Beschluss vom Sozialgericht München - S 38 KA 101/20 ER

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, zusätzlich zu den für März 2020 bereits gewährten Abschlagszahlungen und zusätzlich zu den bereits gewährten Restzahlungen für das Quartal 4/2019 jeweils 3.000 EUR nachzuzahlen. Ferner wird die Antragsgegnerin verpflichtet, die Honoraransprüche an die Antragstellerin aus deren kassenärztlicher Tätigkeit für die folgenden Monate (Abschläge) und ebenso die Quartalsabrechnungen (Restzahlungen) künftig fristgerecht und ungekürzt auszuzahlen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 13.04.2020, bei Gericht eingegangen am 14.04.2020 stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, die Antragsgegnerin verweigere die Auszahlung der am 09.04.2020 fälligen und normalerweise zur Auszahlung anstehenden Abschlagszahlung für März 2020 (EUR 31.200), die pünktliche Bezahlung der künftigen monatlichen Abschläge (jeweils EUR 31.200) und Quartalsabrechnungen zu den gesetzlich vorgesehenen Terminen. Im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens wurden die Restzahlung für das Quartal 4/2019 und die Abschlagszahlung für März 2020 jeweils unter Einbehalt von EUR 3.000.-der Antragstellerin gutgebracht.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin trug vor, diese sei nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 1 Nummer 2) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die seit Anfang 2013 bestehe und deren Gesellschafter Herr Dr. V. und Frau V. seien. Über das Vermögen der beiden Gesellschafter (Dr. V. und Frau V.) sei mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt am 18.12.2019 ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet worden (AG A-Stadt 2 IN …/19 und 2 IN yyy/19). Die Praxis-GbR sei aber von dem Insolvenzverfahren selbst nicht betroffen. Die beiden Gesellschafter - natürliche Personen - hätten als Sicherheit von an sie ausgezahlten Darlehen die unter I. 2. in den Abtretungsvereinbarungen vom Juni 2017 genannten Ansprüche an die ...-Bank abgetreten.

Zwischen der Antragstellerin auf der einen Seite sowie der Antragsgegnerin und der ...-Bank auf der anderen Seite bestünden unterschiedliche Rechtsansichten hinsichtlich des Inhalts der Abtretungsvereinbarungen. Die Antragsgegnerin und die ...-Bank seien der Ansicht, dass von den Abtretungen auch Ansprüche der Praxis-GbR gegen die KVB erfasst sein. Auch in der Vergangenheit habe es unterschiedliche Rechtsansichten gegeben. Es seien aber bis einschließlich Februar 2020 Lösungen gefunden worden, wonach die Honorare an die Praxis-GbR weitergeleitet wurden. Nunmehr habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.03.2020 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die Gelder nach § 7 Abs. 1 S. 2 der Abrechnungsbestimmungen der KVB beim zuständigen Amtsgericht zu hinterlegen, bis eine rechtskräftige Klärung vorliege.

Die rechtlichen Voraussetzungen für den gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG seien gegeben. Insbesondere bestünden ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund. Was den Anordnungsanspruch betreffe, komme es auf die offensichtlichen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage an, die zu bejahen seien. Denn für eine Abtretung von Ansprüchen der Praxis-GbR gegen die Antragsgegnerin an die ...-Bank gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Derartiges sei dem Wortlaut der Abtretungsverträge nicht zu entnehmen. Abgesehen davon wäre ein solches Auslegungsergebnis nach § 305c Abs. 1 BGB so ungewöhnlich und überraschend, dass die Geschäftsbedingungen ungültig wären. Ferner fehle ein entsprechender Handlungsund Erklärungswille der Praxis-GbR. Gerade, weil die Ansprüche der Gesellschafter gegen die Praxis-GbR bezeichnet seien, könnten die erklärenden Zedenten davon ausgehen, dass sie mit der gleichen Erklärung nicht ebenso als Vertreter für die Praxis-GbR handelten. Forderungen der natürlichen Personen gegen die KVB aufgrund der eigenständigen Ausübung des Berufs existierten zum Zeitpunkt der Sicherungszession im Jahr 2017 nicht. Den verwendeten Abtretungsformularen sei zu entnehmen, dass von den Abtretungen künftige Ansprüche erfasst würden. Deshalb sei aus der Tatsache, dass zur Zeit der Sicherungsabtretung die natürlichen Personen Herr Dr. V. und Frau V. selbst keinen Anspruch gegen die Antragstellerin hatten, nicht herzuleiten, sie handelten auch für die Praxis-GbR.

Für dieses Ergebnis spreche auch Sinn und Zweck der Abtretungsverträge. Zudem ergebe die Abtretung der Gewinnansprüche gegen eine Praxis-GbR nur dann einen Sinn, wenn die Ansprüche der GbR gegen die KV für den Betrieb der GbR weiterhin zur Verfügung stünden. Die Auffassung der Antragsgegnerin blockiere auch faktisch jegliche Erweiterung des Gesellschafterkreises der Praxis-GbR.

Ebenfalls ergebe sich aus den Darlehensverträgen, die im Kontext zu den Abtretungserklärungen stünden, nichts Anderes. Diese seien von den beiden Eheleuten abgeschlossen worden und nicht von der Praxis-GbR.

Abgesehen davon sei die Regelung des § 91 InsO, die dem Schutz der Insolvenzmasse und damit der Gläubigergemeinschaft, nicht jedoch einem einzelnen Gläubiger diene, zu beachten. Danach seien Vorausabtretungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Dies gelte somit im konkreten Fall für die Vorausabtretungen der Gewinnzuweisungsansprüche der Gesellschafter Herr Dr. V. und Frau V. gegen die Praxis-GbR. Parallel dazu müsse man dies auch für die Abtretung von Ansprüchen der GbR gegen die KVB „konstatieren“.

Der Anordnungsgrund - ebenfalls Voraussetzung für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - bestehe darin, dass bei Nichtzahlung der Gelder die Schließung der Praxis zu besorgen sei. Es handle sich hierbei um einen wesentlichen Nachteil. Außerdem seien für einen Weiterbetrieb keine finanziellen Reserven vorhanden. Es gebe laufende Betriebskosten (Raumkosten: 3.600 EUR pro Monat; Personalkosten: 8.000 EUR pro Monat). Haupteinnahmequelle seien Ansprüche wegen der Behandlung gesetzlich Versicherter. Nur zu einem geringen Anteil seien Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit zu erzielen (Außenstände: rd. 20.000 EUR). Wegen der Corona-Krise sei damit zu rechnen, dass diese Einnahmen fast vollständig wegfielen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter ihren Lebensunterhalt bestreiten müssten.

Hierzu trug die Antragsgegnerin vor, der Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG sei bereits unzulässig. Denn das beabsichtigte Rechtsschutzziel - Auszahlung von Abschlagszahlungen und Restzahlungen trotz vorliegender Abtretung - könne mit diesem Antrag nicht erreicht werden. Aufgrund des Abtretungsvertrages sei die Antragsgegnerin als Drittschuldnerin verpflichtet, die Zahlungen an die neue Zessionarin zu bezahlen und zwar unabhängig davon, ob die Abtretung tatsächlich erfolgt oder nicht wirksam sei (§ 409 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Antragsgegnerin müsse sich auf die Anzeige des ursprünglichen Gläubigers verlassen können. Vielmehr sei eine entsprechende Klärung zwischen den Parteien des Abtretungsvertrages herbeizuführen.

Hilfsweise wurde vorgetragen, seit dem 01.01.2013 seien sämtliche Zahlungen von der Antragsgegnerin auf die für die Antragstellerin angegebene Bankverbindung unbeanstandet geleistet worden. Eine Änderung der Bankverbindung sei erst möglich, wenn der Antragsgegnerin eine entsprechende Erklärung der ...-Bank vorliege, in der die Abtretungserklärung für erledigt erklärt werde. Der Antragsgegnerin sei von der ...-Bank eine Forderungsabtretung am 28.06.2017 übersandt worden. Diese Abtretung habe die Antragsgegnerin der ...-Bank mit Schreiben vom 13.07.2017 bestätigt. Es habe einen umfangreichen Schriftwechsel gegeben. Bereits mit Schreiben der ...-Bank vom 22.10.2019 habe diese an die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mitgeteilt, dass die Abtretung wirksam sei. Aufgrund der Sachlage (Infragestellen der Wirksamkeit der Abtretung) habe die Antragsgegnerin zunächst die Abschlagszahlung für März 2020, fällig am 09.04.2020, einbehalten. Eine Hinterlegung beim zuständigen Amtsgericht sei bisher nicht erfolgt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei mangels Statthaftigkeit unzulässig und zudem auch unbegründet. Denn nach § 409 Abs. 1 S. 1 BGB müsse die Antragsgegnerin von Gesetzes wegen die offengelegten Abtretungen befolgen. Auch nach dem Wortlaut der Abtretung ergebe sich, dass hier die Ansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin wirksam abgetreten wurden. Danach (Nr. 2b, 1. Absatz der Abtretungserklärungen) würden die Ansprüche gegen die jeweils zuständige Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung (KV/KZV) - insbesondere die Ansprüche auf Auszahlung des Anteils aus der Kassen(zahn)ärztlichen Gesamtvergütung abgetreten. Aus den in Nr. 2b, 3. Absatz der Abtretungserklärungen aufgezeigten Abtretungskonstellationen ergebe sich, dass mit der Abtretung gegen den Schuldner „Dr. G.V. und B.V.“ die Forderungen der Antragstellerin abgetreten worden seien. Entbehrlich sei der Zusatz „GbR“. Die Abtretungen würden auch nicht nach § 91 S. 1 InsO unwirksam. Denn die gegenständliche Abtretung sei keine Vorausverfügung im Sinne dieser Vorschrift. Ferner seien die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin nicht Bestandteil der Insolvenzmasse und somit nicht von Insolvenz von Herrn Dr. V und Frau B. umfasst. Außerdem sei die Abschlagszahlung für Monat März 2020 und die Restzahlung für das Quartal 4/2019, wenn auch unter Einbehalt von jeweils 3.000 EUR, ausgekehrt worden. Damit sei die bevorstehende Schließung der Praxis abgewendet worden. Auch sei der fallzahlbedingte Patientenrückgang wegen der Corona-Epidemie von der Antragstellerin nicht nachgewiesen worden.

Dem entgegnend trug der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin vor, § 409 BGB sei nicht anzuwenden. Aus der Abtretungserklärung ergebe sich, dass entweder Ansprüche gegen die Kassenärztliche Vereinigung oder im Fall der Eingehung einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (GbR) die Ansprüche gegen die Berufsausübungsgemeinschaft abgetreten würden. Es handle sich um ein Alternativverhältnis, aus dem folge, dass nur Ansprüche der natürlichen Personen abgetreten wurden. Der Wortlaut sei völlig schlüssig; dies auch deshalb, weil andernfalls die Abtretung der Gewinnansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft „sinnfrei“ wäre.

Hierzu teilte die Antragsgegnerin (Schreiben vom 13.05.2020) mit, die Anzeige gemäß § 409 BGB sei in der Abtretung dahingehend abbedungen worden, dass, sofern Ansprüche gegen KV/KZV abgetreten sind, der Zessionar, also die Deutsche Apothekerund Ärztebank, gemäß der Vereinbarung 3.3 des Abtretungsvertrages beauftragt und bevollmächtigt worden sei, der KV/KZV diese Abtretung sogleich offenzulegen.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beantragte sinngemäß, die Antragsgegnerin zu verpflichten, zusätzlich zu den für März 2020 bereits gewährten Abschlagszahlungen und zusätzlich zu den bereits gewährten Restzahlungen für das Quartal 4/2019 jeweils 3.000 EUR nachzuzahlen. Ferner wurde sinngemäß beantragt, die Honoraransprüche der Antragstellerin aus der kassenärztlichen Tätigkeit für die folgenden Monate (Abschläge) und ebenso die Quartalsabrechnungen (Restzahlungen) künftig fristgerecht und ungekürzt auszuzahlen.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag kostenpflichtig abzulehnen. Gegenstand des Verfahrens war die Antragsakte. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

II.

Das zum Sozialgericht München eingelegte Antragsverfahren ist zulässig und erweist sich auch als begründet.

Der einstweilige Rechtsschutz ist in § 86b SGG geregelt. Nachdem ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht gegeben ist, ist zu prüfen, ob § 86b Abs. 2 SGG erfüllt ist. Letztere Vorschrift unterscheidet zwischen der sogenannten Sicherungsanordnung und der Regelungsanordnung. Hier handelt es sich um eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Die Antragstellerin begehrt die künftige fristgerechte Auszahlung von Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit (künftige monatliche Abschlagszahlungen und Restzahlungen). Zuständig ist das Gericht der Hauptsache nach § 86b Absatz 1 SGG.

Die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung ergeben sich aus § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Danach sind ein Anordnungsgrund, sowie ein Anordnungsanspruch erforderlich. Beide Voraussetzungen sind nicht separat zu betrachten, sondern stehen zueinander in Wechselwirkung. Dies bedeutet für den Fall, dass eine Hauptsacheklage offensichtlich unzulässig und unbegründet wäre, der Antrag auch dann abzulehnen wäre, wenn ein Anordnungsgrund vorhanden wäre. Falls die Hauptsacheklage als offensichtlich zulässig und offensichtlich begründet anzusehen wäre, ist gleichwohl zu prüfen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. In diesem Fall sind jedoch weniger strenge Anforderungen zu stellen. Bei offenem Ausgang eines Hauptsacheverfahrens ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Ein Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung aller Interessen der Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Meyer-Ladewig/Keller / Leitherer, Kommentar zum SGG, Rn 29 zu § 86b).

Bei summarischer Prüfung in dem streitgegenständlichen Eilverfahren gelangt das Gericht zur Auffassung, dass einem Hauptsacheverfahren gute Erfolgsaussichten einzuräumen sind.

Die Antragstellerin, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, hat grundsätzlich einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Honorarzahlungen. Dies betrifft sowohl die monatlichen Abschlagszahlungen nach § 95 Abs. 3 SGG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der Abrechnungsbestimmungen der KVB ab 01.04.2005, als auch quartalsweise Restzahlungen nach § 95 Abs. 3 SGG in Verbindung mit § 5 Abs. 6 der Abrechnungsbestimmungen der KVB vom 01.04.2005. Anspruchsinhaberin ist, was unter den Beteiligten unstrittig ist, die Antragstellerin als GbR, deren alleinige Gesellschafter Herr Dr. V. und Frau V. sind.

Entscheidend für das Bestehen der Ansprüche ist, dass diese vom Anspruchsinhaber nicht an einen Dritten abgetreten wurden. Nach § 5 Abs. 6 der Abrechnungsbestimmungen der KVB vom 01.04.2005 ist die Antragsgegnerin berechtigt, diejenigen Beträge von Zahlungen an den Vertragsarzt abzusetzen, auf die von dritter Seite ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht werden kann, die von dem Vertragsarzt abgetreten oder von Dritten gepfändet worden sind.

Es liegen zwar insgesamt drei Abtretungserklärungen vom 19.06.2017 vor, die jeweils die ...Bank als Sicherungsnehmerin ausweisen. Als Sicherungsgeber wurden zum einen Herr Dr. V. und Frau V., Frau V. bzw. Herr Dr. V. genannt. Diese Forderungsabtretungen wurden, gestützt auf Ziffer 3 der Abtretungsvereinbarung von der ...-Bank am 28.06.2017 der Antragsgegnerin angezeigt. Als Sicherungsgeber wurden in dem Anschreiben genannt Herr Dr. V. und Frau V. Gleichzeitig wurden Unterlagen an die Antragsgegnerin übersandt. Die Antragsgegnerin bestätigte die Abtretungen mit Schreiben vom 13.07.2017, wobei im Betreff die Rede war von Forderungsabtretungen der Gemeinschaftspraxis Dr. V und Frau V.

Nach dem Wortlaut der Abtretungsvereinbarungen liegt somit eine Abtretung von Ansprüchen der GbR nicht vor. Zwar besteht zwischen den Gesellschaftern der GbR und den Sicherungsgebern eine Personenidentität. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, es seien Forderungen der GbR abgetreten worden. Hinzu kommt, dass ein Handlungs- und Erklärungswille der natürlichen Personen Dr. V. und Frau V. nicht in dem Sinne erkennbar ist, diese handelten auch für die GbR.

Nach Ziffer 2 der Abtretungsvereinbarung werden gegenwärtige und künftige Ansprüche auf Arbeitseinkommen als Gegenstand der Abtretungen genannt. Dazu gehören nach Ziffer 2b auch Ansprüche gegen die jeweils zuständige Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung (KV/KZV) …, insbesondere Ansprüche auf Auszahlung des Anteils aus der Kassen(zahn)-ärztlichen Gesamtvergütung. Wird eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft eingegangen, ist geregelt, dass Ansprüche gegen diese abgetreten werden, insbesondere Gewinnauszahlungsansprüche (2b). Die letztgenannte Regelung ist auf den streitgegenständlichen Fall nicht anzuwenden. Denn die GbR besteht seit Anfang 2013, während die Abtretungsvereinbarung das Datum Juni 2017 trägt. So bestand zum Zeitpunkt der Abtretung bereits die GbR. Aus der Formulierung in § 2 der Abtretungsvereinbarung „insbesondere“ ergibt sich, dass die dort genannten Ansprüche nicht abschließend sind und der Begriff „Arbeitseinkommen“ weit auszulegen ist. Dazu zählt auch der erzielte Gewinn, den die Gesellschafter nach § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages entsprechend der Gewinn/Verlustverteilung in der Fassung der Änderung zum Gemeinschaftspraxisvertrag vom 26.09.2019 beanspruchen können. So sind an die Zessionarin (...-Bank) nach § 2 der Abtretungsvereinbarung auch Ansprüche von Herrn Dr. V. und Frau V. gegen die GbR abgetreten worden. Wie der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ausführt, macht die Abtretung der Gewinnansprüche nur dann Sinn, wenn Ansprüche der GbR gegen die Antragsgegnerin für den Betrieb der GbR weiterhin zur Verfügung stehen. Zusätzlich zur Auslegung der Abtretungsverträge nach dem Wortlaut führt die Auslegung nach Sinn und Zweck ebenfalls dazu, dass Honoraransprüche der GbR gegen die Antragsgegnerin nicht von den Abtretungsvereinbarungen umfasst sind.

Dem steht die Regelung in § 409 Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen. Danach muss der Zedent dem Schuldner gegenüber nach Offenlegung die Abtretung gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Damit soll der Drittschuldner geschützt werden. Dieser soll sich darauf verlassen können, dass eine Abtretung erfolgt ist. Im streitgegenständlichen Verfahren ist nach Ziffer 3.3 der Abtretungsvereinbarung die Offenlegung (Anzeige) auf die ...-Bank übergegangen. Davon hat diese auch Gebrauch gemacht und die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28.06.2017 von den erfolgten Abtretungen in Kenntnis gesetzt. Letztere hat dann mit Schreiben vom 13.07.2017 die Abtretungen bestätigt. Der Drittschuldner ist jedoch nur dann schutzbedürftig, wenn der Zedent gleichzeitig Forderungsinhaber ist. Nach den Abtretungsvereinbarungen sind Zedenten, dort als Sicherungsgeber bezeichnet, Herr Dr. V und Frau V. gemeinsam bzw. Herr Dr. V oder Frau V. Dagegen ist Gläubigerin der Honoraransprüche die GbR, die einen eigenen ungekürzten Anspruch auf Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit hat. Insofern sind Zedent und Forderungsinhaber gegen den Drittschuldner nicht identisch. Dies hat zur Folge, dass die GbR nach Anzeige die angezeigte Abtretung nicht gegen sich gelten lassen muss. § 409 BGB ist folglich nicht anwendbar. Im Übrigen wurden der Antragsgegnerin die Abtretungsvereinbarungen übersandt. Der Antragsgegnerin musste daher klar sein, dass Zedenten nicht die GbR, sondern Herr Dr. V und Frau V. gemeinsam bzw. Herr Dr. V oder Frau V sind. Aus diesem Grund entfällt eine Schutzbedürftigkeit der Antragsgegnerin.

Auch geht die Antragsgegnerin fehl in der Annahme, es sei primär eine Klärung im Verhältnis ...-Bank und Sicherungsgeber herbeizuführen. Denn die Abtretungen sind so eindeutig, dass offensichtlich die Rechtsbeziehungen zwischen der GbR als Forderungsinhaberin und der Antragsgegnerin als Schuldnerin der Honoraransprüche nicht betroffen sind. Selbst wenn was nicht von unklaren Regelungen in den Abtretungsvereinbarungen auszugehen wäre, insbesondere, was die Person des Sicherungsgebers betrifft, gilt § 305c BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 BGB zulasten des Verwenders, hier der ...-Bank gehen.

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, seit dem 01.01.2013 seien sämtliche Zahlungen von der Antragsgegnerin auf die für die Antragstellerin angegebene Bankverbindung unbeanstandet geleistet worden, entfällt hierdurch nicht der Honoraranspruch der Antragstellerin; dies allein deshalb, weil auch der Antragsgegnerin die unterschiedliche Sichtweise, was die Abtretungen betrifft, bekannt war.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass nach Auffassung des Gerichts bei summarischer Prüfung der Anordnungsanspruch besteht, da eine Hauptsacheklage als offensichtlich erfolgreich anzusehen ist.

Dementsprechend sind an den Anordnungsgrund nur sehr geringe Anforderungen zu stellen. Zwar hat die Antragsgegnerin eine Restzahlung für das Quartal 4/2019 in Höhe von 44.493,64 EUR und eine Abschlagszahlung in Höhe von 28.200 EUR geleistet. Jedoch wurden jeweils 3.000 EUR einbehalten. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtslage zwischen den Beteiligten und der ...-Bank gelang es in der Vergangenheit, so auch für das Quartal 4/19 und für März 2020, einen Modus zu finden, Honorauszahlungen letztendlich gekürzt oder ungekürzt an die Antragstellerin auszukehren. Es handelte sich aber um Einzellösungen. Deshalb ist zu besorgen, dass die Antragsgegnerin auch in Zukunft jeweils immer wieder von Neuem die Abtretungen zugunsten der ...-Bank zum Anlass nimmt, diese bei den Honorarauszahlungen an die Antragstellerin zu berücksichtigen. Dies stellt für die Antragstellerin eine erhebliche Unsicherheit dar mit Auswirkung auf den laufenden Praxisbetrieb oder sogar auf den Fortbestand der Praxis. Damit ist die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG tangiert. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erscheint zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig.

Deshalb war dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b SGG stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen