Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 OLG 1 Ss 76/15

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 28. April 2015

a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt ist und

b) im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere (kleine) Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Landau i.d.Pf. vom 04.11.2014, mit welchem der Beschwerdeführer der fahrlässigen Baugefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Geldstrafe verhängt worden ist, mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Geldstrafe auf 80 Tagessätze á 30,-- EUR herabgesetzt wurde, von denen 20 Tagessätze zur Kompensation einer überlangen Verfahrensdauer als verstreckt gelten sollen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

3

Der Angeklagte war Inhaber einer Firma, die im Bereich Sicherheitsnetzmontage und Dachsicherung tätig war. Am Tattag befestigte er mit einem Mitarbeiter, dem später geschädigten Zeugen A…, Sicherheitsnetze an der Decke der Rundsporthalle in Landau i.d.Pf. Hierzu benutzte der Angeklagte eine von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellte Hubarbeitsbühne, obgleich ihm bekannt war, dass er die vor deren Inbetriebnahme vorgeschriebene Einweisung nicht erhalten hatte. Nachdem der Angeklagte und der mit solchen Arbeiten noch unerfahrene Zeuge im Bereich der Hallenwand ein Ende eines Netzes an der Hallendecke befestigt hatten, band der Angeklagte ein Seil, an dem ein anderes Ende des Netzes befestigt war, an den Korb der Hebebühne an. Dabei war dem Angeklagten bekannt, dass ein Befestigen von Gegenständen an dem Korb zum Zwecke des Hinaufziehens verboten war. Der Angeklagte bestieg mit dem Zeugen den Korb und fuhr diesen auf eine Höhe von 5,30 m, wobei er das angebundene Netz mit nach oben beförderte. Aufgrund der durch das Gewicht des angebundenen Netzes auf das Gerät einwirkenden Horizontalkräfte stürzte die Hebebühne um, was der Angeklagte hätte voraussehen können. Der Angeklagte und der Zeuge wurden aus dem Standkorb geschleudert und prallten auf den Hallenboden, wobei sich der Zeuge A… schwere Verletzungen zuzog.

II.

4

Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit der Angeklagte - tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung - auch wegen fahrlässiger Baugefährdung verurteilt worden ist. Die fahrlässig begangene Baugefährdung nach § 319 Abs. 4 StGB tritt jedenfalls dann hinter der fahrlässigen Körperverletzung zurück, wenn sich die durch den Verstoß gegen Bausicherheitsvorschriften konkret geschaffene Gefahr bei den davon betroffenen Personen auch realisiert hat (Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 322). Die Bestimmung des § 319 StGB dient dem Schutz gegen Gefahren, die Leben und Gesundheit von Menschen aus fehlerhaften, gegen die anerkannten Regeln der Bauzunft verstoßenden Tätigkeiten im Baugewerbe drohen (RGSt 25, 90, 92; 28, 318, 320; 39, 417, 418; Wolff in LK-StGB, 12. Aufl. § 319 Rn. 2; Wieck-Noodt in MünchKomm-StGB, 2. Aufl. § 319 Rn. 2; Fischer, StGB, 63. Aufl. § 319 Rn. 1). Sie hat damit – anders etwa als § 315 c StGB (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 1997, 18) - gegenüber §§ 222, 229 StGB keinen eigenständigen Schutzbereich. Als reines Gefährdungsdelikt ist die Vorschrift gegenüber den das selbe Rechtsgut schützenden Verletzungsdelikten subsidiär (vgl. Rissing-van Saan in LK-StGB 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 129). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – alle durch das Verhalten des Täters konkret gefährdete Personen auch verletzt worden sind (Esser/Keuten aaO.; Sternberg-Lieben/Hecker in Schönke/Schröder StGB, 29. Aufl., § 319 Rn. 17; Stoll in BeckOK StGB, 29. Ed., StGB § 319 Rn. 21). Das tateinheitlich verwirklichte Vergehen der fahrlässigen Baugefährdung hat dann gegenüber dem (vollendeten) Erfolgsdelikt keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert; weitergehende Feststellungen sind nicht zu erwarten.

II.

5

Die Schuldspruchänderung zieht hier die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Die Strafkammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung straferhöhend gewertet, dass der Angeklagte "tateinheitlich einen weiteren Tatbestand, eine fahrlässige Baugefährdung, verwirklicht hat" (UA S. 15). Auch wenn die erkannte Strafe angesichts der schweren Verletzungsfolgen beim Geschädigten nicht unangemessen hoch erscheint, kann der Senat nicht hinreichend sicher ausschließen, dass die Berufungskammer bei zutreffender Bewertung des Konkurrenzverhältnisses auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Einer Aufhebung auch der Feststellungen zum Strafausspruch bedurfte es nicht, der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen.

6

An einer eigenen Entscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO war der Senat gehindert (vgl. BVerfG NJW 2007, 2977, 2982; Temming in Gercke/Julius/Temming, StPO, 5. Aufl., § 354 Rn. 17).

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