Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 151/18

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Tenor

1. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils der 3. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 7. Februar 2018 wird verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des Urteils der 3. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 7. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

3. Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

1

Das Landgericht hat die Angeklagte am 7. Februar 2018 vom Tatvorwurf des Diebstahls freigesprochen. Die Kostenentscheidung des freisprechenden Urteils lautet wie folgt:

2

„Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, fallen der Staatskasse zur Last.“

3

Auf seinen Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Februar 2018 ist dem Verteidiger mit Verfügung vom 27. April 2018 mitgeteilt worden, dass hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten ein Ausspruch in dem Urteil nicht enthalten sei; eine Festsetzung der beantragten Kosten gegen die Staatskasse könne daher nicht erfolgen. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2018 hat der Verteidiger die Korrektur des Urteils im Kostenausspruch wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit beantragt. Durch Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 28. Mai 2018 ist dieser Antrag zurückgewiesen worden, da eine unterbliebene Kostenentscheidung weder nachgeholt noch eine unvollständige ergänzt werden könne. Nach einem entsprechenden Hinweis in diesem Beschluss, dass dieser Mangel nur durch die Einlegung einer sofortigen Beschwerde - gegebenenfalls in Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - behoben werden könne, hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018 sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angegriffenen Urteils eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist für das Rechtsmittel beantragt.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 4. Juli 2018 beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag sowie die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

5

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

1.

6

Die Kostenentscheidung ist mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Angeklagte hat die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt.

7

Die angefochtene Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Kaiserslautern ist der Angeklagten mit der Verkündung des Urteils am 7. Februar 2018, bei der sie und ihr Verteidiger anwesend waren, bekannt gemacht worden. Die Frist von einer Woche zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 311 Abs. 2 Halbs 1 StPO) hat mit dieser Bekanntmachung (§ 311 Abs. 2 Halbs. 2 StPO) begonnen und ist gem. § 43 Abs. 2 StPO am 14. Februar 2018 abgelaufen. Die erst am 29. Mai 2018 beim Landgericht Kaiserslautern eingegangene sofortige Beschwerde ist somit nicht fristgerecht eingelegt worden. Auch der Antrag auf Urteilsberichtigung vom 7. Mai 2018 ist nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen, so dass dahinstehen kann, ob der Antrag als sofortige Beschwerde gegen die beanstandete Kostenentscheidung ausgelegt werden könnte.

2.

8

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat keinen Erfolg.

9

Ein der Wiedereinsetzung zugängliches Fristversäumnis liegt allerdings vor.

10

Eine Rechtsmittelfrist im Sinne des § 44 Satz 1 StPO hat zwar nur derjenige versäumt, der das Rechtsmittel einlegen wollte. Wer dagegen von einem Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO an der Einlegung des Rechtsbehelfs gehindert (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2012, 4 StR 238/12, Rn. 5 juris). Derjenige, der zur Einlegung eines Rechtsmittels deshalb keine Veranlassung sieht, weil er sich durch die mit einem fristgebundenen Rechtsmittel anfechtbare Entscheidung gar nicht beschwert sieht, macht aber von diesem Rechtmittel nicht bewusst keinen Gebrauch (a.A. wohl OLG Celle, Beschluss vom 21. Juni 2016 -1 Ws 287/16, Rn. 7 m. w. N., juris). Eine bewusste Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der von der Entscheidung Betroffene sich überhaupt mit dieser Frage beschäftigt hat; dies ist nicht der Fall, wenn er meint, er erleide durch die Entscheidung keinen rechtlichen Nachteil.

11

So liegt der Fall hier. Der Verteidiger ist, wie sein Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Februar 2018 zeigt, davon ausgegangen, dass mit der Kostenentscheidung des freisprechenden Urteils auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden wären. Wäre dieses Verständnis der Entscheidung zutreffend, wäre die Angeklagte durch das Urteil nicht beschwert.

12

Die Angeklagte hat die sich aus diesem Irrtum ergebende Verhinderung, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, aber zu vertreten.

13

Die angefochtene Kostenentscheidung betrifft die notwendigen Auslagen der Angeklagten nicht. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Kosten des Verfahrens. Ihr Wortlaut ist eindeutig. Kosten des Verfahrens sind die Gebühren und Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs. 1 Satz 1 StPO); die notwendigen Auslagen der Beteiligten gehören dazu nicht.

14

Den Verteidiger trifft, soweit er die Kostenentscheidung missverstanden hat, ein Verschulden. Der Wortlaut der Kostenentscheidung ist eindeutig (im Gegensatz zu dem von dem Senat mit Beschluss vom 18. August 2016, 1 Ws 179/16, entschiedenen Fall). Die rechtsfehlerhaft unterbliebene Belehrung über die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung schließt die Annahme eines Verschuldens nicht aus. Zwar ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist gem. § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung gem. § 35a Satz 1 StPO unterblieben ist; dies setzt aber voraus, dass die Unkenntnis von der Rechtsmittelfrist für deren Versäumung ursächlich war (Graalmann-Scheerer, Löwe - Rosenberg, 27. Aufl., StPO, § 44, Rn. 66). Dies war hier nicht der Fall. Für die Versäumung der Rechtsmittelfrist war hier das Fehlverständnis der Kostenentscheidung ursächlich.

15

Die Beschwerdeführerin muss sich das Verschulden ihres Verteidigers zurechnen lassen Zwar hat im Strafverfahren der Angeklagte grundsätzlich nicht für das Verschulden seines Verteidigers einzustehen; die gilt aber nicht für die Anfechtung einer Kostenentscheidung (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1975, 5 StR 139/75, BGHSt 26, 126-127, Rn. 6, juris).

III.

16

Der Senat hat davon abgesehen, die Angeklagte mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten, da die Einlegung des Rechtsmittels auf einem Hinweis im Beschluss des Landgerichts vom 28. Mai 2018 beruht (§ 21 Abs. 1 Satz 3 GKG).

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