Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 K 17/13

Gründe

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Der nach §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Kläger auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des OVG vom 16. Oktober 2015 in der Fassung ihres Teilabhilfebeschlusses vom 27. November 2015 bezüglich der mit Kostenfestsetzungsantrag der Kläger vom 6. Juli 2015 geltend gemachten Kosten für die erste Instanz (erstinstanzliches Planfeststellungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht) hat in der Sache keinen Erfolg. Eine Entscheidung durch die Berichterstatterin nach § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO scheidet aus, weil das vorbereitende Verfahren mit der verfahrensabschließenden Entscheidung geendet hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 u. a. -, juris).

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Nach der Teilabhilfeentscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist durch den Senat nur noch über die Erstattungsfähigkeit der Rechnung der L. GmbH vom 15. April 2014 in Höhe von 719,95 € sowie über (Teil)Kosten der Rechnung der R. vom 21. Juli 2014 bezüglich des Nachtrages zur Berechnung der Variante 80 km/h in Höhe von 600,29 € brutto (entspricht dem im klägerischen Schriftsatz vom 13. Oktober 2015, S. 3 angegebenen Nettobetrag in Höhe von 504,45 € zuzüglich 19 % MwSt) zu entscheiden. Beide Kostenpositionen sind nicht erstattungsfähig.

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Nach § 164 VwGO hat der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges - hier des Oberverwaltungsgerichtes wegen des dort geführten erstinstanzlichen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens - auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten festzusetzen. Umfang und Höhe des Kostenerstattungsanspruches obsiegender Beteiligter - hier der Kläger - richten sich nach § 162 VwGO. Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewordenen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, weil anderenfalls ein Verfahrensbeteiligter das Kostenrisiko zu Lasten anderer Beteiligter unkalkulierbar erhöhen könnte.

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Die Einholung eines Privatgutachtens (welches jeweils den Gegenstand der beiden streitgegenständlichen Kostenpositionen bildet) ist im Verwaltungsprozess nur dann - ausnahmsweise - als notwendig anzuerkennen, wenn die Prozesslage es herausgefordert hat, der Beteiligte sich mithin in einer „prozessualen Notlage“ befand, in der es ihm bei verständigem Prozessverhalten unausweichlich erscheinen musste, zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Interessen unaufgefordert kostenintensive Maßnahmen zu ergreifen. Da das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat, unterliegt es grundsätzlich seiner Entscheidung, ob die von den Beteiligten angeführten Tatsachen der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfen. Die Kosten für ein Privatgutachten können danach ausnahmsweise erstattungsfähig sein, wenn der Beteiligte zu schwierigen fachlichen, insbesondere technischen Sachfragen Stellung nehmen muss, um seine Interessen ausreichend wahrnehmen zu können.

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Abzustellen ist dabei auf dem Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Prozessverlauf nachträglich als unnötig herausstellt. Nach diesen Maßgaben können auch Aufwendungen für private, also nicht vom Gericht bestellte Sachverständige ausnahmsweise erstattungsfähig sein (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2015 - 8 E 109/15 -, juris; OVG NDS, Beschluss vom 26. März 2015 - 7 OB 62/14 -, juris; VGH Baden Württemberg, Beschluss vom 17. Februar 2015 - 3 S 2432/14 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 4 KSt 1008.07, 4 A 1073.04 -, juris m. w. N.; Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 u. a. -, juris).

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Hieran gemessen sind die mit Rechnung der L. GmbH vom 15. Mai 2014 in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 719,95 € nicht erstattungsfähig.

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Weder wurde der Bericht Nr. 11280-VSS-2 vom 7. Mai 2014 von den Klägern in das Verfahren eingeführt, noch ist nachvollziehbar dargelegt oder sonst ersichtlich, dass der vorgenannte Bericht im Zeitpunkt der Beauftragung der L. GmbH am 14. Februar 2014 wegen ungenügender eigener Sachkunde der Kläger und ihrer Prozessbevollmächtigten der schriftsätzlichen Rechtsverfolgung diente, die Prozesssituation dies erfordert hat und der Inhalt des Berichtes auf die Verfahrensförderung zugeschnitten war.

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Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2013 haben die Kläger ausgeführt, dass mit Beschluss vom 21. Juni 2011 das Ruhen des Klageverfahrens für die Dauer des Mediationsverfahrens angeordnet worden sei, am 13. Juni 2011 das erste und gleichzeitig letzte Mediationsgespräch stattgefunden habe und Ergebnis des Mediationsgespräches (also bereits am 13. Juni 2011) gewesen sei, dass die Beigeladene auf eigene Kosten ein neues Lärmgutachten erstellen lassen sollte; die Kläger und die Beigeladene hätten sich in der Folgezeit hinsichtlich der Begutachtung auf die Firma L. GmbH geeinigt. Die L. GmbH erstellte den Bericht Nr. 11280-VVS-1 vom 17. Juli 2012 und eine modifizierte Fassung vom 26. März 2013. Für beide Berichte war mithin die nachträgliche Beauftragung der L. GmbH vom 14. Februar 2014 nicht relevant. Den (nach Erstellung des in Rechnung gestellten Berichtes der L. GmbH vom 7. Mai 2014 verfassten) klägerischen Schriftsätzen vom 15. Mai 2014, 28. Mai 2014 und 4. Juli 2014 ist ein verfahrensfördernder Hinweis aufgrund des Berichtes der L. GmbH vom 7. Mai 2014 nicht zu entnehmen. Vielmehr stützen sich die Kläger (insbesondere im Schriftsatz vom 28. Mai 2014) maßgeblich auf die von ihnen eingeholte fachgutachterliche Stellungnahme der R. vom 20. Mai 2014.

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Angesichts dieser Umstände ist weder eine zur Einholung des Berichts der L. GmbH vom 7. Mai 2014 nötigende „prozessuale Notlage“ der Kläger ersichtlich, noch ist feststellbar, dass der Inhalt des Berichtes auf die Förderung des Verfahrens zugeschnitten war. Die Ausführungen unter Pkt. 2 der Erinnerung vom 6. November 2015 sowie unter Pkt. 2 des klägerischen Schriftsatzes vom 13. Oktober 2015 betreffen ausweislich der angeführten Daten nicht die in der streitgegenständlichen Rechnung vom 15. Mai 2014 ausgewiesene Beauftragung vom 14. Februar 2014. Auch ist nicht erkennbar, dass nach Ergehen der modifizierten Fassung des Lärmschutzgutachtens vom 26. März 2013 eine weitere, eine Privatbegutachtung herausfordernde prozessuale Notlage der Kläger bestanden hat, um sachgerecht auf das Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen reagieren zu können. Die der Erinnerung vom 6. November 2015 als Anlage beigefügten E-Mails beziehen sich auf Variantenberechnungen, deren Erforderlichkeit nicht nachvollziehbar ist und die keinen Zusammenhang mit den Positionen der Rechnung der L. GmbH vom 15. Mai 2014 erkennen lassen.

10

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auch die Kosten der R. für eine Variantenberechnung (80 km/h) in der Rechnung vom 21. Juli 2014 in Höhe von 600,29 € brutto als nicht erstattungsfähig angesehen.

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Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2015 haben die Kläger hierzu unter Pkt. 3 ausgeführt, die Variante einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h sei durch den Gutachter für die mündliche Verhandlung vorbereitet und in seine Präsentation für die mündliche Verhandlung eingearbeitet worden. Aufgrund des Verlaufes der mündlichen Verhandlung sei schnell deutlich geworden, dass das Oberverwaltungsgericht den Klägervortrag zum Vorliegen eines Abwägungsmangels wegen fehlender Geschwindigkeitsbegrenzungen folge, weshalb es für das Verfahren auf eine Darstellung einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h nicht mehr angekommen sei. Dementsprechend sei die Berechnungsvariante in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr dargestellt worden.

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Hierdurch wird zum einen bestätigt, dass entsprechende gutachterliche Feststellungen keinen Eingang in das Verfahren gefunden haben. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerseite im Zeitpunkt der die Aufwendung verursachenden Handlung in prozessualer Hinsicht zu einer solchen Variantenberechnung Anlass hatte, um sachgerecht auf das Vorbringen von Beklagter und Beigeladener reagieren zu können. Da Beklagte und Beigeladene von Anbeginn an die Rechtsauffassung vertraten (und weiterhin im Revisionsverfahren vertreten), dass betriebsregelnde Anordnungen zum Zwecke des Lärmschutzes - wie Geschwindigkeitsbegrenzungen - wegen der Rechtsnatur der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nicht getroffen werden dürfen und ein entsprechender Abwägungsfehler auch nach klägerischer Auffassung (vgl. Schriftsatz vom 4. Juli 2014) zur Planergänzung im Wege der Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes führen musste, war eine (weitere) Variantenberechnung zur Förderung des Klagebegehrens weder erforderlich noch konnte sie durch die Prozesssituation als herausgefordert angesehen werden.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären.

14

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist.

15

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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