Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 1 K 6312/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger wendet sich gegen eine Ruhensregelung bezüglich seiner Versorgungsbezüge.
3Der 1940 geborene Kläger stand zuletzt als Oberstleutnant im Dienst der Beklagten und wurde mit Ablauf des 30. September 1996 nach § 1 PersStärkeG in den Ruhestand versetzt. Mit Bescheid vom 8. September 1997 wurden seinen Versorgungsbez252;gen aufgrund einer Vergleichsberechnung nach § 94b Abs. 2 SVG ein Ruhegehaltsatz von 75 v.H. (nach Maßgabe des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts) zugrunde gelegt. Bei Anwendung des ab 1. Januar 1992 geltenden Versorgungsrechts hätte der Ruhegehaltssatz 72,19 v.H. betragen.
4Während seiner Dienstzeit war der Kläger vom 1. April 1990 bis zum 30. September 1996 unter Wegfall der Dienst- und Sachbezüge zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei der Nato-Organisation NAPMA beurlaubt. Zur Abgeltung der dortigen Versorgungsbezüge erhielt der Kläger eine Kapitalabfindung in Höhe von 119.800,20 DM, die zur Folge hatte, dass mit Bescheid vom 9. September 1997 das Ruhegehalt gemäß § 55b Abs. 1 SVG (in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung) in Höhe von 12,84 v.H. der Bezüge (6 Jahre x 2,14 v.H.) ruhend gestellt wurde. Ausweislich einer Berechnung vom August 2013 betrug der Kürzungsbetrag bei einer Versorgung von rund 3.800,- Euro (auf der Basis eines Ruhegehaltsatzes von mittlerweile 71,75 v.H.) etwa 650,- Euro monatlich.
5Der Kläger legte mit Schreiben vom 6. August 2013 (irrtümlich mit dem Datum 6. September 2013 versehen) Widerspruch gegen die ohne zeitliche Begrenzung vorgenommene Ruhensregelung ein und führte aus, der Kapitalbetrag der Nato sei bereits seit dem Jahr 2008 aufgezehrt. Mit Bescheid vom 28. August 2013 wurde der als Antrag auf Beendigung der Ruhensregelung verstandene Widerspruch abgelehnt. Zur Begründung erläuterte die Bundesfinanzdirektion West, das Soldatenversorgungsgesetz sehe eine zeitliche Begrenzung der Ruhensregelung nicht vor. Der Kläger legte unter dem 3. September 2013 Widerspruch ein und beantragte die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge nach § 48 VwVfG. Unter dem 7. Februar 2014 ergänzte er, nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 5. September 2013 (2 C 47.11) habe er einen Anspruch auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge sowie Nachzahlung zuviel einbehaltener Bezüge in Höhe von etwa 23.000,- Euro. Mit einem Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem vergleichbaren Fall erkl28;re er sich einverstanden.
6Mit Schreiben vom 14. Februar 2016 wies der Kläger auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 20. Januar 2016 (1 A 2021/13) hin. Danach bestehe für den Dienstherrn im Fall der vollständigen Aufzehrung des Kapitalbetrages die Pflicht zur Rücknahme des Ruhensbescheides. Die Generalzolldirektion entgegnete unter dem 26. Februar 2016, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichte.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Dezember 2017 erläuterte der Kläger, dass die Beklagte mit der Fassung des SVG ab dem 1. Januar 1992 die falsche Gesetzesfassung angewandt habe, man hätte die Fassung ab 1. Oktober 1994 heranziehen müssen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 23. Mai 2017 habe eine andere Gesetzesfassung betroffen. Nach der Rechtsprechung des VG Köln und des Oberverwaltungsgerichts NRW müsse der Zeitpunkt des Aufzehrens des Kapitalbetrages im Bescheid selbst bestimmt werden.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2017 wies die Generalzolldirektion, Service-Center Düsseldorf, den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus, das Bundesverfassungsgericht habe bestätigt, dass eine Ruhensregelung ohne zeitliche Beschränkung nicht das Alimentationsprinzip verletze. Auch habe man die zutreffende Gesetzesfassung zugrunde gelegt. Da sich die klägerischen Versorgungsbezüge nach § 94b Abs. 2 SVG errechneten, sei nach § 94b Abs. 5 Satz 3 SVG die Vorschrift des § 55b SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung anzuwenden. Dies führe zum Faktor 2,14 für jedes Jahr der Verwendung bei der NAPMA. Gemäß § 97 Abs. 4 SVG würden die so berechneten Vomhundertsätze nach den Vorgaben des Versorgungs228;nderungsgesetzes 2001 ab dem 1. Januar 2011 mit dem Faktor 0,95667 multipliziert. Für eine Anwendung des § 55b SVG in der Fassung seit 1. Oktober 1994 mit der Möglichkeit der Verrentung des Kapitalbetrags gebe es keinen Raum. Einzelne gerichtliche Entscheidungen zur Begrenzung der Ruhensregelung seien keine Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 51 VwVfG. Selbst wenn von einem rechtswidrigen Bescheid auszugehen sei, liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Bei der Abwägung sei der Rechtssicherheit den Vorrang zu geben gegenüber der materiellen Gerechtigkeit.
Rechts">9span>Der Kläger hat am 29. Dezember 2017 Klage erhoben und ausgeführt, ihm stehe ein Anspruch auf Neuentscheidung über seine Versorgungsbezüge nach den §§ 51 Abs. 5, 48 VwVfG einschließlich Rücknahme des Festsetzungsbescheides vom 9. September 1997 zu. Diesbezüglich könne auf Urteile des OVG NRW vom 20. Januar 2016 (1 A 2021/13) und des VG Trier vom 14. Mai 2018 (6 K 1823/17) sowie den Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 21. Mai 2019 (5 LA 236/17)verwiesen werden. Ab Anwendbarkeit des § 55b Abs. 4 SVG in der Fassung vom 1. Oktober 1994 sei das vollständige Aufzehren der verrenteten Kapitalabfindung die maßgebliche Grenze der Ruhensregelung, und diese Grenze müsse im Ruhensbescheid angegeben werden. Hilfsweise müsse die Aufzehrensgrenze auch dann gelten, wenn vorliegend frühere Fassungen des SVG - von 1987 oder 1991, die beide Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewesen seien - zur Anwendung kämen. Denn die Verfassungskonformität dieser Regelungen sei unter der Prämisse angenommen worden, dass dem Soldaten eine gehörige Zeitspanne zur Nutzung der Kapitalabfindung verbleibe. Dies sei hier nicht der Fall. Auch sei zu differenzieren zwischen den eigenen Beträgen und denen der öffentlichen Hand bei der Betrachtung der Abfindung. Zudem sei fraglich, ob über § 94b Abs. 3 SVG nicht doch das Günstigkeitsprinzip für die Anwendung des SVG in der Fassung von 1994 mit der Aufzehrungsgrenze spreche. Schließlich sei der Beklagten ein Fehler bei der Berechnung des Ruhegehalts unterlaufen. 67; 94b Abs. 5 Satz 2 SVG sehe vor, dass Zeiten im Sinne des § 55b Abs. 1 SVG, die nach dem 1. Januar 1992 zurückgelegt worden seien, zu einer Anwendung der Vorschrift in der Fassung vom Januar 1992 führe. Insoweit bedürfe es einer differenzierten Betrachtung. Die Beklagte habe fehlerhaft allein die Fassung des SVG bis Dezember 1991 angewandt, obwohl der Kläger vier Jahre und neun Monate nach dem 1. Januar 1992 bei der NAPMA verbracht habe. Dem Urteil des VG Trier folgend gelte auch hier § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG mit der Folge, dass § 55b SVG in der Fassung von 1994 zur Anwendung komme. § 96 Abs. 5 Satz 3 SVG greife nicht, weil die Versorgungsbezüge nach § 94b Abs. 3 Satz 1 SVG und daher in der Fassung ab 1. Januar 1992 festgesetzt worden seien. Nur bei einer Festsetzung nach § 94b Abs. 1 oder Abs. 2 SVG gelte § 94b Abs. 5 SVG in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung. Soweit andere Entscheidungen davon ausgingen, dass § 55b Abs. 4 SVG in der Fassung von 1994 bei einem in der Vergangenheit liegenden Erhalt der Kapitalabfindung nicht greife, stehe dies im Widerspruch zur Gesetzesbegründung zum gleichlautenden § 56 BeamtVG. Die von der Beklagten übersandte Abrechnungsmitteilung über die klägerischen Versorgungsbezüge weise gleichfalls auf die Anwendung des SVG ab dem 1. Januar 1992 hin. Die Beklagte sei verpflichtet, den rechtswidrigen Bescheid zurückzunehmen, denn ihr Ermessen habe sich wegen der vollständigen Aufzehrung des Kapitalbetrags auf Null reduziert. Die weitere Aufrechterhaltung des Ruhensbescheides sei schlechthin unerträglich. Insgesamt habe die Beklagte bislang fast 120.000,- Euro zu viel einbehalten.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Bundesfinanzdirektion West vom 28. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Generalzolldirektion, Service-Center Düsseldorf, vom 12. Dezember 2017 zu verpflichten, den Ruhensbescheid aufzuheben und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über seine Versorgungsbezüge zu entscheiden, und ihm zu Unrecht einbehaltene Versorgungsbezüge nachzuzahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten 52;ber dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit,</p>
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Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich umfänglich auf die angefochtenen Bescheide und ergänzt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Festsetzungsbescheides. Dem Bescheid vom 9. September 1997 liege zu Recht die bis zum 31. Dezember 1991 geltende Fassung des § 55b SVG zugrunde, weil sich die klägerischen Versorgungsbezüge nach § 94b Abs. 2 SVG berechneten. Dies folge aus § 96 Abs. 5 Satz 3 SVG, der hier zur Anwendung komme; dagegen greife § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG nicht. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass § 55b SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung verfassungskonform sei, daher sei auch der Ruhensbescheid rechtmäßig. Soweit der Kläger eine Abrechnungsmitteilung bemängelt habe, beruhe dies auf einem Eingabefehler und sei korrigiert worden.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
18Die zulässige Klage ist unbegründet.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Aufhebung des Ruhensbescheides vom 9. September 1997 und auf Neuberechnung seiner Versorgungsbezüge einschließlich einer Erstattung zu Unrecht einbehaltener Beträge. Der Bescheid vom 28. August 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
20Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es der Begründung der Bescheide folgt, vgl. § 117 Abs. 5 VwGO. In diesen ist das Begehren des Klägers umfassend gew252;rdigt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt worden, dass ein Teil der Versorgungsbezüge gesetzeskonform ruhend gestellt wurde und das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der angewandten Vorschriften bestätigt hat. Ansprüche auf Aufhebung des Ruhensbescheides und Neuberechnung der Versorgungsbezüge bestünden nicht.</p> 21
Ergänzend bleibt festzuhalten, dass der Ruhensbescheid vom 9. September 1997 zu Recht auf der Grundlage des § 55b SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung ergangen ist mit der Folge, dass die Ruhensanordnung zeitlich unbegrenzt gilt.
22Dies ergibt sich entgegen den Ausführungen des Klägers aus dem Verweis in der Übergangsregelung des § 96 Abs. 5 Satz 3 SVG auf § 94b Abs. 5 SVG, der als speziellere Norm dem § 96 Abs. 5 SVG vorgeht.
23Vgl. hierzu Bayrischer VGH, Urteil vom 21. März 2019 - 14 B 17.1572 -, juris, Rnr. 13; BVerwG, Beschluss vom 6. November 2018 - 2 B 10.18 -, juris, Rnr. 13ff.
24Die Gegenausnahme, die wiederum zur Einschlä;gigkeit des § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG mit der Folge einer vergleichenden Anwendung von § 55b in der Fassung von 1994 und 1998 (einschließlich einer zeitlichen Begrenzung der Ruhensanordnung) führt, gilt nur für erstmalige Dienstzeiten in der zwischenstaatlichen Einrichtung ab 1. Januar 1999; der Kläger hat im Jahr 1990 bei der NAPMA seinen Dienst angetreten.
echts">25an>Dabei kann offen bleiben, ob § 96 SVG hier überhaupt zur Anwendung kommen kann. Nach Ansicht der Beklagten gilt die Übergangsvorschrift wie auch die entsprechende Regelung in § 69c BeamtVG für alle Versorgungsempfänger, die wie der Kläger nach dem 31. Dezember 1991 und vor dem 1. Januar 1999 in den Ruhestand getreten sind.
26Vgl. zu § 69c BeamtVG: Zahn in Stegmüller u.a., BeamtVG, Stand: 135. AL September 2018, § 69c Rn. 7; Schachel in Schütz/Maiwald, BeamtR, Stand: 439. AL März 2019, § 69c BeamtVG, Rn. 3.
27Nach anderer Auffassung findet § 96 Abs. 5 SVG auf Versorgungsempfänger (zum Zeitpunkt 1. Januar 1999) generell keine Anwendung, weil die in Abs. 2 bis Abs. 5 geregelten Übergangsbestimmungen ausschließlich für die am 1. Januar 1999 vorhandenen aktiven Soldaten gelten.
28Vgl. zu § 69c BeamtVG Stadler in GKÖD, Band I, Teil 3c, Stand: April 2019, § 69c Rn, 1, der den Anwendungsbereich von § 69c Abs. 2 bis 5 BeamtVG generell nur auf am 1. Januar 1999 aktive Beamte begrenzt.
s">29lass="absatzLinks">Sowohl über § 96 Abs. 5 Satz 3 SVG als auch bei unmittelbar Anwendung von § 94b Abs. 5 Satz 3 SVG - in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Ruhensbescheides geltenden Fassung ab 1. Oktober 1994 (dass der Widerspruchsbescheid § 94b SVG in der Fassung ab 1. Januar 1992 erwähnt, ist angesichts desselben Norminhalts nicht von Belang) - ist die Ruhensregelung des § 55b SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung anzuwenden ist, wenn sich der Versorgungsbezug nach § 94b Abs. 2 SVG errechnet. Dies ist vorliegend der Fall.
="absatzRechts">30In § 94b SVG sind Übergangsregelungen für die Berechnung des Ruhegehalts bestimmt mit einer Günstigkeitsregelung in Abs. 3. Der nach Abs. 1 oder Abs. 2 errechnete Ruhegehaltsatz (gemeint ist der bis 1991 anwendbare degressiv verlaufende Satz) wird der Berechnung des Ruhegehalts nur dann zugrunde gelegt, wenn er zu einem günstigeren Ergebnis führt als der Ruhegehaltsatz, der seit 1992 (linear) berechnet wird. Die nachstehenden Abs. 4 und 5 bauen systematisch auf Abs. 3 auf. Nur dann, wenn über § 94b Abs. 3 SVG der Ruhegehaltsatz nach den Abs. 1 und 2 berechnet wird, kommen auch die Übergangsregelungen der Abs. 4 und 5 zur Anwendung. Gelangt man nicht in die Abs. 1 und 2, greifen auch die Abs. 4 und 5 nicht.
31Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 10. August 2016 - 23 K 1393/12 -, juris, Rn. 21, m.w.N.
32Die Beklagte hat im Festsetzungsbescheid vom 8. September 1997 nach Maßgabe des § 94b Abs. 3 SVG zu Recht eine Vergleichsberechnung vorgenommen und den Ruhegehaltsatz nach § 94b Abs. 2 SVG bestimmt. Denn der nach § 94b Abs. 2 SVG ermittelte Ruhegehaltsatz nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht soll für Soldaten, die wie der Kläger vor dem 1. Januar 2002 in den Ruhestand getreten sind, dann zur Anwendung kommen, wenn er höher ist als der Ruhegehaltsatz, der sich aufgrund der Neufassung des Gesetzes für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt.
33Vgl. zum inhaltsgleichen § 85 BeamtVG Schachel in Schütz/Maiwald, BeamtR, Stand: März 2019, § 85 BeamtVG, Rnr. 16.
34Ausweislich der als Anlage dem Bescheid beigefügten Berechnungen führt die Anwendung des alten Rechts bis zum 31. Dezember 1991 zu einem Ruhegehaltsatz von 75 v.H. und ist damit günstiger als der linear sich ergebende Satz vom 72,19 v.H. Daher wurde für den Kläger ein Ruhegehaltsatz von 75 v.H. nach § 94b Abs. 2 SVG zugrunde gelegt. Warum er gleichwohl vorträgt, der Ruhegehaltsatz sei nach dem ab 1. Januar 1992 geltenden Recht und nicht nach Abs. 2 festgesetzt worden, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.
35Errechnet sich somit der Versorgungsbezug nach § 94b Abs. 2 SVG, führt dies gemäß § 94b Abs. 5 Satz 3 SVG zur Anwendung von § 55b SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung, der nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2017 (2 BvL 10/11, 2 BvL 28/14) verfassungskonform ist.
36Vgl. hierzu nur BVerwG, Beschluss vom 29. März 2019 - 2 B 50.18 -, juris, Rnr. 11; Bayrischer VGH, Urteil vom 21. März 2019 - 14 B 17.1572 -, a.a.O., Rnr. 26ff.; VG Berlin, Urteil vom 22. November 2018 - 36 K 186.17 A -, juris, Rnr. 24.
bsatzRechts">37Eine differenzierte Betrachtung im Sinne des § 94b Abs. 5 Satz 2 SVG ist nicht angezeigt, weil sich der Versorgungsbezug allein nach § 94b Abs. 2 SVG berechnet und nicht nach § 94b Abs. 1 SVG.
38Nach diesen Maßgaben ist die ohne zeitliche Begrenzung ausgesprochene Ruhensanordnung mit Blick auf die Kapitalabfindung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch hat die Beklagte die Vorschrift im Ruhensbescheid zutreffend angewandt und unter Berücksichtigung von sechs Dienstjahren bei der Nato-Organisation den Ruhensbetrag auf 6 x 2,14 v.H. und damit 12,84 v.H. festgesetzt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, bei dem Kapitalbetrag sei zwischen eigenen Beiträgen und den öffentlichen Geldern zu unterscheiden, führt dies angesichts der Berechnung des Ruhensbetrags nach Dienstjahren nicht zu einer anderen Entscheidung. Zudem begegnet der Ansatz des Gesamtkapitalbetrags grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken.
Vgl. nur Bayerischer VGH, Urteil vom 27. August 2018 - 14 B 18.478 -, juris, Rn. 23, m.w.N.; VG München, Urteil vom 9. November 2018 - M 21 K 17.3056 -, n.v.
40Die Maßgabe - so der klägerische Vortrag -, dass § 55b SVG in der Fassung bis zum 31. Dezember 1991 nur dann verfassungskonform sei, wenn dem Soldaten noch genügend aktive Dienstzeit verbleibe, um den Kapitalbetrag zu nutzen, lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass es dem Kläger unabhängig von seinem dienstrechtlichen Zustand - aktiver Dienst, Ruhestand - frei stand, den Kapitalbetrag nach eigenen Vorstellungen zu verwenden oder an den Dienstherrn abzuführen.
41Vgl. hierzu auch Bayerischer VGH, Urteil vom 26. November 2018 - 14 B 15.190 -, juris, Rn. 91f.
42Für eine weitere, am Prinzip der Verhältnismäßigkeit orientiere Einzelfallprüfung ist angesichts der strikten Bindung an die Bestimmungen des Versorgungsrechts kein Raum.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. März 2019 - 2 B 50.18 -, a.a.O., Rnr. 14; OVG NRW, Urteil vom 20. April 2018 - 1 A 282/07 -, juris, Rn. 55ff.
44Soweit der Kläger auf eine Mitteilung über seine Versorgungsbezüge verwiesen hat, welche sich auf die Anwendung des SVG in der Fassung ab 1. Januar 1992 beziehe, hat die Beklagte nachvollziehbar einen Berechnungsfehler angemerkt und eine korrigierte Mitteilung vorgelegt.
45Mangels positiver Kostengrundentscheidung bedarf es keines Ausspruchs über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren.
46Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
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