Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 167/15
Gründe
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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 2. September 2015, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einwendungen des Antragstellers rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
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Das Vorbringen der Beschwerdebegründung hinsichtlich der fehlerhaften Auslegung des Antragsbegehrens gemäß § 88 VwGO, zur Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sowie zu Verstößen gegen die gerichtliche Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 und 3 VwGO) ist nicht geeignet, eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses schlüssig darzulegen. Es handelt sich dabei um Verfahrensmängel, mit deren Geltendmachung eine Beschwerde im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht erfolgreich geführt werden kann, da es allein darauf ankommt, ob die Beschwerde in der Sache begründet ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 1 M 148/11 -, juris, m. w. N.).
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Das weitere Beschwerdevorbringen macht auch nicht plausibel, dass der (Haupt)Antrag (gemäß Ziff. 1), dem Antragsgegner zu untersagen, „die Ausschreibung für den ausgeschriebenen Kehrbezirk (W) Nr. 10 (unter Anwendung der AASchfVO LSA) fortzuführen“, in der Sache Erfolg hat.
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Der Hauptantrag ist unzulässig und es fehlt dem Antragsteller ein Anordnungsgrund.
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Es ist bereits nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ein Rechtsschutzinteresse für die begehrte Regelung zuzubilligen ist. Das von ihm reklamierte Interesse an einer diskriminierungsfreien Auswahlentscheidung, welche er insbesondere wegen der Anwendung der AASchfVO LSA, der daraufhin erstellten Bewerbermatrix, der wiederum daraufhin erfolgten Bewertung seiner Bewerbung und der Bewerbung des Konkurrenten als nicht gewährleistet ansieht, rechtfertigt es nicht, vor Ergehen der behördlichen Auswahlentscheidung und dem hiergegen eröffneten Anfechtungs- und Verpflichtungsrechtsschutz einschließlich Eilrechtsschutzes, den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers vorläufig zu sichern bzw. bei dessen drohender oder bereits eingetretener Verletzung das Auswahlverfahren anzuhalten oder gar zu beenden. Der Antragsteller ist nicht gehindert, seine Einwände gegen die Ausschreibung und das Auswahlverfahren mittels vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Auswahlentscheidung geltend zu machen.
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Entgegen der nicht begründeten Beschwerdebehauptung, ist eine Inzidentkontrolle der dem Auswahlverfahren zugrunde liegenden Rechtsvorschriften, insbesondere der Vorordnung über das Ausschreibungs- und Auswahlverfahren für die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger im Land Sachsen-Anhalt (AASchfVO LSA) vom 29. Juli 2013 (GVBl. LSA 2013, 406), auch möglich. Sollte diese Verordnung - wie der Antragsteller meint - nicht anwendbar sein bzw. gegen höherrangiges Recht verstoßen, dürfte dieser Umstand nicht nur die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung, sondern des Bestellungsbesetzungsverfahrens „in toto“ zur Folge haben, so dass eine Wiederholung des gesamten Ausschreibungs- und Auswahlverfahrens in Betracht kommen kann. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass der vorläufige Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung hinter dem vom Antragsteller begehrten präventiven Rechtsschutz „zurück bleibt“ bzw. unzureichend wäre.
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Sonstige Gründe dafür, weshalb der Antragsteller nicht auf den (vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung verwiesen werden kann, werden weder von der Beschwerdebegründungsschrift vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Eine andere rechtliche Bewertung rechtfertigt sich im Übrigen auch nicht mit Blick auf die von der Beschwerde in Bezug genommene Entscheidung des VG Frankfurt (Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 7 G 3111/07 - NJW 2008, 1096 und juris). Das VG Frankfurt hat ein Rechtsschutzbedürfnis für den vorbeugenden Rechtsschutz bejaht, weil im entschiedenen Fall „irreversible Tatsachen entstünden und die Antragstellerin beim Verweis auf nachgehenden Rechtsschutz nicht wieder gutzumachende erhebliche Nachteile erleiden würde“ (a. a. O). Dies trifft auf den Antragsteller indes gerade - wie ausgeführt - nicht zu.
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Aus den vorgenannten Ausführungen folgt zugleich, dass der Antragsteller keine Eilbedürftigkeit für die von ihm begehrte vorläufige Rechtsschutzregelung geltend machen kann, ihm mithin kein Anordnungsgrund zur Seite steht.
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Es ist nicht ersichtlich, weshalb dem Antragsteller ein Abwarten der Auswahlentscheidung nicht zumutbar sein sollte. Soweit die Beschwerdebegründungsschrift die Eilbedürftigkeit der bereits erfolgten Anwendung der AASchfVO LSA und der daraufhin erstellten Bewerbermatrix entnimmt, hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, dass mögliche Fehler im Verwaltungsverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt rechtlich überprüft und unterbunden werden. Verwaltungsgerichte gewähren grundsätzlich nachträglichen, nicht verfahrensbegleitenden Rechtsschutz, wie auch die Regelung des § 44a VwGO deutlich macht.
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Im Übrigen bezieht sich die Eilbedürftigkeit des Anordnungsgrundes bei einer begehrten Regelungsanordnung - wie hier - darauf, dass die Regelung, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Es ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ohne die begehrte Regelung wesentliche Nachteile entstehen, sie der Gewaltverhinderung dient oder aus anderen Gründen - etwa zwecks Gewährung effektiven Rechtsschutzes - nötig wäre.
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Die Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zum Fehlen eines Anordnungsgrundes für die Hilfsanträge wird durch die Beschwerdebegründungsschrift nicht schlüssig in Frage gestellt. Das Vorbringen, das Verwaltungsgericht beziehe sich ausschließlich auf den Konkurrentenstreit, verkennt, dass das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit präventiven Rechtsschutzes - wie hilfsweise beantragt - vor Erlass einer Auswahlentscheidung sinngemäß mit der Begründung verneint hat, dass nach der behördlichen Entscheidung immer noch wirksame gerichtliche Entscheidungen getroffen werden können und die Rechtsposition des Antragstellers bis dahin weder untergegangen noch entwertet worden ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 47, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Die vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen zur Bewertung des ersten Hilfsantrages treffen auch auf den Hauptantrag zu, so dass ihnen gefolgt werden kann; den Hilfsanträgen kommt daneben keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zu.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- VwGO § 86 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 1x
- VwGO § 108 1x
- 7 G 3111/07 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 47, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- 1 M 148/11 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 44a 1x
- §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 88 1x