Urteil vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 OLG 2 Ss 93/19
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. (kleinen) Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 18. September 2019 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dadurch veranlassten notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Gründe
- 1
Das Amtsgericht – Schöffengericht – Neustadt an der Weinstraße hat den Angeklagten mit Urteil vom 13. November 2018 der schweren Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die Höhe der Freiheitsstrafe auf ein Jahr ermäßigt; das weitergehende Rechtsmittel des Angeklagten hat es als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützt.
- 2
Das zulässige Rechtsmittel dringt nicht durch.
I.
- 3
Das Landgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 4
„Am 11. Juni 2017 besuchte der Angeklagte im Rahmen eines Junggesellenabschiedes das Weinfest in W., wo er sich kurz nach Mitternacht am Weinstand ´...´ am Rathausplatz aufhielt. Plötzlich und ohne rechtfertigenden Grund schlug der erheblich alkoholisierte Angeklagte – ein gegen 01:00 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,99 Promille – dem ihm gegenüberstehenden Zeugen B. aufgrund eines gefassten Tatentschlusses ein Weinschorleglas gegen den Kopf an die linke Gesichtshälfte. Der Zeuge B. erlitt infolge des Schlags eine Perforation des linken Augapfels sowie verschiedene oberflächliche Schnitt- und Schürfverletzungen im Gesicht. Die Augapfelverletzung hatte eine vollständige, dauerhafte Erblindung des linken Auges zur Folge. Dass der Schlag mit einem Glas an den Kopf zu Verletzungen führen würde, war dem Angeklagten bewusst. Auch hätte er bei Beachtung der ihm trotz seiner Alkoholisierung zumutbaren Sorgfalt erkennen können, dass ein solcher Schlag mit einem Glas ins Gesicht die Gefahr des Verlustes des Sehvermögens mit sich bringt.“
II.
- 5
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
- 6
Insbesondere hat die Strafkammer, auch im Hinblick auf die Einlassung des Angeklagten, der Geschädigte habe „plötzlich ein Messer in der linken Hand“ gehalten und er, der Angeklagte, habe sich „bedroht gefühlt“ und sich nicht anders als mit dem Schlag ins Gesicht zu helfen gewusst (UA S. 3), das Vorliegen einer Notwehrlage rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Das Landgericht hat auf der Grundlage der dazu erhobenen Beweise mit tragfähiger Begründung die Feststellung getroffen, dass der Geschädigte dem Angeklagten kein Messer entgegengehalten hat. Rechtlich zutreffend hat das Berufungsgericht zudem eine als Erlaubnistatbestandsirrtum zu behandelnde irrtümliche Annahme einer Notwehrlage durch den Angeklagten verneint, nachdem dieser nach den für das Revisionsgericht allein maßgeblichen Feststellungen des Landgerichts lediglich den bewegungslosen Vorhalt eines Messers geschildert, von Stichbewegungen in seine Richtung oder eine mit dem Messervorhalt verbundene verbale Drohung hingegen nichts berichtet hat (UA S. 8). Die Annahme des Landgerichts, dass danach die tatsächlichen Voraussetzungen eines Angriffs durch den Nebenkläger auch nach der Vorstellung des Angeklagten nicht vorgelegen haben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
III.
- 7
Auch die Überprüfung des Strafausspruchs hält rechtlicher Prüfung (noch) stand.
- 8
Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 226 Abs. 3 StGB abgelehnt und dies damit begründet, dass es zwar im Vorfeld der Tat einen Disput zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten gegeben habe, für eine erhebliche Provokation, die zu einer Einordnung als minder schwerer Fall führen könne, jedoch keine Anhaltspunkte bestünden. Die Strafe hat das Landgericht sodann dem nach §§ 21, 49 StGB gemilderten Grundstrafrahmen des § 226 Abs. 1 StGB entnommen.
1.
- 9
Rechtlich unbedenklich ist, dass das Landgericht im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falls lediglich das Vorliegen einer Provokation durch den Geschädigten erörtert, sonstige mildernd wirkende allgemeine Umstände - insbesondere das Teilgeständnis, das geäußertes Bedauern über die Tat und das straffreie Vorleben des Angeklagten – in den Urteilsgründen in diesem Zusammenhang aber unerwähnt gelassen hat. Die Annahme, das Landgericht habe diese Umstände, die es im Rahmen der engeren Strafzumessungserwägungen ausdrücklich aufgegriffen hat, übersehen und wäre bei Berücksichtigung dieser zusätzlichen Umstände zur Annahme eines minder schweren Falls gelangt, kann der Senat als fernliegend ausschließen.
2.
- 10
Der Bestand des Strafausspruchs wird im Ergebnis auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Landgericht, das aufgrund der Alkoholisierung des Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht hat, im Rahmen der Strafrahmenwahl nicht erkennbar erörtert hat, ob aufgrund dieses vertypten Strafmilderungsgrundes im Verbund mit den sonstigen mildernden Umständen die Annahme eines minder schweren Falles gerechtfertigt sein kann.
- 11
a) Insoweit weist die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen ist, im nächsten Schritt zunächst auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen sind. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (BGH, Urteil vom 28.02.2013 – 4 StR 430/12, juris Rn. 10; Beschluss vom 26.02.2019 – 1 StR 614/18, juris Rn. 26, jew. m.w.N.).
- 12
b) Der Senat kann jedoch ausschließen, dass das Urteil unter diesem Gesichtspunkt zum Nachteil des Angeklagten auf einer unzureichenden Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falls beruht.
- 13
§ 226 Abs. 3 StGB sieht für den minder schweren Fall der schweren Körperverletzung Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Der vom Landgericht zugrunde gelegte, nach den §§ 21, 49 StGB gemilderte Strafrahmen des § 226 Abs. 1 StGB umfasst demgegenüber Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten. Er weicht demnach lediglich in der oberen Grenze zum Nachteil des Angeklagten von der Strafandrohung des minder schweren Falles ab. Das Landgericht hat sich jedoch bei der Bestimmung der konkreten Strafe ausdrücklich nicht an der Strafobergrenze, sondern am „deutlich unteren Bereich“ des von ihm zugrunde gelegten Strafrahmens orientiert (vgl. UA S. 10). Da der herangezogene Strafrahmen in der unteren Grenze für den Angeklagten günstiger ist, kann der Senat sicher ausschließen, dass das Landgericht, wäre es unter „Verbrauch“ der Milderungsmöglichkeit der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB (vgl. § 50 StGB) zur Annahme eines minder schweren Falls gelangt, auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
IV.
- 14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 und S. 2 StPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- StPO § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 1x
- StGB § 50 Zusammentreffen von Milderungsgründen 1x
- StGB § 21 Verminderte Schuldfähigkeit 4x
- 4 StR 430/12 1x (nicht zugeordnet)
- 1 StR 614/18 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 226 Schwere Körperverletzung 4x
- StGB § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe 3x