Urteil vom Sozialgericht Mainz (14. Kammer) - S 14 KR 213/13

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.171,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8. Februar 2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat 94 Prozent und die Klägerin 6 Prozent der Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 6.590,09 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 6.590,09 Euro nebst Zinsen durch Änderung der DRG und Reduzierung der Verweildauer um 3 Tage.

2

Die Klägerin betreibt eine Klinik. Die Beklagte ist die gesetzliche Krankenversicherung der Patientin M.F., geb. 1932, (nachfolgend: Versicherte). Die Versicherte wurde vom 2. bis 5. April 2007 und vom 10. bis 17. April 2007 stationär in der Klinik behandelt. Die Aufnahme erfolgte wegen einer adjuvanten Radiochemotherapie nach Rectum-Carcinom-OP in 2006 sowie einer akuten Niereninsuffizienz bei Verdacht auf hypertensive Nephropathie mit Elektrolytentgleisung. Die Behandlung erfolgte durch Bestrahlung, Chemotherapie und begleitende Abklärung des Nierenleidens. Es fanden drei Bestrahlungen am 2. April, am 4. und am 5. April 2007 statt. Am 5. April, dem Gründonnerstag, wurde die Versicherte auf eigenen, dringenden Wunsch nach Hause entlassen und am Dienstag, den 10. April 2007 nach den Feiertagen wieder aufgenommen. Es erfolgten 6 weitere Bestrahlungen am 10., 11., 12. 13., 16. und 17. April 2007. Am 10. April 2007 entschieden die behandelten Ärzte, dass eines aufgrund des Nierenleidens erhöhten Kreatininwerts (2,17 mg/dl bei Normalwerten zwischen 0,5-0,9 mg/dl) eine kurzfristige Abklärung erfolgen muss. Am 11., 12. und 13. April 2007 erfolgte eine wegen des Nierenleidens von fünf auf drei Tage verkürzte Chemotherapie. Am 12. April 2007 erfolgte ein nephrologisches Konsil. Der Nephrologhe sah eine Niereninsuffizienz im Stadium IV bei zwei Diffentialdiagnosen. Er empfahl tägliche Gewichtskontrollen, eine Bilanzierung der Ein- und Ausfuhr sowie eine Ziel-Diurese von 2500 ml täglich (Harnausscheidung zur Entgiftung; normal sind 1500 ml). In den Folgetagen wurde die Empfehlung umgesetzt und zur weiteren Aufklärung der Diagnose erfolgten weitere diagnostische Maßnahmen. Der Kreatininwert verbesserte sich in der Folge auf 1,58 mg/dl. Am 17. April 2007 wurde die Versicherte nach Hause entlassen. Die Ärzte empfahlen die Einhaltung einer ausreichenden Trinkmenge und engmaschige Kontrolle der Laborparameter.

3

Am 25. April 2007 stellte die Klägerin der Beklagten wegen der erstgenannten Behandlung auf Grundlage der DRG G29A (Andere Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren CC), einer Verweildauer von drei Tagen und einem Landesbasisfallwert von 2.926,29 Euro insgesamt 4.229,58 Euro in Rechnung. Die Rechnung enthielt folgende Kodierung:

4

Hauptdiagnose war ICD-10-GM 2007 C20 (Bösartige Neubildung des Rektums).

5

Nebendiagnosen waren die ICD 10 GM 2007

6

E87.6 

        

Hypokaliämie

I10.90

        

Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise

Z45.20

        

Anpassung und Handhabung eines operativ implantierten vaskulären Katheterverweilsystems

N17.8 

        

Sonstiges akutes Nierenversagen

Z90.4 

        

Verlust anderer Teile des Verdauungstraktes

Z43.3 

        

Versorgung eines Kolostomas

Z92.6 

        

Zytostatische Chemotherapie wegen bösartiger Neubildung in der Eigenanamnese

C77.5 

        

Sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung: Intrapelvine Lymphknoten

7

Prozeduren (OPS Version 2007) waren die OPS:

8

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-552.8

        

Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation: Mindestens 42 bis höchstens 55 Behandlungstage

8-542 

        

Nicht komplexe Chemotherapie

8-528.5

        

Bestrahlungssimulation für externe Bestrahlung und Brachytherapie: Feldfestlegung mit Simulator mit CT, komplex

9

Am 9. Juni 2007 stellte die Klägerin der Beklagten wegen der zweitgenannten Behandlung auf Grundlage der DRG G27B (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane, mehr als ein Belegungstag, mehr als 8 Bestrahlungen, ohne äußerst schwere CC), einer Verweildauer von 7 Tagen und einem Landesbasisfallwert von 2.926,29 Euro insgesamt 9.327.46 Euro in Rechnung. Die Rechnung enthielt folgende Kodierung:

10

Hauptdiagnose war ICD-10-GM 2007 C20 (Bösartige Neubildung des Rektums).

11

Nebendiagnosen waren die ICD 10 GM 2007

12

C20     

        

Bösartige Neubildung des Rektums

Z90.4 

        

Verlust anderer Teile des Verdauungstraktes

I10.90

        

Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise

Z45.20

        

Anpassung und Handhabung eines operativ implantierten vaskulären Katheterverweilsystems

N18.82

        

Chronische Niereninsuffizienz, Stadium II

C77.5 

        

Sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung: Intrapelvine Lymphknoten

13

Prozeduren (OPS Version 2007) waren die OPS:

14

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-542 

        

Nicht komplexe Chemotherapie

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

15

Die Rechnung wurde zunächst am 23. Mai 2007 bezahlt.

16

Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein. Der MDK kam in einem Gutachten vom 17. Dezember 2007 zum Ergebnis, dass für die Versicherte lediglich die DRG G29B „Andere Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane, mehr als ein Belegungstag, ohne äußerst schwere CC“ mit einer niedrigeren Bewertungsrelation abzurechnen gewesen sei. Die achtmalige Abrechnung der OPS 8-522.8 sei ab dem 10. April 2007 anhand der Krankenakte nicht nachvollziehbar, da keine acht Bestrahlungen erfolgt seien. Die vollstationäre Behandlung sei bis einschließlich 13. April 2007 nachvollziehbar gewesen; danach sei ambulante Behandlung ausreichend gewesen.

17

Die Beklagte verrechnete diesen Betrag mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin aus der Behandlung anderer Versicherter. Es handelt sich um eine Sammelaufrechnung vom 8. Februar 2008, in deren Rahmen die Beklagte für die Behandlung der Versicherten 9.327,46 Euro abzog und 2.737,37 Euro gutschrieb. Die Differenz sind die streitgegenständlichen 6.590,09 Euro.

18

Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 16. September 2010 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Fachklinik vom 2. Mai 2010. Eine frühere Entlassung sei nicht möglich gewesen, da die Versicherte an einer akuten Niereninsuffizienz erkrankt gewesen sei. Die Beklagte teilte mit, der Widerspruch sei verfristet erfolgt.

19

Am 16. Dezember 2011 verzichtete die Beklagte auf die Einrede der Verjährung bis 31. Dezember 2012. Diesen Verzicht verlängerte sie am 7. November 2012 bis 30. Juni 2013.

20

Am 22. April 2013 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt vor, die stationäre Behandlung habe wegen der Abklärung des Nierenleidens und wegen der Bilanzierung des Ein- und Ausgangs auch vom 14. bis 17. April 2007 erfolgen müssen.

21

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich unter Erledigungserklärung in Höhe von 418,81 Euro

22

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.171,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8. Februar 2008 zu zahlen.

23

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

24

die Klage abzuweisen.

25

Sie ist der Auffassung, der Widerspruch sei verfristet und verweist auf das Ergebnis der MDK-Gutachten.

26

Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein Sachverständigengutachten vom 22. Januar 2014, das im Auftrag des Gerichts Dr. V. (B.) angefertigt hat. Dieser ist der Auffassung, die Behandlungen vom 2. bis 5. April 2007 und vom 10. bis 17. April 2007 seien zusammen zu betrachten. Daher seien mehr als acht Bestrahlungen vorgenommen worden. Die Behandlung der Versicherten im Zeitraum vom 13. bis 17. April 2007 sei aufgrund der Nierensituation der Versicherten medizinisch notwendig gewesen.

27

Die Beklagte hat daraufhin den Vortrag aufgegeben, die die Behandlung im Zeitraum vom 13. bis 17. Im April 2007 sei nicht notwendig gewesen. Sie trägt nunmehr vor, es seien lediglich sechs und keine acht Bestrahlungen vorgenommen worden.

28

Am 8. September 2015 fand mündliche Verhandlung statt. Der Kammervorsitzende wies darauf hin, dass die beiden Behandlungen nach der Fallpauschalenvereinbarung 2007 aufgrund einer Beurlaubung zusammenzuführen sind. Eine Einigung kam nicht zustande. Die Beklagte legte eine Berechnung vor, nach der sie bei Fallzusammenführung noch Geld von der Klägerin erhalten müsste. Die Klägerin legte eine Berechnung vor, wonach sie von der Beklagten Geld zu erhalten habe.

29

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Krankenhausakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

30

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

31

Die Klage hatte Erfolg.

32

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig (vgl. für Krankenhausvergütungsstreitigkeiten BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 64/01 R - juris Rn. 13 m.w.N.).

33

Die Klage ist unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärung im vollen Umfang begründet.

34

Es ist zunächst zwischen den Beteiligten im Ausgangspunkt unstreitig, dass die Behandlungen der Versicherten, für die Krankenhausvergütung durch Aufrechnung vermindert wurde, medizinisch notwendig war. Es bedarf insoweit keiner weiteren Feststellung der erkennenden Kammer (vgl. auch BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 28/15 R – juris Rn. 8).

35

Mit diesen Hauptforderungen hat die Beklagte jedoch 6.590,09 Euro aufgerechnet. Diese Aufrechnung ist im hier allein noch zu überprüfenden Umfang von 6.171,29 Euro unwirksam.

36

Gemäß dem nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V in dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter anwendbaren § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 387 BGB kann eine Forderung gegen eine andere Forderung aufgerechnet werden, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 388 BGB muss die Aufrechnung ausdrücklich und unbedingt erklärt werden.

37

Eine Aufrechnungserklärung liegt vor. Die Beklagte hat mit ihrer Sammelaufrechnung die zunächst den Gesamtbetrag von 9.327,46 Euro abgezogen und 2.737,37 wieder gutgeschrieben. Es liegt im Wesen der Sammelaufrechnung, dass sich die abgezogene Summe mit positiven Gutschriften saldiert. Diese Form der Aufrechnung soll nicht unwirksam sein, da die Hauptforderung bestimmbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 9/16 R – juris Rn. 33). Beide Forderungen sind als Geldschulden gleichartig und stehen sich gegenüber.

38

Der Beklagten steht kein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Höhe der hier streitgegenständlichen 6.171,29 Euro zu, da sie auch diesen Betrag der Klägerin als Krankenhausvergütung für die Behandlung der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin schuldete. Nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB ist derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der etwas von einem anderen durch Leistung ohne Rechtsgrund erhält. Diese Anspruchsgrundlage ist über die Verweisung des § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V auch in Streitigkeiten zwischen Krankenkasse und Krankenhaus anwendbar. Diesbezüglich bedarf es keines Rückgriffes auf das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (ebenso SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 645/13 - Rn. 38f; a.A. BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - Rn. 9ff.), wobei auch die andere Auffassung in der Sache zu keinem anderen Ergebnis kommt.

39

Rechtsgrundlage für die Höhe der Krankenhausvergütung für die Behandlung des Versicherten W. ist § 109 Abs. 4 Satz 2, 3 SGB V i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 8 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG) und § 17b KHG sowie der durch Schiedsspruch am 01.01.2000 in Kraft getretene Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. und den Landesverbänden der Krankenkassen über die allgemeinem Bedingungen der Krankenhausbehandlung (KBV). Soweit gemäß § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V zugelassene Krankenhäuser im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet sind, setzt Satz 3 der Vorschrift, der die Krankenkassen und die Krankenhausträger zu Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung verpflichtet, die Vergütungspflicht voraus (BSG, Urteil vom 11. April 2002 - B 3 KR 24/01 R - juris Rn. 22). Ob und inwieweit einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen und ist vom Gericht im Streitfall grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen. Die Vergütungspflicht setzt weiterhin voraus, dass aufgrund der Kodierung der Behandlung und der Verweildauer die zutreffende Fallpauschale (DRG) der Rechnung zu Grunde liegt (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 34/15 R – juris Rn. 11) sowie alle Zusatzentgelte und Zuzahlungen zutreffend angegeben sind. Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei zugelassenen Krankenhäusern nach vertraglichen Fallpauschalen, die nach § 8 Absatz 1 Satz 1 KHEntgG einheitlich zu berechnen sind. Die Ermittlung der zutreffenden Fallpauschale und ihrer Höhe im Einzelfall ergibt sich aus einer multifaktoriellen Berechnung mittels eines zertifizierten Softwareprogramms, das Grouper genannt wird. Der zertifizierte Grouper wendet nach Eingabe der Daten das Abrechnungsrecht in Form einer Berechnung an. Die einzugebenden Daten sind in strikter Anwendung von standardisierten Regelwerken einzugeben. Die relevanten Regelwerke waren im Jahr 2007 für die Verweildauer die Fallpauschalenvereinbarung 2007, für die Haupt- und Nebendiagnose sowie die Prozeduren die Deutschen Kodierrichtlinien Version 2007 und die von der Bundesanstalt Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) festgelegten Verzeichnisse ICD-10-GM Version 2007 (ICD-10) und Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) Version 2007. Es liegt auf der Hand, das ein solches System, das von einer großen Anzahl von Krankenhausbediensteten angewendet wird, auf eine hohe Genauigkeit der Kodierrichtlinien und eine ausgesprochen exakte Anwendungspraxis angewiesen ist. Es entspricht aber auch der Erfahrung, dass in komplexen Systemen, an denen eine Vielzahl mit Intelligenz und Findigkeit ausgestatteten Menschen beteiligt sind, immer wieder bei der Gestaltung des Normtextes unvorhersehbare Gestaltungsmöglichkeiten auftun, die für eine Seite vorteilhafter sind als für die andere Seite. Daher sind die Kodierung und die eventuell vorgenommenen Wertungen durch das Gericht voll überprüfbar. Allein die Verwendung der zertifizierten Grouper mit ihrem jeweiligen Rechenprogramm ist verbindlich vereinbart und entfaltet normative Wirkung (vgl. hierzu und den nachfolgenden Ausführungen grundlegend: BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R, juris). Die einzugebenden Daten sind als Tatsachen einem gerichtlichen Beweis zugänglich. Die automatisierte Subsumtion ist eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts und damit Rechtsfrage.

40

Zunächst ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Dauer der zweiten Krankenhausbehandlung nicht zu beanstanden ist. Die erkennende Kammer stützt sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen Volkmann, der nachvollziehbar begründet, dass die stationäre Behandlung der Klägerin bis zum 17. April 2007 medizinisch notwendig war. Dies steht auch zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit.

41

Die Abrechnung der Klägerin ist zunächst insoweit falsch, als nach § 1 Abs. 7 S. 4 Fallpauschalenvereinbarung 2007 hier eine Beurlaubung vorlag. Eine Beurlaubung liegt dieser Regelung zu Folge vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Dies war vorliegend der Fall, da die Klägerin um Entlassung wegen der Osterfeiertage bat und die Bestrahlung nicht abgeschlossen war. Sie wurde nach den Osterfeiertagen 2007 wieder aufgenommen, weil die Behandlung noch nicht abgeschlossen war.

42

Nach § 1 Abs. 7 S. 5 Fallpauschalenvereinbarung 2007 liegt bei Fortsetzung der Krankenhausbehandlung nach einer Beurlaubung keine Wiederaufnahme im Sinne von § 2 Fallpauschalenvereinbarung vor, d.h. es beginnt keine neue Behandlung mit eigenem Vergütungsanspruch.

43

Bei der Zusammenführung sind in den Grouper alle berechtigten Kodierungen einzugeben. Hier sind bei einem Landesbasisfallwert von 2.926,29 Euro und einer Verweildauer von 11 Tagen (4 Tage plus 7 Tage – hier ist ein Entlasstag und sind nicht zwei Entlasstage zu berücksichtigen) die Hauptdiagnose C 20 und die Nebendiagnosen (sofern in beiden Rechnungen genannt einmal) zu berücksichtigen.

44

Als Nebendiagnosen zu kodieren sind die folgenden ICD 10 GM 2007:

45

E87.6 

        

Hypokaliämie

I10.90

        

Essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise

Z45.20

        

Anpassung und Handhabung eines operativ implantierten vaskulären Katheterverweilsystems

N17.8 

        

Sonstiges akutes Nierenversagen

Z90.4 

        

Verlust anderer Teile des Verdauungstraktes

Z43.3 

        

Versorgung eines Kolostomas

Z92.6 

        

Zytostatische Chemotherapie wegen bösartiger Neubildung in der Eigenanamnese

C77.5 

        

Sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung: Intrapelvine Lymphknoten

N18.82

        

Chronische Niereninsuffizienz, Stadium II

46

Bei den Prozeduren sind aus dem ersten Aufenthalt dreimal und aus dem zweiten Aufenthalt sechsmal die OPS 2007 8-522.8 zu berücksichtigen. Die Abrechnung der Klägerin ist dabei insoweit zu korrigieren, als im Zeitraum vom 10. bis 17. April 2007 lediglich sechs Bestrahlungen abzurechnen sind, mehr sind nicht in der Patientenakte dokumentiert. Die Kammer stützt sich dabei auf Einsicht in die Patientenakte, und die Gutachten des Sachverständigen sowie des MDK. Zu kodieren sind daher die folgenden OPS 2007:

47

8-542 

        

Nicht komplexe Chemotherapie

8-528.5

        

Bestrahlungssimulation für externe Bestrahlung und Brachytherapie: Feldfestlegung mit Simulator mit CT, komplex

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

8-522.8

        

Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger mehr als 6 MeV, mehr als 4 Bestrahlungsfelder oder 3D-geplante Bestrahlung

48

Der Grouper (das Gericht nutzt den Webgrouper der DRG Research Group des UKM), steuert bei Eingabe der genannten Kodes die DRG G27A (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane, mehr als ein Belegungstag, mehr als 8 Bestrahlungen, mit äußerst schweren CC) mit einem Kostengewicht von 4,813 an. Das effektive Entgelt liegt bei 14.084,23 Euro.

49

Die Rechnung hätte eine Höhe von 14.383,72 Euro haben müssen und hätte unter Berücksichtigung der Zuschläge demnach wie folgt auszusehen gehabt:

50

Fallpauschale

14.084,23 €

DRG-Zuschlag

0,90 €

Zuschlag Qualitätssicherung

1,60 €

Systemzuschlag Bundesausschuss

0,40 €

Ausbildungszuschlag

74,06 €

Zuschlag AIP (0,73%)

 102,81 €

Zuschlag AZB (0,85%)

 119,72 €

Gesamt

14.383,72 €

51

Dieser Betrag übersteigt die Summe der beiden Rechnungsbeträge der Klägerin für die von ihr getrennten Behandlungen in Höhe von 13.557,04 Euro (4.229,58 Euro plus 9.327,46 Euro) um 826,68 Euro. Die Beklagte hätte daher nicht weniger sondern mehr als eingeklagt zu zahlen gehabt. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch und damit eine Gegenforderung standen der Beklagten nicht zu. Die Aufrechnung war nicht wirksam.

52

Der Zinsanspruch besteht seit dem 8. Februar 2008. Er beruht auf § 9 Abs. 7 KBV. Danach kann das Krankenhaus bei Überschreitung des Zahlungsziels Verzugszinsen i.H.v. 2 Prozent über den Basiszinssatz bzw. dem jeweils geltenden Referenzzinssatz ab Fälligkeitstag (Abs. 6 Satz 1) berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedarf (Zinstage jährlich 360, monatlich 30 Tage). Nach § 9 Abs. 6 KBV-RLP hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang zu bezahlen.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Danach hatte die Klägerin nach Erledigung eines 6-prozentigen Anteils der streitgegenständlichen Summe vollen Erfolg. Für de n erledigten Teil trägt sie die Verfahrenskosten.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

55

Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wonach bei einem Antrag, der eine bezifferte Geldleistung betrifft, deren Höhe maßgebend ist.

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