Urteil vom Sozialgericht Mainz (14. Kammer) - S 14 KR 19/14

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.780,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22. März 2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 4.780,91 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 4.780,91 Euro nebst Zinsen durch Änderung der Fallpauschale.

2

Die Klägerin ist die U.M. (nachfolgend Klinik). Die Beklagte ist die gesetzliche Krankenversicherung der Patientin L.S., geb. 1918 (nachfolgend: Versicherte). Die Versicherte wurde vom 26. April bis 5. Mai 2010 wegen einer pertrochantären Fermurfraktur (besondere Form des Oberschenkelbruchs) stationär in der Klinik behandelt.

3

Am 10. Mai 2010 stellte die Klägerin der Beklagten wegen der Behandlung auf Grundlage der DRG I08C (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, kompl. Proz. od. Diagnose, äußerst schw. CC od. bei Zerebralparese oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität od. Wirbelsäule, Alter > 15 Jahre od. bei Para- / Tetraplegie), einer Verweildauer von neun Tagen und einem Landesbasisfallwert von 3.120,00 Euro insgesamt 11.716,94 Euro in Rechnung. Die Kodierung enthielt unter anderem die Prozeduren nach OPS 2010

4

5-793.5f

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch dynamische Kompressionsschraube: Femur proximal

5-793.3f

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Platte: Femur proximal

5

Zur Kodierung im Übrigen, zu den Zuschlägen und der Zuzahlung wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Rechnung (Bl. 8 d. GA) verwiesen.

6

Die Rechnung wurde zunächst am 27. Mai 2010 bezahlt.

7

Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren beim Sozialmedizinischen Dienst (SMD), der für die Beklagte als Medizinischen Dienst der Krankenversicherung fungiert ein. Der SMD kam in einem Gutachten unter der Annahme einer geschlossenen Reposition und Osteosynthese zum Ergebnis, dass die o.g. Kodes nicht zu kodieren gewesen seien. Vielmehr seien ersatzweise folgende OPS 2010 zu kodieren:

8

5-790.8f

Geschlossene Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteosynthese: Durch dynamische Kompressionsschraube: Femur proximal

        

5-786.0

Osteosyntheseverfahren: Durch Schraube

        
9

Dies führe in die Fallpauschale I08E (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexer Prozedur oder Diagnose oder äußerst schweren CC oder mit Osteotomie oder Muskel- / Gelenkplastik).

10

Die Beklagte berechnete, dass die Fallpauschale aufgrund der durch den SMD vorgeschlagenen Berechnung 6.935,76 Euro betrage (Bl. 14 d. VA).

11

Mit Schreiben vom 16. März 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich ein neuer Zahlbetrag in Höhe von 6.936,03 Euro ergäbe. Man werde den überzahlten Betrag an einer der nächsten Rechnungen einbehalten. Am 16. März 2011 verrechnete sie die volle Rechnung mit einer unstreitigen anderen Krankenhausvergütung und überwies für die Behandlung der Versicherten 6.936,03 Euro.

12

Der SMD kam in einem weiteren Gutachten vom 20. April 2012, aus Anlass eines in der Verwaltungsakte nicht vorhandenen Schreibens der Klinik vom 9. Februar 2012, zum Ergebnis, dass in der Tat eine offene Reposition erfolgt sei. Mit der Verwendung der o.g. Prozeduren sei die vorgenommene offene Reposition aber doppelt kodiert worden sei. Es sei der Sache nach die Materialkombination zu verschlüsseln. Diese solle nach OPS-Verzeichnis 2011 nicht mehr zur Anwendung kommen. Vielmehr seien die Einzelkomponenten zu verschlüsseln. Das zusätzliche Anbringen der Trochanterabstützplatte mit Antirotationsschraube sei über den Zusatzkode OPS 5-786.2 zu verschlüsseln. Somit werden die oben genannten OPS 2010 durch folgende Kodes ersetzt:

13

5-793.5f

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch dynamische Kompressionsschraube: Femur proximal

5-786.2

Osteosyntheseverfahren: Durch Platte

14

Dies führe in die DRG I08E.

15

Auch in einem neuen Gutachten des SMD vom 2. Juli 2012, aus Anlass eines wiederum nicht in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen aber von der Klägerin vorgelegten Schreibens der Klinik vom 25. Juni 2012 bleibt der SMD bei seiner Meinung.

16

Mit Schreiben vom 3. August 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr jedenfalls kein höherer Vergütungsanspruch zustehe als die bezahlten 6.936,03n Euro.

17

Mit Schreiben vom 7. September 2012, 20. September 2012 und vom 20. Dezember 2012 forderte die Klägerin von der Beklagten Zahlung in Höhe von 4.780,91 Euro nebst Zinsen seit 21. März 2012. Zahlung erfolgte nicht.

18

Am 22. Januar 2014 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt vor, ihre Kodierung sei korrekt gewesen. Sie bezieht sich auf Kodierempfehlungen nach SEG 4 und FoKa, die sie als K 13 vorlegt (Bl 21. d. GA). Die SEG-4 empfiehlt eine Kodierpraxisänderung ab dem Jahr 2010. Aber der OPS 2010 seien Kodes für Materialkombinationen im Geltungsbereich des G-DRG-Systems nicht mehr zu verwenden. Stattdessen seien bei Kombinationen von Osteosynthesematerialien während eines Eingriffs alle Komponenten einzeln zu kodieren. Die FoKa-Empfehlung ist gleichlautend.

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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich unter

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.780,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22. März 2011 zu zahlen.

21

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

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die Klage abzuweisen.

23

Sie ist der Auffassung, der Widerspruch sei verfristet und verweist auf das Ergebnis der SMD-Gutachten.

24

Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein Sachverständigengutachten vom 24. Mai 2014, das im Auftrag des Gerichts Prof. Dr. W. (B.) angefertigt hat. Dieser weist darauf hin, dass eine offene Reposition erfolgt sei. Die eingesetzte dynamische Hüftschraube sei mit der OPS 2010 5-793.5f zu kodieren. Eine zusätzliche Osteosynthese durch eine Platte sei nicht zu kodieren, da zum Implantatsystem der dynamischen Hüftschraube die Platte mit Gleitloch für die Schenkelhalsschraube systemimmanent integriert sei. Die zusätzlich eingebrachte Anti-Rotationsschraube sei jedoch kein Bestandteil der durchgeführten offenen Osteosynthese. Diese müsse nicht bei allen mit einer DHS zu versorgenden Frakturen angewendet werden. Daher sei ihr Einsatz zusätzlich mit der OPS 5793.13e (wohl gemeint: OPS 5793.1e (Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Schraube: Schenkelhals). Die Liste der Nebendiagnosen für die (nicht erlösrelevante) ICD 10 GM 2010 G30.9 (Alzheimer Krankheit – nicht näher bezeichnet) nicht auf. Diese Kodierung führe in die DRG I08C (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, kompl. Proz. od. Diagnose, äußerst schw. CC od. bei Zerebralparese oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität od. Wirbelsäule, Alter > 15 Jahre od. bei Para- / Tetraplegie).

25

Die Beklagte reichte hierzu eine Stellungnahme des SMD vom 14. August 2014 ein. Man wies darauf hin, dass laut Sachverständigen, die OPS 2010 5-793.3f entfalle. Korrekt sei die OPS 2010 5-793.5f. Das Gutachten sei mangelhaft, da es übersehe, dass ergänzend eine Trochanterabstützplatte eingesetzt worden sei. Man sei der Auffassung, dass auch die weitere im Operationsbericht aufgeführte Antirotationsschraube nicht mit einem zusätzlichen OPS zu kodieren sei. Es handele sich hier um eine rein formale Frage zur Auslegung der Deutschen Kodierrichtlinien 2010. Dort heiße es bei P001f, dass individuelle Komponenten einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert zu verschlüsseln seien. Auch unter P003d aus aufgeführt, dass ein durchgeführter Eingriff monokausal zu kodieren sei (monokausale Kodierung).In einigen Bereichen seien Mehrfachkodierungen vorgesehen. Zusatzkodes dienten ergänzenden Angaben. Hier sei Leitkode die OPS 2010 5-793.5f. Das systematische OPS-Verzeichnis verweise als Zusatzkodes bei Osteosynthese Knochen durch Schraube bzw. Platte auf die OPS 5-786-2 bzw. 5-786.0. Das dort vorgesehene Exklusivum mit Hinweis auf eine Osteosynthese greife nicht, da der inhaltlich leitende Eingriff über die OPS 5-793.5f abgebildet werde.

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Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 6. August 2015 und 12. August 2015 mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

27

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Krankenhausakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

28

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

29

Die Klage hatte Erfolg.

30

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig (vgl. für Krankenhausvergütungsstreitigkeiten BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 64/01 R - juris Rn. 13 m.w.N.).

31

Die Klage auch im vollen Umfang begründet.

32

Es ist zunächst zwischen den Beteiligten im Ausgangspunkt unstreitig, dass die Behandlungen der Versicherten, für die Krankenhausvergütung durch Aufrechnung vermindert wurde, medizinisch notwendig war. Es bedarf insoweit keiner weiteren Feststellung der erkennenden Kammer (vgl. auch BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 28/15 R – juris Rn. 8).

33

Mit diesen Hauptforderungen hat die Beklagte jedoch 4.780,91 Euro aufgerechnet. Diese Aufrechnung ist im vollen Umfang unwirksam.

34

Gemäß dem nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V in dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter anwendbaren § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 387 BGB kann eine Forderung gegen eine andere Forderung aufgerechnet werden, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 388 BGB muss die Aufrechnung ausdrücklich und unbedingt erklärt werden.

35

Eine Aufrechnungserklärung liegt vor. Die Beklagte hat in ihrer Sammelaufrechnung zunächst den Gesamtbetrag von 11.716,94 Euro abgezogen und 6.936,03 wieder gutgeschrieben. Es liegt im Wesen der Sammelaufrechnung, dass sich die abgezogene Summe mit positiven Gutschriften saldiert. Diese Form der Aufrechnung soll nicht unwirksam sein, da die Hauptforderung bestimmbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 9/16 R – juris Rn. 33). Beide Forderungen sind als Geldschulden gleichartig und stehen sich gegenüber.

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Die Aufrechnung ist unwirksam. Insoweit steht ihr kein Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB zu. Nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB ist derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der etwas von einem anderen durch Leistung ohne Rechtsgrund erhält. Diese Anspruchsgrundlage ist über die Verweisung des § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V anwendbar. Diesbezüglich bedarf es keines Rückgriffes auf das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (ebenso SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 38f; a.A. BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - Rn. 9ff.), wobei auch die andere Auffassung in der Sache zu keinem anderen Ergebnis kommt.

37

Rechtsgrundlage für die Höhe der Krankenhausvergütung für die Behandlung des Versicherten W. ist § 109 Abs. 4 Satz 2, 3 SGB V i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 8 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG) und § 17b KHG sowie der durch Schiedsspruch am 01.01.2000 in Kraft getretene Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. und den Landesverbänden der Krankenkassen über die allgemeinem Bedingungen der Krankenhausbehandlung (KBV). Soweit gemäß § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V zugelassene Krankenhäuser im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet sind, setzt Satz 3 der Vorschrift, der die Krankenkassen und die Krankenhausträger zu Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung verpflichtet, die Vergütungspflicht voraus (BSG, Urteil vom 11. April 2002 - B 3 KR 24/01 R - juris Rn. 22). Ob und inwieweit einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen und ist vom Gericht im Streitfall grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen. Die Vergütungspflicht setzt weiterhin voraus, dass aufgrund der Kodierung der Behandlung und der Verweildauer die zutreffende Fallpauschale (DRG) der Rechnung zu Grunde liegt (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 34/15 R – juris Rn. 11) sowie alle Zusatzentgelte und Zuzahlungen zutreffend angegeben sind. Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei zugelassenen Krankenhäusern nach vertraglichen Fallpauschalen, die nach § 8 Absatz 1 Satz 1 KHEntgG einheitlich zu berechnen sind. Die Ermittlung der zutreffenden Fallpauschale und ihrer Höhe im Einzelfall ergibt sich aus einer multifaktoriellen Berechnung mittels eines zertifizierten Softwareprogramms, das Grouper genannt wird. Der zertifizierte Grouper wendet nach Eingabe der Daten das Abrechnungsrecht in Form einer Berechnung an. Die einzugebenden Daten sind in strikter Anwendung von standardisierten Regelwerken einzugeben. Die relevanten Regelwerke waren im Jahr 2007 für die Verweildauer die Fallpauschalenvereinbarung 2007, für die Haupt- und Nebendiagnose sowie die Prozeduren die Deutschen Kodierrichtlinien Version 2007 und die von der Bundesanstalt Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) festgelegten Verzeichnisse ICD-10-GM Version 2007 (ICD-10) und Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) Version 2007. Es liegt auf der Hand, das ein solches System, das von einer großen Anzahl von Krankenhausbediensteten angewendet wird, auf eine hohe Genauigkeit der Kodierrichtlinien und eine ausgesprochen exakte Anwendungspraxis angewiesen ist. Es entspricht aber auch der Erfahrung, dass in komplexen Systemen, an denen eine Vielzahl mit Intelligenz und Findigkeit ausgestatteten Menschen beteiligt sind, immer wieder bei der Gestaltung des Normtextes unvorhersehbare Gestaltungsmöglichkeiten auftun, die für eine Seite vorteilhafter sind als für die andere Seite. Daher sind die Kodierung und die eventuell vorgenommenen Wertungen durch das Gericht voll überprüfbar. Allein die Verwendung der zertifizierten Grouper mit ihrem jeweiligen Rechenprogramm ist verbindlich vereinbart und entfaltet normative Wirkung (vgl. hierzu und den nachfolgenden Ausführungen grundlegend: BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R, juris). Die einzugebenden Daten sind als Tatsachen einem gerichtlichen Beweis zugänglich. Die automatisierte Subsumtion ist eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts und damit Rechtsfrage.

38

Vorliegend ist nach Auffassung der Kammer beim Grouping folgendes zu beachten:

39

Zunächst ist festzustellen, dass die Frage, ob als Nebendiagnose auch die ICD 10 GM 2010 G30.9 zu kodieren ist, dahinstehen kann. Ihr kommt im Grouping keine Erlösrelevanz zu.

40

Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist zu Recht zwischen den Beteiligten unstreitig, dass zumindest die OPS 2010 5-793.5f bzw. 5-793.5e zu kodieren war. Ob die Lokalisierung über die sechste Ziffer beim Schenkelhals (e) oder an dem Femur Proximal (f) zutreffender ist, muss das Gericht mangels Erlösrelevanz im Grouping nicht entscheiden. Es wird nur ergänzend darauf hingewiesen, dass nach dem Operationsbericht nicht der Schenkelhals (e) sondern das Femur proximal (f) gebrochen war.

41

Als weiterer Kode war beim Grouping der OPS 10 5-793.1e (Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Schraube: Schenkelhals) zu berücksichtigen.

42

Der SMD weist zutreffend, darauf hin, dass die Frage, ob zusätzlich die OPS 2010 5-793.3f (Klägerin), die OPS 2010 5-786.2 (Beklagte) oder die OPS 2010 5-793.1e (Sachverständiger) oder kein weiterer Kode zu kodieren ist durch das Gericht zu entscheiden ist. Die relevante Regelung zur Entscheidung dieser Rechtsfrage findet sich für die Kodierung der offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens im Hinweis zum OPS 5-793.8** (Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Materialkombinationen). Dieser lautet: „In der OPS-Version 2010 sind diese Kodes im Geltungsbereich des G-DRG-Systems (§ 17 b KHG) nicht zu verwenden, dafür sind bei Kombinationen von Osteosynthesematerialien während eines Eingriffs alle Komponenten einzeln zu kodieren.“ Der Hinweis zwingt als „lex specialis“ zur Abweichung von dem ansonsten geltenden Prinzip der Monokodierung, auf das der SMD im Allgemeinen zutreffend hingewiesen hat. Bei der Operation der Versicherten wurde eine Osteosynthesematerialkombination genutzt. Das Bundessozialgericht hat in Jahr 2014 zu dem Kode entschieden, dass als Materialkombinationen eine Osteosynthese mittels zweier, sich im Sinne von Haupt- und Hilfsverfahren ergänzender Osteosyntheseverfahren zu verstehen ist (BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 24/13 R – juris Rn. 16). Das Bundesozialgericht nennt als Beispiel die Kombination aus dynamischer Kompressionsschraube mit Antirotationsschraube, wenn es lediglich eines operativen Zugangs. Genau diese Kombination ist hier nach dem Operationsbericht und dem Gutachten des Sachverständigen gegeben. Die erkennende Kammer folgt hier der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Nach dem Sachverständigengutachten steht zur Überzeugung der Kammer weiterhin fest, dass es sich bei der von der Klägerin kodierten Schraube und der von ihr zusätzlich kodierten Platte um ein einheitliches Osteosynthesesystem handelt. Eine Materialkombination liegt nicht schon dann vor, wenn das verwendete Implantat aus mehreren Teilen besteht (ebenso BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 24/13 R – juris Rn. 16).

43

Die Beklagte kann mit der durchaus erwägenswerten Argumentation des SMD, der Kode OPS 2010 5-786.2 sei entgegen des ausdrücklichen Hinweises zur Nichtanwendung der OPS-786 bei der Osteosynthese einer Fraktur als Ergänzungskode anzuwenden, nicht gehört werden. Wie bereits ausgeführt, ist hier die allgemeine Systematik aufgrund der spezielleren Regelung im Hinweis zum OPS 5-793.8** nicht anwendbar.

44

Ersetzt man im durch die Klägerin mit den in der Rechnung enthaltenen Kodes vorgenommenen Grouping (gerichtsseits verwendet: webgrouper der DRG-Research-Group München) die OPS 2010

45

5-793.5f

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch dynamische Kompressionsschraube: Femur proximal

5-793.3f

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Platte: Femur proximal

46

durch die OPS 2010

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5-793.5f (oder
5-793.5e)

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch dynamische Kompressionsschraube: Femur proximal (oder Schenkelhals)

5-793.1f (oder 5-793.1e)

Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Schraube: Femur proximal (oder Schenkelhals)

48

so führt dies im Grouping in die DRG I08C mit einem effektiven Entgelt von 11.700,00 Euro. Mit Zusatzentgelten und Zuzahlung

49

DRG-Zuschlag

0,99 €

Zuschlag Qualitätssicherung

1,18 €

Systemzuschlag Bundesausschuss

0,87 €

Ausbildungszuschlag

72,95 €

Zuschlag Pflege (0,35%)

40,95 €

Zuzahlung

-100,00 €

50

ergibt sich eine Krankenhausvergütung von 11.716,94 Euro. Die Differenz zu den von der Beklagten gezahlten 6.936,03 Euro beträgt 4.780,91 Euro. Dies ist der streitgegenständliche Betrag.

51

Es ist für das Gericht nachvollziehbar, dass es für die Beklagte und den SMD nicht zufriedenstellend sein kann, dass aufgrund einer Sonderregelung im OPS 2010 nur die Versorgung mit einer Schraube mehr eine zusätzliche Krankenhausvergütung in der o.g. Höhe ausgelöst wird. Es ist dabei aber zum einen daran zu erinnern, dass die Fallpauschalen nicht den konkreten Aufwand abbilden sondern Bestandteil einer Mischkalkulation der Betriebskosten eines Krankenhauses sind. Zum anderen ist das gesamte DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSGE 107, 140). Bewertungen und Bewertungsrelationen durch das Gericht haben außer Betracht zu bleiben.

52

Die Aufrechnung war nicht wirksam, da keine Gegenforderung aus der Behandlung der Versicherten bestand. Die Beklagte hatte für die Behandlung ihrer Versicherten an die Klägerin nicht zu viel gezahlt.

53

Die Klage hatte Erfolg.

54

Der Zinsanspruch besteht seit dem 22. März 2011. Er beruht auf § 9 Abs. 7 KBV. Danach kann das Krankenhaus bei Überschreitung des Zahlungsziels Verzugszinsen i.H.v. 2 Prozent über den Basiszinssatz bzw. dem jeweils geltenden Referenzzinssatz ab Fälligkeitstag (Abs. 6 Satz 1) berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedarf (Zinstage jährlich 360, monatlich 30 Tage). Nach § 9 Abs. 6 KBV-RLP hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang zu bezahlen.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

57

Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wonach bei einem Antrag, der eine bezifferte Geldleistung betrifft, deren Höhe maßgebend ist.

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