Urteil vom Sozialgericht Düsseldorf - S 9 KR 763/12
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.824,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basis- zinssatz ab dem 22.08.2012 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über Erstattungs- und Schadensersatzsansprüche, welcher der Klägerin im Zusammenhang mit der Lieferung von Hilfsmitteln im Bereich Stoma- und Inkontinenzversorgung entstanden sind.
3Die Klägerin ist als Leistungserbringer der Hilfsmittelversorgung in den Versorgungsbereichen Stoma-, Inkontinenz- und Wundversorgung tätig. Ihre Präquali- fizierung gemäß § 126 Abs. 1 a SGB V wurde unter dem 31.05.2011 für die Zeit bis zum 30.05.2016 durch die Präqualifizierungsstelle D JR bestätigt. Bis zum 30.09.2011 versorgte die Klägerin die Versicherten der Beklagten auf Basis der mit Wirkung zum 30.09.2011 gekündigten "Vereinbarung über die Abgabe von Hilfsmitteln gemäß § 127 Abs. 2 SGB V" (sog. "GWQ-Vertrag").
4Unter dem 17.06.2011 bestätigte der BKK-Landesverband Nord-West gegenüber der Klägerin den Beitritt zu dem zwischen dem (damaligen) Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein Westfalen (jetzt: Nord-West) und dem Apotheker-Verband Nordrhein e.V. sowie dem Apotheker-Verband Westfalen-Lippe e.V. geschlossenen (und zum 30.06.2012 gekündigten) Hilfsmittellieferungsvertrag vom 24.11.2008 (im Folgenden: Apothekenvertrag). Der BKK-Landesverband teilte der Klägerin ferner mit, dass der Beitritt nur gelte, soweit die Klägerin nicht aufgrund bereits bestehender Verträge zur Versorgung der Versicherten berechtigt sei.
5Die Abrechnung von Leistungen nach Auslaufen des GWQ-Vertrages zum 30.09.2011 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin im Folgenden mit der Begründung ab, dass sie den Apothekenvertrag zum 31.10.2011 für die Versorgungsbereiche enterale Ernährung, ableitende Inkontinenz, Stoma und Tracheostoma gekündigt habe. Zudem erfuhr die Klägerin durch Kunden, dass die Beklagte die Versicherten darüber informiert habe, dass die Zusammenarbeit mit einigen bisherigen Vertragspartnern zum 30.09.2011 beendet werde. Stattdessen werde die Versorgung der Versicherten ab 01.10.2011 von einem der "Premiumpartner" der Beklagten übernommen. Die Klägerin sei nur noch bis zum 30.09.2011 lieferberechtigt.
6Da ein neuer Hilfsmittellieferungsvertrag für den Bereich Stoma und Inkontinenz nicht geschlossen werden konnte und es die Beklagte weiterhin ablehnte, Hilfsmittellieferung auf Grundlage des Apothekenvertrages abzurechnen, erklärte die Klägerin unter dem 08.11.2011 für den Versorgungsbereich Stoma ihren Beitritt zu dem zwischen der Beklagten und weiteren Leistungserbringern geschlossenen "Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, bei Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlagen" (im Folgenden: Homecare-Vertrag). Den Vertragsbeitritt der Klägerin lehnte die Beklagte ab und führte aus, dass der Homecare-Vertrag einen Beitritt zu einzelnen Produktgruppen nicht vorsehe und zudem die vertraglich geforderte Deckungssumme der Betriebshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden den Mindestbetrag von 500.000,00 Euro nicht erreiche (Schreiben vom 11.11.2011).
7Daraufhin hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Sozialgericht Berlin hat den Rechtsstreit getrennt und an die Sozialgerichte Köln und Düsseldorf verwiesen. Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Köln war die Frage, ob die Klägerin die Hilfsmittellieferungen auf Grundlage ihres Teilbeitritts zum Homecare-Vertrag abrechnen konnte. Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Düsseldorf war die Frage, ob die Klägerin ihre Hilfsmittellieferungen auf Grundlage des Apothekenvertrages abrechnen konnte. Beide Sozialgerichte hatten die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zunächst abgelehnt.
8In dem Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf, L 5 KR 101/12 B ER, ist der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf durch Beschluss des LSG vom 10.05.2012 aufgehoben worden. Die Beklagte wurde im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Klägerin vom 01.10.2011 bis 30.06.2012 auf der Grundlage des Apothekenvertrages an der Versorgung der Versicherten der Beklagten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 (Inkontinenzhilfen) und 29 (Stomaartikel) des Hilfsmittelverzeichnisses zu beteiligen. Zur Begründung hat das Landessozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es den Apothekenvertrag bis zum 30.06.2012 als wirksam zwischen den Beteiligten erachte. Die fehlende Vertretungsmacht des BKK-Landesverbandes stehe dem nicht entgegen. Die von der Beklagten zum 31.10.2012 erklärte teilweise Kündigung sei unwirksam, da dieser kein eigenes Kündigungsrecht zustehe. Schließlich sei der Beitritt der Klägerin zum Apothekenvertrag, der vom BKK-Landesverband Nord-West bestätigt worden sei, wirksam. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Beschlusses sowie der beigezogenen Verfahrensakte Bezug genommen.
9Auch hinsichtlich des Beschlusses des Sozialgerichts Köln war ein Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 16 KR 100/12 B ER anhängig. Im Rahmen eines Erörterungstermins haben die Beteiligten am 24.05.2012 einen Vergleich geschlossen. Dieser lautete wie folgt:
10"1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, die Antragstellerin mit Wirkung ab dem 01.07.2012 so zu behandeln, als hätte die Antragstellerin durch das mit Schreiben vom 08.11.2011 abgegebene Angebot auf Beitritt zu dem "Vertrag gemäß 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlage" bezogen auf den Versorgungsbereich "Stoma" den Status als Vertragspartner erlangt.
112. Diese Regelung genießt Gültigkeit bis zum 31.12.2013. Sie verliert ihre Gültigkeit, wenn die Antragstellerin nicht bis spätestens 31.08.2012 in der Hauptsache Klage mit dem Ziel erhoben haben wird, aufgrund des Teilbeitritts zu dem unter Ziffer 1 genannten Vertrag das Rechtsverhältnis gegenüber dem Antragsgegner feststellen zu lassen. Unabhängig hiervon verliert die Vereinbarung die Gültigkeit mit rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens.
123. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
134. Die Antragstellerin erklärt das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für erledigt.
145. Der Antragsgegner stimmt der Erledigungserklärung zu."
15Die Klägerin hat vor dem 31.08.2012 Klage vor dem Sozialgericht Köln mit der Feststellung erhoben, dass der Teilbeitritt zu dem Homecare-Vertrag ab dem 01.07.2012 seitens der Beklagten anerkannt werde. Das Hauptsacheverfahren ist vor dem Sozialgericht Köln noch anhängig.
16Im Juli 2012, also nach Abschluss der Eilverfahren, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Vergütungsansprüche hinsichtlich der versorgten Mitglieder der Beklagten geltend gemacht. Hierzu hatte sie dieser in tabellarischer Form eine Liste übersandt. Mit E-Mail vom 18.07.2012 teilte die Beklagte mit, dass nach sporadischer Prüfung die Abrechnungsvoraussetzungen teilweise nicht vorlägen. Sie bat um Einreichung der Unterlagen über die Plattform AIQ-online. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen im Nachgang zu dieser E-Mail bei der Beklagten ein. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht.
17Die Klägerin hat am 22.08.2012 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 30.824 Euro geltend gemacht. Sie trägt im Wesentlichen vor. Die Versorgungsberechtigung der Klägerin ergebe sich aus dem Apothekenvertrag, dem sie wirksam beigetreten sei. Ihr stehe ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 252, § 127 Abs. 2a SGB V i.V.m. dem Apothekenvertrag zu. Die Beklagte habe eine Pflichtverletzung begangen, indem sie die Versorgungsberechtigung der Klägerin ab dem 01.10.2011 nicht anerkannt habe und eine Umsteuerung der Versicherten vorgenommen habe. Es sei zu einem Kundenverlust gekommen, der bei dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, hätte vermieden werden können. Hinsichtlich nicht erstatteter Hilfsmittellieferungen sei ihr ein konkreter Schaden in Höhe von 15.686 Euro entstanden. Der entgangene Gewinn belaufe sich auf 15.138 Euro. Hierbei sei von der durchschnittlichen Versorgungsdauer eines Versicherten auszugehen, wenn die Beklagte die Versorgungsberechtigung anerkannt hätte. Es sei zwischen dauerhaften und temporären Patienten zu unterscheiden. Bei dauerhaften Patienten sei von 30 Monaten und bei temporären Patienten von 10 Monaten (Stoma) und 16 Monaten (Inkontinenz) auszugehen. Hinsichtlich der Höhe sei von den schlechteren Konditionen des Homecarevertrages ausgegangen. Im Bereich Stoma seien dies 210 Euro pro Patient/Monat. Im Bereich Inkontinenz seien dies 300 Euro pro Patient/Monat. Es sei von einer Gewinnquote in Höhe von 10% auszugehen, was der Umsatzrendite der Klägerin im Jahr 2010 entspreche.
18Die Klägerin beantragt,
19die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.824,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
21die Klage abzuweisen.
22Sie trägt im Wesentlichen vor: Es werde eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit angeregt. Es bestehe für sie keine Bindung an den Apothekenvertrag. Die vom LSG NW in seinem Beschluss vertretene Auffassung sei nicht haltbar. Der Krankenkassenverband, habe damals nicht mit Vollmacht der Beklagten gehandelt. Der Beitritt der Klägerin sei unwirksam. Hinsichtlich der Erstattungsansprüche für erbrachte Leistungen respektiere sie den Beschluss des LSG. Allerdings entbinde dies die Klägerin nicht von der Pflicht, die Abrechnungsmodalitäten des Apothekenvertrages einzuhalten. Die Ermittlungen, ob nun sämtliche Unterlagen vorlägen seien aber noch nicht abgeschlossen. Entgangenen Gewinn könne die Klägerin für den Bereich Inkontinenz nur auf den Apothekenvertrag stützen. Für den Bereich Stoma kämen sowohl der Apothekenvertrag als auch der Homecarevertrag in Betracht. Da letztere Gegenstand des Verfahrens in Köln sei, werde angeregt, das Hauptsacheverfahren abzuwarten.
23Zu den weiteren Einzelheiten- des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verfahrensakten S 11 KR 1152/11 ER Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Das Gericht konnte die Sache entscheiden, auch ohne das die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend gewesen ist. Diese ist ordnungsgemäß geladen worden und hat ihr Fernbleiben nicht entschuldigt.
26Die Klage hat Erfolg.
27Die Klage ist zulässig und begründet.
28Das Sozialgericht Düsseldorf ist örtlich zuständig. Dies ergibt sich aus § 57 a Abs. 3 SGG. Vorliegend macht die Klägerin Ansprüche aus dem Apothekenvertrag sowie Schadensersatzansprüche auf Grundlage dieses Vertrages geltend. Bei dem Apothekenvertrag handelt es sich um einen Vertrag auf Landesebene, so dass sich die Zuständigkeit des Sozialgerichts Düsseldorf ergibt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verweisungsbeschlusses des Sozialgerichts Berlin in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 11 KR 1152/11 ER vom 06.12.2011 verwiesen.
29Die Klage ist auch begründet.
30Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung i.H.v. insgesamt 30.824,00 EUR. In Höhe von 15.686,00 EUR ergibt sich dieser Anspruch für erbrachte und von der Beklagten nicht erstattete Lieferungen aus §§ 6, 7, 8 des Apothekenvertrages und i.H.v. 15.138,00 EUR aus §§ 280, 252 BGB i.V.m. § 127 Abs. 2 a SGB V i.V.m. dem Apothekenvertrag als entgangener Gewinn.
31Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Apothekenvertrag zwischen den Beteiligten vom 01.10.2011 bis 30.06.2012 wirksame Vertragsgrundlage geworden. Die von der Beklagten in ihrem einzigen Schriftsatz im Rahmen dieses Verfahrens vorgebrachten Argumente, vermögen das Gericht nicht zu überzeugen. Diese Argumente hatte die Beklagte bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Landessozialgericht geltend gemacht. Das Landessozialgericht hat in seinem Beschluss vom 10.06.2012 diese Argumente sämtlich verworfen und ist von einer Wirksamkeit des Apothekenvertrages zwischen den Beteiligten ausgegangen. Zwar ist diese Entscheidung nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergangen. Das Landessozialgericht hat im Rahmen des Streitwertfestsetzungsverfahrens im Beschluss vom 18.10.2012 jedoch ausgeführt, dass mit dem Beschluss des Senats vom 10.05.2012 letztlich die Hauptsache vorweggenommen worden sei. Insoweit schließt sich das Gericht hinsichtlich der Wirksamkeit des zwischen den Beteiligten geltenden Apothekenvertrages den Ausführungen des LSG an.
32Auf Grundlage des zwischen den Beteiligten geltenden Apothekenvertrages war die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin im Zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2012 erbrachten Hilfsmittellieferungen an die Versicherten der Beklagten zu erstatten. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Klageschrift eine detaillierte Übersicht über ihre Hilfsmittellieferungen ab dem 01.10.2011 bei Gericht eingereicht. Soweit die Beklagte einwendet, dass die Klägerin sich insoweit auch an die Regelungen des Apothekenvertrages zu halten habe und entsprechende Unterlagen nicht vorliegen würden, ist dieser Einwand zwar grundsätzlich berechtigt. Die Klägerin hat jedoch substantiiert dargelegt, welche Hilfsmittellieferungen sie zu welchem Zeitpunkt an die entsprechenden versicherten Personen erbracht hat. Im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung hat sie auszugsweise Abrechnungsunterlagen vorgelegt, die sie bei der Beklagten nach deren Aufforderung noch eingereicht hat. Diese Abrechnungen sieht das Gericht als ausreichend an, um die im Apothekenvertrag festgelegten Voraussetzungen als gegeben anzusehen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte im gesamten Gerichtsverfahren diesem substantiierten Vortrag nicht ernsthaft entgegengetreten ist. Vielmehr hat sie sich nach ihrem Klageerwiderungsschriftsatz überhaupt nicht mehr zum Verfahren geäußert und hat auch ohne nähere Begründungen nicht an den gerichtlichen Terminen teilgenommen.
33Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin erbrachten Hilfsmittellieferungen an die Versicherten i.H.v. 15.686,00 EUR zu erstatten. Das Gericht nimmt hinsichtlich der Berechnung Bezug auf die Anlagen K13 und K 14 der Klägerin, die es nach Prüfung für schlüssig erachtet.
34Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 15.138,00 EUR gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.
35Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand für den Zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2012 ein Schuldverhältnis in Form des Apothekenvertrages. Dass dieser Vertrag zwischen den Beteiligten wirksam ist, ist bereits oben festgestellt worden.
36Aus diesem Vertrag ergibt sich die Pflicht der Beklagten, die Klägerin als Hilfsmittellieferant aus den Bereichen Stoma und Inkontinenz anzuerkennen und deren Hilfsmittellieferungen entsprechend zu vergüten. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie immer wieder behauptet hat, dass ein wirksames Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten nicht bestehe. Insoweit stellt es eine Pflichtverletzung dar, dass die Beklagte nach Auslaufen des GWQ-Vertrages die Versicherten, die von der Klägerin beliefert wurden, angeschrieben hat, um diese auf ihr sog. "Premiumpartner" umzusteuern. Wie bereits ausgeführt, bestand zwischen den Beteiligten eine wirksame vertragsrechtliche Grundlage, um auch diese gesicherten Verhältnisse fortzuführen.
37Die Beklagte handelte schuldhaft. So ist hier jedenfalls von einem zumindest grob fahrlässigem Verhalten der Beklagten auszugehen, indem sie die vertraglichen Beziehungen zu der Klägerin im streitigen Zeitpunkt leugnete. Im Übrigen hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, die gegen ein Verschulden im vorliegenden Fall sprechen könnten.
38Die schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten war auch kausal dafür, dass die Versicherten, die seitens der Klägerin beliefert wurden, sich von einem anderen Hilfsmittellieferanten haben ab dem 01.10.2011 beliefern lassen. Dass hierfür andere Gründe, etwa Schlechtleistung der Klägerin, für einen Wechsel der Versicherten kausal waren, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch aufgrund des tatsächlichen Geschehensablaufs als wahrscheinlich anzusehen. Ausschlaggebend für den Wechsel der Kunden war vielmehr die Nichtanerkennung der vertraglichen Beziehungen und der Umsteuerungsschreiben seitens der Beklagten.
39Da die Beklagte hier eine Pflichtverletzung begangen hat, ist sie gemäß § 249 BGG verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als ob die vertragliche Beziehung auf Grundlage des Apothekenvertrages fortgeführt worden wäre. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Apothekenvertrages umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach der getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 Satz 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt eine gewisse, nicht zwingend überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Erzielen des Gewinns (vgl. BGB, Urteil vom 26.07.2005, XZR 134/04). An die Darstellung des hypothetischen Geschehensablaufs dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGB, NJW 1993, 2673). Im Zweifel ist anzunehmen, dass das Betriebsergebnis ohne die Verletzung der vertraglichen Pflichten nicht schlechter gewesen wäre, als das mit der Ersatzkraft tatsächlich erzielte Ergebnis (BGH, NJW 1997, 941).
40Hätte die Beklagte den Apothekenvertrag als wirksame Vertragsgrundlage anerkannt und eine Umsteuerung der Versicherten, die von der Klägerin beliefert wurden, nicht vorgenommen, wären diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Kunden bei der Klägerin geblieben. Die Klägerin hat detailliert dargelegt und begründet – und für jeden Versicherten im Einzelfall dargelegt - wie lange sie diesen noch beliefert hätte. Substantiierte Einwendungen seitens der Beklagten sind gegen diese Berechnungsweise, die das Gericht als vollkommen schlüssig ansieht, nicht ansatzweise geltend gemacht worden. So hält das Gericht die von der Klägerin getroffenen Annahmen für sachgerecht. Zutreffend ist von einer durchschnittlichen Versorgungsdauer eines Versicherten auszugehen, wenn die Beklagte die Versorgungsberechtigung anerkannt hätte. Die Klägerin hat insoweit zwischen dauerhaften und temporären Patienten unterschieden. Bei dauerhaften Patienten ist sie von insgesamt 30 Monaten und bei temporären Patienten von insgesamt 10 Monaten im Bereich Stoma und 16 Monaten im Bereich Inkontinenz ausgegangen. Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden. Da sie von den schlechteren Konditionen des Homecarevertrages ausgegangen ist, ist dieser Schaden auf Grundlage des Apothekenvertrages mit umfasst. Dass die Klägerin hier eine Kostenquote von 90 % in Abzug gebracht hat, um so den entgangenen Gewinn zu berechnen, ist nicht zu beanstanden.
41Dass der entgangene Gewinn auch für den Zeitraum, der nicht mehr unter den bis zum 30.06.2012 geltenden Apothekenvertrag fällt, zu berücksichtigen ist, hängt mit dem Umstand zusammen, dass die von der Beklagten begangene Pflichtverletzung in den Zeitraum des geltenden Apothekenvertrages fällt. Denn Entscheidend ist, dass die Beklagte durch ihr Verhalten in der Vergangenheit dazu beigetragen hat, dass die Kunden der Klägerin durch den Umsteuerungsprozess zu einem anderen Versorger gewechselt sind. Insoweit kommt es auf die Frage, ob der Teilbeitritt zum Homecare-Vertrag wirksam erklärt worden ist, nicht an. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Sozialgericht Köln war daher nicht erforderlich.
42Der Klägerin steht ein Anspruch auf Prozesszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO seit Rechtshängigkeit, d.h. seit dem 22.08.2012 zu.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a iV.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die beantragte vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils war wegen § 198 Abs. 2 SGG nicht auszusprechen.
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Referenzen
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- 5 KR 101/12 1x (nicht zugeordnet)
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- § 127 Abs. 2a SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 198 1x
- § 127 Abs. 2 a SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- 16 KR 100/12 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 57a 1x
- § 249 BGG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 127 Abs. 2 SGB V 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 288 Gerichtliches Geständnis 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 2x
- ZPO § 291 Offenkundige Tatsachen 1x