Urteil vom Sozialgericht Speyer (17. Kammer) - S 17 KR 689/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.855,41 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1597,90 € seit dem 30.12.2014, aus 8731,45 € seit dem 17.12.2016, aus 12.069,75 € seit dem 20.10.2017 und aus 18.855,41 € seit dem 09.11.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird für die Zeit vom 29.12.2014 bis zum 15.12.2016 auf 59.477,86 €, für die Zeit vom 16.12.2016 bis zum 18.10.2017 auf 161.719,75 €, für die Zeit vom 19.10.2017 bis zum 07.11.2018 auf 209.731,18 € und für die Zeit ab dem 08.11.2018 auf 315.278,27 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Rückerstattung der für individuell hergestellte Arzneimittel gezahlten Umsatzsteuer streitig.

2

Die Beklagte betreibt ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Vertragskrankenhaus.

3

Das von der Beklagten betriebene Krankenhaus stellt in seiner hauseigenen Apotheke patientenindividuelle Arzneimittel her, die dann u.a. zur ambulanten Behandlung der Patienten im Krankenhaus abgegeben werden.

4

Die Abgabe dieser Arzneimittel an die Versicherten der Klägerin zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus erfolgte für die Zeit ab dem 05.05.2004 auf Basis einer Vereinbarung gemäß § 129 Buchst. a SGB V über die Abgabe von Arzneimitteln der Krankenhausapotheke an Versicherte gemäß § 14 Abs. 4 ApothG vom 05.05.2004 (künftig: AMPV 2004).

5

Der Vertrag wurde zwischen dem Landesverband Deutscher Krankenhausapotheker Rheinland-Pfalz e.V. und dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. sowie dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., durch welche u.a. die Klägerin vertreten wurde, abgeschlossen.

6

In der Vereinbarung war u.a. geregelt:

7

㤠5 Abs. 2:

8

„Im Einzelnen sind folgende Preise von der Ersatzkasse zu zahlen:

9

- Fertigarzneimittel: AEK + Mehrwertsteuer-Zuzahlung
- ausgeeinzelte Fertigarzneimittel: AEK der Teilmenge + Mehrwertsteuer
- Zubereitungen für Zytostatika, Antibiotika, Virustatika, Schmerzlösungen, Calciumfolinat und parenterale Ernährung:

10

Die Berechnung erfolgt vergleichbar der Hilfstaxe nach folgender Formel:

11

Position 1

        

AEK (Arzneimittel)./. 2 %

Position 2

+

AEK (Trägerlösung)./. 2 %

Position 3

+

AEK (Pumpe, Kassette, sonstige Applikationshilfen, (z.B. Spezialinfusionssysteme)

Position 4

+

Mehrwertsteuer der Summe Position 1-3

Position 5

+

Arbeitspreis

Position 6

-

Zuzahlung (pro Zeile).

12

Ein Arbeitspreis ist ausdrücklich nur für Zubereitungen von Zytostatika (ATC Gruppe L01), Antibiotika, Virustatika, Schmerzlösungen und parenterale Ernährungslösungen berechnungsfähig.

13

Er beträgt pro applikationsfertige Einheit 16,00 € für die erste Zubereitung und 6 € für jede weitere Zubereitung eines Behandlungszyklus.

14

§ 5 Abs. 3:

15

Der abgerechnete Preis darf den Apothekenabgabepreis einer öffentlichen Apotheke zu Lasten der Ersatzkasse unter Einbeziehung der gesetzlichen Regelungen nach § 129 Abs. 1 SGB V und nach Minderung um die nach § 31 Abs. 3, § 130 und § 130 Buchst. a SGB V zu leistenden Abschläge nicht überschreiten.“

16

Auf § 5 des AMPV 2004 (Bl. 312-312 a der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

17

Die Beklagte rechnete die patientenindividuellen Arzneimittelzubereitungen zur ambulanten Behandlung der Versicherten der Klägerin im Krankenhaus gegenüber der Klägerin ab dem 05.05.2004 gemäß § 5 Abs. 2 AMPV 2004 ab. Folge war, dass die Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer allein auf die Positionen 1-3 (Arzneimittel, Trägerlösung und Applikationshilfen) aufgeschlagen wurde. Dem Arbeitspreis wurde keine Mehrwertsteuer hinzugefügt.

18

Mit Wirkung ab dem 01.08.2010 wurde als Berechnungsgrundlage für Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses ein weiter Vertrag über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheker an Versicherte nach § 129 Buchst. a SGB V zwischen dem Landesverband Deutscher Krankenhausapotheken Rheinland-Pfalz e.V. und den Ersatzkassen in Rheinland-Pfalz (unter anderem die Klägerin) vertreten durch den Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) abgeschlossen (künftig: AMPV 2010).

19

In diesem Vertrag war unter anderem vereinbart:

20

㤠6 Abs. 3

21

Bei Rezepturen sind den Krankenkassen folgende Abschläge auf die für den Tag der Abgabe maßgeblichen Apothekeneinkaufspreise gemäß ABDA- Artikelstamm/Lauer-Taxe zu gewähren:

22

- für patentfreie (generische) Fertigarzneimittel Milligramm, Milliliter oder Internationale Einheiten einen Rabatt i.H.v. 30 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130 Buchst. a SGB V.

23

- für patentgeschützte Fertigarzneimittel je Milligramm, Milliliter oder Internationale Einheiten ein Rabatt in Höhe von 1 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130 Buchst. a SGB V. Abweichend von S. 1 wird bei monoklonalen Antikörpern einen Rabatt i.H.v. 0,5 % auf den Apotheken EK gewährt sowie die Herstellerrabatt der § 130 Buchst. a SGB V.

24

- parenterale Calciumfolinatlösungen je Milligramm, Milliliter ein Rabatt i.H.v. 45 % auf den Apotheken EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130 Buchst. a SGB V.

25

- parenterale Natriumfolinatlösungen je Milligramm, Milliliter ein Rabatt von 30 % auf den Apotheken EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130 Buchst. a SGB V. Der Einsatz soll nur im Ausnahmefall erfolgen, wenn eine Anwendung von Calciumfolinat nicht möglich ist.

26

- Trägerlösungen je Milligramm, Milliliter oder Internationale Einheiten ein Rabatt i.H.v. 45 % auf den Apotheken EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 31 Buchst. a SGB V.

27

Zuzüglich zu den so ermittelten Preises ist ein Arbeitspreis in Höhe von

28

- 49 € für zytostatikahaltige Lösungen
- 49 € für Lösungen mit monoklonalen Antikörpern
- 29 € für Antibiotika-und virustatikahaltige Lösungen
- 29 € für parenterale Ernährungslösungen
- 29 € für parenterale Lösungen mit Schmerzmitteln (einer Menge von >20 ml pro applikationsfertige Einheit)
- 29 € für parenterale Folinatlösungen (bei einer Menge von >20 ml pro applikationsfertige Einheit)
- 29 € für sonstige Lösungen (eine Menge von >20 ml pro applikationsfertige Einheit)

29

pro applikationsfertiger Einheit abrechnungsfähig.

30

Für die Herstellung von Injektionslösungen zur parenteralen Schmerztherapie, parenteralen Folinatlösungen und sonstigen parenterale Lösungen bis 20 ml ist der Zuschlag nach § 5 Abs. 3 AMPreisV abrechnungsfähig.

31

§ 6 Abs. 5

32

Sofern im ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe zu einem Arzneimittel (ungeachtet Packungsgröße) oder einem Stoff kein Apothekeneinkaufspreis aufgeführt ist, ist der Einkaufspreis der Krankenhausapotheke, exklusive Mehrwertsteuer, und der Name der Lieferfirma (Hersteller) auf der Vorderseite des Verordnungsblatts zu vermerken. In diesen Fällen ist ein Zuschlag von 5 %, max. 50,00 € auf den gegebenenfalls anteiligen Einkaufspreis abrechnungsfähig. Auf Verlangen der Krankenkasse ist die Rechnung vorzulegen.

33

§ 6 Abs. 6

34

Den Preisen für die Arzneimittel und den Arbeitspreisen nach diesem Vertrag ist die Mehrwertsteuer hinzuzufügen, soweit sich aus den Vorschriften zur Preisberechnung nichts anderes ergibt oder nichts anderes vereinbart ist“.

35

Auf den AMPV 2010 (Bl. 131-136 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

36

Ab dem 01.08.2018 rechnete die Beklagte die von 6 Abs. 3 des AMPV 2010 erfassten Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses gegenüber der Beklagten nach Maßgabe der in diesem Vertrag vorgegebenen Berechnungsgrundlage ab. Aufgrund dessen setzte die Beklagte den Apothekeneinkaufspreisen gemäß ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe (ggf. abzüglich der in § 6 Abs. 3 S. 1 des AMPV 2010 geregelten Rabatte) in den Fällen des § 6 Abs. 3 S. 2 HS AMPV 2010 den Arbeitspreis hinzu. Der Preisgestaltung wurde sodann eine Umsatzsteuer von 19 % hinzugefügt.

37

Durch die Klägerin wurden diese Rechnungen -einschließlich der aufgeführten Umsatzsteuer- dem Grunde nach beglichen.

38

Die Beklagte ging davon aus, dass die erfassten Arzneimittelzubereitungen nicht umsatzsteuerpflichtig sind. Gegenüber der Finanzverwaltung behandelte die Beklagte die Erlöse aus der Abgabe der patientenindividuellen Rezepturen dementsprechend als umsatzsteuerfrei. Im Gegenzug wurde durch die Beklagte die Vorsteuer, die auf die für die Fertigung der Rezepturen benötigten Arzneimittel und sonstigen Materialien entrichtet worden war, nicht im Rahmen des Vorsteuerabzugs geltend gemacht (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG).

39

Auf die Auskunft der Finanzverwaltung Rheinland-Pfalz vom 09.11.2016 (Bl. 137-139 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

40

Im Zeitraum vom 01.08.2010 bis zum 31.12.2016 wurde durch die Beklagte gegenüber der Klägerin die nachfolgende Umsatzsteuer auf die Arbeitspreise gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 AMPV 2010 abgerechnet und von dieser bezahlt:

41

01.08.2010-31.12.2010

1597,90 €

2011   

3590,62 €

2012   

3542,93 €

2013   

3338,30 €

2014   

2922,58 €

2015   

1970,11 €

2016   

1892,97 €

Gesamt:

18.855,41 €.

42

Auf das Anlagenkonvolut K4 der Klägerin, geführt als Beiheft zur Gerichtsakte, wird Bezug genommen.

43

Im Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2016 wurde durch die Beklagte auf patientenindividuellen Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses die nachfolgende Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin abgerechnet und von dieser bezahlt:

44

2010                     

59.447,86 €

2011   

51.508,51 €

2012   

50.733,38 €

2013   

48.011,43 €

2014   

43.063,79 €

2015   

29.659,87 €

2016   

32.823,43 €

45

Auf das Anlagenkonvolut K4 der Klägerin, geführt als Beiheft zur Gerichtsakte, wird Bezug genommen.

46

Die Abrechnung der in der Krankenhausapotheke der Beklagten gefertigten patientenindividuellen Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses erfolgte jedenfalls in der Zeit vom 01.01.2010-31.12.2016 über das Rechenzentrum ... GmbH, an welches die entsprechenden Vergütungsansprüche im Wege des unechten Factorings abgetreten worden waren.

47

Der Bundesfinanzhof entschied mit Urteil vom 24.09.2014 (Az.: VR 19/11), dass die Abgabe von individuell gefertigten Arzneimittelzubereitungen durch die Krankenhausapotheke zur ambulanten Behandlung der Patienten im Krankenhaus nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Das Bundesministerium der Finanzen folgte dem für Arzneimittelzubereitungen auch für die Vergangenheit (Schreiben vom 28.09.2016, III C 3 – S 7170/11/10004).

48

Am 22.03.2017 schlossen der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheken e.V., Landesverband Rheinland-Pfalz und der BKK Landesverband Mitte, die IKK Südwest, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche Krankenkasse und die Ersatzkassen (unter Einschluss der Klägerin) vertreten durch den Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) eine 9. Änderungsvereinbarung zum AMPV 2010.

49

Durch die Vertragspartner wurde § 6 Abs. 6 dass AMPV 2010 aufgrund der durch die BFH-Entscheidung vom 24.09.2014 und das Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen vom 28.09.2016 geänderten Situation wie folgt neu gefasst:

50

„Den Preisen für Arzneimittel und den Arbeitspreisen nach diesem Vertrag ist die Umsatzsteuer hinzuzufügen, sofern der Krankenhausträger für die betreffende Lieferung zur Abführung der Umsatzsteuer gesetzlich verpflichtet ist. Die Umsatzsteuer ist in der Abrechnung auszuweisen. Bei nicht bestehender Umsatzsteuerpflicht wird die Umsatzsteuer nicht berechnet. Soweit keine Umsatzsteuer für individuell hergestellte parenterale Lösung besteht, beträgt der Aufschlag für nicht generische verfügbare Produkte 18,9 % und generische verfügbare Produkte 15 %".

51

Auf die Änderungsvereinbarung vom 22.03.2017 (Bl. 325-322 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

52

Eine dieser Regelung weitgehend entsprechende Berechnungsgrundlage wurde in § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 6 der Anl. 1 des zwischen der Beklagten und u.a. den Ersatzkassen, unter Einschluss der Beklagten, geschlossenen AMPV vom 25.06.2018 mit Wirkung ab dem 01.07.2018 vereinbart (künftig: AMPV 2018).

53

Auf § 6 Abs. 1 dieses Vertrags in Verbindung mit der Anl. 1 (Bl. 238, 251-258 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

54

Am 04.05.2015 wurde durch die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Verjährungsverzichtserklärung abgegeben. In dieser erklärte die Beklagte:

55

„... bezüglich eventueller Forderungen der ... gegen das Krankenhaus ab dem Jahr 2011 wegen zu viel gezahlter Umsatzsteuer bei Abgabe von Zytostatika-Zubereitungen und gegebenenfalls weiteren von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 24.09.2014 (Az.: VR 19/11) umfassten Arzneimitteln, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.

56

2. Die Verzichtserklärung gilt für die Zeit bis 31.12.2016.

57

3. Die Verzichtserklärung erstreckt sich nur auf Ansprüche, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nicht verjährt sind. Die sind insbesondere Ansprüche die der Verjährung des § 45 Abs. 1 SGB I unterliegen. Nicht erfasst werden Ansprüche, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits verjährt oder verwirkt waren.

58

4. ...“.

59

Auf die Erklärung des Verzichts auf Erhebung der Einrede der Verjährung vom 04.05.2015 (Bl. 355-356 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

60

Am 29.12.2014 hat die Klägerin die vorliegende Klage bei dem Sozialgericht Speyer erhoben.

61

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 eine Nettopreisvereinbarung geschlossen worden sei. Die Formulierung des § 6 Abs. 6 AMPV 2010 sei in dem Sinne, dass die „anfallende“ Mehrwertsteuer hinzuzufügen sei, zu verstehen. Denn die Mehrwertsteuer sei natürlich nur dann hinzuzufügen, wenn diese nach der Vorgabe des UStG auch tatsächlich anfalle. Darüber hinaus könne die Umsatzsteuer gemäß §§ 4, 12 UStG auch jeweils eine unterschiedliche Höhe haben. Auch dies verdeutliche den tatsächlichen Abschluss einer Nettopreisabrede, da die Höhe der hinzuzufügenden Umsatzsteuer stets konkret ermittelt werden müsse.

62

Die Klägerin macht weiter geltend, dass das der Erstattungsanspruch bereits aus dem Umstand Folge, dass die Beklagte die Umsatzsteuer auf die Arzneimittelzubereitungen abgerechnet habe, obwohl diese nach ihrer eigenen Auffassung umsatzsteuerfrei gewesen seien; im Übrigen sei die vereinnahmte Umsatzsteuer durch die Beklagte nicht an die Finanzverwaltung abgeführt worden.

63

Die Klägerin trägt weiter vor, dass zwar korrekt sei, dass die Beklagte auf die für die Rezepturen benötigten Arzneimittel und Produkte eine Vorsteuer gezahlt habe. Diese Vorsteuer sei von der durch die Klägerin an die Beklagte gezahlte Umsatzsteuer jedoch nicht in Abzug zu bringen. Denn der Vorsteuerabzug sei kein Bestandteil der Kalkulationsgrundlage der Beklagten gewesen, da diese intern von einer Umsatzsteuerfreiheit ausgegangen sei. Selbst wenn eine ergänzende Vertragsauslegung zu dem Ergebnis führen würde, dass von der gezahlten Umsatzsteuer auf die Arzneimittelzubereitungen die durch die Beklagte erbrachte Vorsteuer in Abzug zu bringen sei, dann sei nicht die Vorsteuer für den Apothekeneinkaufspreis, sondern die Vorsteuer auf die tatsächlichen Einkaufspreise abzusetzen. Denn § 6 Abs. 3 AMPV 2010, der auf die Apothekeneinkaufspreise abstelle, sei lediglich Grundlage für die Ermittlung des Verkaufspreises. Die Einkaufsseite sei in diesem Vertrag jedoch nicht geregelt. Hier müsse Berücksichtigung finden, dass die Marge der Beklagten auf die einzukaufenden Arzneimittel und Produkte bei ca. 80 % liegen dürfte.

64

Darüber hinaus ergebe sich die Verpflichtung zur Offenbarung der tatsächlichen Einkaufspreise aus § 129 Abs. 5 Buchst. c S. 8 SGB V.

65

Die Klägerin führt weiter aus, dass der hypothetische Wille der Vertragsparteien zwar Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts sei. Für die Ermittlung dieses hypothetischen Parteiwillens sei jedoch nicht auf die AMPV aus der Zeit vor und nach dem streitgegenständlichen Zeitraum abzustellen. Denn die Regelung zur Preisgestaltung in diesen Verträgen beruhe auf Zugeständnissen der Krankenhausseite an anderer Stelle.

66

Die Klägerin ist weiterhin der Rechtsauffassung, dass die Ausschlussfrist des § 14 des AMPV 2010 nicht einschlägig sei. Jedenfalls sei diese Vereinbarung nach der Rechtsprechung des BSG nichtig.

67

Mit Schriftsatz vom 23.12.2014 (Eingang bei Gericht am 29.12.2014) hat die Klägerin zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrags von 59.477,86 € beantragt. Mit Schriftsatz vom 16.12.2016 (Eingang bei Gericht am 16.12.2016) hat die Klägerin die Klage um einen Betrag von 102.241,89 € (Kalenderjahr 2011: 51.508,51 € und Kalenderjahr 2012: 50.733,38 €) erweitert. Mit Schriftsatz vom 18.10.2017 (Eingang bei Gericht am 19.10.2017) hat die Klägerin die Klage um einen Betrag von 48.011,43 € (Kalenderjahr 2013) erweitert.

68

Eine weitere Klageerweiterung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.11.2018 (Eingang bei Gericht am 08.11.2018) um einen Betrag von 105.547,09 € (Kalenderjahr 2014: 43.063,79 €, Kalenderjahr 2015: 29.659,87 €, Kalenderjahr 2016: 32.823,43 €) vorgenommen.

69

Die Klägerin beantragt nunmehr:

70

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 59.477,87 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage vom 23.12.2014 zu zahlen.

71

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 102.241,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem Tag der Rechtshängigkeit der ersten Klageerweiterung vom 16.12.2016 zu zahlen,

72

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 48.011,43 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem Tag der Rechtshängigkeit der ersten Klageerweiterung vom 18.10.2017 zu zahlen,

73

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 105.547,09 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem Tag der Rechtshängigkeit dieser Klageerweiterung zu zahlen.

74

Die Beklagte beantragt:

75

die Klage wird abgewiesen.

76

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass die durch die Klägerin vorgenommenen Klageerweiterungen mangels Sachdienlichkeit unzulässig seien. Durch die Erweiterung der Klage um weitere Streitjahre werde der Rechtsstreit auf eine neue Grundlage gestellt. Denn jedes weitere Streitjahr erfordere eine jeweils neue rechtliche Beurteilung, da es sich aus steuerrechtlicher Sicht jeweils um neue Veranlagungszeiträume handele. Im Übrigen seien die wiederholten Klageerweiterungen unwirtschaftlich. Es sei wesentlich sinnvoller, zunächst eine Grundsatzentscheidung abzuwarten, bevor der gesamte streitgegenständliche Komplex eingeklagt werde.

77

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass die klägerischen Forderungen bereits verjährt seien. Gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB gelte eine 3-jährige Verjährungsfrist. Diese sei bereits verstrichen.

78

Eine Verjährung sei jedenfalls für die sich auf das Kalenderjahr 2011 beziehenden Erstattungsforderungen eingetreten.

79

Unabhängig hiervon sei das Verfahren durch die Beteiligten teilweise nicht betrieben worden, so dass die Verjährung gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 204 Abs. 2 S. 3 BGB nicht gehemmt gewesen sei. Dies betreffe den Zeitraum von Januar 2016 bis zum 16.12.2016. Auch im Jahr 2018 habe das Verfahren für mehr als 6 Monate stillgestanden.

80

Im Übrigen sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Denn diese habe sich zur Abrechnung eines Rechenzentrums bedient und alle Forderungen an dieses abgetreten.

81

Die Beklagte ist weiterhin der Rechtsauffassung, dass die Rügefrist aus dem AMPV 2010 bereits verstrichen sei. In § 14 Abs. 1 des AMPV 2010 sei eine Beanstandungsfrist von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgt sei, geregelt. Diese Beanstandungsfrist sei vorliegend verstrichen.

82

Die Beklagte ist weiter der Rechtsauffassung, dass die Abrechnung der Umsatzsteuer auf die individuellen Arzneimittelzubereitungen nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Denn die die Modalität der Abrechnung sei durch § 6 Abs. 3 und 6 AMPV vorgegeben gewesen. Zwar habe die Beklagte keine Umsatzsteuer an die Finanzverwaltung abgeführt, es sei jedoch andererseits auch nicht von der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs Gebrauch gemacht worden. Im Ergebnis führe dies dazu, dass allenfalls die Umsatzsteuer auf den in § 6 Abs. 3 AMPV vereinbarten Arbeitspreis zu erstatten sei.

83

Die Beklagte trägt weiter vor, dass zur Schließung der sich ergebenden Vertragslücke auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen sei. Maßgeblich sei insofern, was nach Treu und Glauben vereinbart worden wäre. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, dass der AMPV 2010 auf Verbandsebene abgeschlossen worden sei, so dass die Beklagte die Preise gerade nicht selbst habe kalkulieren können. In den Verträgen sei auf Verbandsebene der Apothekeneinkaufspreis als standardisierter Preis für die Rechnungs- und Bewertungsposten festgelegt worden. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Vorsteuer im Falle einer Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG nicht gegenüber der Finanzverwaltung geltend gemacht werden könne und insofern zum Teil der durch die Beklagte zu verauslagenden Materialkosten werde.

84

Dies zugrunde gelegt wäre zwischen den Vertragsparteien bei Kenntnis der Steuerfreiheit der Umsätze aus den Arzneimittelzubereitungen hypothetisch vereinbart worden, dass allein die Vorsteuer auf die für die Medikamentenherstellung getätigten Aufwendungen zu erstatten sei. Zur die Ermittlung dieser abzusetzenden Vorsteuer wäre von den auf Verbandsebene angesiedelten Vertragsparteien an den Apothekeneinkaufspreis angeknüpft worden. Bestätigt werde dies zum einen dadurch, dass in § 5 Abs. 2 der Vereinbarung vom 05.05.2004 geregelt worden war, dass die Vorsteuer auf die Apothekeneinkaufspreise für Arzneimittel, Trägerlösung und Applikationshilfen als Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird. Nach der ab dem 01.04.2017 geltenden 9. Änderungsvereinbarung zum AMPV 2010 werde zum Ausgleich der Vorsteuer ein vertraglich vereinbarter Aufschlag auf die Apothekeneinkaufspreise geleistet.

85

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

86

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist diese unbegründet.

87

1.) Die Klage ist als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt.

88

Nach Auffassung der Kammer sind die durch die Klägerin vorgenommenen Klageerweiterungen zulässig. Denn diese sind gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klagänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG anzusehen.

89

Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass es aufgrund der Erweiterung der erfassten Zeiträume zu einer Änderung des zu Grunde liegenden Lebenssachverhalts und insofern zu einer Klagänderung gekommen sein sollte, wären diese Klagänderung sachdienlich und insofern gemäß § 99 Abs. 1 SGG zulässig.

90

Eine Klageänderung ist sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden oder weitere noch anhängige Streitigkeiten erledigt bzw. weitgehend mitentschieden werden (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 99, Rn. 10).

91

Diese Voraussetzungen sind gegeben.

92

Denn auch im Hinblick auf die durch die Klageerweiterungen umfassten streitgegenständlichen Zeiträume ist zwischen den Beteiligten streitig, ob und inwieweit der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch/Erstattungsanspruch im Hinblick auf die geleistete Umsatzsteuer auf die streitgegenständlichen Arzneimittelzubereitungen zusteht. Den streitgegenständlichen Zeiträumen ist dabei gemeinsam, dass diese vom Geltungsbereich des AMPV 2010 umfasst werden. Der in § 6 Abs. 3 und Abs. 6 AMPV 2010 geregelten Berechnungsgrundlage lag jedoch die -im Nachhinein unzutreffende- Vorstellung der Vertragsparteien auf Verbandsebene zu Grunde, dass die erfassten Arzneimittelzubereitungen umsatzsteuerpflichtig sind (siehe unten).

93

2.) Die Klage ist in überwiegendem Umfang unbegründet.

94

Die Klägerin hat gegen die Beklagte lediglich einen Anspruch auf die Zahlung von 18.855,41 € nebst Zinsen.

95

a) Die Beklagte ist passiv legitimiert, obwohl die Abrechnung der erfassten Arzneimittelzubereitungen über das Rechenzentrum ... GmbH erfolgte und die Forderungen von diesem eingezogen worden sind.

96

Zwar durfte das Abrechnungszentrum im Rahmen des § 300 Abs. 2 und 3 SGB V tätig werden und sich in diesem Rahmen die Ansprüche der Beklagten im Wege des unechten Factorings abtreten lassen. Gleichwohl sind Rechtsstreitigkeiten über die Berechtigung und den Umfang der streitgegenständlichen Forderungen auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Datenschutzes des SGB zwischen der Klägerin als Krankenkasse und der Beklagten als Rechtsträger der Krankenhausapotheke zu führen (so BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B 1 KR 5/19 R, Rn. 14).

97

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlich Erstattungsanspruchs (vgl. zu § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB als Anspruchsgrundlage für die Rückerstattung von Umsatzsteuer auf patientenindividuelle Zytostatika für die ambulante Behandlung eines Patienten im Krankenhaus: BGH, Urteil vom 20.02.2019, Az.: VIII ZR 7/18, Rn. 19 und 60) und den §§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V, 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch auf die Zahlung eines Betrags von 18.855,41 € nebst Prozesszinsen.

98

aa) Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind in Höhe von 18.855,41 € gegeben (hierzu aaa)). Der Anspruch der Klägerin ist weder durch die Regelung des § 14 Abs. 1 AMPV 2010 ausgeschlossen, noch ist er verjährt (hierzu bbb)).

99

aaa) Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch als ein aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitetes Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen werden. Dabei gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB.

100

(1.) Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor. Denn die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlicher Natur.

101

(2.) Die Beklagte hat im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses die auf den Arbeitspreis (§ 6 Abs. 3 S. 2 und Abs. 6 AMPV 2010) geleistete Umsatzsteuer ohne Rechtsgrund gezahlt. Dies entspricht für den streitgegenständlichen Zeitraum einem Betrag von 18.855,41 €.

102

Die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung des § 6 Abs. 6 AMPV 2010 führt im Hinblick auf die betroffenen, nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Arzneimittelzubereitungen zu dem Ergebnis, dass den nach § 6 Abs. 3 S. 1 AMPV 2010 ermittelten Preisen für die Arzneimittel die nach dem Apothekeneinkaufspreis gemäß ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe zu berechnende Vorsteuer hinzuzusetzen, im Übrigen aber eine Umsatzsteuer auf die Preise für Arzneimittel und den Arbeitspreis (§ 6 Abs. 3 S. 2 AMPV 2010) nicht zu entrichten ist.

103

Grundlage für die Abrechnung der patientenindividuellen Arzneimittelzubereitungen zur ambulanten Behandlung der Versicherten der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten waren im streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2010 - 31.12.2016) der AMPV 2004 und der AMPV 2010.

104

Diese Verträge berechtigten die Krankenhausapotheke der Beklagten für Versicherte der vertragsschließenden Krankenkassen unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB V ärztlich verordnete Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in der Ambulanz des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte abzugeben und hierfür nach Maßgabe der jeweils getroffenen Preisvereinbarungen eine Vergütung zu erhalten. Aufgrund dieser Verträge durfte die Krankenhausapotheke der Beklagten anstelle einer Offizinapotheke bei ambulanter Behandlung Versicherter im Krankenhaus durch Krankenhausärzte Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen dieser Versicherten abgeben, da sie über eine apothekenrechtliche Betriebserlaubnis verfügt (so BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B 1 KR 5/19 R, Rn. 15).

105

(a) Für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010 sind seitens der Klägerin keine Zahlungen an die Beklagte ohne Rechtsgrund geleistet worden.

106

Denn die zwischen den Vertragsparteien im AMPV 2004 vereinbarte Berechnungsgrundlage entsprach der umsatzsteuerlichen Rechtslage (keine Umsatzsteuerpflicht gemäß § 14 Nr. 16 Buchst. b UStG (a.F.) auf patientenindividuelle Arzneimittelzubereitungen zur ambulanten Behandlung der Versicherten im Krankenhaus).

107

In § 5 Abs. 3 AMPV 2004 war geregelt, dass auf die Apothekeneinkaufspreise für die zur Medikamentenherstellung benötigten Grundstoffe einschließlich der Materialien zur Applikation die Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird.

108

Insofern wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Vorsteuer auf die Grundstoffe und Materialien auch bei materiell-rechtlich nicht bestehender Umsatzsteuerpflicht durch die Träger der Krankenhausapotheken -dann wegen der fehlenden Möglichkeit zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG) endgültig- zu tragen ist. Die Zahlung einer Umsatzsteuer auf den Arbeitspreis bzw. die Arzneimittelzubereitung als solche war in dem Vertrag weder geregelt, noch wurde eine solche durch die Beklagte abgerechnet, noch wurde eine solche durch die Klägerin gezahlt; die Problematik der Überzahlung einer materiell-rechtlich nicht geschuldeten Umsatzsteuer auf die Zubereitung als solche stellt sich insofern nach Auffassung der Kammer nicht.

109

(b) Im Zeitraum vom 01.08.2010 bis zum 31.12.2016 ist durch die Klägerin an die Beklagte ein Betrag von 18.855,41 € ohne Rechtsgrund geleistet worden.

110

In diesem Zeitraum wurden die patientenindividuellen Arzneimittelzubereitungen zur ambulanten Behandlung der Versicherten im Krankenhaus der Beklagten auf Basis des AMPV 2010 abgerechnet.

111

Dieser Vertrag weist eine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (hierzu (aa)). Die ergänzende Vertragsauslegung hat nach Auffassung der Kammer zur Folge, dass den nach § 6 Abs. 3 S. 1 AMPV 2010 ermittelten Preisen die Vorsteuer hinzuzusetzen, im Übrigen aber eine Umsatzsteuer auf die Arzneimittelzubereitung als solche nicht zu entrichten ist (hierzu (bb)).

112

(aa) Der AMPV 2010 weist eine nicht bedachte Unvollständigkeit, eine planwidrige Regelungslücke, auf.

113

Denn die Vertragsparteien des AMPV 2010 hatten die übereinstimmende Vorstellung, dass die Lieferung der von diesen Verträgen umfassten patientenindividuellen Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Verabreichung bei ambulanter Behandlung im Krankenhaus ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft darstellt. Die Vertragsparteien gingen offensichtlich von dem Umstand aus, dass die Krankenkassen den auf den Umsatz der Krankenhäuser entfallenden Umsatzsteueranteil tragen und damit in wirtschaftlicher Hinsicht die entsprechende Steuerlast (§ 13 Buchst. a Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 UStG) der Krankenhausträger übernehmen.

114

Vor diesem Hintergrund haben die Vertragsparteien in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 geregelt, dass den Preisen für die Arzneimittel und den Arbeitspreisen nach diesem Vertrag die Mehrwertsteuer hinzuzufügen ist, soweit sich aus den Vorschriften zur Preisberechnung nichts anderes ergibt oder nichts anderes vereinbart ist.

115

Auf die Vorstellung der Beklagten, die in diesem Zeitraum davon ausging, dass eine Umsatzsteuerpflicht für diese Lieferungen nicht bestehe, kommt es, da diese nicht als Vertragspartner an den Verhandlungen beteiligt war, nicht an.

116

Entgegen der Vorstellung der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand für individuelle Arzneimittelzubereitungen zur Abgabe an ambulant in einem Krankenhaus durchgeführte ärztliche Heilbehandlungen materiell-rechtlich keine Umsatzsteuerpflicht (BFH, Urteil vom 24.09.2014, Az.: VR 19/11). Von den Vertragsparteien nicht vorhergesehen änderte das BMF-Schreiben vom 28.09.2016 -die Entscheidung des BFH umsetzend- den Abschnitt 4.14.6 des Umsatzsteueranwendungserlasses. Mit dieser Änderung wurde klargestellt, dass der Entscheidung des Bundesfinanzhofs in der Finanzverwaltung gefolgt werde und die Grundsätze dieses Urteils auch im Hinblick auf andere Arzneimittel, die patientenindividuell hergestellt würden, Anwendung finden.

117

Aufgrund der beschriebenen nachträglich erfolgten Entwicklungen erweist sich die in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 getroffene Preisvereinbarung als planwidrig unvollständig.

118

Denn aufgrund der einvernehmlich angenommenen Umsatzsteuerpflicht bestand ersichtlich die Vorstellung der Vertragsparteien, dass die Krankenhausträger den Umsatzsteueranteil auf die Arzneimittelzubereitungen allein zu dem Zweck erhalten, ihre Steuerpflicht zu Lasten der Krankenkassen zu erfüllen.

119

Diese Steuerpflicht bestand jedoch materiell-rechtlich nicht. Aufgrund des mit dem BMF-Schreiben vom 28.09.2016 geänderten Umsatzsteuer-Anwendungserlasses besteht für die Krankenhausträger nun die Möglichkeit, einen Erstattungsanspruch für die an die Finanzverwaltung abgeführte Umsatzsteuer rückwirkend geltend zu machen (§§ 14 Buchst. c Abs. 1 S. 2, 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i.V.m § 31 Abs. 5 S. 1 Buchst. b.UstDV; § 18 Abs. 3 UStG i.V.m. 150 Abs. 1 S. 3, 168 S. 1, 164 Abs. 2 S. 1 AO; vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 20.02.2019, Az.: VIII ZR 7/18, Rn 54 und 71 ff.).

120

Da die Beklagte die Umsätze aus den erfolgten Lieferungen gegenüber der Finanzverwaltung als umsatzsteuerfrei behandelt hat und -rückwirkend betrachtet- auch behandeln durfte, ist der vollständige Verbleib dieses Betrags bei der Beklagten nicht mehr von dem oben skizzierten Willen der Vertragsparteien gedeckt. Bliebe es unverändert bei der Preisvereinbarung des § 6 Abs. 6 AMPV 2010 in der Fassung vom 01.08.2010, würde dies die Klägerin gegenüber der Beklagten einseitig benachteiligen. Dies wäre unbillig und entspreche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (siehe unten (bb)) (vgl. insoweit zu einer ähnlichen Problematik: BSG, Urteil vom 20.02.2019, Az.: VIII ZR 7/18, Rn. 56).

121

Der Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit der in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 vereinbarten Preisregelung steht deren Einordnung als Bruttopreisabrede nicht entgegen.

122

Nach Auffassung der Kammer ist in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 eine Bruttopreisvereinbarung getroffen worden.

123

Eine Bruttopreisvereinbarung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Berechnungsgrundlage/Preisgestaltung von einem Bruttopreis ausgeht, sich der Umsatzsteueranteil in den Vereinbarungen insofern als unselbstständiger und nicht automatisch rückforderbarer Vergütungsbestandteil darstellt. Eine Nettopreisabrede fordert demgegenüber eine unmissverständliche Übereinkunft darüber, dass ein Nettobetrag geschuldet wird, der Umsatzsteueranteil mithin nur gezahlt werden muss, wenn und soweit dieser steuerrechtlich geschuldet ist. Die Umsatzsteuer stellt sich dann als eigenständiger Preisanteil dar, der nur dann geschuldet ist, wenn materiell-rechtlich eine entsprechende Steuerpflicht besteht (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 20.02.2019, Az.: VIII ZR 7/18, Rn. 27 und Rn. 42).

124

In diesem Zusammenhang liegt eine Bruttopreisabrede vor.

125

Denn in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 ist lediglich davon die Rede, dass den Preisen für die Arzneimittel und den Arbeitspreisen die Mehrwertsteuer hinzuzufügen ist. Die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geforderte ausdrückliche Vereinbarung eines „Nettopreises“ vermag die Kammer dieser Abrede nicht zu entnehmen. Die in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 geregelte Mehrwertsteuer stellt sich vielmehr als unselbstständiger, im Wege eines Automatismus hinzuzusetzender Preisanteil dar. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Vertragsparteien ein Absehen von diesem Preisanteil nur für den Fall geregelt haben, dass sich aus dem AMPV 2010 selbst oder sonstigen vertraglichen Vereinbarungen etwas anderes ergibt (§ 6 Abs. 6, 2. HS AMPV 2010).

126

Allerdings kann aus dem bloßen Vorliegen einer solchen Abrede nicht ohne weiteres darauf zurückgeschlossen werden, dass die Vertragsparteien davon ausgegangen sind, dass § 6 Abs. 6 AMPV 2010 in jeder Hinsicht abschließend und damit einer ergänzenden Vertragsauslegung gerade nicht zugänglich sein soll.

127

Hierbei ist durch die Kammer zugrunde gelegt worden, dass die Vertragsparteien ständig professionell zusammenarbeiten und Ihnen die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig sind. Insofern musste dem an den Vertragsverhandlungen beteiligten Landesverband Deutscher Krankenhausapotheker Rheinland-Pfalz e.V. die Bindung der anderen Seite an die Vorgaben der §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 27 Abs. 1 S. 1 SGB V deutlich sein. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien eine abschließende Vereinbarung mit dem Inhalt getroffen haben, dass es in jeden Fall bei dem vereinbarten Preis bleibt. Denn dies hätte zur Folge, dass die Krankenkassen mit dem Risiko belastet wären, mehr zu zahlen, als erforderlich wäre, um die Umsatzsteuerpflicht der Krankenhäuser als Leistungserbringer zu erfüllen.

128

Im Ergebnis kann die Problematik der Einordnung von § 6 Abs. 6 AMPV 2010 als Brutto- oder Nettopreisabrede dahingestellt sein bleiben.

129

Denn selbst wenn zwischen den Beteiligten in § 6 Abs. 6 AMPV 2010 eine Nettopreisvereinbarung geschlossen worden sein sollte, wäre ebenfalls eine planwidrige Regelungslücke gegeben. Auch hier wäre durch die Vertragsparteien nicht bedacht worden, was gelten soll, wenn die Steuerverwaltung bei den betroffenen Arzneimittelzubereitungen die Umsatzsteuerpflicht anders als zuvor beurteilt. Denn § 6 Abs. 3 und 6 AMPV 2010 sehen keine Kompensationsmechanismen für den Umstand vor, dass durch die Krankenhäuser auf die für die Arzneimittelzubereitungen benötigten Grundstoffe und Materialien auch bei materiell-rechtlich nicht bestehender Umsatzsteuerpflicht eine Vorsteuer (Bruttopreis) -bei nun fehlender Möglichkeit zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG) - zu entrichten ist (so zutreffend zu dieser Problematik: BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B1 KR 5/19R, Rn. 27 und 28).

130

(bb) Die durchzuführende ergänzende Vertragsauslegung hat nach Auffassung der Kammer zur Folge, dass den nach § 6 Abs. 3 S. 1 AMPV 2010 ermittelten Preisen die nach dem Apothekeneinkaufspreis gemäß ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe zu berechnende Vorsteuer hinzuzusetzen, im Übrigen aber eine Umsatzsteuer auf den Arbeitspreis bzw. die Arzneimittelzubereitung als solche nicht zu entrichten ist.

131

Eine ergänzende Vertragsauslegung, die auch auf öffentlich-rechtlich Verträge wie den AMPV 2010 in der Fassung vom 01.08.2010 anwendbar sind (§§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. 157 BGB; vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B 1 KR 5/19R, Rn. 17), setzt zunächst eine planwidrige Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts voraus.

132

Eine solche ist hier gegeben (siehe oben).

133

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist weiterhin nur dann möglich, wenn sich die bestehende Regelungslücke nicht durch dispositives oder sonstiges Gesetzesrecht, insbesondere Steuerrecht schließen lässt.

134

Auch dies liegt hier vor (so zu einer parallelen Vereinbarung gemäß § 129 Buchst. a SGB V aus dem Jahre 2004: BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B 1 KR 5/19 R, Rn. 24).

135

Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts ist der hypothetische Wille der Vertragsparteien, wobei darauf abzustellen ist, was diese bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.

136

Hierbei entspricht es der Interessenlage der Vertragsparteien, dass die Krankenkassen den Versicherten ihre Leistungen einerseits als Sachleistung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit, Angemessenheit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 27 Abs. 1 S. 1 SGB V) zur Verfügung stellen. Andererseits entspricht es dem Willen der Vertragsparteien, Krankenhäuser wirtschaftlich zu sichern, um eine qualitativ hochwertig, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten (so § 1 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz).

137

Vor diesem Hintergrund liegt dem Regelungsplan des AMPV 2010 ersichtlich die Vorstellung der Vertragsparteien zu Grunde, dass Aufwendungen, welche die Krankenhausapotheken für die Herstellung der betroffenen Arzneimittelzubereitungen dauerhaft zu erbringen haben, in voller Höhe durch die Krankenkassen getragen werden.

138

Ausgehend hiervon hätten die Vertragsparteien -auf Grundlage des Apothekeneinkaufspreises als Standardpreis- einerseits keine (pauschale) Verpflichtung zur Hinzufügung der Mehrwertsteuer auf die Preise für die Arzneimittel und den Arbeitspreis vereinbart. Andererseits hätten die Vertragsparteien bei der Preisgestaltung den Umstand berücksichtigt, dass durch die Krankenhausträger bei der Medikamentenherstellung eine Vorsteuer -ohne Möglichkeit des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG)- zu erbringen ist (so den Kompensationsmechanismus bei nicht bestehender Umsatzsteuerpflicht herausarbeitend: BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B 1 KR 5/19 R, Rn. 27 und 28; so für den Bereich der privaten Krankenversicherung: BGH, Urteil vom 20.02.2019, Az.: VIII ZR 7/18, Rn. 83;).

139

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei der Ermittlung der zu berücksichtigenden Vorsteuer auf den Apothekeneinkaufspreis gemäß ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe abzustellen; der Auffassung der Klägerin, dass allein die konkret durch die Beklagte auf die vertraglich geschuldete Leistung aufgewandte Vorsteuer anzusetzen ist, folgt die Kammer nicht.

140

Die Kammer stützt sich hierbei auf den Umstand, dass es sich bei dem AMPV 2010 um einen zwischen professionellen Akteuren ausgehandelten Vertrag handelt, der die oben aufgeführten Interessen der Vertragsparteien zu einem umfassenden Ausgleich führt. Diese die gegenseitigen Interessen austarierende Vertragsgestaltung stellt als Grundlage auf die Apothekeneinkaufspreise ab (vgl. § 6 Abs. 3 AMPV 2010). Dieser Vereinbarung der Vertragsparteien auf Verbandsebene würde es nicht entsprechen, wenn die vorgegebene Preisberechnung im Wege des Durchgriffs auf die einzelnen Abrechnungsmodi der an den Vertrag gebundenen Krankenhausträger/Krankenkassen durchbrochen würde. Denn es hinge nun von den Zufälligkeiten der konkreten Abrechnungsmodalitäten ab, ob die dann anzuwendenden Regeln dem zwischen den Vertragsparteien auf Verbandsebene vereinbarten Interessenausgleich entsprechen oder ob es zu einer einseitigen Benachteiligung eines der dann betroffenen Beteiligten (Krankenhausträger oder Krankenkasse) kommt.

141

Dieser hypothetische Parteiwille der Vertragsparteien wird nach Auffassung der Kammer durch die mit der 9. Änderungsvereinbarung vom 01.04.2017 zum AMPV 2010 geänderte Fassung des § 6 Abs. 6 AMPV 2010 bestätigt. Diese Änderungsvereinbarung wurde durch die Vertragsparteien in Kenntnis der durch die BFH-Entscheidung vom 24.09.2014 sowie das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.09.2016 entstandenen planwidrigen Regelungslücke geschlossen. Die Preisberechnung wurde dahin modifiziert, dass den Preisen für die Arzneimittel und den Arbeitspreisen bei nicht bestehender Umsatzsteuerpflicht keine Umsatzsteuer mehr hinzuzufügen ist. Der durch die Krankenhausträger für die Medikamentenherstellung zu erbringenden Vorsteuer wurde bei der Preisgestaltung durch die Vereinbarung eines Aufschlags von 18,9 % bzw. 15 % Rechnung getragen. § 6 Abs. 3 des AMPV 2010, der den Apothekeneinkaufspreis als Grundlage für die Preisberechnung festsetzt, wurde nicht abgeändert.

142

Nach Auffassung der Kammer ist weiterhin unschädlich, dass die Beklagte durchgehend der Rechtsauffassung war, dass für die betroffenen Arzneimittelzubereitungen keine Umsatzsteuerpflicht besteht. Zwar führte die Beklagte die gegenüber der Klägerin abgerechnete Umsatzsteuer nicht an die Finanzverwaltung ab. Im Gegenzug machte diese aber auch nicht von der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs Gebrauch.

143

Folge ist, dass sich die Situation der Beklagten im Ergebnis nicht von derjenigen der anderen Krankenhausträger unterscheidet. Denn für diese besteht zwar die Möglichkeit, einen Erstattungsanspruch für die an die Finanzverwaltung abgeführte Umsatzsteuer geltend zu machen. Im Gegenzug ist jedoch der im damaligen Veranlagungszeitraum vorgenommene Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 UStG) rückwirkend ausgeschlossen und entsprechend rückgängig zu machen.

144

Folge dieser ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass die durch die Klägerin auf den Arbeitspreis entrichtete Umsatzsteuer nicht von der hypothetisch vereinbarten Preisgestaltung umfasst und insofern ohne Rechtsgrund geleistet worden ist.

145

Dies entspricht folgenden Beträgen:

146

01.08.2010-31.12.2010

1597,90 €

2011   

3590,62 €

2012   

3542,93 €

2013   

3338,30 €

2014   

2922,58 €

2015   

1970,11 €

2016   

1892,97 €

Gesamt:

18.855,41 €.

147

Die Kammer stützt bei diesem Rechenwerk auf das durch die Klägerin zur Verfügung gestellte Anlagenkonvolut K4 (geführt als Beiakte zur Gerichtsakte).

148

Eine Unrichtigkeit dieses Rechenwerks ist durch die Beteiligten weder vorgetragen, noch sonst für die Kammer ersichtlich.

149

bbb) Der Anspruch der Klägerin ist weder durch die Regelung des § 14 Abs. 1 AMPV 2010 ausgeschlossen, noch ist er verjährt.

150

(1.) Nach § 14 Abs. 1 AMPV 2010 werden die bei der Rechnungsprüfung festgestellten rechnerisch und sachlich unrichtig angesetzten Beträge von den am Vertrag beteiligten Krankenkassen innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats berichtigt, in dem die Lieferung erfolgte. In § 14 Abs. 1 AMPV 2010 ist weiter ausgeführt, dass von dieser Regelung neben den rechnerischen und sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten auch Taxdifferenzen und die Summe zurückgegebener Rezepte, auch von Fremdkassen (Irrläufer) umfasst werden.

151

Nach Auffassung der Kammer ist der sich aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ergebene Zahlungsanspruch von dieser Regelung nicht erfasst. Denn diese bezieht sich nur auf die rechnerische und sachliche Unrichtigkeit der Rechnungen als solche. Dies bestätigend knüpft § 14 Abs. 1 S. 1 AMPV 2010 an die Rechnungsprüfung als solche an und stellt beim Fristlauf auf die erfolgte Lieferung ab.

152

(2.) Der Rückzahlungsanspruch ist auch nicht verjährt.

153

Grundsätzlich unterliegt der Rückzahlungsanspruch der kurzen 4-jährigen Verjährungsfrist. Diese beginnt gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

154

Die sich auf die Jahre 2010 und 2012 - 2016 beziehenden Erstattungsansprüche sind jeweils innerhalb dieser Verjährungsfrist rechtshängig worden.

155

Zwar wurden die aus dem Jahr 2011 stammenden Erstattungsansprüche erst nach Ablauf der Verjährungsfrist am 16.12.2016 rechtshängig. Die Befugnis der Beklagten zur Erhebung der Einrede der Verjährung ist jedoch aufgrund der Verjährungsverzichtserklärung vom 04.05.2015, die bis zum 31.12.2016 galt, ausgeschlossen.

156

Ein Ende des durch die Erhebung der Klage bzw. der vorgenommenen Klageerweiterungen gehemmten Laufs der Verjährungsfristen (§§ 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) ist nicht dadurch eingetreten, dass das Verfahren im Zeitraum vom 11.04.2018 bis zum 08.11.2018 durch die Beteiligten nicht betrieben wurde.

157

Gemäß §§ 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. 204 Abs. 2 S. 2 BGB endet die Hemmung, wenn der Stillstand des Verfahrens nach außen erkennbar auf grundloser Untätigkeit der Beteiligten beruht. Ein Ende der Hemmung tritt nicht ein, wenn der Grund des Stillstands im Verantwortungsbereich des Gerichts liegt (so Mansel in Jauernig, BGB, § 204, Rn. 17).

158

Eine nach außen erkennbare grundlose Untätigkeit der Beteiligten lag im oben genannten Zeitraum nicht vor. Die Kammer ging in diesem Zeitraum davon aus, dass das Verfahren durch die Beteiligten umfassend ausgeschrieben war und Entscheidungsreife bestand. Aus diesem Grund ist der Schriftsatz der Klägerin vom 11.04.2018 lediglich mit der Bitte um Kenntnisnahme an die Beklagtenvertreter übersandt worden.

159

Keine Anwendung findet die Verjährungsregelung des § 109 Abs. 5 SGB V in der Fassung des Art. 7 Nr. 8 Buchst. a des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals vom 11.12.2018, Bundesgesetzblatt 12394, mit Wirkung ab dem 01.01.2019. Denn diese Vorschrift greift nicht für Ansprüche, die auf Verträgen nach § 129 Buchst. a SGB V beruhen. Verträge gemäß § 129 Buchst. a SGB V sind nicht Bestandteil des Versorgungsvertrages nach § 109 SGB V. Im Übrigen greift § 109 Abs. 5 SGB V, der auch eine rückwirkende Anwendung vorsieht, schon deswegen nicht ein, weil die Klägerin die vor dem 01.01.2017 entstandenen Forderungen bis zum 09.11.2018 (vgl. § 325 SGB V) gerichtlich geltend gemacht hat, nämlich zuletzt mit Klageerweiterung vom 08.11.2018 (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 09.04.2019, Az.: B1 KR 5/19 R, Rn. 38).

160

bb) Die Klägerin hat jeweils ab dem Tag nach der Rechtshängigkeit der Klageerhebung bzw. der Klageerweiterungen einen Anspruch gemäß §§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB auf Prozesszinsen.

161

Der AMPV 2010 sieht keine eigene Regelung zur Verzinsung von Ansprüchen vor.

162

Gemäß § 291 S. 1 BGB hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an eine Geldschuld zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Ist Rechtshängigkeit eingetreten, beginnt der Lauf des Zinsanspruchs in entsprechender Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem folgenden Tag. Nach § 288 Abs. 1 S. 2 BGB beträgt der Zinsanspruch 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz.

163

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 Buchst. a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit 155 Abs. 1 S. 1 und S. 3 VwGO. Der Klägerin waren die Kosten in vollem Umfang aufzuerlegen, da die Beklagte nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen ist.

164

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 197 Buchst. a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG.

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