Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Aachen - 5 K 1407/20.A
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Mai 2020 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, ausgewiesen durch einen syrischen Personalausweis, ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Er ist nach eigenen Angaben am 00.00.0000 in Qamishli/Syrien geboren.
3Er reiste am 5. November 2019 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und beantragte unter dem 21. November 2019 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter. Am gleichen Tag wurde er zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates angehört und erhielt u.a. - eine von ihm unterzeichnete - Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und Allgemeine Verfahrenshinweise (Wichtige Mitteilung, Stand: 16. August 2019) in deutscher Sprache und in Kurmanci.
4Am 10. Dezember 2019 wurde der Kläger beim Bundesamt (Außenstelle C. ) zur Zulässigkeit des Asylantrags und zu seinen Asylgründen angehört. In der Folgezeit leitete das Bundesamt ein Dublinverfahren (Griechenland) ein und stellte insoweit unter dem 12. Februar 2020 fest, dass wegen der Ablehnung des Übernahmeersuchens die Entscheidung im nationalen Verfahren ergehe.
5In einer am 1. April 2020 beim Bundesamt eingegangenen Mail übermittelte die Zentrale Ausländerbehörde der Stadt L. die Mitteilung der Zentralen Unterbringungseinrichtung X. (ZUE), wonach der Antragsteller seit dem 24. März 2020 nicht mehr auf dem Gelände sei und daher heute abgängig gemeldet werde.
6Mit Bescheid vom 18. Mai 2020 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist. Zur Begründung führte es aus, die Ausländerbehörde der Stadt L. habe mitgeteilt, dass der Antragsteller seit dem 24. März 2020 untergetaucht sei. Am 2. Juni 2020 sei im Ausländerzentralregister ersichtlich gewesen, dass der Antragsteller nach wie vor untergetaucht sei. Der am 4. Juni 2020 bei der ZUE eingegangene Bescheid wurde dem Antragsteller dort persönlich am 8. Juni 2020 ausgehändigt.
7Der Kläger hat am 16. Juni 2020 Klage erhoben. Er führt aus, dass die Einstellung des Verfahrens zu Unrecht erfolgt sei. Er habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Nach den Aufzeichnungen der Bezirksregierung L. sei er vom 24. März 2020 bis 6. April 2020 nicht in der ZUE gewesen, anschließend habe er sich aber durchgehend dort aufgehalten. Während der fraglichen Zeit habe er seinen Cousin in C1. besucht, weil wegen der Coronapandemie in der ZUE alles geschlossen gewesen sei.
8Der Kläger beantragt sinngemäß,
9den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Mai 2020 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
13Die ZUE X. hat unter dem 14. September 2020 auf entsprechende Nachfrage dem Gericht mitgeteilt, dass der Kläger, der am 13. Dezember 2019 in der ZUE angekommen war, vom 31. Dezember 2019 bis 3. Januar 2020 sowie vom 24. März 2020 bis 6. April 2020 ohne Angabe von Gründen abwesend gewesen sei. Seit seiner Rückkehr am 6. April 2020 lägen keine weiteren Daten zur Abwesenheit vor.
14Mit Beschluss vom 4. Februar 2021 hat die Kammer das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Die Einzelrichterin hat mit Verfügung vom gleichen Tag die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der elektronischen Akte (E1) des Bundesamtes.
16Entscheidungsgründe:
17Die Einzelrichterin kann gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu vorher angehört worden sind.
18Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO). Hat das Bundesamt - wie hier - das Asylverfahren ohne Sachprüfung gemäß §§ 32, 33 AsylG eingestellt, kann diese Entscheidung nur mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens steht einer auf Asylanerkennung gerichteten Verpflichtungsklage, auf die das Verwaltungsgericht "durchzuentscheiden" hätte, regelmäßig entgegen.
19Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2016 - 2 BvR 1385/16 -, juris Rn. 8; BVerwG, Urteile vom 5. September 2013 - C 1.13 -, juris, Rn. 14, und vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 -, juris, Rn. 12.
20Der vom (im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht anwaltlich vertretenen) Kläger angekündigte Klageantrag wird dahingehend ausgelegt (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO), dass der Kläger ausschließlich die Einstellungsentscheidung des Bundesamtes mit der Anfechtungsklage angreift. Für die Auslegung des Klageantrags ist regelmäßig auch die Klagebegründung heranzuziehen. Der Kläger hat seinen Vortrag bislang darauf beschränkt, sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens zu wenden. Zu einem - etwa bestehenden - Anspruch auf Zuerkennung eines Schutzstatus hat er dagegen nichts vorgetragen.
21Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die auf Aufhebung des Einstellungsbescheides gerichtete Anfechtungsklage, obwohl es ihm gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG auch möglich ist, beim Bundesamt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens zu stellen. Der Kläger kann auf diese Alternative deshalb nicht verwiesen werden, weil der Wiederaufnahmeantrag andere Rechtsfolgen als die gerichtliche Aufhebung des Einstellungsbescheides hat. Das Verfahren nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG ermöglicht dem Antragsteller lediglich innerhalb der ersten neun Monate nach Einstellung des Asylverfahrens einmalig die Wiederaufnahme des Asylverfahrens zu erreichen, während im Falle der gerichtlichen Aufhebung des Einstellungsbescheides kein "Verbrauch" dieser Möglichkeit eintritt.
22Vgl. z.B. VG Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 3. April 2017 - 6a K 7949/16.A - juris, Rn. 16; VG Aachen, Gerichtsbescheid vom 15. Mai 2017 - 4 K 3546/16.A -, m.w.N.
23Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 18. Mai 2020 ist im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz - AsylG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
24Die Beklagte hat die - deklaratorische - Feststellung, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist, zu Unrecht auf die Fiktion der Rücknahme des Asylantrags nach § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 AsylG in der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I, S. 390) gestützt.
25Nach § 33 Abs. 1 AsylG gilt ein Asylantrag - kraft Gesetzes - als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Dabei wird das Nichtbetreiben des Verfahrens, ohne dass es insoweit noch einer vorherigen Betreibensaufforderung seitens des Bundesamtes bedürfte (vgl. dazu § 33 Abs. 1 AsylG in der bis zum 16. März 2016 gültigen Fassung), in den in § 33 Abs. 2 S. 1 AsylG - allerdings nicht abschließend (vgl. BT-Drs. 18/7538, S. 17) - aufgeführten Fällen nunmehr gesetzlich vermutet. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 AsylG gilt dies u.a., wenn der Ausländer "untergetaucht ist". Die gesetzliche Vermutung kann gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 AsylG widerlegt werden, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das Untertauchen auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte.
26Im Fall des Klägers liegen bereits die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Nr. 2 AsylG nicht vor, denn der Kläger ist entgegen § 33 Abs. 4 AsylG nicht ausreichend auf die Rechtsfolgen des § 33 Abs. 1 AsylG hingewiesen worden.
27Vgl. zum Nichteintritt der Rücknahmefiktion bei fehlender oder mangelhafter Belehrung: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Mai 2017 - 4 LA 45/17 -, juris, Rn. 16 m.w.N.
28Der mit dem Eintritt der gesetzlichen Fiktion in § 33 AsylG verbundene Nachteil ist im Hinblick auf das Prinzip eines fairen Verfahrens nur dann unbedenklich, wenn dem Betroffenen durch eine erläuternde Belehrung mit der gebotenen Deutlichkeit vor Augen geführt wird, welche Obliegenheiten ihn im Einzelnen treffen und welche Folgen bei der Nichtbeachtung entstehen können. Ein lediglich allgemein gehaltener Hinweis, der sich auf die Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt, ist dabei angesichts des Verständnishorizonts des Ausländers nicht ausreichend.
29Vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.2019 – 1 C 46/18 –, juris Rn. 30 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 10.03.1994 – 2 BvR 2371/93 –, juris Rn. 19 ff.
30Es bedarf vielmehr einer verständlichen Umschreibung des Inhalts der gesetzlichen Bestimmungen.
31Vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.06.1994 – 2 BvR 334/94 –, juris Rn. 18 zu § 10 AsylVfG.
32Es besteht insoweit keine Veranlassung, das Gesetz trotz gleicher Formulierung anders als im Falle des § 10 Abs. 7 AsylG auszulegen.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2019 - 1 C 46/18 -, juris zu § 33 AsylG; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. Mai 2020 - 4 LB 7/17 -, juris Rn. 21.
34Diesen Maßstäben wird die als "Wichtige Mitteilung" dem Kläger unter dem 21. November 2019 in Schriftform ausgehändigte Belehrung in deutscher und kurdischer Sprache hinsichtlich der Rechtsfolgen eines vom Bundesamt hier angenommenen Untertauchens des Antragstellers aus folgenden Gründen nicht gerecht:
35Auf Seite 3 der Mitteilung wird unter dem Stichpunkt "Nichtbetreiben des Verfahrens" u.a. ausgeführt:
36"Wenn Sie Ihr Asylverfahren nicht betreiben, gilt Ihr Asylantrag als zurückgenommen.
37Es wird vermutet, dass Sie Ihr Asylverfahren nicht betreiben, wenn Sie Ihre Mitwirkungspflicht zur Vorlage der für den Asylantrag wesentlichen Informationen nicht nachkommen oder den Anhörungstermin nicht wahrnehmen. Das gleiche gilt, wenn Sie untertauchen, im beschleunigten Verfahren gegen die räumliche Beschränkung verstoßen oder während des Asylverfahrens in Ihren Herkunftsstaat reisen."
38Das Bundesamt gibt hier nahezu wörtlich die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 AsylG wieder, insbesondere umschreibt oder erläutert es den in Nr. 2 der Regelung gebrauchten Begriff des Untertauchens nicht.
39Dies ist bereits für sich genommen problematisch, weil der Begriff des Untertauchens hier nicht entsprechend der Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch verwandt wird. § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG dient offensichtlich der Umsetzung von Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie). Nach der Richtlinienvorschrift können die Mitgliedstaaten u.a. dann von einem Nichtbetreiben ausgehen, wenn der Antragsteller "untergetaucht ist oder seinen Aufenthaltsort oder Ort seiner Ingewahrsamnahme ohne Genehmigung verlassen und nicht innerhalb einer angemessenen Frist die zuständige Behörde kontaktiert hat, oder seinen Melde- und anderen Mitteilungspflichten nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachgekommen ist, es sei denn, der Antragsteller weist nach, dass dies auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte."
40Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Kommentarliteratur wird aufgrund der Richtlinie der Schluss gezogen, dass der Begriff des Untertauchens nicht nur dem Wortlaut entsprechend ein planvolles Verhalten erfasst, welches das Ziel verfolgt, für die zuständige Behörde nicht erreichbar oder auffindbar zu sein (in diesem Sinne wäre der Kläger zweifellos nicht untergetaucht), sondern - wie in der Richtlinienvorschrift vorgegeben - alle Fälle erfassen soll, in denen die Betroffenen nicht erreichbar sind, weil der konkrete Aufenthaltsort nicht bekannt ist.
41Vgl. zum Begriff des Untertauchens: Brauer, "Untergetaucht" und "flüchtig": zur Fixierung des Nichtgreifbaren, ZAR 2019, 256 m.w.N.
42Diese Auslegung entspricht insoweit auch dem Willen des Gesetzgebers. In der Begründung des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (in Kraft getreten zum 17. März 2016; Drucksache 18/7539) wird u.a. ausgeführt:
43"Der Entlastungseffekt tritt insbesondere im Fall des Untertauchens ein, der nach bisher geltendem Recht wegen der insoweit erforderlichen gesonderten Aufforderung durch das Bundesamt, das Asylverfahren zu betreiben, erheblichen zusätzlichen Aufwand verursacht, und für Verzögerungen im weiteren Verfahrensablauf gesorgt hat" und weiter: "In den Fällen des neuen Absatzes 2 Satz 1 Nummer 2 gilt ein Ausländer im Sinne dieser Vorschrift als untergetaucht, wenn er für die staatlichen Behörden nicht auffindbar ist. Das Bundesamt hat diesen Sachverhalt in der Akte zu dokumentieren."
44Dieses weite, nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende und damit nicht ohne Erläuterung nachvollziehbare Verständnis des Begriffs des Untertauchens wird jedoch in der Bundesamtsbelehrung nicht ansatzweise vermittelt.
45Insbesondere wird in einer weiteren Passage der Belehrung ebenfalls noch unter dem Stichpunkt "Nichtbetreiben des Verfahrens" der Eindruck erweckt, dass allein eine fehlende Erreichbarkeit gerade nicht - zwingend - zur Einstellung des Verfahrens bzw. zur Rücknahmefiktion führt. Auf Seite 4 der Mitteilung wird nämlich Folgendes erläutert:
46"Deshalb müssen sie dem Bundesamt, der Ausländerbehörde und im Fall eines Gerichtsverfahrens auch dem Verwaltungsgericht insbesondere jeden Wohnungswechsel umgehend mitteilen.
47Wenn sich Ihre Adresse geändert hat, ohne dass dies diesen Stellen bekannt geworden ist, wird die Mitteilung/Ladung/Entscheidung an Ihre alte Anschrift gesandt.
48Das Gesetz bestimmt, dass diese Mitteilung/Ladung/Entscheidung auch dann wirksam ist, wenn Sie dort nicht mehr wohnen und daher von deren Inhalt keine Kenntnis erhalten.
49Die Unterlassung der Mitteilung über Ihren Wohnungswechsel kann für Sie erhebliche Folgen haben, z.B. kann
50- das Bundesamt ggf. über Ihren Antrag entscheiden, ohne Sie zu Ihren Verfolgungsgründen angehört zu haben;
51- Ihr Asylantrag als zurückgenommen gelten;…"
52Hier wird auf ein - tatsächlich nicht bestehendes - Wahlrecht des Bundesamtes verwiesen, denn wenn der Antragsteller seinen Wohnungswechsel nicht mitteilt und deshalb für die Behörden nicht (mehr) auffindbar ist, ist er untergetaucht i.S.d. § 33 AsylG. Der Verzicht auf eine gesonderte Betreibensaufforderung durch die Neufassung des § 33 AsylG (Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.03.2016, BGBl I, 390), die - wie bereits ausgeführt - an Art. 28 Verfahrensrichtlinie anknüpft, hat – vom nationalen Gesetzgeber möglicherweise so nicht gewollt – die Rechtslage geändert und das (faktische) Wahlrecht über die – aus Beschleunigungs- und Vereinfachungsgründen gestrichene – Betreibensaufforderung durch die gesetzesunmittelbar eintretende Rücknahmefiktion beseitigt. Gilt der Antragsteller i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG als untergetaucht, weil er für die staatlichen Behörden nicht auffindbar ist, ist die Einstellung des Asylverfahrens wegen (fingierter) Antragsrücknahme (§ 32 AsylG) zwingende gesetzliche Folge; die Entscheidung des Bundesamtes hierüber ist rein deklaratorisch. Über einen nicht mehr existenten Asylantrag kann keine Sachentscheidung mehr getroffen werden.
53Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 15. April 2019 - 1 C 46/18 - juris; sowie Berlit, jurisPR-BVerwG 16/2019 Anm 6.
54Da mangels ordnungsgemäßer Belehrung die Rücknahmefiktion nicht eintreten konnte, bedarf es keiner Entscheidung, ob zur Konkretisierung des für ein "Untertauchen" erforderlichen Mindestzeitraums die Wochenfrist des § 66 Abs. 1 Nr. 2 AsylG herangezogen werden kann.
55Vgl. hierzu: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19. Juli 2018 - 4 B 18.30514 -, juris Rn. 19.
56Der Vollständigkeit halber weist das Gericht noch darauf hin, dass der angegriffene Bundesamtsbescheid nicht die - gesetzlich zwingend vorgesehene - Entscheidung über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG beinhaltet (§ 32 Satz 1 AsylG).
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.
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Referenzen
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- 2 BvR 334/94 1x (nicht zugeordnet)
- 1 C 46/18 3x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (4. Senat) - 4 LB 7/17 1x
- 2 BvR 2371/93 1x (nicht zugeordnet)
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