. Die Berechnungen des Antragsgegners beruhten auf veralteten Annahmen. Insbesondere sei die Zunahme des Schwerlast- und Personenverkehrs im Bereich der B6n in Ost-West-Richtung nicht berücksichtigt worden. Die B6n diene der Entlastung der A 14. Die B6n werde ihrerseits durch die Verbindung zwischen der Harzregion zur Landeshauptstadt Magdeburg entlastet und damit auch durch den Bau der Ortsumgehung A-Stadt. Die Untersuchungen des Antragsgegners seien veraltet. Die Umweltverträglichkeitsstudie stamme aus dem Jahr 2006. Diese könne aufgrund der veränderten Verhältnisse nicht aufrechterhalten werden. Es sei mit einer deutlichen Zunahme des Warenverkehrs auf den Straßen, insbesondere von und nach Polen, und des PKW-Verkehrs zu rechnen. Diese Zunahme habe in einer 10 Jahre zurückliegenden Studie noch nicht berücksichtigt werden können. Infolge dieser Zunahme sei im Ergebnis mit einer höheren Lärmbelastung als zulässig zu rechnen. Weitere Mängel bestünden hinsichtlich der Berechnung der Luftschadstoffe. Der Antragsgegner habe fälschlich die 22. BImSchV zugrunde gelegt. Maßgeblich sei jedoch die 39. BImSchV. Die Aussage in dem Planfeststellungsbeschluss (Seite 610), auch mit aktualisierten Daten sei kein Erreichen der Schädlichkeitsgrenzen zu erwarten, sei unschlüssig. Auch die schalltechnische Untersuchung sei unzureichend. Sie berücksichtige nicht die örtlichen Besonderheiten. Die Klimadaten und Windlagen von Wernigerode und Hüttenrode könnten nicht auf A-Stadt übertragen werden. Auch die topografischen Besonderheiten von A-Stadt seinen nicht berücksichtigt worden. Die Begutachtung berücksichtige nicht, dass ihre Grundstücke in Hauptwindrichtung lägen und den Immissionen ohne Hindernis unmittelbar ausgesetzt seien. Eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 3 m/s sei weder belegt noch zutreffend. Die Daten entstammten der Wetterstation Wernigerode, die 25 km entfernt sei. Die Wetterstation Quedlinburg liege nur 8 km entfernt und sei dadurch wesentlich repräsentativer. Die Daten zu Lärmschutzmaßnahmen stammten aus einem Gutachten von 2007 und seien veraltet. Die realen Lärmimmissionen lägen tagsüber deutlich über 70 bzw. 75 dB. Die Situation nachts sei nicht günstiger, da der Schwerlastverkehr die Strecke als Ausweichstrecke nutze. Die Ausführungen zu dem PM2,5 Grenzwert und zu dem PM10 Anteil von 20-22 µg/m³ seien nicht nachvollziehbar. Zudem sei die Entscheidung des Antragsgegners zur Trassenführung fehlerhaft. Nach dessen Willen solle die Ortsumgehung westlich von A-Stadt in einem Abstand von ca. 200 m zur Wohnbebauung geführt werden. Sie hätten demgegenüber eine Umgehung im östlichen Teil der Gemeinde vorgeschlagen. In diesem Bereich sei keine Wohnbebauung betroffen, da sich dort ein Gewerbegebiet befinde. Der Antragsgegner habe sich mit dieser Variante nicht hinreichend befasst. Durch die gewählte Variante finde lediglich eine Verlagerung der Lärm- und Schadstoffbelastung vom Ortsmittelpunkt auf den Randbereich der Ortslage statt. Sie hätten beim Erwerb der Grundstücke nicht mit dem festgestellten Trassenverlauf rechnen müssen. Insoweit habe der Antragsgegner das abwägungsrelevante Kriterium des Vertrauensschutzes verkannt.

5

Die Antragsteller beantragen,

6

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der B 79 Ortsumgehung Halberstadt – Harsleben vom 22.11.2014 (2 K 48/15) anzuordnen.

7

Der Antragsgegner beantragt,

8

den Antrag abzulehnen.

9

Er verteidigt den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.

II.

10

Der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat keinen Erfolg.

11

1. Der Antrag dürfte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft sein, da der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 22.11.2014 nach den Angaben in der von den Antragstellern vorgelegten öffentlichen Bekanntmachung des Antragsgegners gemäß § 17e Abs. 2 FStrG keine aufschiebende Wirkung hat.

12

Für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist das Oberverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache sachlich zuständig. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen betreffen. Im konkreten Fall wird durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss der Neubau einer Bundesfernstraße zugelassen. Um eine Bundesfernstraße mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 17e Abs. 1 FStrG und der Anlage zu dieser Vorschrift handelt es sich hierbei nicht.

13

Der Antrag wurde auch gemäß § 17e Abs. 2 Satz 2 FStrG innerhalb eines Monats, nach dem der Planfeststellungsbeschluss gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG gegenüber den Antragstellern als zugestellt gilt, gestellt und begründet. Er ist auch sonst zulässig.

14

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Das Interesse der Antragsteller, vor einer Entscheidung in der Hauptsache von Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung nicht. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor. Wird – wie hier – von Dritten der einem anderen erteilte und diesen begünstigenden Planfeststellungsbeschluss angegriffen, ist bei der Abwägung der kollidierenden Belange des Adressaten und der Dritten maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzustellen (vgl. Beschl. d. Senats v. 18.05.2015 – 2 M 33/15 –, juris RdNr. 19). Nach diesen Grundsätzen führt die gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung des Suspensivinteresses der Antragsteller gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Planfeststellung zu dem Ergebnis, dass das Vollzugsinteresse überwiegt, da die gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobene Klage der Antragsteller nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

15

a) Es kann offen bleiben, ob sich die Grundstücke der Antragsteller in einem Abstand von ca. 150 m zu der geplanten Trasse der Ortsumgehungsstraße befinden, wie sie behaupten, oder ob die Grundstücke, wie der Antragsgegner unter Hinweis auf eine von der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt (LSBB) vorgelegte Liste der Grundstücke der Einwender vom 10.03.2014 vorträgt, 270 m bis 450 m von dieser Trasse entfernt liegen. Ein bestimmter Mindestabstand zwischen der Trasse einer Bundesfernstraße und einem der Wohnnutzung dienenden Grundstück ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Umgekehrt gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG bei Bundesfernstraßen eine Anbauverbotszone von 20 m. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber Hochbauten mit einem Abstand von mehr als 20 m bei Bundesfernstraßen nicht für ausgeschlossen hält. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit Rechte der Antragsteller durch die Nichteinhaltung eines bestimmten Abstandes zu der Straße verletzt sein sollen.

16

b) Die Einwände der Antragsteller zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wegen einer abwägungsfehlerhaften Bewältigung der Verkehrslärmproblematik greifen nicht durch.

17

aa) Ohne Erfolg wenden sich die Antragsteller gegen die von dem Antragsgegner bei seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verkehrsprognose. Verkehrsprognosen unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, Urt. v. 09.06.2010 – BVerwG 9 A 20.08 –, juris RdNr. 73; OVG NW, Urt. v. 17.11.2014 – 11 D 88/11.AK –, juris RdNr. 118). Grundlegende Einwände gegen die Methodik, die Grundlagen und das Gesamtergebnis der Verkehrsprognose sind von den Antragstellern nicht geltend gemacht worden. Der Antragsgegner hat ausgeführt, auf der Basis der geltenden Richtlinien und Bestimmungen seien umfangreiche Verkehrsuntersuchungen zur Ermittlung der künftigen Verkehrsbelastung durchgeführt worden. Diese seien letztmalig im September 2012 aktualisiert worden. Hierin sei insbesondere auch auf bestehende wie zukünftige Einflüsse des die Ortsumgehung umgebenden klassifizierten Straßennetzes eingegangen worden. Die Untersuchungen seien umfänglicher Teil der ausgelegten Planunterlagen. Zu den Einzelheiten werde auf Unterlage 1, Anlage 2, Verkehrsuntersuchung und Aktualisierung, verwiesen, in der u.a. der Kfz-Verkehr, der Schienenverkehr, der Radverkehr im Bestand sowie deren Prognosehorizonte 2025 berücksichtigt würden. Hiergegen können die Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, der Antragsgegner habe die künftig aufkommenden Fahrzeugbewegungen fehlerhaft ermittelt, insbesondere die Zunahme des Schwerlast- und Personenverkehr im Bereich der B6n in Ost-West-Richtung unterschätzt. Ohne eine konkrete und detaillierte Auseinandersetzung mit den von dem Antragsgegner genannten Unterlagen, insbesondere der Verkehrsuntersuchung und deren Aktualisierung, bleiben die Einwände der Antragsteller unsubstantiiert und geben dem Senat keinen Anlass, die vorliegende Verkehrsprognose in Zweifel zu ziehen. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Vertiefung, ob die Antragsteller – wie der Antragsgegner geltend macht – gemäß § 17a Nr. 7 Satz 1 FStrG mit ihren Einwendungen gegen die Ermittlung der Verkehrsbelastung auf der Ortsumgehung ausgeschlossen sind.

18

bb) Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang rügen, die Umweltverträglichkeitsstudie stamme aus dem Jahr 2006, hat der Antragsgegner dem entgegengehalten, dass diese lediglich Bestandteil der Vorplanung gewesen sei. Im Rahmen der Erstellung des Planfeststellungsbeschlusses sei hingegen eine zeitaktuelle Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Untersuchungen veraltet sind.

19

cc) Nicht durchgreifend sind auch die Einwände der Antragsteller gegen die schalltechnische Untersuchung. Der Antragsgegner hat hierzu ausgeführt, die Schallausbreitungsrechnung sei in der schalltechnischen Untersuchung nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) erfolgt. Dies sei durch die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) für die Lärmvorsorge rechtlich vorgeschrieben. Die Berechnung erfolge mittels eines dafür entwickelten Programms (SoundPlan) in der jeweils aktuellen Version. Auf der Grundlage eines digitalen Geländemodells würden alle höhenrelevanten Daten im SoundPlan digitalisiert oder alle Höhendaten würden durch die Straßenplanung an den Schallplaner über eine bestimmte Schnittstelle übergeben. Die topografischen Gegebenheiten in und um A-Stadt würden somit ortsgetreu abgebildet und in der Berechnung der Beurteilungspegel hinreichend berücksichtigt. Außer den topografischen Gegebenheiten gingen z.B. Luft, Boden und Meteorologieeinflüsse, Abschirmungen und Reflexionen, Gradiente (Steigung und Gefälle), Geometrie der Straße und akustische Eigenschaften der Straßenoberfläche in die Berechnung ein. Gemäß RLS-90 sei eine Windgeschwindigkeit von 3 m/s zwingend vorgeschrieben. Bei der Berechnung werde also als worst-case-Betrachtung im Sinne der Betroffenen immer davon ausgegangen, dass auch Wind weht und zwar immer vom geplanten Bauvorhaben zu der zu schützenden Wohnbebauung hin. Das Berechnungsprogramm berücksichtige demnach diesen meteorologischen Zuschlag von 3 m/s im Sinne der Gleichbehandlung aller Betroffenen. Winddaten/Klimadaten umliegender Messstationen (z.B. Quedlinburg, Wernigerode) seien nur für die Luftschadstoffberechnung erforderlich, nicht für die Berechnung der Schallausbreitung nach RLS-90. Im Übrigen weise die nächstgelegene Windmessstation von Quedlinburg nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes ein niedrigeres mittleres Jahresmittel der Windgeschwindigkeit von 2,6 m/s aus. Soweit die Antragsteller sich auf die Daten zu Lärmschutzmessungen aus einem Gutachten aus dem Jahr 2007 bezögen und dieses als veraltet rügen, sei dies nicht nachvollziehbar. Die schalltechnische Untersuchung habe einen Bearbeitungsstand vom 29.11.2012. Zur Ermittlung der Verkehrsbelastung und der Bemessung von Lärmschutzmaßnahmen erfolgten detaillierte Berechnungen mit Hilfe mathematischer Modelle. Damit bundesweit besonders in Verwaltungsverfahren einheitlich vorgegangen werde, seien die RLS-90 erarbeitet worden. Diese Richtlinien beschrieben ausführlich das Verfahren zur Berechnung eines Geräuschpegels an einer Straße. Sie seien über die in der 16. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwerte in die gesetzlichen Regelungen mit eingeflossen und würden in den Verfahren beachtet. Diese Berechnungsmethode gewährleiste zuverlässigere Ergebnisse als einzelne Messungen und sei für die Betroffenen in der überwiegenden Anzahl der Fälle günstiger. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Berechnungsgrundlage die Antragsteller Lärmimmissionen von 70 bis 75 dB(A) annähmen. Die schalltechnische Untersuchung weise für die Antragsteller unter Berücksichtigung der prognostischen Verkehrsbetrachtung für das Jahr 2025 Beurteilungspegel nach Ausbau ohne aktiven Lärmschutz am Tag von 50 dB(A) bis 54 dB(A) und in der Nacht von 42 dB(A) bis 46 dB(A) aus. Die schutzwürdigen Gebäude seien an allen der Straßentrasse zugewandten Gebäudeseiten schalltechnisch bewertet worden. Im Ergebnis komme es zu keiner Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte der 16. BImSchV. Auf der Grundlage dieser nachvollziehbaren Ausführungen des Antragsgegners, mit denen sämtliche Einwände der Antragsteller entkräftet werden, vermag der Senat ein zur Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führendes Lärmschutzdefizit nicht zu erkennen.

20

c) Auch die Kritik der Antragsteller an der Ermittlung und Bewertung der Luftschadstoffe zeigt keinen durchgreifenden Abwägungsfehler der Planfeststellung auf. Der Einwand, die Berechnung der Luftschadstoffe sei fehlerhaft, weil der Antragsgegner nicht die aktuell geltende Methodik verwandt, insbesondere die 39. BImSchV nicht berücksichtigt habe, greift nicht durch. Die Einhaltung der Grenzwerte der 39. BImSchV ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung eines Straßenbauvorhabens, weil Grenzwertüberschreitungen nach dem System der Luftreinhalteplanung (vgl. § 47 BImSchG, § 27 der 39. BImSchV) unabhängig von den Immissionsquellen zu vermeiden sind. Allerdings ist das Gebot der Konfliktbewältigung als Ausformung des Abwägungsgebots verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. Das ist insbesondere der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 – BVerwG 9 A 19.11 –, juris RdNr. 38; OVG NW, Urt. v. 17.11.2014 – 11 D 88/11.AK – a.a.O. RdNr. 154). Gemessen daran genügt die Planung dem Gebot der Konfliktbewältigung. Der Antragsgegner hat vorgetragen, im Zeitpunkt der Beschlussfassung seien die 39. BImSchV und die danach geltenden Grenzwerte zugrunde gelegt worden. Zwar sei zum Zeitpunkt der Luftschadstoffuntersuchung noch die 22. BImSchV Planungsgrundlage gewesen. Die Umstellung des Berechnungsprogramms (Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen, MLuS, Fassung 2005) zur Ermittlung der Luftschadstoffe unter Berücksichtigung der 39. BImSchV sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen. Allerdings sei abgeschätzt worden, dass die Grenzwerte der 39. BImSchV eingehalten würden. Der neu in die zu beachtenden Ziel- und Grenzwerte aufgenommene PM2,5-Grenzwert beschreibe eine Teilmenge des bisher bereits ausgewiesenen PM10-Grenzwertes. Die im Prognosejahr 2025 zu erwartende Luftbelastung hinsichtlich des Parameters PM10 sei mit 20 bis 22 µg/m³ nachgewiesen gewesen. Dieser Wert sei ≤ dem ab 2015 geltenden Grenzwert in Höhe von 25 µg/m³ für den Parameter PM2,5. Damit sei sichergestellt gewesen, dass dieser Grenzwert der 39. BImSchV eingehalten werde. Später sei die Luftschadstoffsituation für den Straßenabschnitt mit der höchsten Verkehrsbelegung mit den RLuS 2012 (Richtlinien zur Ermittlung der Luftqualität an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung) unter Berücksichtigung der 39. BImSchV neu gerechnet worden. In die Berechnung seien ebenfalls aktualisierte Vorbelastungsdaten des Landesamtes für Umweltschutz sowie die Zuarbeit des Deutschen Wetterdienstes zur Windgeschwindigkeit der Messstation Quedlinburg eingegangen. Ausweislich des Berechnungsprotokolls vom 06.05.2015 liege die Gesamtbelastung der Luftschadstoffe bereits in unmittelbarer Straßennähe deutlich unterhalb der Beurteilungswerte. Der Wert der Gesamtbelastung der Komponente PM2,5 liege bei 14,55 µg/m³ und damit deutlich unterhalb des Beurteilungswertes von 25 µg/m³. Vor dem Hintergrund dieser detaillierten und nachvollziehbaren Ausführungen des Antragsgegners geht der Senat davon aus, dass das Vorhaben keine Probleme für die Luftqualität aufwirft, die zur Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen könnten.

21

d) Die Entscheidung für die Trasse der B 79 Ortsumgehung Halberstadt – Harsleben westlich von A-Stadt leidet im Hinblick auf die ihr zugrunde liegende Variantenauswahl an keinen durchgreifenden Abwägungsmängeln. Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Trassenvarianten ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung (§ 17 Satz 2 FStrG). Sie ist gerichtlicher Kontrolle nur begrenzt auf erhebliche Abwägungsmängel hin (§ 17e Abs. 6 FStrG) zugänglich. Nach ständiger Rechtsprechung handelt eine Planfeststellungsbehörde nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ersatzweise zu planen und sich hierbei gar von Erwägungen einer "besseren" Planung leiten zu lassen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Trassenvarianten, die sich auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, können schon in einem früheren Verfahrensstadium oder auf vorangegangenen Planungsebenen ausgeschieden werden (BVerwG, Urt. v. 09.06.2004 – BVerwG 9 A 11.03 –, juris RdNr. 57). Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Variantenauswahl durch den Antragsgegner nicht als abwägungsfehlerhaft. Nach den Angaben des Antragsgegners wurden die Varianten West ohne Spange, West mit Spange und Ost mit Spange planerisch untersucht und miteinander verglichen. Hierbei sei in die Abwägung mit eingestellt worden, dass die Variante Ost mit Spange die geringsten Auswirkungen auf das Schutzgut "Mensch" habe. Der Vortrag der Antragsteller, dass bei einer östlichen Variante keinerlei Wohnbebauung betroffen wäre, sei aber schlichtweg falsch. Bei einer solchen östlichen Führung der Ortsumgehung seien aufgrund der zwingenden verkehrlichen Anbindung der Ortsumgehung an die B 79 in Richtung Halberstadt die Wohngebiete nördlich von A-Stadt und die Wohngebiete südöstlich bzw. südlich von A-Stadt in gleicher Weise planerisch zu berücksichtigen gewesen, wie das Wohngebiet der Antragsteller südwestlich von A-Stadt. Insoweit werde zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in Kapitel C. IX. 2. des Planfeststellungsbeschlusses verwiesen. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner seine Pflicht, alle ernsthaft in Betracht kommenden Planungsvarianten auch ernsthaft in Betracht zu ziehen und zu prüfen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 18.12.2014 – 5 S 1444/14 –, juris RdNr. 28), verletzt hat. Ebenso wenig ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl der Trassenvariante durch den Antragsgegner fehlerhaft ist, weil sich ihm die von den Antragstellern vorgeschlagene Ortsumgehung im östlichen Teil der Gemeinde hätte aufdrängen müssen.

22

e) Auch der Hinweis der Antragsteller auf das Kriterium des Vertrauensschutzes führt nicht auf einen Abwägungsfehler. Bei einem im Außenbereich gelegenen Grundstück muss der Eigentümer damit rechnen, dass außerhalb seines Grundstücks öffentliche Verkehrswege projektiert werden. Das Gesetz räumt ihm hiergegen einen Vertrauensschutz nicht ein (BVerwG, Urt. v. 24.05.1996 – 4 A 39/95 –, juris RdNr. 21). Hiermit vergleichbar ist die Lage am Ortsrand einer Gemeinde. Auch hier muss der Eigentümer eines Grundstücks damit rechnen, dass außerhalb seines Grundstücks – im Außenbereich – Verkehrswege, etwa eine Umgehungsstraße, projektiert werden. Ein dem entgegenstehender Vertrauensschutz auf den Fortbestand der bislang bestehenden Verkehrssituation besteht nicht.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Nach Nr. 34.2 i.V.m. 2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen, dem der Senat grundsätzlich folgt, ist bei der Klage von drittbetroffenen Privaten gegen eine Planfeststellung wegen sonstiger Beeinträchtigungen ein Betrag von 15.000,00 € je Kläger als Streitwert anzusetzen. Hieraus ergibt sich für das Hauptsacheverfahren (2 K 48/15) ein Streitwert von 75.000,00 €. Dieser ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf 37.500,00 € zu halbieren.

25

Die beantragte Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren kann nicht bewilligt werden, weil der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, aus den oben dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen