Urteil vom Sozialgericht Karlsruhe - S 9 KR 1621/17

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.342,24 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird endgültig auf 1.342,24 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.342,24 EUR, insbesondere um die Kodierung der durchgeführten Prozeduren sowie der dadurch abzurechnenden „Diagnosis Related Groups“ (DRG, deutsch: Diagnosebezogene Fallgruppen).
Die Klägerin ist Trägerin der „St. V...-Kliniken“ in K.... Das Krankenhaus ist durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen. Vom 04.11.2011 bis zum 25.11.2011 befand sich der bei der Beklagten gesetzlich versicherte ... (im Folgenden: der Versicherte) in stationärer Behandlung in den „St. V...-Kliniken“ wegen einer chronisch-lymphatischen Leukämie.
Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten am 01.12.2011 unter Zugrundelegung der DRG R61A zusammen mit dem Zusatzentgelt (ZE) 60.01, dargestellt durch den „Operationen- und Prozedurenschlüssel“ (OPS) 8-982.1 Palliativmedizinische Komplexbehandlung, insgesamt 16.892,58 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig.
Im Auftrag der Beklagten leitete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Prüfung der Abrechnung ein. In einem Gutachten vom 11.09.2012 gelangte er zu dem Ergebnis, der verschlüsselte OPS 8-982.1 Palliativmedizinische Komplexbehandlung sei nicht abrechenbar. Die angestellten Seelsorger des Krankenhauses seien im Sinne der Mindestmerkmale des OPS nicht berücksichtigungsfähig.
Basierend auf den Feststellungen des MDK zeigte die Beklagte am 17.05.2013 an, sie werde dennoch den ursprünglichen Rechnungsbetrag mit unstreitigen Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen in Höhe von 1.581,23 EUR verrechnen.
Das Krankenhaus trat den Behauptungen der Beklagten entgegen und führte aus, es beschäftige ein Seelsorgerteam. Zu dem Team zähle insbesondere Frau ... ..., die angestellte Seelsorgerin des Krankenhauses sei.
Der MDK erstattete auf den Widerspruch der Klägerin hin am 10.04.2015 ein weiteres Gutachten. Er führte aus, auch zweitgutachterlich habe lediglich 340 Minuten berücksichtigungsfähige Therapiezeit ermittelt werden können. Der Seelsorger gehöre nicht zur Gruppe der Therapeuten/Behandler. Somit seien die Leistungen eines Seelsorgers nicht bei der Therapiezeit zu berücksichtigen.
Die Verrechnung erfolgte am 17.06.2013 erfolgte in Höhe von 1.342,24 EUR. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem ZE 60.01 abzüglich der ehemals in der Verrechnung ebenfalls enthaltenen Aufrechnungsdifferenz des von der Klägerin im Widerspruchsverfahren anerkannten ZE 42.07 und dem ZE 42.06.
Daher hat die Klägerin am 12.05.2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Beklagte habe übersehen, dass Frau ... sich insgesamt für 90 Minuten mit dem Versicherten unterhalten bzw. beschäftigt habe, woraus zusammen mit den im Gesprächsprotokoll notierten Leistungen weiterer Therapeuten mehr als sechs Stunden Gespräche pro Woche erfolgt seien. Die Mindestmerkmale des OPS 8-982.1 seien erfüllt und die Abrechnung daher ordnungsgemäß gewesen. Der OPS sei streng nach dem Wortlaut zu handhaben. In diesem lassen sich keine Hinweise finden, dass Seelsorger nicht zum Behandlungsteam gehören würden oder davon explizit ausgeschlossen seien. Teil einer ganzheitlichen Behandlung, insbesondere der psychosozialen Stabilisierung, sei die seelsorgerische Betreuung gerade in einer palliativ-medizinischen Situation. Die Aufrechnung der Beklagten habe deswegen zu Unrecht erfolgt.
10 
Die Klägerin beantragt zuletzt,
11 
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.342,24 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2013 zu zahlen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Sie ist der Auffassung, ein Seelsorger könne nicht als Therapeut im Sinne des OPS 8-982.1 angesehen und damit seine Leistung auch nicht als Therapiezeit angerechnet werden. Hierzu stützt sie sich auf die Kodierempfehlung der Sozialmedizinischen Expertengruppe der MDK-Gemeinschaft „Vergütung und Abrechnung“ (SEG 4) Nr. 428. Eine seelsorgerische Tätigkeit könne nur als Betreuung im geistlich/religiösen Sinne eingeordnet werden. Ein Seelsorger unterliege der Schweigepflicht und sei daher kein Behandler.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg.
I.
17 
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der Vergütung für die Behandlung eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
18 
Die Klage ist im vollen Umfang begründet. Die Klägerin hat für den Behandlungsfall des Versicherten nach der DRG R61A und dem ZE 60.01 einen noch unerfüllten Vergütungsanspruch in Höhe von 1.342,24 EUR. Der Beklagten selbst stand insoweit kein Erstattungsanspruch in selbiger zu, mit dem sie gegen eine unstreitige Forderung des Klägers hätte aufrechnen können (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG, Urteil vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 33/12 R; Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 24/13 R). Dem Kläger stehen daher zu Recht noch weitere 1.342,24 EUR Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten zu.
19 
1. a) Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 7 Abs. l S. l Nr. l Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausgesetz (KHG).
20 
Nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage von DRG orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden.
21 
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen, sogenannten DRG, geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S. 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodierrichtlinien des Jahres 2011 (DKR 2011) und der OPS in der Version 2011. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. In diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS eine bestimmte DRG angesteuert.
22 
Zusätzlich zu einer Fallpauschale dürfen gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 FPV in Verbindung mit § 9 KHEntgG unter anderem auch bundeseinheitlich bewertete Zusatzentgelte nach dem Zusatzentgelte-Katalog nach Anlage 2 beziehungsweise Anlage 5 FPV abgerechnet werden.
23 
b) Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgaben hat die Klägerin die DRG R61A und das ZE 60.01 zu Recht kodiert. Zu der in OPS 8-982 geforderten „aktiven, ganzheitlichen Behandlung zur Symptomkontrolle und psychosozialen Stabilisierung“ ist nach Einschätzung des Gerichts die spirituelle Begleitung von Palliativpatienten als integraler Bestandteil.
24 
aa) Der 6. Spiegelstrich des OPS 8-982 fordert wortwörtlich den „Einsatz von mindestens zwei der folgenden Therapiebereichen: Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie, Physiotherapie, Künstlerische Therapie (Kunst- und Musiktherapie), Entspannungstherapie, Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche mit insgesamt mindestens 6 Stunden pro Patient und Woche in patientenbezogenen unterschiedlichen Kombinationen (die Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche können von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden).“
25 
Der OPS ist streng nach seinem Wortlaut zu handhaben (vgl. BSG, Beschluss vom 19.07.2012, Az.: B 1 KR 65/11 B). Der vom DIMDI herausgegebene OPS ist dadurch charakterisiert, dass er Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe definiert und strukturiert. Die Inkorporierung dieser Klassifikation in die Vergütungsvorschriften bedeutet – soweit die Vertragsparteien nicht etwas Anderes ausdrücklich bestimmen –, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird.
26 
(1) Das Gericht zieht zur Bestimmung der Frage, ob Seelsorger dem Behandlungsteam im Sinne des OPS 8-982 unterfallen, zuvorderst die Begriffsbestimmung für die diesem OPS zugrundeliegende Palliativmedizin heran. Maßgeblich ist somit vor allem die Definition der World Health Organization (WHO). Hiernach ist die Palliativmedizin bzw. Palliative Care ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. Das Gericht erkennt zwar an, dass die psychotherapeutische Arbeit mit pathologischen Dynamiken nicht in den Kompetenzbereich eines Seelsorgers fällt. Dennoch erachtet es die Seelsorge als eine eigenständige Tätigkeit spiritueller Art im Sinne der Definition der WHO, die einen selbständigen Charakter im Vergleich zur Psychotherapie besitzt und daher dem umfassenden Behandlungskonzept der Palliativmedizin zuzuordnen ist.
27 
(2) Im Unterschied zum herkömmlichen Verständnis der Krankenhausseelsorge – als von der Behandlung unabhängiges, ergänzendes Angebot – übernimmt die Seelsorge im Palliativkontext anteilige Verantwortung am Therapieplan. Dies geschieht durch eine gezielte Identifikation von spirituellen Belastungsfaktoren und Ressourcen. Ziel ist die Einbeziehung der spirituellen und existentiellen Dimension von Leid und Lebensqualität in die multimodale Therapieplanung. Adressaten sind dabei Patienten und Angehörige sowie das gesamte Team. Die Selbstverständlichkeit der Einbindung der Seelsorge zeigt sich in der Teilnahme an multiprofessionellen Fall- und multidisziplinären Teambesprechungen und Teamsupervision. Dokumentation von Leistungen erfolgt dabei selbstverständlich unter Wahrung des Seelsorgegeheimnisses in der Patientendokumentation (vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zur Relevanz des seelsorgerischen Beitrags zur palliativmedizinischen Komplexbehandlung vom 09.05.2012, veröffentlicht unter: http://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Stellungnahme%20Seelsorge%2009052012.pdf). Der Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung hat sich der Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin angeschlossen. Das Gericht folgt dessen Begründung, dass fachliche Inhalte von prozeduralen Leistungen vorrangig durch Fachgesellschaften definiert werden. Der Einwand der Beklagten, der Seelsorger unterliege einer Schweigepflicht, ist irrelevant, da gleichfalls Ärzte wie auch Pflegekräfte und Therapeuten ebenso der Schweigepflicht unterliegen. Der für eine palliativmedizinische Komplexbehandlung erforderliche Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern des Behandlungsteams kann gleichwohl unter Wahrung der Schweigepflicht erfolgen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der jeweilige Patient die Mitglieder des Behandlungsteams – was regelmäßig geschehen wird – von der Schweigepflicht befreien kann.
28 
(3) Ferner entspricht dieses Ergebnis ebenso dem Verständnis der Palliativmedizin im Rahmen der Regelung des § 37b SGB V. Zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sind akzessorisch zu den medizinischen sowie pflegerischen Leistungsaspekten diesen dienende psychosoziale, spirituelle und organisatorisch-koordinierende Aspekte zu zählen (vgl. Rixen in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 6. Auflage 2018, § 37b SGB V, Rn. 9; Bundestags-Drucksachen 16/3100, Seite 105).
29 
(4) Dagegen folgt die erkennende Kammer nicht der SEG 4-Kodierempfehlung Nr. 428. Diese lautet, dass die Pateinten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden können. Der Seelsorger gehöre nicht zur Gruppe der Therapeuten/Behandler. Somit seien die Leistungen eines Seelsorgers nicht bei der Therapiezeit zu berücksichtigen. Dieses Verständnis von Seelsorge im Bereich der Palliativmedizin läuft eklatant den Definitionen und Begriffseingrenzungen durch die einschlägigen Fachgesellschaften der WHO und der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin entgegen und ist daher nicht zur Auslegung des Wortlauts heranzuziehen. Darüber hinaus hat es nach Auffassung des Gerichts keiner expliziten Nennung des Seelsorgers in dem OPS 8-982 bedurft. Denn bereits der Klammerzusatz, die Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche können von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden, umfasst in seiner absichtlichen Breite die Berufsgruppe des Seelsorgers mit. Der Begriff des Patientengesprächs ist angesichts des Umstands, dass dieses von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden kann, ausreichend weit, aber auch durch die Koppelung an den Begriff des Behandlungsteams ausreichend bestimmt, um eine uferlose Ausweitung zu vermeiden. Weil die palliativmedizinische Komplexbehandlung auf einen multimodalen Therapieansatz besitzt, der auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten werden soll, wäre eine positive Nennung aller dem Behandlungsteam zuzuordnenden Berufsgruppen im OPS 8-982 angesichts seiner möglichen Breite der Sache vielmehr hinderlich. Im Übrigen würde der OPS 8-982 ansonsten nicht von „Berufsgruppen“ sprechen, sondern von Therapeuten.
30 
cc) Zum Behandlungsteam im Krankenhaus der Klägerin bei palliativmedizinischer Komplexbehandlung zählt somit auch das Seelsorgeteam. Frau ... ..., angestellte Arbeitnehmerin der Klägerin, ist Teil des Seelsorgeteams und wurde im Rahmen der Behandlung des Versicherten tätig. Sie zählt folglich zum Behandlungsteam im Sinne des OPS 8-982. Ihre Gespräche sind daher bei der erforderlichen Mindestanzahl von sechs Stunden pro Woche und Patient berücksichtigungsfähig. Hieraus folgt, dass die erforderliche Mindeststundenanzahl im vorliegenden Behandlungsfall erreicht wird.
31 
2. Die Beklagte hat der Klägerin im vorliegenden Fall keine Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt. Unter Berücksichtigung dessen war die Verrechnung der Beklagten in Höhe von 1.342,24 EUR rechtswidrig. Der Beklagten stand insofern kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, mit dem sie hätte aufrechnen können. Die ehemals zur Aufrechnung herangezogene und unstreitige Forderung des Klägers ist demnach in dieser Höhe nicht erloschen.
32 
Nach alledem hat der Kläger noch einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung in Höhe von 1.342,24 EUR.
33 
3. Der Zinsanspruch folgt aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 291 BGB.
II.
34 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
III.
35 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 40, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe

 
16 
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg.
I.
17 
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der Vergütung für die Behandlung eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
18 
Die Klage ist im vollen Umfang begründet. Die Klägerin hat für den Behandlungsfall des Versicherten nach der DRG R61A und dem ZE 60.01 einen noch unerfüllten Vergütungsanspruch in Höhe von 1.342,24 EUR. Der Beklagten selbst stand insoweit kein Erstattungsanspruch in selbiger zu, mit dem sie gegen eine unstreitige Forderung des Klägers hätte aufrechnen können (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG, Urteil vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 33/12 R; Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 24/13 R). Dem Kläger stehen daher zu Recht noch weitere 1.342,24 EUR Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten zu.
19 
1. a) Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 7 Abs. l S. l Nr. l Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausgesetz (KHG).
20 
Nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage von DRG orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden.
21 
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen, sogenannten DRG, geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S. 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodierrichtlinien des Jahres 2011 (DKR 2011) und der OPS in der Version 2011. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. In diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS eine bestimmte DRG angesteuert.
22 
Zusätzlich zu einer Fallpauschale dürfen gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 FPV in Verbindung mit § 9 KHEntgG unter anderem auch bundeseinheitlich bewertete Zusatzentgelte nach dem Zusatzentgelte-Katalog nach Anlage 2 beziehungsweise Anlage 5 FPV abgerechnet werden.
23 
b) Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgaben hat die Klägerin die DRG R61A und das ZE 60.01 zu Recht kodiert. Zu der in OPS 8-982 geforderten „aktiven, ganzheitlichen Behandlung zur Symptomkontrolle und psychosozialen Stabilisierung“ ist nach Einschätzung des Gerichts die spirituelle Begleitung von Palliativpatienten als integraler Bestandteil.
24 
aa) Der 6. Spiegelstrich des OPS 8-982 fordert wortwörtlich den „Einsatz von mindestens zwei der folgenden Therapiebereichen: Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psychologie, Physiotherapie, Künstlerische Therapie (Kunst- und Musiktherapie), Entspannungstherapie, Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche mit insgesamt mindestens 6 Stunden pro Patient und Woche in patientenbezogenen unterschiedlichen Kombinationen (die Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche können von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden).“
25 
Der OPS ist streng nach seinem Wortlaut zu handhaben (vgl. BSG, Beschluss vom 19.07.2012, Az.: B 1 KR 65/11 B). Der vom DIMDI herausgegebene OPS ist dadurch charakterisiert, dass er Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe definiert und strukturiert. Die Inkorporierung dieser Klassifikation in die Vergütungsvorschriften bedeutet – soweit die Vertragsparteien nicht etwas Anderes ausdrücklich bestimmen –, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird.
26 
(1) Das Gericht zieht zur Bestimmung der Frage, ob Seelsorger dem Behandlungsteam im Sinne des OPS 8-982 unterfallen, zuvorderst die Begriffsbestimmung für die diesem OPS zugrundeliegende Palliativmedizin heran. Maßgeblich ist somit vor allem die Definition der World Health Organization (WHO). Hiernach ist die Palliativmedizin bzw. Palliative Care ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. Das Gericht erkennt zwar an, dass die psychotherapeutische Arbeit mit pathologischen Dynamiken nicht in den Kompetenzbereich eines Seelsorgers fällt. Dennoch erachtet es die Seelsorge als eine eigenständige Tätigkeit spiritueller Art im Sinne der Definition der WHO, die einen selbständigen Charakter im Vergleich zur Psychotherapie besitzt und daher dem umfassenden Behandlungskonzept der Palliativmedizin zuzuordnen ist.
27 
(2) Im Unterschied zum herkömmlichen Verständnis der Krankenhausseelsorge – als von der Behandlung unabhängiges, ergänzendes Angebot – übernimmt die Seelsorge im Palliativkontext anteilige Verantwortung am Therapieplan. Dies geschieht durch eine gezielte Identifikation von spirituellen Belastungsfaktoren und Ressourcen. Ziel ist die Einbeziehung der spirituellen und existentiellen Dimension von Leid und Lebensqualität in die multimodale Therapieplanung. Adressaten sind dabei Patienten und Angehörige sowie das gesamte Team. Die Selbstverständlichkeit der Einbindung der Seelsorge zeigt sich in der Teilnahme an multiprofessionellen Fall- und multidisziplinären Teambesprechungen und Teamsupervision. Dokumentation von Leistungen erfolgt dabei selbstverständlich unter Wahrung des Seelsorgegeheimnisses in der Patientendokumentation (vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zur Relevanz des seelsorgerischen Beitrags zur palliativmedizinischen Komplexbehandlung vom 09.05.2012, veröffentlicht unter: http://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Stellungnahme%20Seelsorge%2009052012.pdf). Der Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung hat sich der Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin angeschlossen. Das Gericht folgt dessen Begründung, dass fachliche Inhalte von prozeduralen Leistungen vorrangig durch Fachgesellschaften definiert werden. Der Einwand der Beklagten, der Seelsorger unterliege einer Schweigepflicht, ist irrelevant, da gleichfalls Ärzte wie auch Pflegekräfte und Therapeuten ebenso der Schweigepflicht unterliegen. Der für eine palliativmedizinische Komplexbehandlung erforderliche Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern des Behandlungsteams kann gleichwohl unter Wahrung der Schweigepflicht erfolgen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der jeweilige Patient die Mitglieder des Behandlungsteams – was regelmäßig geschehen wird – von der Schweigepflicht befreien kann.
28 
(3) Ferner entspricht dieses Ergebnis ebenso dem Verständnis der Palliativmedizin im Rahmen der Regelung des § 37b SGB V. Zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sind akzessorisch zu den medizinischen sowie pflegerischen Leistungsaspekten diesen dienende psychosoziale, spirituelle und organisatorisch-koordinierende Aspekte zu zählen (vgl. Rixen in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 6. Auflage 2018, § 37b SGB V, Rn. 9; Bundestags-Drucksachen 16/3100, Seite 105).
29 
(4) Dagegen folgt die erkennende Kammer nicht der SEG 4-Kodierempfehlung Nr. 428. Diese lautet, dass die Pateinten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden können. Der Seelsorger gehöre nicht zur Gruppe der Therapeuten/Behandler. Somit seien die Leistungen eines Seelsorgers nicht bei der Therapiezeit zu berücksichtigen. Dieses Verständnis von Seelsorge im Bereich der Palliativmedizin läuft eklatant den Definitionen und Begriffseingrenzungen durch die einschlägigen Fachgesellschaften der WHO und der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin entgegen und ist daher nicht zur Auslegung des Wortlauts heranzuziehen. Darüber hinaus hat es nach Auffassung des Gerichts keiner expliziten Nennung des Seelsorgers in dem OPS 8-982 bedurft. Denn bereits der Klammerzusatz, die Patienten-, Angehörigen- und/oder Familiengespräche können von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden, umfasst in seiner absichtlichen Breite die Berufsgruppe des Seelsorgers mit. Der Begriff des Patientengesprächs ist angesichts des Umstands, dass dieses von allen Berufsgruppen des Behandlungsteams durchgeführt werden kann, ausreichend weit, aber auch durch die Koppelung an den Begriff des Behandlungsteams ausreichend bestimmt, um eine uferlose Ausweitung zu vermeiden. Weil die palliativmedizinische Komplexbehandlung auf einen multimodalen Therapieansatz besitzt, der auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten werden soll, wäre eine positive Nennung aller dem Behandlungsteam zuzuordnenden Berufsgruppen im OPS 8-982 angesichts seiner möglichen Breite der Sache vielmehr hinderlich. Im Übrigen würde der OPS 8-982 ansonsten nicht von „Berufsgruppen“ sprechen, sondern von Therapeuten.
30 
cc) Zum Behandlungsteam im Krankenhaus der Klägerin bei palliativmedizinischer Komplexbehandlung zählt somit auch das Seelsorgeteam. Frau ... ..., angestellte Arbeitnehmerin der Klägerin, ist Teil des Seelsorgeteams und wurde im Rahmen der Behandlung des Versicherten tätig. Sie zählt folglich zum Behandlungsteam im Sinne des OPS 8-982. Ihre Gespräche sind daher bei der erforderlichen Mindestanzahl von sechs Stunden pro Woche und Patient berücksichtigungsfähig. Hieraus folgt, dass die erforderliche Mindeststundenanzahl im vorliegenden Behandlungsfall erreicht wird.
31 
2. Die Beklagte hat der Klägerin im vorliegenden Fall keine Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt. Unter Berücksichtigung dessen war die Verrechnung der Beklagten in Höhe von 1.342,24 EUR rechtswidrig. Der Beklagten stand insofern kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, mit dem sie hätte aufrechnen können. Die ehemals zur Aufrechnung herangezogene und unstreitige Forderung des Klägers ist demnach in dieser Höhe nicht erloschen.
32 
Nach alledem hat der Kläger noch einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung in Höhe von 1.342,24 EUR.
33 
3. Der Zinsanspruch folgt aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 291 BGB.
II.
34 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
III.
35 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 40, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

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