Beschluss vom Verwaltungsgericht Arnsberg - 10 L 282/22
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
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G r ü n d e:
2I.
3Der am 11. Oktober 2004 geborene Antragsteller zu 3. ist Schüler der Beigeladenen und begehrt in erster Linie die Zulassung zur Externenprüfung zum Erwerb des mittleren Schulabschlusses (Fachoberschulreife) nach der Verordnung über die Externenprüfung zum Erwerb der Abschlüsse der Sekundarstufe I (PO-Externe-S I) durch die Bezirksregierung B. .
4Mit Anmeldeformular vom 17. November 2021 beantragte der Antragsteller zu 3. bei der Bezirksregierung B. die Zulassung zur o.g. Prüfung. Er erklärte u.a., dass er die Vollzeitschulpflicht gemäß § 37 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) erfüllt habe. Er sei im August 2011 eingeschult worden; die Schulpflicht sei 2021 beendet. Die sich nach dem Ende der Regelschulzeit anschließende Schulpflicht in der Sekundarstufe II (Berufsschulpflicht) nach § 38 SchulG NRW habe er nicht erfüllt. Es liege ein Sonderfall vor, da seine Schulpflicht ruhe. Hierzu hat er eine entsprechende Genehmigung des Staatlichen Schulamts I1. vom 5. Juli 2021 vorgelegt. Gleichzeitig beantragte er einen Nachteilsausgleich in Form einer Schreibzeitverlängerung von max. 30 Minuten, einer Verlängerung der Vorbereitungszeit von max. 10 Minuten, eines gesonderten Prüfungsraums sowie der Nutzung eines Laptops. Dazu reichte er die ärztliche Stellungnahme der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 14. Oktober 2021 ein, die als Diagnosen eine „Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung“ sowie „Autismus-atypisch“ ausweisen.
5Am 17. März 2022 teilte die Bezirksregierung B. den Antragstellern mit, dass die Zulassung zur Externenprüfung aufgrund eines Erlasses des Ministeriums für Schule und Bildung für Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz außerhalb von Nordrhein-Westfalen als Ausnahme vom eigentlichen Wohnortprinzip des § 5 Abs. 1 Satz 1 PO-Externe-S I letztmalig in diesem Jahr erfolge, sofern die übrigen Zulassungsvoraussetzungen vorlägen. Wegen der vielen Anträge komme eine Bearbeitung nur durch eine einzige Bezirksregierung aber nicht in Betracht. Die Verteilung der Anträge erfolge nach einem Verteilschlüssel, der durch das Ministerium für Schule und Bildung vorgegeben sei und sich an dem Herkunftsbundesland des Bewerbers bzw. der Bewerberin orientiere. Der Antrag des Antragstellers zu 3.) sei an die Bezirksregierung L. weitergeleitet worden, die nach der Vorgabe des Ministeriums für Schule und Bildung für Antragsteller aus C. -X. zuständig sei.
6Am 25. März 2022 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass sich ein Rechtsanspruch der Antragsteller auf Zulassung zur Prüfung in B. aus § 5 Abs. 1 S. 2 PO-Externe-S I, § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW), der E-Mail des Antragsgegners vom 22. November 2021 und Aspekten des Vertrauensschutzes ergäbe.
7Die Antragsteller und die Beigeladene beantragen – sinngemäß –,
8dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, den Antragsteller zu 3. zur Teilnahme an der Externenprüfung zum Erwerb des mittleren Schulabschlusses (Fachoberschulreife) zuzulassen,
9hilfsweise,
10dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, die Externenprüfung mit dem Antragsteller zu 3. „im Sprengel“ der Bezirksregierung B. durchzuführen,
11weiter hilfsweise,
12dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, den Antrag des Antragstellers zu 3. auf Zulassung zur Teilnahme an der Externenprüfung zum Erwerb des mittleren Schulabschlusses durch die Bezirksregierung B. bescheiden zu lassen.
13Der Antragsgegner beantragt,
14die Anträge abzulehnen.
15Er wiederholt und vertieft das Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, die Antragsteller könnten eine Zulassung zur Externenprüfung für den Antragsteller zu 3.) nicht im Regierungsbezirk der Bezirksregierung B. beanspruchen. Die Bezirksregierung B. sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 PO-Externe-S I für die Externenprüfung derjenigen zuständig, die ihren Wohnsitz im Regierungsbezirk B. haben. In dem diesjährigen Prüfungsdurchgang werde bei allen angemeldeten Prüflingen letztmalig von dem Wohnortprinzip des § 5 Abs. 1 PO-Externe-S I abgewichen. Im Übrigen sei die Beigeladene auch keine Ergänzungsschule.
16Im Erörterungstermin der Kammer vom 4. April 2022 hat der Bevollmächtigte der Antragsteller und der Beigeladenen mitgeteilt, dass inzwischen sämtliche Schüler der Beigeladenen von den jeweiligen Bezirksregierungen zur Externenprüfung zugelassen worden seien.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
18II.
19Die Anträge der Antragsteller haben keinen Erfolg.
20Dies gilt zunächst für den Hauptantrag. Dieser ist bereits unzulässig. Den Antragstellern fehlt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Zulassung zur Externenprüfung, nachdem der Antragsteller zu 3. inzwischen von der Bezirksregierung L. zur Externenprüfung zugelassen wurde. Inwieweit ihm eine weitere Zulassung durch eine andere Bezirksregierung einen rechtlichen Vorteil bringen sollte, ist für die Kammer nicht ersichtlich.
21Soweit der Vertreter der Antragsteller sowie die Beigeladene im Erörterungstermin klargestellt haben, dass für sämtliche Schüler der Beigeladenen die Zulassung durch die Bezirksregierung B. wesentlich sei, weil nur dann organisatorisch gewährleistet werden könne, dass diese durch ihre Lehrer zur Prüfung begleitet werden könnten, führt dies nicht zur Zulässigkeit des Antrags. Insoweit ist der Antrag nämlich allein auf eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerichtet, weil die Antragsteller im Kern eine – im Hinblick auf das Schreiben des Ministeriums vom 16. März 2022 – neue Zuständigkeitsregelung begehren.
22Gemäß § 44a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
23Behördliche Verfahrenshandlungen i.S.d. § 44a Satz 1 VwGO sind – ungeachtet dessen, ob sie als Verwaltungsakt zu qualifizieren sind – behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen. Der Ausschluss selbstständiger Rechtsbehelfe beschränkt sich grundsätzlich auf solche behördliche Maßnahmen, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen.
24Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Dezember 2019 – 20 BV 18.2642 –, Rn. 4 f., juris.
25Bei einer verfassungskonformen Auslegung sind von dieser Regelung außerdem solche Verfahrenshandlungen auszuschließen, bei denen ein Rechtsbehelf zusammen mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung zu spät käme und dadurch ein Recht des Betroffenen vereitelt oder wesentlich erschwert würde, das über das bloße Recht auf Einhaltung des Verfahrens hinausgeht bzw. die einen rechtlichen Nachteil zur Folge haben, der sich in einem die abschließende Entscheidung betreffenden Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lässt.
26Vgl. Stelkens/Schenk, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 41. Lieferung (Juli 2021), § 44a VwGO Rn. 30 m.w.N.
27§ 44a VwGO ist auch bei Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes anwendbar.
28Vgl. Stelkens/Schenk, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 41. Lieferung (Juli 2021), § 44a VwGO Rn. 19 m.w.N.; VG Berlin, Beschluss vom 09. November 2017 – 12 L 444.17 –, juris.
29Die „Zuständigkeitsbestimmung“ durch das Ministerium für Schule und Bildung im Erlass vom 16. März 2022 ist eine solche behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO. Sie schließt das Verwaltungsverfahren nicht ab, sondern bestimmt die für die Bearbeitung der Zulassung zuständige Bezirksregierung.
30Es ist auch nicht erkennbar, dass der Rechtsschutz gegen die Sachentscheidung zu spät käme und dadurch ein Recht der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Diese begehren die Zuständigkeit der Bezirksregierung B. , um eine einheitliche Prüfung aller Prüflinge „an einem Ort“ zu erreichen. Hintergrund ist augenscheinlich der Wunsch, dass die Prüflinge von den ihnen bekannten Lehrern der Beigeladenen begleitet werden. Unterdessen ist dem Antrag auf Nachteilsausgleich, den der Antragsteller zu 3. gestellt hat, nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller überhaupt von einem Lehrer / einer Lehrerin begleitet werden müsste. Außerdem ist nicht erkennbar, dass die Bezirksregierung L. einen entsprechenden Nachteilsausgleich – einen Anspruch vorausgesetzt – nicht gewähren würde. Alle Bezirksregierungen sind an die Vorgaben des § 22 PO-Externe-S I gebunden.
31Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit des Hauptantrags ist dieser auch unbegründet.
32Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn sich das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
33Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
34Anspruchsgrundlage für die Zulassung zur Externenprüfung ist entgegen der Ansicht der Beteiligten nicht § 5 PO-Externe-S I, der die „Anmeldung zur Prüfung“ regelt, sondern § 6 PO-Externe-S I („Zulassung“).
35Danach kann zur Prüfung nur zugelassen werden, wer den erstrebten Abschluss nicht besitzt und
36- 37
1. sowohl die Vollzeitschulpflicht nach § 37 des Schulgesetzes NRW vom 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Juni 2014 (GV. NRW S. 336) geändert worden ist, als auch die Schulpflicht in der Sekundarstufe II nach § 38 des Schulgesetzes NRW erfüllt hat oder
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2. Schülerin oder Schüler einer anerkannten Ergänzungsschule gemäß § 118 des Schulgesetzes NRW ist oder
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3. an einem Berufskolleg einen Ausbildungsgang besucht, in dem man den gewünschten Abschluss nicht erwerben kann oder
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4. zwingende persönliche oder gesundheitliche Gründe geltend macht, die eine Ausnahme zur Anmeldung während der Schulpflicht rechtfertigen.
Absatz 2 sieht vor, dass Bewerberinnen oder Bewerber gemäß Absatz 1 Nr. 2 oder Bewerberinnen und Bewerber in einer Maßnahme nach § 37 Abs. 2 Satz 2 des Schulgesetzes auch dann zur Externenprüfung zugelassen werden dürfen, wenn sie oder er bei Meldeschluss die für den erstrebten Abschluss erforderliche Regelschulzeit in der Sekundarstufe I um nicht mehr als sechs Monate unterschreitet. Das Prüfungszeugnis wird in diesem Fall erst zum Entlassungstermin der öffentlichen Schule ausgehändigt.
45Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller zu 3. nicht. Aus dem Anmeldeformular ergibt sich, dass er die Schulpflicht nach § 38 SchulG NRW nicht erfüllt hat. Er ist – unabhängig von der Frage, ob die Beigeladene eine Ergänzungsschule ist – jedenfalls nicht Schüler einer anerkannten Ergänzungsschule. Auch die Voraussetzungen von Nr. 4, das Vorliegen eines zwingenden persönlichen oder gesundheitlichen Grundes, der eine Ausnahme zur Anmeldung während der Schulpflicht rechtfertigt, liegen nicht vor. Eine Ausnahme „während der Schulpflicht“ kommt hier nämlich nicht in Betracht. Denn der Begriff der Schulpflicht bezieht sich auf die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 PO-Externe-S I genannte Schulpflicht nach § 37 und § 38 SchulG NRW, mithin die Schulpflicht in Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen ist der Antragsteller zu 3. aber nicht schulpflichtig – unabhängig davon, dass seine Schulpflicht in seinem Herkunftsbundesland ruht.
46Ein Anordnungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 2 PO-Externe-S I, wie es die Antragssteller geltend machen. Diese Regelung regelt allein das Verfahren der Meldung zur Prüfung. Dafür spricht bereits der Wortlaut, insbesondere die gewählte Überschrift, und außerdem der systematische Vergleich mit § 6 PO-Externe-S I, welcher die konkrete Zulassung zur Externenprüfung regelt.
47Unabhängig davon liegen auch die Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 2 PO-Externe-S I nicht vor. Nach § 5 Abs. 1 PO-Externe-S I richten Bewerberinnen und Bewerber einen schriftlichen Antrag an die für ihren Wohnort zuständige Bezirksregierung (Satz 1). Bewerberinnen und Bewerber, die bis zum Prüfungstermin Schülerinnen und Schüler einer Ergänzungsschule sind, können den Antrag auch an die Bezirksregierung richten, in deren Bezirk die Schule ihren Sitz hat, oder die Schule ermächtigen, dort den Antrag für sie zu stellen (Satz 2). Meldeschluss für die Prüfung ist der 1. Februar (Satz 3).
48Einen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen hat der Antragsteller zu 3. nicht. Folglich gibt es auch keine für seinen Wohnort zuständige Bezirksregierung.
49Er besucht auch keine Ergänzungsschule im Sinne der Vorschrift. Ergänzungsschulen sind nach § 116 Abs. SchulG NRW Schulen in freier Trägerschaft, die keine Ersatzschulen sind. Abzugrenzen sind sie (u.a.) zu freien Unterrichtseinrichtungen im Sinne von § 119 SchulG NRW.
50Die Beigeladene ist keine Ergänzungsschule im Sinne des SchulG NRW, und zwar unabhängig von der Frage, ob Fernunterricht unter den Schulbegriff fällt. Nach § 2 Abs. 1 SchulG NRW unterrichtet und erzieht die Schule junge Menschen auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Landesverfassung. Sie verwirklicht die in Artikel 7 der Landesverfassung bestimmten allgemeinen Bildungs- und Erziehungsziele.
51Den neben dem Bildungsauftrag erforderlichen Erziehungsauftrag erfüllt die Beigeladene nicht. Der erzieherische Aspekt schließt zwingend eine Förderung sozialer Kompetenzen und damit eine Interaktion der Schüler untereinander mit ein.
52Einen solchen - im Wesentlichen - erzieherischen Effekt kann das gemeinsame Schulleben, das aus objektivierten Perspektive eines Schülers, nicht vom Standpunkt eines Schulträgers aus zu bestimmen ist, nur erreichen, wenn es einen für die erzieherische Prägung des Schülers geeigneten Umfang erreicht. Leben umfasst eine Vielgestaltigkeit des Zusammentreffens und -wirkens in dem Sinne, dass die Schülerinnen und Schüler untereinander und mit den Lehrkräften in verschiedenen Situationen und Konstellationen, nicht allein in Unterrichtseinheiten aufeinander treffen. Dies erfordert einen nennenswerten zeitlichen Umfang, den der Schüler im Rahmen der Schule verbringen muss.
53Vgl. VG Cottbus, Urteil vom 20. Juli 2012 - 1 K 801/10 -, juris, Rn. 24.
54Dies ist bei der Beigelanden gerade nicht der Fall. Anders als „normale“ Schulen ist sie – wie schon dem Namen zu entnehmen ist – auf einen Individualunterricht ausgelegt. Eine direkte Kommunikation der Schüler untereinander ist nicht vorgesehen bzw. nur sehr eingeschränkt überhaupt möglich und findet hauptsächlich (wohl eher: ausschließlich) online statt. Soziale Kompetenzen im Umgang mit anderen Menschen dürften daher kaum vermittelt werden.
55So heißt es auf der Internetseite der X1. -J. :
56„Per Videotelefonie und in Einzelbeschulung werdet ihr in allen relevanten Fächern (aktuell: Mathematik, Deutsch und Englisch sowie Biologie, Geschichte, Erdkunde und Gesellschaftslehre) unterrichtet und könnt darüber hinaus eigene Interessen und Fähigkeiten einbringen.“
57Vgl. https://X2. .de/informationen-schueler.php
58In der von der Beigeladenen eingereichten (an das Schulministerium gerichteten) Präsentation heißt es:
59„Wir nutzen Videotelefonie, Chat, E-Mail oder Post für die Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler – abhängig von der Situation und den Wünschen des Schülers.“
60Soweit anklingt, dass heute ein anderes Begriffsverständnis geboten ist (in Anspielung auf die Corona-Pandemie), ist zu berücksichtigen, dass es sich insofern um eine Ausnahmesituation handelt(e) und alle Beteiligten eine schnelle Rückkehr in den Präsenzunterricht verfolgt haben bzw. verfolgen.
61Ergänzend wird auf das Schreiben der Bezirksregierung B. vom 24. November 2020 verwiesen, mit welchem festgestellt worden ist, dass es sich bei der Beigeladenen nicht um eine Ergänzungsschule, sondern um eine freie Unterrichtseinrichtung nach § 119 SchulG NRW handelt. An dieser Einschätzung dürfte auch die (erneute) Anzeige des Betriebs als Ergänzungsschule im Schreiben vom 22. Dezember 2021 nichts ändern, weil es nach dem Gesetz allein auf die Erfüllung der skizzierten Voraussetzungen für eine Ergänzungsschule ankommt. Die in § 116 Abs. 2 SchulG NRW vorgeschriebene Anzeigepflicht dient (lediglich) der Information der Behörde, die erst durch die Anzeige in die Lage versetzt wird, den Betrieb zu untersagen oder andere geeignete Anordnungen zu treffen (§ 117 SchulG NRW).
62Ein Anspruch der Antragsteller ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG NRW. Denn § 5 Abs. 1 PO-Externe-S I enthält eine speziellere, abschließende Zuständigkeitsbestimmung, sodass § 1 Abs. 1 VwVfG NRW die Anwendung von § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG NRW ausschließt („soweit nicht Rechtsvorschriften des Landes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.“).
63Die Antragsteller können ihren geltend gemachten Hauptantrag auch nicht aus einer Zusicherung herleiten, die sich aus einer E-Mail vom 22. November 2021 ergeben soll. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Schriftform (§ 38 VwVfG NRW).
64Nach dem Vortrag der Antragsteller enthält diese E-Mail die folgende Aussage:
65„Im Übergangsverfahren 2022 werden wir neben den im Regierungsbezirk B. wohnhaften Prüflingen auch jene aus den Bundesländern C. -X. , C1. , T. und T. -B1. zulassen.“
66Zunächst ist diese E-Mail ist an die Beigeladene gerichtet. Ob die Antragsteller dementsprechend auf die dort getätigte Aussage vertrauen durften, erscheint fraglich.
67Jedenfalls erfüllt die E-Mail mangels Schriftform die Voraussetzungen an eine Zusicherung nicht. Soweit die Antragsteller meinen, dass die Schriftform (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) durch die elektronische Form gemäß § 3a VwVfG NRW ersetzt worden ist, ist dies nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen von § 3a VwVfG NRW vorliegen (möglich ist etwa die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur). Hierfür ist nichts vorgetragen oder erkennbar.
68Auch der erste Hilfsantrag ist unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage für die Durchführung der Externenprüfung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung B. ist von den Antragstellern weder benannt noch sonst ersichtlich. Sollte eine Prüfung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung B. begehrt werden und damit die Bewilligung eines Nachteilsausgleichs in Form einer Begleitung des Antragstellers zu 3. gemeint sein, ist ein Nachteilsausgleich für eine „Begleitperson“ jedenfalls weder beantragt noch mithilfe des vorgelegten Attests ansatzweise glaubhaft gemacht.
69Der weitere Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Antrag auf Neubescheidung über den Antrag auf Zulassung zur Externenprüfung durch die Bezirksregierung B. ist bereits unzulässig, weil den Antragstellern das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Nachdem der Antragsteller zu 3. bereits von der Bezirksregierung L. zur Externenprüfung zugelassen wurde, ist ein rechtlicher Vorteil der begehrten (Neu-)Bescheidung gegenüber einer bestehenden Zulassung nicht ersichtlich.
70Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 13. April 2022 dieselben Anträge gestellt wie die Antragsteller und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
71Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Eine Halbierung des Streitwerts kommt im Hinblick auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.
72Dr. H1. N1. I2.
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Referenzen
- VwVfG § 3a Elektronische Kommunikation 2x
- § 116 Abs. 2 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- § 38 SchulG 2x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 3 Örtliche Zuständigkeit 2x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- VwGO § 159 1x
- § 117 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- § 119 SchulG 2x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 38 Zusicherung 2x
- VwGO § 154 2x
- VwGO § 123 2x
- VwVfG § 1 Anwendungsbereich 1x
- § 116 Abs. SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 44a 6x
- 1 K 801/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 1 SchulG 1x (nicht zugeordnet)