Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 5 K 1960/21.A
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, den Asylantrag des Klägers zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
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T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung seines Asylantrags.
3Der am 00.00.0000 in F geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren verließ er sein Heimatland im Jahr 2017 und reiste über die Türkei, Griechenland und die Niederlande am 25. Juli 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Unter dem 30. Juli 2019 ermittelte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für den Kläger; danach hatte der Kläger auf einen bereits am 28. September 2017 in Griechenland gestellten Asylantrag dort unter dem 2. August 2018 internationalen Schutz erhalten.
4Am 19. August 2019 stellte der Kläger beim Bundesamt einen förmlichen Asylantrag. Am gleichen Tag führte das Bundesamt ein Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates sowie die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags und ein Gespräch zum Reiseweg durch. Am 26. August 2019 hörte das Bundesamt den Kläger erneut zur Zulässigkeit des Asylantrags an. Der Kläger erklärte:
5Er sei 2017 in Griechenland eingereist und habe sich dort ca. ein Jahr und acht bis zehn Monate aufgehalten. Er habe nach der Einreise Asyl beantragt und in Griechenland 2018 Schutz erhalten. Papiere zum griechischen Asylverfahren besitze er nicht mehr. Er habe sie in Holland weggeworfen, weil man ihnen Angst gemacht habe, dass sie bei Auffinden griechischer Papiere nach Griechenland zurückgeschoben würden. Sein Bruder und drei Schwestern lebten in Deutschland. In Griechenland habe er niemanden. Deshalb wolle er in Deutschland bleiben.
6Mit Bescheid vom 6. September 2019 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.), und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Griechenland oder einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3. Sätze 1-3). Der Kläger dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden (Ziffer 3. Satz 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung setzte die Beklagte aus (Ziffer 5.).
7Mit Urteil vom 18. Dezember 2020 hob die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen den Bescheid vom 6. September 2019 mit Ausnahme der in Satz 4 der Ziffer 3. getroffenen Feststellung, dass der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden darf, auf (Az. 10 K 2730/19.A). Die Kammer führte im Wesentlichen aus: Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Lebensverhältnisse, die den Kläger als anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland erwarteten, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) zu erfahren. Dieses Urteil ist seit dem 23. Januar 2021 rechtskräftig.
8Am 9. April 2021 teilte das Bundesamt der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Köln mit, dass aufgrund der derzeit steigenden Corona Neuinfektionen die persönliche Anhörung des Klägers noch nicht terminiert worden sei.
9Mit Schreiben vom 13. April 2021 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Bundesamt auf, zur Vermeidung einer Untätigkeitsklage dem Verfahren Fortgang zu geben und eine Entscheidung im nationalen Verfahren zu treffen, hilfsweise unter Fristsetzung bis zum 27. April 2021 einen zureichenden Grund i.S.v. § 75 Satz 1 VwGO anzugeben. Am 16. April 2021 stellte das Bundesamt dem Prozessbevollmächtigten telefonisch einen Anhörungstermin für den Kläger in Aussicht und lud den Kläger nachfolgend für den 5. Mai 2021 zur Anhörung. Mit Schreiben vom 30. April 2021 erklärte der Prozessbevollmächtigte, es sei nicht hinnehmbar, dass die Anhörung erst am 5. Mai 2021 stattfinden könne. Es könne überhaupt nicht nachvollzogen werden, warum überhaupt eine Anhörung erforderlich sei. Der Kläger habe bereits Schutz in Griechenland erhalten und damit Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG. Es werde zunächst um Angabe eines Grundes im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO bzw. um Mitteilung gebeten, weshalb ein Anhörungstermin nötig sei. Alternativ werde gebeten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vorlägen, damit auf der Grundlage der bereits getroffenen griechischen Entscheidung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne. Versuche der telefonischen Kontaktaufnahme vor der für den 5. Mai 2021 terminierten Anhörung zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem Bundesamt schlugen fehl. Mit Schreiben vom 12. August 2021 bat der Prozessbevollmächtigte erneut um Mitteilung, warum ein weiterer Anhörungstermin zwingend erforderlich und die Sache nicht entscheidungsreif sei. Sollte eine Anhörung zwingend erforderlich sein, werde zur Vermeidung einer Untätigkeitsklage um Terminierung bis zum 26. August 2021 gebeten.
10Der Kläger hat am 6. September 2021 Untätigkeitsklage erhoben. Er trägt vor: Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Aachen vom 18. Dezember 2020 (Az. 10 K 2730/19.A) sei die Beklagte verpflichtet über den Asylantrag im nationalen Verfahren zu entscheiden. Seit über einem Jahr bleibe die Beklagte untätig, ohne einen zureichenden Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO zu benennen. Eine Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens sei völlig unzumutbar. Es sei nicht im Ansatz ein zureichender Grund für die Verzögerung dargelegt. Vielmehr habe die Beklagte mit Rundschreiben vom 11.08.2021 intern alle damit befassten Entscheidungsträger angewiesen, selbst im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung im Rahmen einer Untätigkeitsklage immer noch nicht zu entscheiden. Erst, wenn ein Antrag gem. § 172 VwGO auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen das Bundesamt gestellt werde und diese dem Bundesamt auch zugestellt worden sei, sollten Angelegenheiten im Rahmen von Drittstaatenbescheiden mit Bezug Griechenland entschieden werden.
11Der Prozessbevollmächtigte legte u.a. ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30. September 2021 vor, mit dem die Beklagte nach Erhebung einer Untätigkeitsklage in einer vergleichbaren Konstellation zur Bescheidung des Asylantrags verpflichtet worden war.
12Der Kläger beantragt sinngemäß,
13die Beklagte zu verpflichten, seinen Asylantrag zu bescheiden.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte erklärt: Einer Entscheidung über den Asylantrag stehe aktuell noch die weitere Sachaufklärung entgegen. Die Tatsache, dass die Europäische Kommission bislang kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet habe, lasse den Schluss zu, dass die Situation vor Ort als angemessen zu beurteilen sei und Griechenland stattdessen weiterhin in der Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Asyl und Migration in Form vielfältiger Maßnahmen unterstützt werde. Angesichts der Dynamik von Versorgungssituation und Arbeitsmarktlage auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der dargestellten zwischenstaatlichen Vermutung sei das Bundesamt auf eine stets aktualisierte Erkenntnislage angewiesen, damit diese Grundlage der Entscheidung werden könne. Die Aktualisierung der Erkenntnislage habe auch in diesem Einzelfall Auswirkungen auf die Entscheidungspraxis und begründe sich in der Sache auf im Unionsrecht angelegten Verfahrensabläufen. Zudem sei eine Mehrfachgewährung internationalen Schutzes unionsrechtlich nicht vorgesehen. Besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung, die sich aus der notwendigen Mitwirkung eines anderen Staates ergeben würden, stellten allerdings einen "zureichenden Grund" nach § 75 Satz 1 VwGO mit der Folge einer Verfahrensaussetzung durch das Gericht dar. Auch im Fall einer gerichtlichen Entscheidung sei das Treffen einer erneuten Unzulässigkeitsentscheidung nicht ausgeschlossen. Die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen nach § 121 VwGO beziehe sich nur auf Rechtsansprüche zum Zeitpunkt der Urteilsfindung. Eine spätere Sachlagenänderung habe Auswirkungen auf den Streitgegenstand, was insbesondere der Fall sei, wenn die griechischen Behörden die Unterbringung und Versorgung des Klägers entsprechend den in Art. 3 EMRK normierten Vorgaben sicherstellen würden. Zu den Bemühungen der Bundesrepublik um Aufklärung zähle neben auf höchster politischer Ebene geführten Gesprächen (siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/07/kooperation-grc.html) auch die Gewinnung eigener Erkenntnisse vor Ort. Hierzu sei der bundesamtseigene Verbindungsbeamte in Griechenland gebeten worden, weitere Recherchen vorzunehmen. Es liege ein umfassender Fragenkatalog vor, der bspw. Fragen zur Unterkunftssituation (u.a. Kälteisolation in Unterkünften, Situation von Obdachlosen), zum Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung, zu Integrationsangeboten (aktuelle Entwicklungen im HELIOS II-Programm) und der Situation unter Corona enthalte. Nach Beantwortung dieser Fragen werde ein Bericht erstellt, der auch an Verwaltungsgerichte übersandt werde. Diese umfangreiche Recherche benötige jedoch einige Zeit, da viele verschiedene Akteure involviert seien. Ein Rücklauf sei bislang noch nicht zu verzeichnen.
17Die Kammer hat mit Beschluss vom 15. November 2021 das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
18Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (E1).
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
20Die Einzelrichterin kann gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
21Das allein auf die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung des Asylantrags beschränkte, in Gestalt der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) verfolgte Klagebegehren hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung seines Asylantrags.
22Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, mithin das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467) und die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4650).
231. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der (Bescheidungs)Untätigkeitsklage zulässig (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO i.V.m. § 75 VwGO).
24a) Die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ist abgelaufen. Nach § 75 Satz 1 VwGO ist eine Verpflichtungsklage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Die Einhaltung der Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ist als besondere Prozessvoraussetzung im Sinne einer Sachurteilsvoraussetzung zu verstehen, die im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss. Unerheblich ist, ob sich die Verzögerung der Verwaltungsentscheidung im Zeitpunkt der Klageerhebung als unzureichend begründet erweist oder nicht.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1973 - 4 C 2/71 -, juris Rn 25f; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 7. Auflage 2018, § 75 Rn 3 m.w.N.
26Eine Entscheidung über den Asylantrag des Klägers liegt nicht vor. Die Klage ist auch nicht verfrüht erhoben worden. Der Kläger stellte am 19. August 2019 den förmlichen Asylantrag und hat am 6. September 2021, also mehr als zwei Jahre später Klage erhoben. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO längst verstrichen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind seit der Antragstellung mittlerweile 2 Jahre und 4 Monate verstrichen. Damit sind auch die Sechsmonatsfrist für den Auskunftsanspruch gemäß § 24 Abs. 4 AsylG, die grundsätzliche Bearbeitungsfrist des Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie, im Folgenden: RL 2013/32/EU), wonach das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht werden muss sowie die Höchstfrist des Art. 31 Abs. 5 RL 2013/32/EU von maximal 21 Monaten für die Entscheidung über ein Schutzbegehren abgelaufen, so dass die Frage, ob die Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO durch Art. 31 RL 2013/32/EU bzw. § 24 Abs. 4 AsylG modifiziert wird, offen bleiben kann.
27Vgl. hierzu VG Hannover, Urteil vom 29. Juni 2021 - 12 A 3583/21 -, juris Rn 17 ff m.w.N.
28Im Ergebnis wäre die Frage wohl zu verneinen, weil weder unionsrechtliche noch nationale Fristen für das behördliche Verwaltungsverfahren nationale prozessrechtliche Fristen modifizieren.
29Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 19/2018 Anm. 6, juris.
30b) Der Kläger hat auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Bescheidung beschränkte Untätigkeitsklage, was nicht bedeutet, dass diese Beschränkung zwingend geboten ist. Ob letzteres der Fall ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
31Wird über einen Antrag auf Vornahme eines - wie hier - rechtlich gebundenen, begünstigenden Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund nicht innerhalb angemessener Frist entschieden, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis im Regelfall nur für die auf Vornahme gerichtete Untätigkeitsklage (sog. Vornahmeuntätigkeitsklage). Denn im Bereich gebundener begünstigender Verwaltungsakte - wie hier der Gewährung von internationalem Schutz nach §§ 3 ff AsylG - folgt aus § 113 Abs. 5 VwGO in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO, dass bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist mit der Konsequenz, dass das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung beschränken darf, die im Ergebnis eine Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde zur Folge hat. Die Beschränkung auf die Bescheidungsuntätigkeitsklage ist nur dann zulässig, wenn hierfür - neben der allgemeinen, vorliegend unstreitigen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO - ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht.
32Anerkannt hat das Bundesverwaltungsgericht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die Bescheidungsuntätigkeitsklage in der Fallkonstellation, die kennzeichnet, dass ein Kläger nach Stellung seines Asylantrages nicht zu seinen Asylgründen angehört worden ist und das Bundesamt auch sonst keine aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen erkennbaren Schritte unternommen hat, um das Verfahren in irgendeiner Weise zu fördern. In einem solchen Fall rechtfertige es die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens mit der hervorgehobenen Stellung des behördlichen Verfahrens und den daran anknüpfenden Verfahrensgarantien in einer Gesamtschau, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche (reine) Bescheidungsklage anzunehmen.
33Vgl. grundsätzlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris Rn 14f; vgl. ausführlich zu den Besonderheiten des behördlichen Asylverfahrens und seinen spezifischen Verfahrensgarantien: BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 - 1 C 18/17 -, juris.
34So liegt der Fall hier. Maßgeblich ist auch insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, so dass es unerheblich bleibt, dass die Verfahrensverzögerung zu einem - im Ergebnis geringen Anteil - auch seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers verursacht wurde, der vor der für den 5. Mai 2021 terminierten Anhörung des Klägers auf einer Erklärung bestand, warum die Anhörung erforderlich sei. Jedenfalls hat der Prozessbevollmächtigte spätestens mit Schreiben vom 12. August 2021 zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger einer Ladung zur Anhörung folgen wird und die Beklagte hat im Rahmen der Klageerwiderung erklärt, dass sie das Verfahren auch im Falle einer durchgeführten Anhörung nicht für entscheidungsreif hält.
35Vorsorglich weist das Gericht zur Erforderlichkeit einer Anhörung in Drittstaatenfällen der vorliegenden Konstellation darauf hin, dass nach Auffassung des Gerichts der Asylantrag des Klägers wie ein Erstantrag zu behandeln ist und der Schutzgewährung in Griechenland keine Rechtswirkung in der Bundesrepublik Deutschland zukommt. Der Generalanwalt beim EuGH führt in seinem Schlussantrag in der Rechtssache C-483/20 insoweit aus, für den Fall, dass sich ein Mitgliedstaat mit einer Situation konfrontiert sehe, die ihn daran hindere, von der ihm in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 verliehenen Befugnis Gebrauch zu machen, habe er den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz folglich zu prüfen und zu untersuchen, ob die internationalen Schutz beantragende Person die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfülle; der Mitgliedstaat müsse den betreffenden Drittstaatsangehörigen daher wie eine Person behandeln, die erstmals internationalen Schutz beantragt, unabhängig von dem Schutz, der ihm von einem anderen Mitgliedstaat bereits gewährt worden sei; die Folgen einer solchen Situation habe der Unionsgesetzgeber im Rahmen des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsmechanismus zweifellos bedacht; solle dieser Vorschrift nicht ihre gesamte praktische Wirksamkeit genommen werden, dürfe der Umstand im Zusammenhang mit der vorherigen Zuerkennung des internationalen Schutzes durch einen ersten Mitgliedstaat im Rahmen der Sachprüfung des Antrags in keiner Weise berücksichtigt werden.
36Vgl. Schlussantrag des Generalanwalts in der Sache C-483/20, Nr. 64; vgl. allerdings auch Nr. 70, juris.
37Selbst wenn die Anhörung erfolgt wäre oder nicht erforderlich wäre, läge allerdings ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die auf Bescheidung beschränkte Untätigkeitsklage vor.
38Vgl. insoweit bereits VG Aachen, Urteil vom 17. Dezember 2021 - 5 K 1858/21 -, NRWE Rn 41ff.
39Denn auch in dieser Konstellation bestünde ein berechtigtes und schützenswertes Interesse des Klägers zunächst eine (Verwaltungs-)Entscheidung des Bundesamtes zu erhalten und diese dann - gegebenenfalls - einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen.
40Art. 46 RL 2013/32/EU setzt erkennbar voraus, dass eine behördliche Erstentscheidung ergangen ist. Entsprechend betont der Europäische Gerichtshof, dass "die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch eine Verwaltungsstelle oder eine gerichtsähnliche Behörde, die mit besonderen Mitteln und Fachpersonal ausgestattet ist, eine wesentliche Phase der mit dieser Richtlinie eingeführten gemeinsamen Verfahren ist."
41Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 -, juris Rn 116.
42Art. 12 Abs. 1 f) RL 2013/32/EU garantiert Antragstellern darüber hinaus, dass sie über die behördliche Erstentscheidung in einer Sprache unterrichtet werden, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, sofern sie nicht von einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater unterstützt oder vertreten werden.
43Ferner haben die Mitgliedstaaten nach Art. 46 Abs. 2 (1) sicherzustellen, dass von der Asylbehörde als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz anerkannte Personen ihr Recht wahrnehmen können, gegen eine Entscheidung, einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft zu betrachten, einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
44Dem zuletzt genannten Gesichtspunkt kommt vorliegend besondere Bedeutung zu, denn beim Kläger handelt es sich um einen syrischen Staatsangehörigen. Syrischen Antragstellern wird nach aktueller Entscheidungspraxis der Beklagten - vorbehaltlich des Vorliegens von Ausschlussgründen - ausnahmslos jedenfalls subsidiärer Schutz gewährt. Durch die - rechtsgrundlos (siehe hierzu unter 2.) - verweigerte Sachentscheidung der Beklagten wird dem Kläger das Recht genommen, als subsidiär Schutzberechtigter, d.h. mit einem entsprechend gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status, gegebenenfalls eine Aufstockungsklage zu erheben.
452. Die zulässige Klage ist begründet. Die Nichtbescheidung des Asylbegehrens ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf Bescheidung seines Asylantrags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
46Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegt kein zureichender Grund für die Nichtbescheidung der Asylbegehren vor. Es ist deshalb auch nicht geboten, das Verfahren gemäß § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen und der Beklagten eine Frist zur Sachentscheidung zu setzen.
47Ob ein "zureichender Grund" für die Verzögerung vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein "zureichender Grund" vorliegt, sind neben den vielfältigen Umständen, die eine verzögerte behördliche Entscheidung dem Grunde nach zu rechtfertigen geeignet sind, auch eine etwaige besondere Dringlichkeit einer Angelegenheit für den Kläger zu berücksichtigen. Zureichende Gründe sind dabei nur solche, die mit der Rechtsordnung in Einklang stehen.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 - 3 C 56/90 -, juris .
49Als mögliche zureichende Gründe für eine Verzögerung sind u.a. anerkannt worden ein besonderer Umfang und besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung oder die außergewöhnliche Belastung einer Behörde, auf die durch organisatorische Maßnahmen nicht kurzfristig reagiert werden kann.
50Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend kein zureichender Grund dafür, den Asylantrag des Klägers nicht zu bescheiden, zumal im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung seit Antragstellung zwei Jahre und vier Monate vergangen sind und somit auch die Höchstfrist des Art. 31 Abs. 5 RL 2013/32/EU für die Entscheidung über ein Schutzbegehren abgelaufen ist. Diese Frist ist als absolute Grenze für die behördliche Untätigkeit zu sehen.
51Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 19/2018 Anm. 6, juris.
52Insbesondere rechtfertigen die von der Beklagten vorgebrachten Gründe keine Nichtbescheidung des Asylbegehrens des Klägers; sie stehen nicht mit der Rechtsordnung in Einklang.
53Es ist die Aufgabe des Bundesamtes in Verfahren, in denen die Asylantragsteller bereits über einen Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat verfügen, die Lage der Rückkehrer in diesem Mitgliedstaat und eine mögliche Verletzung garantierter Rechtsgüter sorgfältig und nach aktueller Erkenntnislage zu prüfen. Allerdings muss dies innerhalb angemessener Fristen erfolgen. Insoweit ist jedenfalls das Fristenregime des Art. 31 Abs. 3 bis 6 RL 2013/32/EU zu beachten, wonach die Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht werden sollen, diese Frist ausnahmsweise in begründeten Fällen um weitere neun Monate verlängert werden darf und die Verfahren in jedem Fall innerhalb von 21 Monaten abgeschlossen sein müssen. Da vorliegend alle Fristen verstrichen sind, kann das Gericht offen lassen, ob die verlängerten Fristen überhaupt gelten, wenn die Lage in einem Mitgliedstaat - mit im Regelfall einfacheren Möglichkeiten der Sachaufklärung (vgl. Art. 49 (2) RL 2013/32/EU) - und nicht im Herkunftsstaat (vgl. Art. 31 Abs. 4 RL 2013/32/EU, der ausdrücklich eine vorübergehende ungewisse Lage im Herkunftsstaat für den Aufschub der abschließenden Prüfung voraussetzt) aufzuklären ist.
54Das Gericht teilt bereits die grundsätzliche Einschätzung des Bundesamtes nicht, dass sich die allgemeinen Lebensumstände für Personen, die - wie der Kläger - in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben und dorthin zurückkehren, auf der Grundlage der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht ausreichend beurteilen ließen. Es sei insoweit nur beispielhaft auf die zwölf Seiten umfassende Erkenntnismittelliste Griechenland des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Stand vom 29. September 2021 verwiesen (abrufbar unter:https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/site/jum2/get/documents/jum1/JuM/VGH/EML/2021/Q%204/Griechenland_Q4_2021.pdf). Soweit die Beklagte einwendet, es fehle an aktuellen Erkenntnissen und es bestünden "besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung, die sich aus der notwendigen Mitwirkung eines anderen Staates ergeben würden", hat sie dies in keiner Weise belegt. Insbesondere hat die Beklagte den mit Schriftsatz vom 19. November 2021 angekündigten Recherchebericht bislang nicht vorgelegt. Die Beklagte hatte insoweit auf die Gewinnung eigener Erkenntnisse vor Ort verwiesen. Der bundesamtseigene Verbindungsbeamte in Griechenland sei gebeten worden, weitere Recherchen vorzunehmen. Der vorbereitete Fragenkatalog umfasse Fragen zur Unterkunftssituation (u.a. Kälteisolation in Unterkünften, Situation von Obdachlosen), zum Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung, zu Integrationsangeboten (aktuelle Entwicklungen im HELIOS II-Programm) und der Situation unter Corona. Weiter hat die Beklagte auf Bemühungen der Bundesrepublik auf höchster politischer Ebene verwiesen und insoweit auf die Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 22. Juli 2021 sowie die Gemeinsame Absichtserklärung zu Bemühungen um die Integration von Personen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland (abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/07/kooperation-grc.html). Diese beziehen sich jedoch ausschließlich auf Personen mit internationalem Schutzstatus, die sich derzeit in Griechenland aufhalten und nicht auf die Rückführung von Schutzberechtigten aus Deutschland. Einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 20. Oktober 2021 zufolge wurde ausweislich eines Berichts des Bundesinnenministeriums in den ersten neun Monaten dieses Jahres lediglich ein Asylbewerber aus Deutschland in den zuständigen EU-Mitgliedstaat Griechenland überstellt bei über 7.100 Übernahme-Ersuchen (abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-seehofer-sieht-draengende-fragen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211020-99-660366). Dies spricht nicht für einen absehbaren Erfolg der Bemühungen auf diplomatischer Ebene.
55Aus dem der Kammer in einem Parallelverfahren vorgelegten Rundschreiben der Beklagten Az. 61A-7406/393-21 vom 11. Mai 2021 ergibt sich schließlich, dass für "Verfahren in der Griechenland-Ablage" eine Wiederaufnahme der Entscheidungstätigkeit seitens der Beklagten kumulativ an folgende Voraussetzungen geknüpft wird:
56"Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit eine Entscheidung getroffen werden kann:
571. Es handelt sich um
58a. einen Ausländer, dem bereits internationaler Schutz in Griechenland
59zuerkannt wurde oder
60b. das nachgereiste/nachgeborene Kind eines Ausländers, dem bereits
61internationaler Schutz in Griechenland zuerkannt wurde. Ein Dublin-
62Verfahren für das Kind konnte nicht erfolgreich durchgeführt bzw.
63abgeschlossen werden.
642. Im Verfahren wurde eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht erhoben.
653. Das Bundesamt wurde durch das Verwaltungsgericht unanfechtbar
66verpflichtet, über den Asylantrag zu entscheiden.
674. Die vom Gericht regelmäßig gesetzte Frist für den Vollzug des Urteils ist
68abgelaufen.
695. Der/Die Antragstellende hat beim Verwaltungsgericht einen Antrag gem. § 172 VwGO auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen das Bundesamt gestellt, der dem Bundesamt vom Verwaltungsgericht zugestellt wurde.
70….
71Für alle anderen Fallkonstellationen, in denen kein Antrag nach § 172 VwGO eingegangen ist, gilt weiterhin, dass keine Entscheidungen über die Asylanträge getroffen werden."
72Diese behördeninterne Anweisung verletzt offensichtlich das für das Asylverfahren geltende Beschleunigungsgebot. Nach Art. 31 Abs. 2 RL 2013/32/EU haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass das Prüfverfahren unbeschadet einer angemessenen vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird und dabei das jedenfalls auch im Interesse der Antragsteller normierte Fristenregime des Art. 31 Abs. 3 bis 6 RL 2013/32/EU zu beachten.
73Mit Blick auf den Vortrag des Bundesamtes, die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen beziehe sich nur auf Rechtsansprüche zum Zeitpunkt der Urteilsfindung, weist das Gericht auf Folgendes hin:
74Auf die Anfechtungsklage des Klägers im Verfahren 10 K 2730/19.A hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen bereits mit Urteil vom 18. Dezember 2020 den Unzulässigkeitsbescheid vom 6. September 2019 mit Ausnahme der in Satz 4 der Ziffer 3. getroffenen Feststellung, dass der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden darf, aufgehoben. Die Kammer führte im Wesentlichen aus: Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Lebensverhältnisse, die den Kläger als anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland erwarteten, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würde, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) zu erfahren. Dieses Urteil ist seit dem 23. Januar 2021 rechtskräftig.
75Im Falle einer - wie hier - erfolgreichen Anfechtungsklage wirkt sich ein rechtskräftiges Urteil in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen nicht nur auf den seinerzeit angefochtenen, sondern auch auf nachfolgende Verwaltungsakte aus. Der im Vorprozess unterlegenen Behörde - hier dem Bundesamt - ist es verwehrt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen. Diese Wirkung der Rechtskraft zugunsten des obsiegenden Klägers auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber seiner Person rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt nur dann nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12/92 -, juris, Rn 11ff.
77Eine solche Fallkonstellation ist hier vom Bundesamt nicht ansatzweise dargetan. Soweit die Beklagte ausführt, eine spätere maßgebliche Sachlagenänderung trete insbesondere ein, wenn die griechischen Behörden die Unterbringung und Versorgung des Klägers entsprechend den in Art. 3 EMRK normierten Vorgaben sicherstellen würde, bleibt festzuhalten, dass das Bundesamt nicht einmal eine entsprechende Anfrage bei den griechischen Behörden gestellt hat, vermutlich weil bekannt ist, dass eine solche Anfrage nicht positiv beantwortet werden würde.
78Nach allem ist die Beklagte zu verpflichten, das Schutzbegehren des Klägers zu bescheiden.
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Referenzen
- VwGO § 86 1x
- § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 42 2x
- 5 RL 2013/32 2x (nicht zugeordnet)
- 2 RL 2013/32 1x (nicht zugeordnet)
- 1 C 12/92 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 2x
- VwGO § 75 12x
- VwGO § 121 2x
- 31 RL 2013/32 1x (nicht zugeordnet)
- § 24 Abs. 4 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- 9 C 264/94 1x (nicht zugeordnet)
- 3 C 56/90 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 172 3x
- 4 RL 2013/32 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 68 1x
- 10 K 2730/19 3x (nicht zugeordnet)
- 46 RL 2013/32 1x (nicht zugeordnet)
- § 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 3 ff AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 K 1858/21 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 3583/21 1x (nicht zugeordnet)
- 6 RL 2013/32 2x (nicht zugeordnet)
- 1 C 18/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 C 2/71 1x (nicht zugeordnet)