Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (4. Senat) - 4 M 172/18

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung für den (...) September 2018 in der Zeit von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr die Überlassung des „(S.)-Saales“ in der (...) Bibliothek für (H.) in C-Stadt für eine Informationsveranstaltung unter dem Titel „Bürgerdialog der A.-Landtagsfraktion: Abgezockt & Umgelegt – AV C-Stadt im Börsenstrudel“. Der Abschluss eines entsprechenden Mietvertrages für den Saal war von der C-Stadt Kultur und Marketing GmbH (KKM) mit Schreiben vom 6. September 2018 ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden. Den daraufhin gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. September 2018 abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin könne einen Überlassungsanspruch nicht aus einem bestehenden Mietverhältnis ableiten, weil noch kein Mietvertrag mit der KKM zustande gekommen sei. Bislang sei lediglich eine Reservierung der Räumlichkeit erfolgt. Ferner wäre die Antragsgegnerin nicht Verpflichtete aus dem Mietvertrag und daher nicht passivlegitimiert. Der Antragstellerin stehe auch kein Zugangsanspruch entsprechend der Regelungen in § 24 Abs. 1 KVG LSA, § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i.V.m. Art. 3 und Art. 21 Abs. 1 GG zu. Der „(S.)-Saal“ sei nicht für die Durchführung allgemeiner politischer Veranstaltungen gewidmet und die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin bzw. die KKM die der (...) Bibliothek für (H.) zugehörigen Räume bereits mehrfach an politische Parteien oder Fraktionen zur Durchführung allgemeiner politischer Veranstaltungen vermietet bzw. überlassen habe. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

II.

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Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

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Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

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1. Den begehrten Überlassungsanspruch kann die Antragstellerin nicht aus einem geschlossenen Mietvertrag ableiten. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist nicht davon auszugehen, dass durch die Reservierungszusage für den „(S.)-Saal“ bereits ein Mietvertrag zustande gekommen ist. Dieser sollte aufgrund der Zusage der KKM, einen Vertragsentwurf übersenden zu wollen, erst noch geschlossen werden. Dass die KKM letztlich keinen Vertragsentwurf übersandt hat, lässt sich bei der gebotenen objektiven Auslegung gemäß § 133 BGB nicht so verstehen, dass die KKM dadurch konkludent zum Ausdruck gebracht habe, die Räumlichkeit auch ohne schriftlichen Mietvertrag zu vermieten. Es ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Berufung auf einen abzuschließenden Mietervertrag sich als rechtmissbräuchlich darstelle. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die KKM der Antragstellerin die Überlassung der Räumlichkeiten ohne (schriftlichen) Mietvertrag in Aussicht gestellt hatte. Dies lässt sich insbesondere nicht aus der Reservierungszusage ableiten, die - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - hier lediglich den Inhalt hatte, die Räumlichkeit nicht anderweitig zu vergeben.

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Selbst wenn man hier von einem Überlassungsanspruch aus dem Mietervertrag ausginge, hat sich die Antragstellerin entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht mit der zusätzlichen entscheidungstragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, dass der Anspruch gegenüber der KKM als Vertragspartnerin geltend zu machen wäre. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit gegen die falsche Antragsgegnerin richtet.

6

2. Soweit die Antragstellerin geltend macht, es handele sich bei ihr nicht um eine politische Partei, sondern um eine rechtlich davon zu unterscheidende Parlamentsfraktion, womit der Verweis des Verwaltungsgerichts auf die Unzulässigkeit der Durchführung von Parteiveranstaltungen nicht trage, folgt auch daraus bei summarischer Prüfung kein Anspruch auf Überlassung der Räumlichkeit.

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Es kann dahinstehen, ob mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen ist, dass der aus § 24 Abs. 1 KVG LSA, § 5 Abs. 1 PartG i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 21 GG und Art. 38 GG abgeleitete Zugangsanspruch von Parteien zu öffentlichen Einrichtungen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. März 2007 - 2 BvR 447/07 -, juris, Rn. 3; Ipsen, PartG, 2008, § 5 Rn. 31 ff.) entsprechend auf Parlamentsfraktionen wie die Antragstellerin anwendbar ist. In der Parteiendemokratie sind Fraktionen „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung“ (vgl. BVerfGE 80, 188 <218>) und werden insoweit als „Repräsentanten“ der Parteien im Parlament betrachtet (vgl. Kretschmer, ZG 2003, S. 1 <20>). Anders als diese wurzeln sie jedoch nicht in der gesellschaftlichen Sphäre (zur „Staatsferne“ der Parteien siehe BVerfGE 20, 56 <100 ff.>; 85, 264 <287 f.>), sondern sind als Gliederungen des Parlaments in die organisierte Staatlichkeit eingefügt (vgl. BVerfGE 20, 56 <104 f.>; 70, 324 >350 f.>; 80, 188 <231>; 102, 224 <242>). Dennoch ist davon auszugehen, dass die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang Zugang zu ihren Räumlichkeiten gewährt wird, auch im Verhältnis zu Parlamentsfraktionen jedenfalls durch das allgemeine Willkürverbot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG begrenzt ist. Die jeweilige Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 15 B 875/18 -, juris, Rn. 13). Wenn eine Kommune städtische Räumlichkeiten in der Vergangenheit politischen Parteien oder Fraktionen für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt hat, so hat sie damit eine entsprechende Vergabepraxis bzw. konkludente Widmung der Räumlichkeiten begründet, von der sie nicht ohne sachlichen Grund zu Ungunsten einer politischen Partei oder einer Fraktion abweichen darf.

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Eine entsprechende Vergabepraxis durch die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin allerdings auch mit der Beschwerde weder vorgetragen noch belegt. Der Hinweis auf die im vergangenen Jahr durchgeführte Informationsveranstaltung der Antragstellerin im „(S.)-Saal“ genügt für die Annahme einer Vergabepraxis noch nicht, weil dies nach der Rechtsprechung des Senats voraussetzt, dass es in mehreren Fällen zu einer tatsächlichen Vergabe gekommen ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 10. Oktober 2011 - 4 M 179/11 -, juris, Rn. 6; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 15 B 875/18 -, juris, Rn. 15). Im Übrigen hat die Antragsgegnerin erklärt, die Überlassung der Räumlichkeit an die Antragsgegnerin im Jahr 2017 sei durch den damaligen Geschäftsführer der KKM ohne Rücksprache mit der Antragsgegnerin erfolgt. Die Überlassung der Räumlichkeit im Jahr 2017 stellt damit einen Einzelfall dar, aus dem keine weiteren Zulassungsansprüche ableitbar sind.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und erfolgt in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57)

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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