Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 7 K 2868/12
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung ihrer Ordnungsverfügung vom 23. Februar 2012 verpflichtet, die Wirkung der Abschiebung der Klägerin bis zum 9. Februar 2014 zu befristen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je die Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 0.0.1949 in E geborene Klägerin ist kosovarische Staatsangehörige und wendet sich gegen die ihrer Auffassung nach zu lange Befristung der Wirkungen ihrer Abschiebung.
3Sie reiste 1999 mit ihrem Ehemann O und ihrem Sohn T (geb. 0.0.1982) in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nachfolgend: Bundesamt) mit Bescheid vom 27. Juni 2000 als offensichtlich unbegründet ablehnte und feststellte, dass die Voraussetzungen des früheren § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich und Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG nicht vorliegen. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg (Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2000 – 15 L 1420/00.A – und Urteil vom 3. Mai 2002 – 15 K 3920/00.A –, rechtskräftig am 12. Juni 2002).
4In der Folgezeit wurden die drei Personen wegen der Erkrankung und Pflegebedürftigkeit des O und wegen Erkrankung der Klägerin in der Bundesrepublik geduldet. Im Oktober 2004 verstarb O.
5Einen im November 2005 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Klägerin und ihres Sohnes gemäß § 25 Abs. 4 bzw. Abs. 5 AufenthG (humanitäre Gründe) lehnte die Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 10. Januar 2007 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde zunächst nicht beschieden.
6Am 18. Januar 2007 sollten die Klägerin und ihr Sohn T abgeschoben werden. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen hiergegen gerichteten Eilantrag der Klägerin und des T mit Beschluss vom 17. Januar 2007 – 7 L 66/07 – abgelehnt und u.a. ausgeführt, ein Bleiberecht stehe beiden Personen auch deshalb nicht zu, weil sie straffällig geworden seien. Die Klägerin sei durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts E1 vom 25. August 2003 wegen wiederholten Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt worden sei. T sei durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts N vom 30. November 2005 wegen wiederholten Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Soweit die Klägerin an einer generalisierten Angststörung leide und von ihrem Sohn unterstützt werden müsse, rechtfertige dies die Aussetzung der Abschiebung nicht. Letztlich fand die für Januar 2007 vorgesehene Abschiebung nicht statt, weil aufgrund einer Sprachanalyse Zweifel an der Staatsangehörigkeit der Klägerin (Albanerin?) bestanden. Im Folgenden wurden sie und ihr Sohn geduldet, weil die Beschaffung der Passersatzpapiere langwierig war.
7Den im Dezember 2007 erneut gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sowie den im August 2008 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG (Altfallregelung) wertete die Beklagte als nachgeschobene Begründungen des gegen die Ordnungsverfügung vom 10. Januar 2007 anhängigen Widerspruchsverfahrens.
8Zu einer für den 11. Dezember 2008 vorgesehenen Abschiebung erschienen die Klägerin und ihr Sohn nicht; Ermittlungen ergaben, dass sie sich nicht mehr unter der der Ausländerbehörde bekannten Adresse aufhielten. Sie wurden daraufhin zur Fahndung ausgeschrieben und am 21. Dezember 2009 in N1 in Polizeigewahrsam und sodann in Abschiebehaft genommen.
9Am 9. Februar 2010 wurden sie in den Kosovo abgeschoben.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2010 wies die Bezirksregierung E2 den Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Januar 2007 zurück. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, § 25 Abs. 4 AufenthG könne für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis schon deshalb nicht herangezogen werden, weil er nicht für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer gelte. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 komme nicht in Betracht, da sich die Klägerin zum maßgeblichen Stichtag nicht seit acht Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten und sich zudem strafbar gemacht habe. § 104a AufenthG greife nicht ein, weil sie die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorsätzlich hinausgezögert und behindert habe; zudem stehe auch hier ihre strafrechtliche Verurteilung entgegen. Die Voraussetzungen des Art. 8 EMRK könnten nicht festgestellt werden, da die Klägerin keine feste Arbeit gehabt habe und untergetaucht sei; besondere Integrationsleistungen seien nicht ersichtlich.
11Die Klägerin und ihr Sohn beantragten mit Schriftsatz vom 22. April 2010 die Befristung der Einreisesperre. Sie hätten die Absicht, das Grab des O in E1 zu besuchen.
12Daraufhin verlangte die Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 2010 von der Klägerin die Abschiebungskosten in Höhe von 5.025, 83 Euro sowie eine Bearbeitungsgebühr von 30 Euro und stellte eine Entscheidung über den Befristungsantrag in einem gesonderten Bescheid in Aussicht.
13Mit Verfügung vom 11. August 2010 befristete die Beklagte die Wirkungen ihrer Abschiebung auf drei Jahre bis zum 9. Februar 2013; die Befristung trete jedoch nur dann ein, wenn die Kosten der Abschiebung bis zu diesem Zeitpunkt beglichen seien. Andernfalls blieben die Wirkungen der Abschiebung unbefristet. Bei Bemessung der Frist sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwischenzeitlich untergetaucht gewesen sei und in Abschiebehaft gesessen habe. Hiergegen erhob die Klägerin im September 2010 Klage (7 K 6100/10) vor dem erkennenden Gericht, mit der sie die auflösende Bedingung der vorherigen Zahlung der Abschiebekosten rügte. Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an und erteilte einen entsprechenden Hinweis, worauf die Beklagte die angegriffene Befristungsentscheidung aufhob. Das Klageverfahren wurde von den Beteiligten für erledigt erklärt. Zuvor hatte die Beklagte darauf hingewiesen, die Frist habe nach der Verwaltungspraxis nicht auf drei, sondern auf vier Jahre festgesetzt werden müssen; es sei versehentlich ein falscher Vordruck verwandt worden.
14Nach Anhörung der Klägerin befristete die Beklagte mit neuer Verfügung vom 23. Februar 2012 die Wirkungen der Abschiebung auf fünf Jahre bis zum 9. Februar 2015; insoweit behielt sie sich den Widerruf der Entscheidung vor für den Fall, dass sich durch das Verhalten der Klägerin Gründe ergäben, welche die Bestimmung einer längeren Frist rechtfertigten. Gleichzeitig setzte sie eine Gebühr von 30 Euro fest und forderte die Klägerin zudem auf, die Abschiebekosten von 5.025, 83 Euro zu begleichen. Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG würden die Wirkungen der Abschiebung auf Antrag befristet. Im Fall der Klägerin lägen keine Umstände vor, die eine Befristung von über fünf Jahren rechtfertigten. Die Bemessung der Frist richte sich nach der in E1 gängigen Verwaltungspraxis. Es sei berücksichtigt worden, dass die Klägerin die Abschiebekosten noch nicht beglichen habe. Diesem Umstand sei ein hoher Stellenwert beizumessen. Gründe, die eine kürzere Frist rechtfertigten, seien nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Die Forderung der Abschiebekosten richte sich nach §§ 66 und 67 AufenthG.
15Die Klägerin hat am 22. März 2012 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Befristung der Wirkungen der Abschiebung bis zum 9. Februar 2013 begehrt. Zur Begründung führt sie aus: Die erneute Befristungsentscheidung habe zu einer Fristverlängerung um zwei Jahre geführt. Dabei sei ausdrücklich berücksichtigt worden, dass die Abschiebungskosten noch nicht beglichen worden seien. Mit dieser Argumentation sei die Beklagte im Vorprozess unterlegen. Überdies sei es widersprüchlich, sich bei der Fristbemessung auf die Verwaltungspraxis zu stützen, weil mit derselben Begründung die Frist im Vorprozess kürzer bemessen worden sei. Jedenfalls beanspruche sie, die Klägerin, Vertrauensschutz; die Frist dürfe allenfalls drei Jahre betragen, wobei die Nichtzahlung der Abschiebekosten nicht zu berücksichtigen sei.
16Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
17die Beklagte unter Abänderung ihrer Ordnungsverfügung vom 23. Februar 2012 zu verpflichten, die Wirkung der Abschiebung der Klägerin bis zum 9. Februar 2013 zu befristen.
18Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
19die Klage abzuweisen.
20Sie verweist auf die gegenüber dem Vorprozess geänderte Fassung des § 11 AufenthG, die zur Aufhebung der ersten Ordnungsverfügung geführt habe. Unter Berücksichtigung der nicht beglichenen Abschiebekosten sei die Frist nunmehr auf fünf Jahre festgesetzt worden. Falls die Klägerin die Kosten vorher begleiche, könne sie das Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragen; die Befristung werde dann unter Berücksichtigung der aktuellen Sachlage und der aktuellen Verwaltungspraxis auf einen Tag nach Bekanntgabe der neu zu fertigenden Ordnungsverfügung festgesetzt. Hierbei handele es sich nicht um eine verbindliche Zusage auf eine bestimmte Verkürzung, sondern nur um eine Verfahrenszusage. Die Verfügung sei nicht mehr an eine Bedingung geknüpft. Gleichwohl werde ein Weg aufgezeigt, eine Verkürzung der Frist zu erreichen.
21Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Juli 2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
22Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Entscheidung konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) durch den Berichterstatter als Einzelrichter (vgl. § 6 Abs. 1 VwGO) ergehen.
26Die Klage hat zum Teil Erfolg.
27Die Befristung der Wirkungen der Abschiebung ist insoweit rechtswidrig, als sie über den 9. Februar 2014 hinausgeht. In diesem Umfang ist die Klägerin auch in ihren Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
28Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verkürzung der Frist auf vier Jahre, mithin bis zum 9. Februar 2014.
29Wird ein Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben, darf er gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten; ihm wird ein Aufenthaltstitel auch dann nicht erteilt, wenn dessen Voraussetzungen ansonsten vorliegen. Diese Wirkungen sind auf Antrag zu befristen. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise.
30Zur Bemessung einer derartigen Frist hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem eine Ausweisung betreffenden Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 14/12 - (JURIS) ausgeführt:
31Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von 10 Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).
32Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen
33Das Gericht folgt diesen auf eine Ausweisung bezogenen Ausführungen und wendet sie entsprechend auch auf die Bemessung einer nach einer bloßen Abschiebung festgesetzten Frist an. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Zweck der Abschiebung eines Ausländers mit dem der Ausweisung nicht identisch ist. Wenn auch beide dazu dienen, den Aufenthalt des Ausländers im Inland zu beenden, setzt eine Abschiebung nicht zwingend eine Ausweisung voraus. Mit der Abschiebung soll die Durchführung der Aufenthaltsbeendigung durchgesetzt werden, weil deren freiwillige Erfüllung nicht sichergestellt oder deren Überwachung im öffentlichen Interesse geboten ist.
34Vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand August 2012, Rn. 44 zu § 11 AufenthG.
35Damit dient sie der Durchsetzung der Beachtung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Grundsätze, insbesondere also der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung des Ausländers.
36Vgl. Oberhäuser in Hofmann/Hoffmann, Handkommentar zum Ausländerrecht, 2008, Rn. 20 zu § 11 AufenthG, zur Rechtslage nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F.
37Damit hat sich der Zweck einer Abschiebung grundsätzlich mit deren Durchführung erfüllt. Eine weitere Aufrechterhaltung der Wirkungen der Abschiebung ist in der Regel nicht geboten, so dass eine kurze Befristung grundsätzlich ausreichend ist.
38Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 25. September 2012 – Au 1 K 12.653 –, juris.
39Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich der Ausländer – wie hier die Klägerin – der Ausreiseverpflichtung durch Untertauchen entzogen hat. In einem solchen Fall spricht Einiges dafür, dass er sich im Fall einer weiteren Einreise erneut der Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung entziehen und damit zusätzlichen Verwaltungsaufwand und weitere Kosten für eine erneute Abschiebung verursachen wird. Dies rechtfertigt es, ihn länger dem Bundesgebiet fernzuhalten und die Frist des § 11 Abs. 1 AufenthG nicht nur für einen kurzen Zeitraum festzusetzen.
40Einfluss auf die Bemessung der Frist hat ferner das Verhalten des Ausländers nach der Abschiebung. Dabei ist neben der Frage, ob er in der Zeit seit seiner Abschiebung das aus der Abschiebung resultierende Einreiseverbot beachtet hat,
41vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. April 2013 – 10 C 12.1757 -, juris,
42auch zu berücksichtigen, ob er die bisher angefallenen Abschiebungskosten bezahlt hat. Der Zweck des Aufenthaltsgesetzes allgemein und damit der des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG umfasst unter anderem den Schutz der finanziellen Belange der Bundesrepublik Deutschland oder des jeweiligen Bundeslandes. Es widerspricht in der Regel dem öffentlichen Interesse, dass die Kosten der Abschiebung der zuständigen Behörde zur Last fallen. Von daher liegt es nahe, bei der Prüfung der Frage, ob ein abgeschobener Ausländer weiterhin vom Bundesgebiet fernzuhalten ist, auch zu berücksichtigen, ob er die Abschiebungskosten nachträglich beglichen hat oder begleichen will.
43Vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 2010 – 5 So 160/10 –, juris; auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 8 PA 98/13 –, juris; hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 18. April 2011 – 18 E 1238/10 –, www.nrwe.de.
44Hiervon kann bei der Klägerin keine Rede sein. Im Gegenteil verfolgt sie auch im Klageverfahren weiterhin das Ziel, die Zahlung der Abschiebekosten nicht mit der Festsetzung der Frist des § 11 Abs. 1 AufenthG zu verknüpfen, was nur den Schluss zulässt, dass keinerlei Zahlungsabsichten bestehen. Dass sie nach Rückkehr in den Kosovo in keiner Weise wirtschaftlich leistungsfähig ist und ihr insbesondere auch Ratenzahlungen nicht möglich sind, hat sie nicht vorgetragen. Zur Wahrung auch der fiskalischen Belange der Bundesrepublik ist es daher gerechtfertigt, die Frist länger zu bemessen, um den Zahlungsdruck auf die Klägerin damit aufrecht zu erhalten. Dies ist nicht zu beanstanden, weil sie jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von der Beklagten festgesetzten Frist stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Tatsachen – etwa durch Zahlung der Abschiebekosten – nachträglich ändern sollten, wie schon § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zeigt.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 1 C 13.12 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. Juni 2013, a.a.O.
46Soweit die Klägerin einer Berücksichtigung der unterbliebenen Zahlung von Abschiebekosten mit dem Einwand entgegentritt, mit dieser Argumentation sei die Beklagte schon im Vorprozess 7 K 6100/10 unterlegen, verkennt sie die mittlerweile andere Situation. Im Vorprozess hatte die Beklagte die Zahlung von Abschiebekosten noch zur aufschiebenden Bedingung gemacht und ausdrücklich ausgeführt, „dass die Wirkungen der Abschiebung unbefristet bleiben, wenn Sie die Kosten nicht spätestens am letzten Tag der Frist bezahlen.“ Das führte dazu, dass die Wirkungen der Abschiebung u.U. gar nicht befristet worden wären, zumindest aber ein Befristungszeitpunkt nicht bestimmbar war. Die Abschiebungskosten betragen vorliegend über 5.000 €. Einen Betrag in dieser Größenordnung wird die Klägerin voraussichtlich nicht ohne Weiteres aufbringen können. Der Zeitpunkt des Eintritts der Befristungswirkung wurde bei dieser Sachlage auf unbestimmte Zeit hinaus geschoben. Im vorliegenden Klageverfahren hingegen liegt der Fall anders. Der Lauf der Frist beginnt hier in jedem Fall mit der Ausreise. Die Wirkungen der Abschiebung werden auch zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet und die Wiedereinreise bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen möglich sein. Zwar wird die Länge der Frist durch den Zahlungsverzug zu Ungunsten der Klägerin beeinflusst, doch weiß sie genau, wann die Wirkungen der Abschiebung nicht mehr gelten und kann sich darauf einstellen.
47Zusammenfassend folgt aus dem Vorstehenden, dass zwar einerseits der Zweck einer Abschiebung mit deren Durchführung erfüllt ist, es aber wegen des Untertauchens der Klägerin aus Gründen der Spezialprävention erforderlich ist, sie länger vom Bundesgebiet fernzuhalten, um ihr damit vor Augen zu führen, dass sie sich einer Ausreiseverpflichtung nicht zu entziehen hat. Außerdem wirkt sich zu ihren Lasten die fehlende Zahlungsbereitschaft hinsichtlich der Abschiebungskosten aus, um den Zahlungsdruck über einen gewissen Zeitraum aufrecht zu erhalten. Nach alledem ist eine Frist von vier Jahren geboten, aber auch ausreichend, um diesen Zielsetzungen zu genügen.
48Anhaltspunkte, die eine Verkürzung dieser Frist rechtfertigen könnten, sind demgegenüber nicht erkennbar. Die Klägerin hat im Bundesgebiet keine Verwandten. Sie hat sich trotz ihres langjährigen Aufenthalts hier nicht integriert, weil sie bis zuletzt noch immer kein Deutsch sprach, keine erkennbare Kontakte zu deutschen Staatsangehörigen geknüpft hat und keiner Erwerbstätigkeit nachging. Im Gegenteil zeigt der Umstand, dass sie mehrfach durch Ladendiebstähle straffällig wurde, dass sie von einer gelungenen Integration weit entfernt war.
49Die Einwände der Klägerin führen zu keiner anderen Entscheidung. Insbesondere kann sie sich wegen der zwar bedingten, aber kürzeren Befristungsentscheidung der Beklagten in der Ordnungsverfügung vom 11. August 2010 nicht mit Erfolg auf das Vorliegen von Vertrauensschutz berufen, weil diese Verfügung auf richterlichen Hinweis im Einklang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW aufgehoben wurde. Überdies ist nicht erkennbar, dass die Klägerin überhaupt schützenswertes Vertrauen entwickelt hätte. Schutzwürdig ist von Verfassungs wegen nur das betätigte Vertrauen, das zu einer Rechtsposition geführt hat; auch muss der Vertrauensschaden hinreichend gewichtig sein.
50Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 – 1 BvR 724/81 u.a. -, BVerfGE 75, 246; Beschluss vom 28. September 2007 – 2 BvL 5/05 u.a. -, www.bverfg.de/entscheidungen.
51Vorliegend ist schon nicht erkennbar, dass die Klägerin mit Blick auf eine nach dem 9. Februar 2013 mögliche Wiedereinreise Dispositionen irgendwelcher Art getroffen hat, die sie nun nicht weiter verfolgen kann. Dem steht schon entgegen, dass die Verfügung vom 11. August 2010 unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung der Abschiebekosten stand und die – zahlungsunwillige – Klägerin daher nicht mit einer Einreisemöglichkeit nach dem 9. Februar 2013 rechnen konnte. Erst recht ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass sie einen gewichtigen Vertrauensschaden erlitten hat.
52Soweit die Klägerin eine Verkürzung der Frist über den 9. Februar 2014 hinaus auf den 9. Februar 2013 beantragt hat, ist die Klage abzuweisen. Die Begründung ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen: Eine weitere Verkürzung würde den beschriebenen Zwecken nicht mehr gerecht.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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