Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (3. Zivilsenat) - 3 W 92/11
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wird zugelassen.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10.411,73 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Unter dem 24. Februar 2010 beurkundete der Notar … aus … einen Kaufvertrag über mehrere Grundstücke zum Preis von 2.060.000 € (sowie über eine dem vermittelnden Makler zustehende Provision in Höhe von 3 % des Kaufpreises). Käuferin der Grundstücke sollte die damals noch nicht gegründete Kostenschuldnerin sein. Für sie trat Herr R… K… als Vertreter auf, wobei er offen legte, dass die GmbH noch zu gründen sei. Wegen des näheren Inhalts der Urkunde wird auf Bl. 7 ff. d.A. verwiesen.
- 2
Am 1. März beurkundete der beteiligte Notar den Gründungsvertrag der Beteiligten zu 1) (Bl. 36 ff. d.A.), die zwischenzeitlich im Handelsregister eingetragen ist. Außerdem beurkundete er den unter dem 24. Februar 2010 geschlossenen Vertrag neu (Bl. 49 ff. d.A.). Zuvor hatte er den Gründungsgesellschafter darauf hingewiesen, dass bei Vollzug der Urkunde vom 24. Februar 2010 die Grunderwerbssteuer doppelt anfalle.
- 3
Mit Kostenrechnungen vom 1. März 2010, deren rechnerische Richtigkeit nicht im Streit steht, rechnete der beteiligte Notar die Kosten für die Beurkundung der Gesellschaftsgründung in Höhe von 542,64 € sowie in Höhe von 9.869,09 € für den Grundstückskaufvertrag.
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Die Kostenschuldnerin vertritt die Ansicht, die wiederholte Beurkundung des Grundstückskaufvertrages sei überflüssig gewesen. Der Hinweis des beteiligten Notars, andernfalls falle die Grunderwerbssteuer ein zweites Mal an, sei falsch gewesen. Die Kosten für die Beurkundung des Kaufvertrages dürften deshalb nicht erhoben werden. Hinsichtlich der Kosten für die Beurkundung der Gesellschaftsgründung hat die Kostenschuldnerin mit einem ihr wegen des unzutreffenden rechtlichen Hinweises zustehenden Schadenersatzanspruch in Höhe der Rechtsanwaltsgebühren aufgerechnet.
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Das Landgericht hat nach Einholung einer Stellungnahme des Beteiligten zu 3) diese Einwendungen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kostenschuldnerin.
II.
- 6
Die nach § 156 Abs. 3 KostO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Die vom gebührenrechtlichen Ansatz her nicht zu beanstandende und auch rechnerisch zutreffende Kostenberechnung durch den Notar ist gerechtfertigt. Die zweite Beurkundung des Grundstückskaufvertrages beruht nicht auf einer unzutreffenden Sachbehandlung (§ 16 KostO). Die Kostenschuldnerin kann der Gebühren- und Auslagenforderung des Notars auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 19 BNotO entgegenhalten, weil der Notar bei der Beurkundung gegen § 17 Abs. 2 BeurkG verstoßen und damit eine ihm gegenüber der Kostenschuldnerin obliegende Amtspflicht verletzt habe.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, hat die Kammer in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt, dass der Notar seine Amtspflichten nicht verletzt hat.
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Zusammenfassend und ergänzend führt der Senat folgendes aus:
- 9
Der beteiligte Notar hat in seinem Hinweis auf die im Falle des Vollzugs der Urkunde vom 24. Februar 2010 doppelt anfallende Grunderwerbssteuer die Rechtslage zutreffend dargestellt. Die Gesellschafterin der (Einmann-)Vorgrün-dungsgesellschaft (wohl die … Immobilien GmbH - diese ist jedenfalls später die Gründungsgesellschafterin der W…. … GmbH gewesen), wäre im Falle der zum Vollzug erforderlichen Genehmigung des notariellen Kaufvertrages vom 24. Februar 2010 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbssteuerpflichtig geworden. Der notarielle Kaufvertrag vom 24. Februar ist nämlich tatsächlich von R… K… als vollmachtlosen Vertreter für die Gründungsgesellschafterin geschlossen worden. Zutreffend hat die Kammer hierzu ausgeführt, dass bei der Vertretung einer noch nicht existenten Vorgründungsgesellschaft nach den Grundsätzen des betriebsbezogenen Geschäftes im Regelfall der „wahre Rechtsträger“ aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet wird (BGHZ 91, 148; OLG Koblenz, NZG 2003, 32; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 11 Rn 36). Dabei bleibt die Haftung der Vorgründungsgesellschafter auch nach der Gründung und Eintragung der Gesellschaft bestehen, sofern nicht durch besondere Vereinbarung die Haftung auf die Zeit bis zur Eintragung der GmbH begrenzt worden ist (BGH GmbHR 1992, 164). Das Rechtsinstitut des „betriebsbezogenen Geschäfts“ betrifft insoweit das Offenkundigkeitsprinzip des Stellvertretungsrechts; es hilft darüber hinweg, dass der handelnde Vertreter entweder gar nicht im Namen eines bestimmten Vertretenen oder - wie hier - im Namen eines in der bezeichneten Rechtsform nicht existierenden Vertretenen aufgetreten ist. Im Regelfall wird es nämlich dem wirklichen Willen (§ 133 BGB) der Vertragsparteien entsprechen, den Vertrag mit dem „wahren Rechtsträger“ zu schließen. So mag es etwa sein, dass der Käufer (der „wahre Rechtsträger“) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beabsichtigt, sein Gewerbe später in der Form einer GmbH zu führen. Es kommt sodann aber in Betracht, dass er nach Abschluss des Vertrages anderen Sinnes wird und sein Gewerbe in der Form einer AG, einer OHG oder auch einzelkaufmännisch führen will. Fehlen entsprechende Anhaltspunkte, so ist nicht davon auszugehen, dass die Vertragsparteien den Bestand des geschlossenen Kaufvertrages von der Rechtsformwahl abhängig machen wollen. Für den Verkäufer eines Grundstücks wird die Wahl der Rechtsform, in der der Erwerber letztlich sein Gewerbe betreibt, in aller Regel ohne Bedeutung sein. Die die Gesellschaft gründenden Gesellschafter bieten dem Verkäufer in aller Regel keine schlechtere Haftungsgrundlage als eine später von diesen gegründete (Kapital-)Gesellschaft. Für den Käufer wird die Verwendungsmöglichkeit des Kaufgegenstandes normalerweise nicht von der Rechtsform seines Gewerbebetriebes abhängen. Anderes gilt deshalb nur dann, wenn die Vertragsparteien deutlich gemacht haben, dass es ihnen gerade darauf ankommt, den Vertrag ausschließlich mit der noch zu gründenden Gesellschaft zustande bringen zu wollen (BGHZ 91, 148; BGH GmbHR 1992, 164). Dies können sie tun, indem sie z.B. den Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Entstehung der GmbH abschließen oder der Vertreter unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er nur für die noch zu gründende Gesellschaft und gerade nicht für den „wahren Rechtsträger“ auftritt. Alleine die Tatsachen, dass die noch zu gründende GmbH in dem Vertrag als Vertragspartnerin bezeichnet ist und der für sie handelnde Vertreter in deren Namen auftritt, reicht nicht aus, um einen solchen Willen der Vertragsschließenden oder des Vertreters anzunehmen (Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 11 Rn 37). Auch die Steuerschädlichkeit des Vorgehens belegt nicht, dass der Wille der Vertragsparteien auf den Abschluss eines Vertrags nur mit der noch zu gründenden GmbH gerichtet war. Sonstige Umstände, die auf einen solchen Willen der Vertragsparteien schließen lassen, fehlen hier.
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Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Vertretung einer nicht existenten Gesellschaft - notwendigerweise durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht - möglich ist und dass im Falle der Genehmigung dieses Vertrages durch die später entstandene Gesellschaft der Vertrag nur mit dieser begründet worden ist (vgl. BFH, WM 1975, 501; Schramm in MüKo/BGB, 5. Aufl., § 177 Rn 7). Ob die Vertragschließenden eben dies gewollt haben, ist indes aus den vorstehenden Gründen eine Frage der Auslegung ihrer Vertragserklärungen, die hier zu dem dargestellten Ergebnis führt.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus den von der Beteiligten zu 1) zitierten Ausführungen von Behrens/Schmitt (Der Betrieb 2005, 2491). Auch diese beiden Autoren gehen zunächst einmal davon aus, dass bei dem Erwerb eines Grundstücks für eine noch nicht existente Tochtergesellschaft eines Konzerns die Gefahr eines doppelten Anfalles der Grunderwerbssteuer besteht. Das wird auch nach Auffassung dieser Autoren nur vermieden, wenn die Wirksamkeit des Vertrages für und gegen die Konzerngesellschaft von ihrem Entstehen abhängig gemacht ist oder der Vertreter ausschließlich die noch zu gründende Gesellschaft vertritt. Beides war hier, wie ausgeführt, nicht der Fall.
- 12
Nach der Gründung der (Vor-)Gesellschaft und der Übereignung des Grundstückes an diese wäre sodann nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ein zweites Mal Grunderwerbssteuer angefallen. Der einmal mit dem „wahren Rechtsträger“ zustande gekommene Vertrag wäre mit der Gründung der GmbH nicht in dem Sinne auf diese übergegangen, dass nunmehr die GmbH anstelle des wahren Rechtsträgers in den Kaufvertrag eingetreten wäre. Das Vermögen des „wahren Rechtsträgers“ der Vorgründungsgesellschaft - hierzu gehören auch vertragliche Ansprüche - geht nicht automatisch auf die später existent gewordene Gesellschaft über (vgl. Pfeifer in Staudinger, BGB, Stand 2004, § 925 Rn 51). Einen Rechtssatz aus dem Gesellschaftsrecht oder der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, der unter den hier gegebenen Voraussetzungen einen Wechsel in der Person eines Vertragspartners zur Rechtsfolge hat, gibt es nach Ansicht des Senats nicht. Da dieser Frage allerdings grundsätzliche Bedeutung zukommt und sie höchstrichterlich jedenfalls nicht eindeutig entschieden ist, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde nach § 156 Abs. 5 Satz 3, § 70 Abs. 1 FamFG gegen den Beschluss zu.
III.
- 13
Die Verpflichtung zur Tragung der Kosten folgt aus dem Gesetz (§§ 156 Abs. 6 Satz 1, 131, 136 - 139 KostO). Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat nach §§ 131 Abs. 4, 30 KostO festgesetzt. Einer Entscheidung über den Aussetzungsantrag der Beschwerdeführerin bedurfte es nach der Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr.
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Referenzen
- §§ 131 Abs. 4, 30 KostO 2x (nicht zugeordnet)
- § 16 KostO 1x (nicht zugeordnet)
- BNotO § 19 1x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- § 156 Abs. 3 KostO 1x (nicht zugeordnet)
- BeurkG § 17 Grundsatz 1x
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde 1x